L 1 KR 420/20

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 44 KR 809/18
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 420/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Teilurteil
Leitsätze

Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass nach § 47 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 bis 5 SGB V das Krankengeld selbst bei hohen Einmalzahlungen durch das ohne deren Berücksichtigung berechnete laufende Nettoarbeitsentgelt limitiert ist. Dies gilt auch dann, wenn der Versicherte allein wegen der hohen Einmalzahlungen die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreitet und deshalb Höchstbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zahlt.

Bemerkung

Begrenzung des Krankengeldes durch das laufende Nettoarbeitsentgelt

      1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. Juli 2020 wird zurückgewiesen.
      2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
      3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger für die Zeit vom 30.12.2017 bis zum 28.02.2018 gewährten Krankengeldes.

 

Der 1976 geborene, abhängig beschäftigte Kläger war bei der Beklagten wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze freiwillig gesetzlich krankenversichert. Seit dem 23.11.2017 war er arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 30.01.2018 gewährte ihm die Beklagte Krankengeld ab dem 30.12.2017 i. H. v. kalendertäglich 86,59 € brutto. Dabei legte die Beklagte ihrer Berechnung die ihr von der Arbeitgeberin des Klägers gemeldeten Beträge der Monate August bis Oktober 2017 zugrunde:

vereinbartes Gehalt               brutto 3.761,00 €, netto 2.551,26 €,

Oktober 2017                         brutto 3.788,90 €, netto 2.570,14 €,

September 2017                    brutto 3.799,49 €, netto 2.577,25 €,

August 2017                           brutto 3.901,15 €, netto 2.645,70 €,

Mitgeteilt wurden ferner Einmalzahlungen der letzten 12 Monate i. H. v. 6.856,62 € sowie eine Entgeltumwandlung i. H. v. 512,32 €. Auf dieser Grundlage ermittelte die Beklagte ein um Einmalzahlungen bereinigtes kalendertägliches Regelentgelt (brutto) i. H. v. 127,66 €, ein (Einmalzahlungen anteilig berücksichtigendes) kumuliertes Regelentgelt (brutto) i. H. v. von 145,29 €, ein (Einmalzahlungen nicht berücksichtigendes) kalendertägliches Nettoarbeitsentgelt i. H v. 86,59 € sowie ein (Einmalzahlungen anteilig berücksichtigendes) kumuliertes Nettoarbeitsentgelt i. H. v. 96,98 €. Das Brutto-Krankengeld betrage den niedrigsten Wert bezogen auf 70 % des kumulierten Regelentgelts (101,70 €), 90 % des kumulierten Nettoarbeitsentgelts (87,28 €) bzw. 100 % des Einmalzahlungen nicht berücksichtigenden Nettoarbeitsentgelts (86,59 €), vorliegend mithin 86,59 €. Ferner legte die Beklagte die Berechnung des Netto-Krankengeldes (76,09 €) dar.

 

Den Bescheid vom 30.01.2018 griff der Kläger mit seinem Widerspruch vom 27.02.2018 an. Zutreffend sei die Berechnung des Bruttokrankengeldes insoweit, als aufgrund der Beitragsbemessungsgrenze das maßgebliche Bruttomonatseinkommen mit 4.350,00 € angesetzt werde, was einem Regelentgelt von 145,00 € täglich entspreche. Allerdings handele es sich bei den angesetzten weiteren Zahlungen i. H. v. 6.856,62 € nicht um eine Einmalzahlung, sondern um normales Entgelt, das aufgrund der Tätigkeit als Versicherungsvertreter nur gebündelt ausgezahlt werde. Eine Einmalzahlung wie beispielsweise Weihnachts- oder Urlaubsgeld stelle diese Zahlung nicht dar. Dieser Betrag sei bis zur Beitragsbemessungsgrenze auf das monatliche Nettoeinkommen anzurechnen und daher ein höheres kalendertägliches Nettoarbeitsentgelt zu errechnen. Ausweislich der Gehaltsabrechnungen von April 2017 (die einen Betrag i. H. v. brutto 9.812,31 € für „Abrechnung var. Vergütung“ ausweist) und April 2018 handele es sich bei dem streitigen Betrag um die Abrechnung einer variablen Vergütung. Zur Akte reichte der Kläger die Zielvereinbarung für das Jahr 2018.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Zahlung über 6.856,62 € stelle eine Einmalzahlung dar, die bei der Krankengeldberechnung mit einem Teilbetrag von 19,05 € kalendertäglich berücksichtigt worden sei. Die Krankengeldberechnung erfolge auf Basis der durch die Arbeitgeberin des Versicherten übermittelten Entgeltdaten. Die maschinelle Entgeltbescheinigung der Arbeitgeberin vom 12.01.2018 weise die Zahlung i. H. v. 6.856,62 € als beitragspflichtige Einmalzahlung aus. Bei Unklarheiten zur gemeldeten Einmalzahlung müsse er (der Kläger) sich zur Klärung an seine Arbeitgeberin wenden, um ggf. eine Korrektur der maschinellen Entgeltbescheinigung zu erreichen.

 

Hiergegen hat der Kläger am 05.10.2018 Klage zum Sozialgericht (SG) Dresden erhoben. Die variable Vergütung stelle keine Einmalzahlung dar, die Vergütung erfolge regelmäßig, wobei er keinen Einfluss auf die Auszahlungsmodalitäten durch die Arbeitgeberin habe. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte die variable Vergütung für die Beitragsberechnung heranziehe, nicht aber für die Berechnung des Krankengeldes. Es bestehe ein Ungleichgewicht zwischen Beiträgen und Leistungen. Zur Akte gereicht hat er Entgeltabrechnungen sowie mit seiner Arbeitgeberin getroffene Entgeltvereinbarungen, wonach monatlich ein Krankenversicherungsbeitrag auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze i. H. v. jeweils 696,00 € abgeführt wurde, auch wenn im jeweiligen Monat ein Bruttoentgelt i. H. v. 4.350,00 € (monatliche Beitragsbemessungsgrenze) nicht erreicht wurde. In Monaten mit zusätzlichen (Einmal-) Zahlungen wurden diese Beträge insoweit als zur Krankenversicherung beitragspflichtig berechnet, wie zum Erreichen der Beitragsbemessungsgrenze bis zum jeweiligen Monat notwendig war, ohne dass sich eine Änderung der monatlichen Beitragszahlung ergab; u. a. wurde in der Entgeltabrechnung vom 11.04.2017 der Bruttobetrag „Abrechnung var. Vergütung“ i. H. v. 9.812,31 € nur im Umfang von 3.548,58 € als beitragspflichtig in der KV angesetzt.

 

Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Auffassung festgehalten, dass es sich bei dem Betrag i. H. v. 6.856,62 € um eine Einmalzahlung handele und dezidiert die Berechnung des im Fall des Klägers auf 86,59 € bezifferten Bruttokrankengeldes dargelegt. Der Kläger sei in der Zeit vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2018 freiwillig versichert gewesen, da er in diesen Jahren die Jahresarbeitsentgeltgrenzen überschritten und daher Versicherungsfreiheit bestanden habe. Die Beiträge seien in dieser Zeit aus der Beitragsbemessungsgrenze erhoben worden und vom Arbeitgeber jeweils überwiesen worden.

 

Mit Urteil vom 14.07.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Entgegen der Berechnung durch die Beklagte sei die Krankengeldberechnung nicht auf der Grundlage der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zu berechnen, sondern die gesetzliche Regelung von § 47 Abs. 1, 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) heranzuziehen. Danach ergebe sich ein zu berücksichtigendes Regelentgelt i. H. v. 145,00 € einschließlich des als Einmalzahlung zu qualifizierenden Betrages, wobei der kalendertägliche Betrag i. H. v. 145,00 € aus der Beitragsbemessungsgrenze von 4.350,00 € resultiere. Das Krankengeld betrage 70 % des Regelentgelts, mithin 101,50 € pro Tag, aber gedeckelt auf 90 % des Nettoentgelts des der Arbeitsunfähigkeit vorangegangenen Monats einerseits (einschließlich des Hinzurechnungsbetrages wegen der Einmalzahlung 98,94 €) bzw. 100 % des Nettolohns ohne den Hinzurechnungsbetrag, mithin 84,94 € kalendertäglich ausgehend von einem Nettolohn i. H. v. 2.548,17 €. Dabei bleibe die Einmalzahlung von April ohne Ansatz. Anderenfalls würde dem Sinn und Zweck des Krankengeldes als kurzfristige Lohnersatzleistung widersprochen werden, da der Versicherte durch das Krankengeld nicht bessergestellt werden dürfe, als er ohne die Arbeitsunfähigkeit stünde.

 

Gegen das dem Kläger am 20.07.2020 zugestellte Urteil hat dieser am 20.08.2020 Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Die Begrenzung auf 100 % des Nettolohns des streitentscheidenden Monats sei nicht zulässig, wie sich aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.02.2006 – B 1 KR 11/05 R – ergebe. Das Krankengeld sei aus dem Regelentgelt i. H. v. 101,50 € auf der Grundlage der Entgeltabrechnung Oktober 2017 zu berechnen bzw. ausgehend von den vom SG herangezogenen Beträgen aus 98,94 €. Zu beachten sei auch, dass seine Sonderzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gekürzt werde, da er dann die vereinbarten Ziele nicht erreichen würde. Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger im Hinblick auf Zahlungen in den Gehaltsabrechnungen vom 12.06.2017 ("Prov.-Wettbewerb") und vom 13.11.2017 ("SZ tarifl. Vers. Nov.") i. H. v. 2.000,00 € bzw. 2.176,80 € ausgeführt, dass die Zahlung über 2.000,00 € auf einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 06.04.2017 beruhe, in dem „in Anerkennung Ihrer Leistungen“ das Grundgehalt ab 01.05.2017 um 50,00 € erhöht wurde und er „zusätzlich … eine Einmalzahlung in Höhe von 2.000,00 EUR“ erhielt. Bei der Zahlung "SZ tarifliche Vers. November" handele es sich um das 14. Gehalt (Weihnachtsgeld), welches in der Höhe unternehmensabhängig (Umsatz/Gewinn) gezahlt werde, jedoch summenmäßig begrenzt, berechnet auf das monatliche Bruttogehalt. Wegen betrieblicher Übung lägen hierfür keine vertraglichen Regelungen vor.

 

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger herausgestellt, dass sich ein höherer Krankengeldanspruch aus den bei ihm bestehenden Besonderheiten der Entgeltgestaltung ableiten müsse. Da sein Jahreseinkommen die Beitragsbemessungsgrenze überstiegen habe und er deswegen freiwillig krankenversichert gewesen sei, habe sein Arbeitgeber monatlich den auf der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze berechneten Beitrag zur Krankenversicherung abgeführt. Da das Übersteigen der Beitragsbemessungsgrenze aber aus Einmalzahlungen (insbesondere aufgrund der jeweiligen Zielvereinbarung) resultierte, das regelmäßige monatliche Bruttoentgelt aber deutlich unter der Beitragsbemessungsgrenze läge, treffe ihn die gesetzliche Regelung besonders nachteilig. Aufgrund der Begrenzung des Krankengeldes auf den Nettobetrag falle bei ihm besonders ins Gewicht, dass die Differenz zwischen Brutto- und Nettoeinkommen deswegen besonders hoch sei, weil trotz des regelmäßig unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegenden Bruttoentgelts Beiträge zur Krankenversicherung monatlich in voller Höhe auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze abgeführt würden. Sein ohnehin niedriges Nettoentgelt – und damit das Krankengeld – werde dadurch weiter reduziert, obwohl er andererseits Höchstbeiträge zur Krankenversicherung zahle.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14. Juli 2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2018 Krankengeld i. H. v. 70 % des Regelentgelts gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V, mindestens aber i. H. v. 90 % des bei entsprechender Anwendung des Abs. 2 berechneten Nettoarbeitsentgelts gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu gewähren.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Das Urteil des SG sei zutreffend. Die vom Kläger angeführte Entscheidung des BSG vom 21.02.2006 könne nicht zum Erfolg der Berufung führen. Zwar sei danach eine Begrenzung des Krankengeldes auf 100 v. H. des zuletzt gezahlten laufenden Nettoarbeitsentgelts nur zulässig, wenn sich die Einmalzahlungen zu mehr als einem Drittel aus Vergütungsbestandteilen zusammensetzten, die der Arbeitgeber im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf Fehltage kürzen oder gänzlich verweigern dürfe. Dies sei vorliegend aber nicht gegeben, da sich die Krankengeldzahlung für das laufende Jahr unter Berücksichtigung der Sonderzahlung bemesse, die der Kläger aufgrund der Erreichung von Unternehmenszielen aus dem Vorjahr erhalten habe. Eine Kürzung der Sonderzahlung für das laufende Jahr könne nicht mehr erfolgen. Sofern die Ziele im laufenden Jahr nicht erreicht würden, habe dies lediglich Auswirkungen für das zukünftige Jahr. Zudem würde eine eventuelle Kürzung der Sonderzahlung nicht aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf Fehlzeiten erfolgen, sondern wäre allein dadurch begründet, dass die vom Unternehmen vorgegebenen Ziele nicht erreicht würden. Die Unternehmensziele könnten aber auch unabhängig von den durch die Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten erreicht werden.

 

Dem Senat lagen die Gerichtsakte beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die form- sowie fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige (die Beschwer liegt bei einem Krankengeldanspruch für 61 Tage und einem auf der Grundlage von 101,50 € statt 86,59 € [brutto] zu berechnenden Krankengeldes bei mehr als 750,00 €) Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 30.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.09.2018 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein höherer Krankengeldanspruch ergibt sich weder aus den gesetzlichen Regelungen in § 47 SGB V (1), noch aus der Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung von Einmalzahlungen (2) noch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten aufgrund der vom Kläger dargelegten erheblichen Differenz zwischen Brutto- und Nettoeinkommen (3).

 

1. Das vom Kläger beanspruchte Krankengeld hat seine rechtliche Grundlage in § 47 SGB V. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V beträgt das Krankengeld 70 v. H. des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf aber nach § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB V 90 v. H. des bei entsprechender Anwendung des Abs. 2 berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Zudem darf das nach Satz 1 bis 3 berechnete kalendertägliche Krankengeld gemäß § 47 Abs. 1 Satz 4 SGB V das sich aus dem Arbeitsentgelt nach Absatz 2 Satz 1 bis 5 ergebende kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Für die Berechnung des Krankengeldes ist nach den gesetzlichen Vorgaben in § 47 Abs. 2 SGB V in einem ersten Schritt von dem im maßgeblichen Bemessungszeitraum abgerechneten Arbeitsentgelt zunächst einmalig gezahltes Arbeitsentgelt abzuziehen (Satz 1). Wird das Arbeitsentgelt – wie vorliegend – als festes monatliches Entgelt gezahlt, so ist das um Einmalzahlungen bereinigte Regelentgelt durch 30 zu teilen (Satz 3). Dies ergibt das kalendertägliche, um Einmalzahlungen bereinigte Regelentgelt. Zur Einbeziehung von Einmalzahlungen verlangt § 47 Abs. 2 Satz 6 SGB V in einem zweiten Schritt der Krankengeld-Berechnung, dass der dreihundertsechzigste Teil des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts, das in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit nach § 23a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) der Beitragsberechnung zu Grunde gelegen hat, ermittelt und – in einem dritten Schritt – zu dem nach § 47 Abs. 2 Satz 1 bis 5 SGB V berechneten (laufenden) Arbeitsentgelt hinzugerechnet wird. Die Summe dieser Teilbeträge ergibt das sog. kumulierte kalendertägliche Regelentgelt.

 

Ausgehend von diesen gesetzlichen Grundlagen hat der Kläger einen Anspruch auf ein tägliches Krankengeld (brutto) in Höhe von 85,67 €.

 

Wegen der im November 2017 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit ist der (zu diesem Zeitpunkt bereits abgerechnete) Entgeltabrechnungszeitraum Oktober 2017 maßgeblich. Eine Berechnung auf der Grundlage von § 47 Abs. 3 SGB V i. V. m. den Satzungsbestimmungen der Beklagten scheidet aus, da hierfür eine „nicht kontinuierliche Arbeitsverrichtung und -vergütung“ erforderlich ist. Dabei ist auf die äußere Form der Arbeitsverrichtung abzustellen. Maßgebend ist, ob sich längere Perioden der Arbeitsverrichtung und der Arbeitsfreistellung abwechseln, wie es z. B. bei dem vom Gesetzgeber genannten Jobsharing der Fall sein kann, ob die Arbeit nur an bestimmten Tagen oder nur saisonal zu verrichten ist, um einen besonderen Arbeitsanfall zu erledigen (z. B. zum Monatsende bei starkem Kundenandrang, allgemein "auf Abruf"). Entscheidend ist, dass sich Zeiten der tatsächlichen Beschäftigung und der tatsächlichen Nichtbeschäftigung abwechseln (vgl. für alles BSG, Urteil vom 30.06.2009 – B 2 U 1/08 R – juris Rn. 22). Im Fall des Klägers sind keine Umstände erkennbar, aus denen sich eine solche nicht kontinuierliche Arbeitsverrichtung ergeben könnte.

 

Der Kläger hatte ausgehend von den von ihm zur Akte gereichten Entgeltunterlagen im Jahr 2017 folgende regelmäßige Einnahmen:

  • monatliches Gehalt seit der Entgeltabrechnung

vom 13.07.2021 gleichbleibend i. H. v.                                            2.721,00 €

  • monatliche Vorauszahlung auf die variable Vergütung i. H. v.        1.000,00 €
  • vermögenswirksame Leistungen (Arbeitgeberanteil) i. H. v.              40,00 €
  • Provisionen in unterschiedlicher Höhe
  • Telefonpauschale (unregelmäßig) i. H. v.                                           15,00 €

Laut der Abrechnung für Oktober 2017 vom 13.11.2017 bezog der Kläger Provisionen i. H. v. insgesamt 12,90 €, woraus sich insgesamt ein (regelmäßiges) Bruttoentgelt i. H. v. 3.788,90 € sowie ein (um Einmalzahlungen bereinigtes) kalendertägliches Regelentgelt (brutto) i. H. v. 126,30 € errechnet.

 

Zusätzlich erhielt der Kläger in diesem Monat eine Sonderzahlung „SZ tarifl. Vers. Nov.“ i. H. v. 2.176,80 €, von der ein Betrag i. H. v. 1.776,80 € als KV/PV-beitragspflichtig angegeben wurde. Zudem ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen folgende weitere Sonderzahlungen:

  • Abrechnung April 2017: „Abrechnung var. Vergütung“ i. H. v.        9.812,31 €

(davon berücksichtigt für „KV/PV-Brutto, EZ“: 3.548,58 €)

  • Abrechnung Juni 2017: „Prov.-Wettbewerb“ i. H. v.                        2.000,00 €

(davon berücksichtigt für „KV/PV-Brutto, EZ“: 1.849,74 €)

In der Abrechnung vom 13.11.2017 wurde als Jahressumme für „KV/PV-Brutto, EZ“ ein Betrag i. H. v. 7.136,62 € ausgewiesen.

 

Die in den Gehaltsabrechnungen von April 2017, Juni 2017 und Oktober 2017 angegebenen Einmalzahlungen sind jeweils als solche zu bewerten. Es handelt sich um eine abgerechnete variable Vergütung und zwei weitere Sonderzahlungen. Nach § 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Zuwendungen einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, wenn sie dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Insoweit ist nicht der Zeitpunkt der Auszahlung maßgebend, sondern es kommt entscheidend darauf an, ob das gezahlte Entgelt Vergütung für die in einem einzelnen, d. h. bestimmten Abrechnungszeitraum geleistete Arbeit ist. Ein – auch in mehreren Etappen ausgezahltes – variables Entgelt stellt einmalig gezahltes Arbeitsentgelt dar, wenn im Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsansprüche die Zahlungen als Arbeitsentgelt einem konkreten Entgeltabrechnungszeitraum weder im Hinblick auf den Umfang noch die Art einer Arbeitsleistung zugeordnet werden können (vgl. für alles BSG, Urteil vom 03.06.2009 – B 12 R 12/07 R – juris Rn. 16 m. w. N.).

 

Die vom Kläger bezogene variable Vergütung hat ihre Grundlage in der jährlich mit der Arbeitgeberin geschlossenen Zielvereinbarung. Nach der zur Akte gereichten Zielvereinbarung für das Kalenderjahr 2017 erhielt der Kläger neben seiner arbeitsvertraglich vereinbarten Grundvergütung eine variable Vergütung abhängig von der Erfüllung verschiedener Ziele. Der von der Arbeitgeberin zu zahlende Mindestbetrag belief sich danach auf 12.000,00 €, bei Zielerfüllung von 100 % waren 24.000,00 € zu zahlen, maximal waren 36.000,00 € erreichbar. Der zu zahlende Mindestbetrag wurde in 12 monatlichen Raten zu je 1.000,00 € ausgezahlt und sowohl von der Arbeitgeberin als auch von der Beklagten als laufendes monatliches Entgelt angesehen (diese Handhabung bestätigend: Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. [Stand: 22.12.2021], § 23a Rn. 40 unter Verweis auf die Niederschrift der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zu Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 26./27.05.2004, TOP 6. S. 15, www.aok.de/fk/fileadmin/user_upload/sv/besprechungsergebnisse/2004/

2004-05-2627-fragen-des-gemeinsamen-beitragseinzugs-kv-pv-rv-alv.pdf [abgerufen am 22.12.2021]). Im Hinblick auf den darüberhinausgehenden und im April 2017 zur Auszahlung gebrachten Betrag handelt es sich – entgegen der Ansicht des Klägers – um eine Einmalzahlung i. S. v. § 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV, weil im Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsansprüche die Zahlungen als Arbeitsentgelt einem konkreten Entgeltabrechnungszeitraum weder im Hinblick auf den Umfang noch die Art einer Arbeitsleistung zugeordnet werden können. Ausweislich der Zielvereinbarung sind für die Bewertung der Zielkomponenten „Neugeschäft“, „Produktivität“ und „Individual“ die zum Stichtag 31.12. des Vorjahres vorhandenen Daten im Vertriebsinformationssystem als maßgebend vereinbart, sodass das gesamte Kalenderjahr, nicht aber einzelne Abschnitte darin, die Höhe der variablen Vergütung bestimmen. Selbst ein in Etappen ausgezahltes variables Entgelt teilt insoweit (gerade) nicht das beitragsrechtliche Schicksal von Provisionen, sondern ist wie ein – in mehreren Zahlungen erbrachter – Jahresbonus zu bewerten, der als typischer Anwendungsfall einmalig gezahlten Arbeitsentgelts anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 03.06.2009 – B 12 R 12/07 R – juris Rn. 13 ff., 18 m. w. N.).

 

Die im Juni 2017 als Einmalzahlung ausgewiesene Zahlung „Prov.-Wettbewerb“ stellt ebenfalls eine Einmalzahlung dar. Ausweislich des vom Kläger zur Akte gereichten Nachtrags zum Arbeitsvertrag zahlte die Arbeitgeberin zusätzlich zu einer laufenden Erhöhung des monatlichen Gehalts ab Mai 2017 eine „Einmalzahlung in Höhe von 2.000,00 EUR“. Angesichts dieser Bezeichnung und mangels anderer Gründe für diese Zahlung verbleibt für die Annahme, dass es sich (entsprechend des Buchungsvermerks auf der Entgeltabrechnung) um eine Provisionszahlung handeln könnte – die selbst dann als laufendes Arbeitsentgelt anzusehen wäre, wenn sie nicht regelmäßig mit der Lohnabrechnung für den Entgeltabrechnungszeitraum, dem sie zuzuordnen ist, gezahlt wird (Pietrek in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl. [Stand: 22.12.2021], § 23a Rn. 46) – kein Raum. Vielmehr wurden die zusätzlichen Zahlungen „in Anerkennung Ihrer Leistungen“ vorgenommen. Ein Bezug zu einem konkreten Abrechnungszeitraum erschließt sich hieraus nicht.

 

Auch die Zahlung im November 2017 über 2.176,80 € („SZ tarifl. Vers. Nov.“) stellt eine Einmalzahlung dar. Der Kläger hat diese Zahlung als „14. Gehalt (Weihnachtsgeld)“ bezeichnet, das aufgrund betrieblicher Übung gezahlt werde. Eine solche Zahlung stellt den typischen Fall einer Einmalzahlung dar.

 

Da die vom Kläger in Bezug genommenen Zahlungen rechtlich als Einmalzahlungen zu qualifizieren sind, fehlt für die Argumentation des Klägers, dass Teile dieser Zahlungen dem laufenden Nettoentgelt hinzuzurechnen sind, die gesetzliche Grundlage. Vielmehr ergeben sich ausgehend von den von der Arbeitgeberin des Klägers im Verwaltungsverfahren für den Monat Oktober 2017 übermittelten Daten folgende Werte (Berechnung in Anlehnung an den Berechnungsweg des BSG, Urteil vom 21.02.2006 – B 1 KR 11/05 R – juris Rn. 13 ff.):

 

1.1. Das kumulierte kalendertägliche Regelentgelt (brutto) beträgt (126,30 € + 19,05 € - 1,42 € =) 143,93 € und ergibt sich aus der Summe des bereinigten Regelentgelts (brutto) für Oktober 2017 i. H. v. 126,30 €, dem kalendertäglichen Hinzurechnungsbetrag für (von der Arbeitgeberin gemeldete) Brutto-Einmalzahlungen von November 2016 bis Oktober 2017 (6.856,62 € : 360 = 19,05 €) sowie dem Abzug eines kalendertäglichen Betrages des beitragsfreien Entgeltumwandlungsbetrags (vgl. Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V, § 47 Rn. 148; vorliegend 512,32 € : 360 = 1,42 €). Das Krankengeld beträgt im Regelfall 70 v. H. des kumulierten Regelentgelts, woraus sich vorliegend ein Betrag i. H. v. (143,93 € x 70 v. H. =) 100,75 € ergibt.

 

1.2. Nach § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB V darf das Krankengeld allerdings 90 v. H. des bei entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 2 SGB V berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Auch die Berechnung des kalendertäglichen kumulierten Nettoarbeitsentgelts ist in mehreren Schritten vorzunehmen (zu den Einzelheiten der Berechnung: BSG, Urteil vom 21.02.2006 – B 1 KR 11/05 R – juris Rn. 18 ff.) und beträgt basierend auf einem um Einmalzahlungen bereinigten kalendertäglichen Nettoentgelt im Oktober 2017 (2.570,14 € : 30 = 85,67 €) und unter Kumulation der rechnerisch zu ermittelnden Netto-Einmalzahlungsbeträge (12,92 € bzw. - 0,96 €) kalendertäglich 97,63 €. Davon darf das Krankengeld 90 v. H., also 87,87 €, nicht übersteigen.

 

1.3. Nach der gemäß § 47 Abs. 1 Satz 4 SGB V erforderlichen weiteren Vergleichsberechnung darf das nach Satz 1 bis 3 berechnete kalendertägliche Krankengeld das sich aus dem Arbeitsentgelt nach § 47 Abs. 2 Satz 1 bis 5 SGB V ergebende kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Für den vorliegenden Fall resultiert daraus eine Beschränkung des zu gewährenden kalendertäglichen Krankengeldes auf 85,67 €, da das kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt geringer ist als 90 v. H. des kumulierten (also die Einmalzahlungen berücksichtigenden) kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts.

 

2. Ein Verzicht auf die zweite Vergleichsberechnung (Beschränkung des Krankengeldes auf das um Einmalzahlungen bereinigte kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt) folgt nicht aus der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 21.02.2006 – B 1 KR 11/05 R – juris Rn 26). Danach ist diese Vergleichsberechnung nur dann durchzuführen, wenn ein Arbeitnehmer wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit seinen arbeitsrechtlichen Anspruch auf die Sonderzuwendung (Einmalzahlung) zu mehr als einem Drittel verliert. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde (BSG, a. a. O., Rn 24 ff.):

„a) In der Gesetzesbegründung (vgl aaO BT-Drucks 14/4371 S 16) hierzu wird ausgeführt: ‚Um sicherzustellen, dass der Krankengeldbezieher gegenüber anderen Arbeitnehmern keinen Vorteil erlangt, darf das so errechnete Krankengeld das Nettoarbeitsentgelt ohne Berücksichtigung von Einmalzahlungen im Referenzzeitraum von vier Wochen bzw. einem Monat vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht übersteigen‘. Diese Begrenzung folge aus der Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53, 71 f = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 21 f), in der es heißt: Allerdings darf durch die Berechnung der laufenden Lohnersatzleistungen nicht die wirtschaftliche Situation des Versicherten verzerrt oder dieser gar besser gestellt werden, als er ohne Eintritt des Versicherungsfalles stünde.

Ist die Berechnung des Krg unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen vorzunehmen, so kommt eine Begrenzung des Krg auf 100 vH des zuletzt aus laufendem Arbeitsentgelt erzielten Nettoarbeitsentgelts nur dann in Betracht, wenn sich die Einmalzahlungen ganz überwiegend, nämlich zu zwei Dritteln oder mehr, aus Vergütungsbestandteilen zusammensetzen, die der Arbeitgeber im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf Fehltage allenfalls kürzen, aber nicht gänzlich verweigern darf. Da dem Versicherten die Einmalzahlungen des Arbeitgebers in einem solchen Fall jedenfalls zum Teil neben dem Krg zufließen und dieses auch nicht zum Ruhen bringen (vgl § 49 Abs 1 Nr 1 2. Halbsatz SGB V), ist die Begrenzung des Krg verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. In anderen Fällen bedarf es dagegen verfassungskonformer Auslegung des § 47 Abs 1 Satz 3 SGB V.

b) Das BVerfG hat es in seinem Beschluss vom 11. Januar 1995 als unvereinbar mit Art 3 Abs 1 GG angesehen, wenn Versicherte, die im Hinblick auf Einmalzahlungen ganz oder zum Teil der Beitragspflicht unterliegen, hinsichtlich kurzfristiger Entgeltersatzleistungen aus diesem Entgelt keine Leistungen erhalten, während Versicherte, die lediglich aus laufendem Arbeitsentgelt Beiträge zahlen, voll in den Genuss entsprechender Leistungen gelangen. Zwar sei es von Verfassungs wegen auch bei der Bemessung kurzfristiger Entgeltersatzleistungen nicht geboten, dass eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistungen erzielt wird. Für unterschiedliche Leistungen an Versicherte mit gleicher Beitragsbelastung müsse aber ein hinreichender sachlicher Grund bestehen (vgl BVerfGE 92, 53, 71 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 21). Belasse es der Gesetzgeber dabei, die Höhe der jeweiligen Entgeltersatzleistung grundsätzlich an den beitragspflichtigen Arbeitsentgelten zu orientieren, so müssten alle beitragspflichtigen Arbeitsentgelte berücksichtigt werden. Dies gelte unabhängig davon, wie der Gesetzgeber das konkrete Sicherungsziel bestimmte. Dieses Ziel könne der Erhalt des Lebensstandards auf der Grundlage der Entgelte aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis sein, aber auch der des Lebensstandards entsprechend einem eventuell neuen Arbeitsverhältnis, wenn Versicherungsfall der Eintritt der Arbeitslosigkeit sei oder wenn das bisherige Arbeitsverhältnis nach Eintritt eines anderen Versicherungsfalls beendet werde. Solange die Bemessung der Entgeltersatzleistung nicht in einer ganz unbedeutenden Weise durch das bisherige beitragspflichtige Arbeitsentgelt mitbestimmt werde, müssten alle Arbeitsentgeltbestandteile, die der Beitragspflicht unterworfen werden, einen grundsätzlich gleichen Erfolgswert haben. Der Erfolgswert von beitragspflichtigem einmalig gezahltem Arbeitsentgelt müsse zwar nicht zwingend im Rahmen des Berechnungsfaktors gesichert werden, nach dem die sonstigen beitragspflichtigen Arbeitsentgelte bei der Bemessung berücksichtigt werden. Der gesetzgeberische Gestaltungsraum lasse hier verschiedene Regelungsmöglichkeiten zu. Entscheidend sei aber, dass die vom Gesetzgeber gewählte Lösung das beitragspflichtige einmalig gezahlte Arbeitsentgelt im Ergebnis berücksichtigte, sodass Versicherte mit einem gleich hohen beitragspflichtigen Arbeitsentgelt auch mit einer gleich hohen Entgeltersatzleistung rechnen könnten, wenn sich ihre Situation nur dadurch unterscheide, dass einige von ihnen mehr, andere weniger und wieder andere überhaupt kein einmalig gezahltes Arbeitsentgelt erhielten (BVerfGE 102, 127, 144 = SozR 3-2400 § 23a Nr 1 S 5).

Das Gebot der Wahrung des gleichen Erfolgswertes von Beiträgen aus laufend sowie aus einmalig gezahltem Arbeitsentgelt steht allerdings in einem Spannungsverhältnis zur Forderung des BVerfG, durch die Berechnung laufender Entgeltersatzleistungen weder die wirtschaftliche Situation des Versicherten zu verzerren noch diesen gar besser zu stellen, als er ohne den Eintritt des Versicherungsfalles stünde (vgl BVerfGE 92, 53, 71 f = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 21 f). Letzteres wäre der Fall, wenn der Versicherte trotz krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sowohl einen Anspruch auf Krg aus einem kumulierten pauschalierten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelt hätte als auch seinen (arbeitsrechtlichen) Anspruch auf Gewährung der Einmalzahlungen weitgehend behielte. In diesem Fall träte durch die Kumulation verbleibender krankheitsunabhängig zustehender Einmalzahlungsansprüche mit dem ‚hohen‘ Krg-Anspruch eine Übersicherung ein.

Eine solche Situation besteht regelmäßig dann, wenn vertraglich vereinbarte oder vom Arbeitgeber ohne Rechtspflicht gewährte Einmalzahlungen in den Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit arbeitsrechtlich voll gezahlt werden müssen oder wegen fehlender Arbeitsleistung allenfalls gekürzt werden dürfen. In solchen Fällen erhält der Arbeitnehmer nämlich zusätzlich zum Krg noch Arbeitsentgelt in Form von Einmalzahlungen. Insoweit hält der erkennende Senat die Begrenzung des Krg auf 100 vH des letzten laufenden Nettoarbeitsentgelts bei gewährten beitragspflichtigen Einmalzahlungen für verfassungsrechtlich unbedenklich.

c) Der erkennende Senat zieht aus den Vorgaben der genannten Einmalzahlungsentscheidungen des BVerfG sowie aus den arbeitsrechtlichen Rechtsgrundsätzen zu Sondervergütungen folgenden Schluss:

… wenn … der Arbeitnehmer … wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit seinen arbeitsrechtlichen Anspruch auf die Sonderzuwendung (Einmalzahlung) zu mehr als einem Drittel verliert … besteht nicht die Gefahr, dass der Versicherte durch eine Kumulation von Krg und gleichwohl gewährten Sonderzuwendungen einen wirtschaftlichen Vorteil erhält, sodass er besser steht als ohne Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. In solchen Fällen muss der Forderung des BVerfG zum Durchbruch verholfen werden, dass den in einem laufenden Beschäftigungsverhältnis gezahlten Beiträgen aus einmalig und aus laufend gezahltem Arbeitsentgelt (zumindest annähernd) gleicher Erfolgswert zukommt. Dies ist nur dann in ausreichendem Maße gewährleistet, wenn in derartigen Konstellationen das Krg nicht auf das zuletzt nur aus laufend gezahltem Arbeitsentgelt erzielte Nettoarbeitsentgelt begrenzt ist. Vielmehr muss es dann im Wege verfassungskonformer Reduktion des § 47 Abs 1 Satz 4 SGB V bei der Begrenzung des Krg gemäß § 47 Abs 1 Satz 2 SGB V auf 90 vH des durch Addition des tatsächlichen kalendertäglichen laufenden Nettoarbeitsentgelts mit den pauschalierten kalendertäglichen Netto-Einmalzahlungen ermittelten kumulierten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelts verbleiben.“

 

In Anwendung dieser Erwägungen stehen hier der Anwendung von § 47 Abs. 1 Satz 4 SGB V keine sich aus dem Einzelfall ergebenden Aspekte entgegen. Ausgehend von den bei der Beitragsbemessung berücksichtigten Einmalzahlungen im April 2017 (beitragspflichtiger Betrag i. H. v. 3.548,58 €), im Juni 2017 (1.849,74 €) und für Oktober 2017 (1.776,80 €) stehen nachgehende Kürzungen dieser Zahlungen wegen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab November 2017 nicht im Raum.

 

Bezogen auf die variable Vergütung folgt dies daraus, dass der Zeitpunkt für deren Bewertung bereits in der Vergangenheit liegt und wegen einer aktuellen Arbeitsunfähigkeit an den für die Höhe der variablen Vergütung maßgeblichen Kriterien keine Änderung mehr eintritt. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass die aktuelle Arbeitsunfähigkeit Auswirkungen auf die Zielerfüllung im laufenden Jahr und damit auf die Einkommensentwicklung im Folgejahr haben kann, ändert dies nichts an der bei der Berechnung des Krankengeldes zu berücksichtigenden bereits abgerechneten Einmalzahlung. Mittelbare zukünftige Auswirkungen einer Erkrankung und die Minderung von Verdiensterwartungen sind nicht vergleichbar mit den vom BSG (Urteil vom 21.02.2006 – B 1 KR 11/05 R –) in Bezug genommenen Einmalzahlungen, die vom Arbeitgeber bei Eintritt bestimmter Umstände (anteilig) zurückgefordert werden können. Dies wird auch daraus deutlich, dass Unternehmensziele auch unabhängig von den durch die Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten erreicht oder nicht erreicht werden können. Der Senat verkennt dabei nicht, dass mit längerdauernder Arbeitsunfähigkeit eine Erreichung der Ziele oberhalb des Mindestbereichs unwahrscheinlicher wird. Eine kürzere Arbeitsunfähigkeit schließt aber eine durchschnittliche oder überdurchschnittliche Zielerreichung ebensowenig von vornherein aus wie ein Nichterreichen der Ziele aus von der Arbeitsunfähigkeit unabhängigen Gründen. Gerade wegen dieser Unwägbarkeiten ist eine Berücksichtigung von zukünftigen Einkommenserwartungen im Rahmen der Krankengeldberechnung ausgeschlossen.

 

Für die im Juni 2017 abgerechnete Einmalzahlung erschließt sich eine Kürzung ebenfalls nicht, da dieser Betrag (neben einer Erhöhung des Grundgehalts für die Zukunft) „in Anerkennung Ihrer Leistungen“ erfolgte, ohne dass sich die Arbeitgeberin die Möglichkeit einer (teilweisen) Rückforderung vorbehielt.

 

Das gleiche gilt für die im November 2017 abgerechnete „SZ tarifl. Vers. Nov.“. Der Kläger hat hier auf die betriebliche Übung hingewiesen und Parameter der Berechnung benannt. Die Möglichkeit einer rückwirkenden Kürzung ergibt sich daraus nicht.

 

Der jeweils vollständige Verbleib der dem Kläger gezahlten Einmalzahlungen im Krankheitsfall steht dem vom BSG gebildeten Ausnahmefall entgegen.

 

3. Auch unabhängig von den vom BSG im Urteil vom 21.02.2006 – B 1 KR 11/05 R – aufgestellten Grundsätzen besteht aufgrund der vom Kläger dargelegten besonderen Differenz zwischen Brutto- und Nettoeinkommen kein Anspruch auf Gewährung eines höheren Krankengeldes. Die vom Kläger dargelegte Besonderheit eines unterdurchschnittlichen (Krankengeld limitierenden) Nettoentgelts bei gleichzeitig auf der Grundlage der Jahresarbeitsentgeltgrenze monatlich erhobenen Höchstbeiträgen zur Krankenversicherung stellt sich insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht als verfassungswidrig dar.

 

Der Kläger begehrt mit seiner Argumentation letztlich eine größere Gewichtung der auf dem Jahresbruttoentgelt beruhenden Beitragshöhe im Rahmen der an das regelmäßige Nettoentgelt angelehnten Höhe des Krankengeldes. Es ist von Verfassungs wegen auch bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen aber nicht ausnahmslos geboten, dass eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistungen erzielt wird. Allerdings muss für unterschiedliche Leistungen an Versicherte mit gleicher Beitragsbelastung ein hinreichender sachlicher Grund bestehen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 11.01.1995 – 1 BvR 892/88 – juris Rn. 57; Beschluss vom 24.05.2000 – 1 BvL 1/98 – juris Rn. 51).

 

Grundlegend hat das BVerfG (Beschluss vom 11.01.1995 – 1 BvR 892/88 – juris Rn. 59) hierzu ausgeführt, dass solche Gründe zwar nicht darin gesehen werden können, dass die kurzfristigen Lohnersatzleistungen nur einen bestimmten Anteil des ausgefallenen Arbeitsentgelts ersetzen sollen. Allerdings darf durch die Berechnung der laufenden Lohnersatzleistungen nicht die wirtschaftliche Situation des Versicherten verzerrt oder dieser gar besser gestellt werden, als er ohne Eintritt des Versicherungsfalles stünde. Insoweit ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn bei der Ermittlung der für kurzfristige Lohnersatzleistungen maßgeblichen Bemessungsgrundlage Zufälligkeiten gerade in den der Bemessung zugrunde liegenden Lohnzahlungszeiträumen nicht leistungsbestimmend werden. Der Gesetzgeber ist jedoch nicht berechtigt, bei kurzfristigen Lohnersatzleistungen sämtliche beitragspflichtige Entgeltbestandteile außer Betracht zu lassen, die dem Versicherten zwar nicht in jedem Entgeltabrechnungszeitraum zustehen, seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit – über einen längeren Zeitraum betrachtet – aber kaum weniger beeinflussen als das laufende Arbeitsentgelt.

 

Diese Anforderungen zeichnet § 47 SGB V nach. Danach wird das Krankengeld – wie dargelegt – grundsätzlich unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen berechnet, wobei sowohl die Brutto- als auch die Nettobeträge Beachtung finden. Wenn wie im Fall des Klägers die Höhe des Krankengeldes insbesondere durch den kumulierten Nettobetrag limitiert wird (also 87,87 € statt 100,75 €), also die augenfällige Differenz nicht auf dem weiteren Vergleich mit dem regelmäßigen Nettoentgelt (85,67 €) beruht, ist zu beachten, dass die Berechnung des Nettoentgelts von vielen Faktoren abhängt, die z. B. steuerrechtlichen Bezug haben (Steuerklasse, eingetragene Steuerfreibeträge, Kinderfreibeträge). Ob insofern Gestaltungsmöglichkeiten bestanden und ggf. genutzt wurden, bedarf aber keiner Prüfung, da ausgehend von der Funktion des Krankengeldes als Entgeltersatzleistung durch eine Ankopplung der Leistungshöhe an das zur Verfügung stehende Nettoentgelt (unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen) die wirtschaftliche Situation des Versicherten den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechend nachgezeichnet und eine Besserstellung im Krankheitsfall vermieden wird.

 

Dass bei der Berechnung des Nettoeinkommens im Fall des freiwillig versicherten Klägers – anders als in der Beschäftigtenversicherung pflichtversicherte Mitglieder der gesetzlichen Krankversicherung – monatlich gleichbleibende Krankenversicherungsbeiträge auf der Grundlage der Jahresarbeitsentgeltgrenze erhoben werden, ändert an diesen Bewertungen nichts. Unabhängig davon, dass die Art und Weise der Beitragserhebung nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, bestehen beim Senat schon deswegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil es sich nicht um eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Fallgestaltungen handelt. Durch den Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG soll ausgeschlossen werden, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die rechtliche Unterscheidung muss also in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden (st. Rspr., vgl. BVerfG, Urteil vom 07.07.1992 – 1 BvL 51/86 – juris Rn. 125). Im Hinblick auf die unterschiedliche Beitragserhebung basiert die die Ungleichbehandlung rechtfertigende Differenzierung aber auf dem anderen Versicherungsstatus, nämlich dem des freiwillig Versicherten bei Versicherungsfreiheit. Aus einem freiwilligen Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung (bei Erreichen der Jahresarbeitsentgeltgrenze gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) resultieren verschiedene Änderungen (z. B. die Beitragserhebung auf der Grundlage von § 240 SGB V statt nach § 226 SGB V sowie die grundsätzliche Tragung der Beiträge durch das Mitglied gemäß § 250 Abs.1 Nr. 2 SGB V, ggf. flankiert von einem Anspruch auf Beitragszuschuss gegen den Arbeitgeber gemäß § 257 SGB V). Freiwillig Krankenversicherte haben (im Gegensatz zu pflichtversicherten Beschäftigten) daneben grundsätzlich die Möglichkeit, sich anderweitig (privat) zu versichern. Die vom Kläger behauptete Schlechterstellung gegenüber einem monatlich auf dem konkreten Arbeitsentgelt berechneten Beitrag bei pflichtversicherten Beschäftigten stellt daher schon wegen der fehlenden Vergleichbarkeit von freiwilliger Versicherung und Pflichtversicherung keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar.

 

Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung folgt auch nicht daraus, dass sich im vorliegenden Einzelfall die Zahlung von Beiträgen auf Einmalzahlungen nicht krankengelderhöhend auswirkt, sondern die Beschränkung auf das regelmäßig vorhandene Nettoentgelt greift. Grundsätzlich ist in § 47 SGB V regelhaft eine Relevanz von Einmalzahlungen (sowohl brutto als auch netto) für die Höhe des Krankengeldes und damit eine Beitragsäquivalenz vorgesehen, wobei diese Beitragsäquivalenz nur dann ausnahmsweise zurücktritt, wenn der Versicherte so besser gestellt werden würde, als er ohne Eintritt des Versicherungsfalles stünde, z. B. wenn bei einem Anspruch auf Krankengeld aus einem kumulierten pauschalierten kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelt in Verbindung mit den verbleibenden krankheitsunabhängig zustehenden Einmalzahlungen eine Übersicherung eintreten würde (BSG, Urteil vom 21.02.2006 – B 1 KR 11/05 R – juris Rn. 28). Diesem Vorbehalt wird die in § 47 SGB V geregelte Beschränkung auf die Nettobeträge (vgl. oben 1.2 und 1.3) gerecht. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass er die ihm gewährten Einmalzahlungen anteilig monatlich für den laufenden Lebensunterhalt einsetzt, ändert sich daran durch die Arbeitsunfähigkeit nichts. Das ihm ausgezahlte Geld steht ihm weiter zur Verfügung, daneben erhält er auf der Grundlage seines regelmäßigen Nettoentgelts Krankengeld. Eine Erhöhung des Krankengeldes würde bei ihm zu einer Besserstellung führen, die verfassungsrechtlich aber gerade nicht geboten ist.

 

Damit verbleibt es im vorliegenden Fall bei der Beschränkung des zu gewährenden kalendertäglichen Krankengeldes auf 85,67 € (brutto). Durch das von der Beklagten gewährte Krankengeld i. H. v. 86,59 € (brutto) wird der Kläger nicht beschwert.

 

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

5. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.

Rechtskraft
Aus
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