L 9 BA 14/19

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 11 BA 90/18
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 9 BA 14/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Ein Notfallsanitäter, der in einem Dienstplan eingeteilt und in die Rettungsdienstorganisation arbeitsteilig eingegliedert ist, übt eine abhängige Beschäftigung aus.

 

 

2. Für die Zuordnung eines Betriebes zu einem bestimmten Arbeitgeber kommt es auf das Vorhandensein, nicht die Art der Beschaffung der sächlichen Betriebsmittel und darauf an, wer mit diesen Betriebsmitteln fremdbestimmte Arbeit leisten lässt (unter Verweis auf BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R –, juris Rn. 19).

 

Bemerkung

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit - Notfallsanitäter im Rettungsdienst - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit - Abgrenzung

      1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. April 2019 wird zurückgewiesen.
         

 

      1. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 
         

 

      1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers aufgrund seiner Tätigkeit als Notfallsanitäter bei dem Beigeladenen zu 3 in der Zeit vom 01.01.2018 bis 30.04.2018.

 

Der 1973 geborene Kläger ist seit Oktober 2015 Fachgesundheits- und Krankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie im Erwachsenenbereich und war hauptberuflich im Y....-Klinikum A…. auf der Intensivstation (mit 75 % einer Vollzeittätigkeit) versicherungspflichtig beschäftigt. Im April 2017 qualifizierte er sich zum Notfallsanitäter weiter und wurde in dieser Funktion nebenberuflich für den Beigeladenen zu 3 und für die X.... KG in A…. tätig. Weiterhin war er noch als Dozent an der Berufsschule für Altenpfleger und Notfallsanitäter in V.... und an der U.... Akademie GmbH in A.... tätig. Er verfügte über eigene Dienstkleidung mit Aufnäher „freiberuflicher Notfallsanitäter“ und unterhielt bei der T.... eine Haftpflichtversicherung für Krankentransporte (Jahresbeitrag 2018: 356,76 €). Im Jahr 2018 nahm der Kläger an keiner Fortbildung teil.

 

Der Beigeladene zu 3 ist ein DRK-Kreisverband in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Diesem übertrug der Rettungszweckverband Südwestsachsen die Aufgaben zur Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransportes mittels „Öffentlich-rechtlichen Vertrages zur Übertragung von Aufgaben des Rettungsdienstes“ vom 14.07.2015 für den Rettungswachenbereich A.... (§ 31 Abs. 1 SächsBRKG). Der Rettungszweckverband Südwestsachsen ist der Aufgabenträger für den bodengebundenen Rettungsdienst (§ 3 Nr. 3 Sächsisches Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz <SächsBRKG>) für die Landkreise S.... und A..... Dieser unterhält und betreibt die Leitstelle nach § 11 Abs. 1 iVm mit § 2 Abs. 4 SächsBRKG, hier mit Standort A.... (1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Sächsische Landesrettungsdienstplanverordnung <SächsLRettDPVO>). Deren Aufgaben sind ua Hilfeersuchen zu bearbeiten, Notrufe und Gefahrenmeldungen entgegenzunehmen, die notwendigen Kräfte und Mittel des Rettungsdienstes zu disponieren und zu alarmieren und die Notfalleinsätze im Rettungsdienst zu lenken und zu überwachen (§ 17 SächsLRettDPVO). Der Beigeladene zu 3 betrieb die Rettungswachen, in der die zur Durchführung von Notfallrettung und Krankentransport erforderlichen Fahrzeuge, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenstände bereitstanden und sich das Personal für Einsätze bereithielt (§ 2 Abs. 2 Satz 6 SächsBRKG; § 1 Abs. 4 SächsLRettDPVO). Diese hatte der Rettungszweckverband Südwestsachsen dem Beigeladenen zu 3 durch Nutzungsvereinbarung (vgl. § 29 Abs. 3 SächsBRKG; Leistungsbeschreibung Allgemeiner Teil IX Nr. 1 des Vertrages vom 14.07.2015) überlassen. Als Leistungserbringer hatte der Beigeladene zu 3 die gesetzlichen sowie die in den Bereichsplänen getroffenen rettungsdienstlichen Vorgaben zu erfüllen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 SächsLRettDPVO). In dem Vertrag vom 14.07.2015 waren die in den Vergabeunterlagen enthaltenen Vorgaben an die Leistungserbringung als Leistungsbeschreibung enthalten (§ 13 Abs. 1 Satz 2 SächsLRettDPVO). Hierzu zählten insbesondere die Weisungsbefugnisse der und Kommunikation mit der Leitstelle, die Weisungs- und Kontrollrechte des Rettungszweckverbands Südwestsachsen und des von ihm bestellten Ärztlichen Leiters Rettungsdienst (§ 13 Abs. 1 Satz 3 Nr. 10, 11 SächsLRettDPVO; § 28 Abs. 6 SächsBRKG iVm § 11 SächsLRettDPVO; Leistungsbeschreibung Allgemeiner Teil VII u. XVI des Vertrages vom 14.07.2015).

 

Der Beigeladene zu 3 beschäftigte den Kläger als freien Mitarbeiter mit Wirkung vom 01.01.2018 befristet bis 31.08.2018 als Notfallsanitäter im Rettungsdienst und Krankentransport nebenberuflich selbständig auf Honorarbasis. In dem "Freier-Mitarbeitervertrag", welchen der Beigeladene zu 3 mit Wirkung zum 31.05.2018 kündigte, vereinbarten der Kläger und der Beigeladene zu 3 ua:

„Der freie Mitarbeiter ist nicht verpflichtet, Einsatzaufträge anzunehmen.

Der freie Mitarbeiter ist frei von Weisungen hinsichtlich der Vorgehensweise, des Ablaufs, der Zeit und des Ortes der Leistungserbringung sowie des Aufbaus im Einzelnen. Der Auftraggeber behält sich jedoch vor, sachbezogen vorzugeben, wann und wo die Einzelleistung zu erbringen ist. Gegenüber Angestellten des Auftraggebers hat die freie Mitarbeiterin keine Weisungsbefugnis. Der freie Mitarbeiter ist verpflichtet, den Auftraggeber rechtzeitig in Kenntnis zu setzen, falls sie an der Auftragserfüllung verhindert ist. Für die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belange hat der freie Mitarbeiter selbst Sorge zu tragen. Gleiches gilt für eine etwa erforderliche Gewerbeanmeldung. Dies ist in der vertraglichen Vergütung einkalkuliert. Der freie Mitarbeiter versichert, über die im vorliegenden Vertrag vereinbarte Leistung hinaus seine Tätigkeit auch weiteren Auftraggebern anzubieten; neben den Einkünften aus dieser Vereinbarung weitere Einkünfte in nicht unerheblichem Umfang von anderen Auftraggebern zu verlangen. …. Der maximale Einsatzumfang des freien Mitarbeiters beträgt 1.892 Stunden im Jahr.

Der freie Mitarbeiter wird im Rettungsdienst und Krankentransport eingesetzt. Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, die ihm übertragenen Aufgaben sorgfältig und nach besten Kräften auszuführen und in jeder Hinsicht die Interessen des Auftraggebers zu wahren und zu fördern. Der freie Mitarbeiter hat sich nach besten Möglichkeiten und Mitteln um einen reibungslosen Betriebsablauf zu bemühen. Der freie Mitarbeiter ist verpflichtet, insbesondere spezielle Regelungen und Vorschriften zu beachten und diese vollumfänglich einzuhalten. Der freie Mitarbeiter ist berechtigt, im Namen und im Auftrag des Auftraggebers Gelder entgegenzunehmen und zu quittieren. In Empfang genommene Gelder sind unverzüglich, unaufgefordert und taggleich an den Auftraggeber herauszugeben. Die Leistungszeit wird variabel geregelt und mit dem freien Mitarbeiter in der Regel kurzfristig abgestimmt. Der freie Mitarbeiter wird nicht in die herkömmlichen Dienstpläne integriert. Pausen sind arbeitsfreie Zeiten gemäß gesetzlicher Regelungen. Ferner sind die vom Auftraggeber verbindlich gesetzten Ruhezeiten (Fernstrecken, Übernachtungen) als Freizeit anzusehen. … Die tatsächlich geleisteten Tätigkeiten und Aufwendungen sind zeitnah abzurechnen. Wobei die einsatzbezogenen Auslagen innerhalb von 48 Stunden nach Einsatzende einzureichen sind. Gleiches gilt für die Dokumentationsunterlagen. …

2. Vergütung

Im Rahmen des Vertrages werden nur die Stunden abgerechnet und vergütet, für die tatsächlich eine Leistung erbracht wurde. Eine wöchentliche/monatliche Mindestarbeitszeit gilt als nicht vereinbart. Der freie Mitarbeiter erhält für seine Tätigkeit nachfolgende Entgelte: Tagespauschale 8 Stundendienste: 184 € pro Tag; Tagespauschale 10 Stundendienste: 230 € pro Tag; Tagespauschale 12 Stundendienste: 276 € pro Tag; Tagespauschale 24 Stundendienste: 552 € pro Tag. ….

3. Steuern/Abgaben …

…Durch die Vertragsbeziehungen wird kein arbeitsrechtliches Dienstverhältnis begründet. Sollte festgestellt werden, dass das Vertragsverhältnis zwischen dem Auftragnehmer und Auftraggeber entgegen der gewählten Bezeichnung als Arbeitsverhältnis eingestuft wird, verringert sich das genannte Honorar um den vom Auftraggeber zu zahlenden Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. …

4. Pflichten

Zwischen freiem Mitarbeiter und Auftraggeber wird weiterhin folgendes vereinbart:

Der freie Mitarbeiter hat die Leistung persönlich zu erbringen.

Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, eine Nebentätigkeitsgenehmigung seines Arbeitgebers einzuholen, sofern eine solche für diesen Vertrag erforderlich ist. …

Der freie Mitarbeiter hat sich selbst zu versichern, die Kosten hierfür (Personen- und/oder Sachversicherung) hat er selbst zu tragen.

Der freie Mitarbeiter verpflichtet sich, bei der Durchführung des Vertrages zur pfleglichen Behandlung der vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel/Räume.

Der freie Mitarbeiter bestätigt mit Vertragsunterschrift, dass er für die vertraglich vorgesehenen Arbeitsaufgaben gesundheitlich geeignet ist und die notwendigen behördlichen Voraussetzungen erfüllt. …

Der freie Mitarbeiter ist verpflichtet, zu Beginn des Vertragsverhältnisses dem Auftraggeber ein behördliches Führungszeugnis, welches nicht älter als drei Monate sein darf, auszuhändigen.

Der freie Mitarbeiter wird für seine sachgerechte und umfassende Fort- und Weiterbildung nach dem jeweils aktuellen wissenschaftlichen Stand des Auftragsgegenstandes sorgen. 5. Konkurrenz/Verschwiegenheit/Datengeheimnis …

6. Vertragsdauer …

7. Kündigung

Der Vertrag kann von beiden Seiten jederzeit mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende schriftlich gekündigt werden. …

8. Schlussbestimmungen …

9. Haftung …

10. Vertragsausfertigung …“

Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf Blatt 17 bis 19 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

 

Am 23.02.2018 beantragten der Kläger und der Beigeladene zu 3 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status und festzustellen, dass eine Beschäftigung des Klägers nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht vorliege. Sie gaben an, der Beigeladene zu 3 habe den Kläger für den Rettungsdienst und Krankentransport zur Kompensation kurzfristiger Ausfälle von Rettungsdienstpersonal bei Bedarf und Verfügbarkeit im 8 /10 /12- oder 24-Stunden-Dienst eingestellt. An den zwei Rettungswachen-Standorten im Kreisverband seien festangestellte Mitarbeiter beschäftigt. Die Rettungsleitstelle A.... habe die einzelnen Fahraufträge dem jeweiligen dem Notfallort am nächsten stationierten Einsatzfahrzeug zugewiesen. Im Rettungswagen habe der Kläger mit dem jeweiligen Teampartner zusammengearbeitet und sich abgestimmt. Bei Dienstverhinderung habe der Kläger den Beigeladenen zu 3 informieren müssen. Die Wahl und der Einsatz einer Ersatzkraft habe dem Beigeladenen zu 3 oblegen. Die Kontrolle des Klägers sei durch Arbeitszeitnachweise und Einsatzprotokolle erfolgt. Die Einsatzprotokolle seien dem Ärztlichen Leiter Rettungsdienst zur fachlichen Bewertung zugestellt worden. Der Kläger habe sämtliche gesetzlichen Vorgaben und die Handlungsanweisungen des Rettungsdienstes beachten müssen. Arbeits- und Anwesenheitszeiten des Klägers hätten sich jeweils aus den zu besetzenden Dienstzeiten des anfallenden Personals (8, 10, 12 oder 24 Stunden) ergeben. Der Bereitstellungsort sei durch den Standort der Rettungswache vorgegeben gewesen. Mit dem Rettungsfahrzeug habe der Kläger zu dem jeweiligen Notfallort fahren müssen. Eine Weisungsbefugnis habe der Kläger als höchste mittlere medizinisch qualifizierte Fachkraft im Rahmen von Notfalleinsätzen nur in medizinischer Hinsicht gehabt. Weisungen fachlicher Art würden ihm erteilt. Der Rettungswagen sei täglich nach Checkliste - QM-zertifiziert - zu überprüfen. Das fachliche Letztentscheidungsrecht habe der Notarzt vor Ort, der Arzt in der Klinik oder in der Arztpraxis gehabt. Der Kläger habe an Dienstbesprechungen und Ruf- und Bereitschaftsdiensten nicht teilgenommen. Er habe eine selbst erworbene Dienstkleidung getragen, die Weiterbildungsmaßnahmen und den Haftpflichtversicherungsschutz selbst finanziert. Weitere eigene Betriebsmittel habe er nicht eingesetzt. Ansprüche auf Entgeltfortzahlung und Urlaubsvergütung habe er nicht gehabt.

 

Der Kläger stellte die von ihm jeweils nach Auftrag des Beigeladenen zu 3 durchgeführten Dienste wie folgt in Rechnung:

Auftrag vom

Datum der
Einzeldienste

Stundenzeitfenster

Gesamtstundenzahl

Preis
pro Std.

Gesamt-
honorar

Bl.
VA

10.01.2018
Bl. 20 VA

11.01.2018

08.00-20.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

23.01.2018
Bl. 21 VA

25.01.2018

19.00-07.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

28.01.2018
Bl. 22 VA

29.01.2018

08.00-20.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

 

30.01.2018

20.00-08.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

 

 

RgNr.: 2018-01

v.31.01.2018

 

1.104 €

32

12.02.2018:
08.00-20.00
Bl. 23 VA

12.02.2018

08.00-20.30 Uhr

12,5 Stunden

23 €

 

 

12.02.2018
Bl. 24 VA

15.02.2018

08.00-20.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

 

 

RgNr.: 2018-02

v.16.02.2018

 

563,50 €

33

12.02.2018
Bl. 25 VA

22.02.2018

08.00-20.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

12.02.2018:
19.00-07.00
Bl. 26 VA

26.02.2018

19.00-08.00 Uhr

13 Stunden

23 €

 

 

12.02.2018:
08.00-20.00
Bl. 27 VA

28.02.2018

08.00-20.30 Uhr

12,5 Stunden

23 €

 

 

 

 

RgNr.: 2018-03

v.01.03.2018

 

862,50 €

34

17.03.2018
Bl. 28 VA

19.03.2018

08.00-20.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

17.03.2018
Bl. 28 VA

20.03.2018

08.00-20.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

17.03.2018
Bl. 28 VA

28.03.2018

20.00-08.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

17.03.2018
Bl. 28 VA

29.03.2018

20.00-08.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

 

 

RgNr.: 2018-04

v.29.03.2018

 

1.104 €

72

GA

 

12.04.2018

08.00-20.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

 

13.04.2018

08.00-20.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

 

 

RgNr.: 2018-05

v.14.04.2018

 

552 €

69 GA

 

25.04.2018

08.00-20.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

 

30.04.2018

08.00-20.00 Uhr

12 Stunden

23 €

 

 

 

 

RgNr.: 2018-06

v.02.05.2018

 

552 €

71 GA

 

Nach Anhörung vom 11.04.2018 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 18.05.2018 und Widerspruchsbescheid vom 04.10.2018 fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Notfallsanitäter bei dem Beigeladenen zu 3 seit 01.01.2018 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab 01.01.2018 bestehe. Der Beigeladene zu 3 habe den Kläger zur Erfüllung der von ihm angebotenen Leistungen der Notfallrettung und des Krankentransportes als Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Rettungsdienstes eingesetzt. Der Kläger sei funktionsgerecht dienend in die fremden Betriebsabläufe des Beigeladenen zu 3 eingegliedert gewesen. Der Kläger habe sich nach Auftragsannahme zur durchgehenden Dienstleistung bereitgehalten und die anfallenden Einsätze erledigt. Die Leistungen seien in Teamarbeit und unter Beachtung der fachlichen und organisatorischen Vorgaben des Auftraggebers bzw. des begleitenden Arztes zu erbringen gewesen. Dies habe notwendig die Eingliederung in eine von fremder Seite vorgegebene Arbeitsorganisation und damit eine Weisungsbefugnis des Auftraggebers in Bezug auf die Koordination und Steuerung der Leistungen der Teammitglieder bedungen. Eigenverantwortlichkeit bezüglich der übertragenen Aufgaben setze der Arbeitgeber bei fachlich qualifiziertem Personal voraus. Der Kläger habe aber bei der Durchführung eines Auftrages keine Gestaltungsspielräume im Sinne eines selbstständigen Unternehmers gehabt, da Dauer, Beginn und Ende der Arbeitszeit vorgeschrieben gewesen seien. Der Kläger habe kein Unternehmerrisiko getragen. Der Beigeladene zu 3 habe ihm die benötigten Arbeits- und Betriebsmittel kostenlos zur Verfügung gestellt, so dass er kein eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt habe. Die Ausübung der Aufträge in der eigenen Arbeitskleidung sei kein Umstand, dem erhebliches Gewicht beizumessen sei. Der Kläger habe ein vorab ausgehandeltes erfolgsunabhängiges Honorar erhalten. Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, hätten auch abhängig beschäftigte Arbeitnehmer. Ob das Vertragsverhältnis den Haupt- oder Nebenerwerb darstelle, sei nicht maßgeblich, da die Ausübung mehrerer Beschäftigungsverhältnisse und daneben auch selbständige Tätigkeiten möglich seien. Der Ausschluss von Urlaubs- und Entgeltfortzahlungsansprüchen im Krankheitsfall hätte keine Indizwirkung auf die Art des Vertragsverhältnisses, da sich im Falle einer Beschäftigung entsprechende Ansprüche kraft gesetzlicher Regelung ergäben.

 

Am 02.11.2018 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben. Er sei als Notfallsanitäter für den Beigeladenen zu 3 selbstständig tätig gewesen. Er habe entschieden, ob und welche Dienste er übernehme. Der Beigeladene zu 3 habe ihm keine fachlichen Weisungen erteilt. Der Ärztliche Leiter Rettungsdienst sei gemäß § 11 Abs. 2 SächsLRettDPVO ihm gegenüber weisungsbefugt gewesen und die Rettungsleitstelle habe ihm die Einsätze zugeteilt. In 80 % der Einsätze habe er eigenverantwortlich darüber entschieden, wie er die Erstversorgung beim verletzten Patienten vornehme und wie der Transport durchzuführen sei. Da er eine höhere Qualifikation als ein Rettungsassistent gehabt habe, habe er diesem vor Ort fachliche Weisungen erteilt. Er habe keine Berichtspflicht gegenüber dem Beigeladenen zu 3 gehabt, da er seine Einsatzberichte oder Protokolle der Rettungsleitstelle bzw. dem Ärztlichen Leiter Rettungsdienst habe übersenden müssen. Im Übrigen habe er nur die Handlungsempfehlungen bzw. Richtlinien und Anweisungen des Rettungszweckverbandes Südwestsachsen und die gesetzlichen Vorgaben einhalten müssen. Er trage auch ein unternehmerisches Risiko, da er die Aus- und Fortbildungskosten selbst getragen habe. Er werde von Dritten nicht als Mitarbeiter des Auftraggebers wahrgenommen. Im Übrigen seien neben den festangestellten Mitarbeitern weitere freiberuflich tätige Rettungsassistenten tätig gewesen. Beigelegt hat der Kläger ua die Kündigungserklärung des Beigeladenen zu 3 vom 09.05.2018, eine Aufstellung der Weiterbildungskosten als Notfallsanitäter für die Steuererklärung 2017 in Höhe von 1.925 € und Honorarrechnungen an die Gemeinnützige Ausbildungs- und Beratungsgesellschaft mbH V...., Ambulance Intensivmobil GmbH und U.... Akademie von März 2018.

 

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 25.04.2019 den Bescheid vom 18.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2018 dahingehend geändert, dass Versicherungs- und Beitragspflicht des Klägers in der Zeit vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 bestehe.

 

Mit Urteil vom 25.04.2019 (dem Kläger zugestellt am 08.05.2019) hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei als Notfallsanitäter während der in der Zeit vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 ausgeübten Dienste abhängig und sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Maßgebend für die rechtliche Einordnung der Tätigkeit des Klägers seien die Verhältnisse nach Annahme des einzelnen Auftrags. Der Kläger sei weisungsgebunden und in die Organisation und Betriebsabläufe des Beigeladenen zu 3 eingegliedert gewesen. Den Anweisungen der Rettungsleitstelle zur Durchführung einer Rettungsfahrt habe er Folge leisten müssen, da der Beigeladene zu 3 an die aus dem Sächsischen Landesrettungsdienstplan erwachsenden Verpflichtungen gebunden gewesen sei. Der Rettungseinsatz sei zeitnah mit den Mitteln des Beigeladenen zu 3 (Fahrzeug, eventuelle weitere Mitarbeiter, Rettungsmittel) nach klaren Zuständigkeitskriterien (Kompetenzverteilung zwischen weiteren Mitarbeitern des Beigeladenen zu 3 und dem ggf. anzufordernden Notarzt) erfolgt. Ein Unterschied zwischen der Dienstleistung des Klägers und der Tätigkeit eines angestellten Notfallsanitäters sei nicht ersichtlich. Letztendlich sei der Kläger wie seine angestellten Kollegen dem Letztentscheidungsrecht des Arztes unterlegen gewesen. Seine Tätigkeit sei nach den standardisierten Vorgaben der Handlungsempfehlungen des Rettungszweckverbandes Südwestsachsen erfolgt. Seine Gestaltungsfreiheit am Einsatzort sei nicht über das mit der Tätigkeit eines angestellten Notfallsanitäters verbundene Maß an Eigenverantwortung hinausgegangen. Das Risiko des Klägers, bei fehlendem Bedarf in geringerem Umfang als die avisierten maximalen 1.892 Stunden im Jahr eingesetzt zu werden, hätten alle Arbeitnehmer zu tragen, die auf Abruf beschäftigt werden. Flexible Arbeitszeiten seien darüber hinaus auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen anzutreffen. Ein eigenes Unternehmerrisiko habe der Kläger nicht getragen. Der Kläger habe für die durchgeführten Dienste das vereinbarte erfolgsunabhängige Honorar garantiert erhalten. Das allgemeine Insolvenzrisiko, für ordnungsgemäß geleistete Dienste keine Vergütung zu erhalten, treffe Selbständige und Abhängige gleichermaßen. Maßgebliche eigene Betriebsmittel habe der Kläger nicht eingesetzt, denn der Beigeladene zu 3 habe das Fahrzeug und die Ausrüstungsgegenstände zur Verfügung gestellt. Die Entlohnung sei auch nicht so hoch gewesen, als sie eine eigenständige Sicherung gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit, Unfall, Alter und Invalidität erlaubt habe, wie ein Vergleich des Stundenlohns von pauschal 23,00 € bei Selbständigkeit ohne Schicht- oder Nachtzulagen und 19,11 € bei Abhängigkeit anschaulich zeige. Auch die Haftpflichtversicherung von weniger als 400 € im Jahr sei nicht entscheidend. Die absolvierten Fortbildungen seien nicht für die reine Ausübung der Notfallsanitäter-Tätigkeit erforderlich gewesen. Mit der Regelung des § 23c Abs. 2 SGB IV habe der Gesetzgeber nur die Notärzte beitragsfrei stellen wollen. Angesichts des Ausnahmecharakters dieser Regelung scheide eine analoge Anwendung aus.

 

Am 11.06.2019 hat der Kläger Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Er sei bei dem Beigeladenen zu 3 nicht abhängig beschäftigt gewesen. Als Notfallsanitäter habe er bei Gefahr für Leib und Leben des Verletzten eigenverantwortlich und selbstständig über die erforderlichen Maßnahmen entschieden. Der Beigeladene zu 3 sei nicht weisungsbefugt gewesen. In der Leistungsbeschreibung sei unter XVI. Nr. 2 klargestellt, dass das Personal des Leistungserbringers den Weisungen des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst des Rettungszweckverbandes Südwestsachsen nach § 28 Abs. 6 SächsBRKG iVm § 11 SächsLRettDPV unterliege. Außerdem habe er die Rettungseinsätze direkt von der Rettungsleitstelle erhalten. Für die Einsätze gelte der Indikationskatalog gemäß § 9 SächsLRettDPVO. Da die Rettungsfahrzeuge nicht dem Beigeladenen zu 3 gehörten, sondern diesem nur vom Rettungszweckverband Südwestsachsen zur Nutzung überlassen worden seien, könne allein durch die Nutzung der Rettungswagen keine Eingliederung in den Betriebsablauf des Beigeladenen zu 3 erfolgen. Er habe ein Unternehmerrisiko getragen, da er die Kosten für seine Haftpflichtversicherung und die Kosten für die notwendigen Fortbildungen selbst zu tragen gehabt habe. Je nach Art der einzelnen Fortbildung könnten hier erhebliche Kosten zwischen ca. 1.000 € und 4.000 € pro Jahr entstehen. Außerdem liege ein Verstoß gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG geregelte Berufsausübungsfreiheit vor. Er müsse die Möglichkeit haben, selbst darüber zu entscheiden, seine Tätigkeit als Freiberufler oder im abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszuüben. Ferner rüge er einen Verstoß gegen Art. 3 GG. Für die Notärzte bestehe Beitragsfreiheit gemäß § 23c Abs. 2 SGB IV. Da seine Tätigkeit als Notfallsanitäter vergleichbar sei, dürfe auch für ihn keine Versicherungspflicht bestehen.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25.04.2019 und den Bescheid der Beklagten vom 18.05.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.04.2019 aufzuheben und festzustellen, dass keine Versicherungspflicht für die nebenberufliche Tätigkeit des Klägers als Notfallsanitäter bei dem Beigeladenen zu 3 in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 01.01.2018 bis zum 30.04.2018 besteht.

                                                                              

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Beklagte verweist auf die Entscheidungsgründe des Urteils des SG.

 

Der Senat hat den „Öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Übertragung von Aufgaben des Rettungsdienstes“ zwischen dem Rettungszweckverband Südwestsachsen und dem Beigeladenen zu 3 vom 14.07.2015 und die anliegende Leistungsbeschreibung (Allgemeiner Teil) beigezogen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats, die beigezogenen Akten des SG und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung waren.

 

Entscheidungsgründe

 

 

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffenden Gründen hat das SG die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 18.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.10.2018 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 25.04.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1, 2 SGG). Der Kläger war als Notfallsanitäter in der Zeit vom 01.01.2018 bis 30.04.2018 jeweils in den einzelnen Diensten bei dem Beigeladenen zu 3 gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt und deshalb in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig.

 

Rechtsgrundlage für den Erlass der angefochtenen Bescheide ist § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV aF. Danach können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV aF). Die Bekanntgabe der Statusfeststellung gegenüber den Beteiligten erfolgt seitens der Beklagten durch einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung (Pietrek in jurisPK-SGB IV, Stand 18. Mai 2018, § 7a, Rn. 39 m.w.N.).

 

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (BSG, Urteil vom 29. Juni 2021 – B 12 R 8/19 R –, juris Rn. 11; BSG, Urteil vom 23. Februar 2021 - B 12 R 15/19 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 54). Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 10/18 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 41 <Honorararzt>; BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 44, Rn. 13 mwN <Honorarpflegefachkraft>; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG <Kammer> Beschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

 

Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt, der unter Umständen als Scheingeschäft im Sinne des § 117 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf. den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (stRspr; vgl. zum Ganzen BSG Urteil vom 07. Juni 2019 - B 12 R 6/18 R -; SozR 4-2400 § 7 Nr. 44, Rn. 13 f mwN; BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 25, juris Rn. 17 mwN; BSG, Urteil vom 07. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R – juris Rn. 14). Diese wertende Zuordnung kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie zB vereinbaren, eine selbstständige Tätigkeit zu wollen. Denn der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person - als selbstständig oder beschäftigt - allein die Vertragsschließenden entscheiden. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 KR 29/19 R –, juris Rn. 13; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R –, juris Rn. 27; BSG Urteil vom 04. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 42, juris Rn. 24; BSG Urteil vom 29. Januar 1981 - 12 RK 63/79 - SozR 2400 § 2 Nr. 16, juris Rn. 24).

 

Bei Vertragsgestaltungen, in denen - wie hier - die Übernahme einzelner Dienste individuell vereinbart wird und insbesondere kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf vorliegt, ist für die Frage der Versicherungspflicht allein auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestehen. Außerhalb der Einzeleinsätze liegt schon deshalb keine die Versicherungspflicht begründende "entgeltliche" Beschäftigung iSd § 7 Abs. 1 SGB IV vor, weil keine latente Verpflichtung des Klägers bestand, Tätigkeiten für den Beigeladenen zu 3 auszuüben, und dieser umgekehrt auch kein Entgelt zu leisten hatte (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 59, juris Rn. 23 mwN <Notarzt im Rettungsdienst>). Der Kläger war nicht verpflichtet, die Angebote des Beigeladenen zu 3 anzunehmen, sondern konnte über jedes Angebot frei und eigenständig entscheiden. Erst durch die jeweilige Angebotsannahme entstand die rechtliche Verpflichtung gegenüber dem Beigeladenen zu 3, den Rettungsdienst und Krankentransport durchzuführen. Die Rahmenvereinbarung sah keine verpflichtende Abrufmöglichkeit und -bereitschaft vor.

 

Aufgrund der festgestellten abgrenzungsrelevanten Indizien und nach Gesamtabwägung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles entsprechend ihrem Gewicht sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger jeweils während der Dauer seiner im Tatbestand aufgelisteten Dienste als Notfallsanitäter im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für den Beigeladenen zu 3 tätig geworden ist.

 

Soweit der Kläger und der Beigeladene zu 3 ein „freies“ Mitarbeiterverhältnis als selbstständiges Dienstverhältnis vereinbarten und darin übereinstimmten, dass durch diese Vereinbarung ein Arbeitsverhältnis nicht begründet werde und der Kläger selbst Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge sowie sonstige Abgaben abführen sollte, steht dieser formellen Vereinbarung - ebenso wie dem Parteiwillen - die gelebte praktizierte Zusammenarbeit der an der Auftragsbeziehung Beteiligten entgegen, welche grundsätzlich vorgeht (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 – B 12 R 6/18 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 44, juris Rn. 23 mwN <freiberufliche Pflegefachkraft>; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R –,juris Rn. 25 <Notarzt im Rettungsdienst>).

 

Zur tatsächlichen Durchführung der Vertragsbeziehung ist aufgrund der Angaben des Klägers und des Beigeladenen zu 3 sowie der vorgelegten Dokumente Folgendes festzustellen: Der Kläger benannte dem Leiter der Rettungswache des Beigeladenen zu 3 jeweils vor Monatsanfang vier bis fünf mögliche Einsätze im Monat unter Berücksichtigung seiner hauptberuflichen Tätigkeit beim Y....-Klinikum A..... Der Beigeladene zu 3 erteilte dem Kläger jeweils (auch kurzfristig bis einen Tag vorher) Aufträge für die Notfallrettung unter Angabe des Datums, des Stundenzeitfensters (zB von 08:00 Uhr bis 20:00 Uhr; von 19.00 Uhr bis 07.00 Uhr), des Fahrzeugs (Funkkenner oder Kennzeichen) und seiner Funktion als Teamführer. Nach Auftragsannahme teilte der Beigeladene zu 3 den Kläger in den Dienstplan ein. Der Kläger erschien jeweils ca. eine Viertelstunde vor Dienstbeginn an dem Standort der Rettungswache in A...., löste den vor ihm eingesetzten Notfallsanitäter ab und hielt sich dort für die Einsätze bereit. Vor Dienstantritt hatte er alle im Rettungswagen vorhandenen Geräte nach einer Checkliste zu überprüfen. Den Rettungseinsatz erhielt der Kläger direkt von der Rettungsleitstelle des Rettungszweckverbandes Südwestsachsen. Er fuhr dann im Rettungswagen zusammen mit einem Rettungsassistenten zur Einsatzstelle. Dort hatte er zunächst die Einsatzstelle (z.B. bei Verkehrsunfällen) abzusichern. Er hatte die Rettungsleitstelle über die jeweilige Einsatzsituation zu informieren und bei Bedarf weitere Einsatzkräfte über sie nachzufordern. Der Kläger hatte die Patienten/Verunglückten zu untersuchen. Bei Verdacht auf fehlende oder deutlich beeinträchtigende Vitalfunktionen (Bewusstseins-, Atem-, Kreislaufstörung; Lebensgefahr) hatte er einen Notarzt nachzufordern, dessen Weisungen er ebenso wie den Weisungen des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst unterlag. Ansonsten entschied er selbst über die medizinische Erstversorgung der Verletzten, führte sie aus und organisierte deren Transport ins Krankenhaus. Dabei war er an die Handlungsempfehlungen, Richtlinien und Anweisungen für Notärzte, Notfallsanitäter und Rettungsassistenten des Rettungszweckverbands Südwestsachsen gebunden. Der Kläger erstellte die Rettungsdienstprotokolle und Einsatzberichte und führte Arbeitszeitnachweise. Er hatte die Dienste persönlich auszuführen. Bei Dienstverhinderung hatte er den Beigeladenen zu 3 zu informieren, der in einem solchen Fall eine Ersatzkraft aussuchte und beauftragte. Mit dem Kläger vereinbart war ein Stundensatz in Höhe von 23 €, die Festangestellten des Beigeladenen zu 3 erhielten einen Stundensatz in Höhe von 19,11 € (brutto).


Ausgehend von diesen Feststellungen überwiegen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit die Indizien für eine abhängige Beschäftigung des Klägers während der einzelnen Dienste. Der Kläger unterlag bei der vereinbarungsgemäßen Erfüllung der Rettungs- und Krankentransportdienst-Tätigkeiten einem - im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinerten - Weisungsrecht des Beigeladenen zu 3 nach Ort, Zeit, Dauer und Inhalt der Arbeitsleistung und war in einer seine Tätigkeit prägenden Weise in den Betriebsablauf des Beigeladenen zu 3 eingegliedert. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV genannten Anhaltspunkte der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung stehen weder in ein Rangverhältnis zueinander noch müssen sie stets kumulativ vorliegen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R – juris, Rn. 24; <Notarzt im Rettungsdienst>). Insbesondere bei Hochqualifizierten oder Spezialisten (sog. Diensten höherer Art) kann das Weisungsrecht aufs Stärkste eingeschränkt sein. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein, wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich in solchen Fällen "zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - juris, Rn. 29 mwN; <Fachärztin für Anästhesie>).

 

Auch wenn der Kläger in seiner medizinischen Tätigkeit weitgehend eigenverantwortlich tätig wurde, ist ein Weisungsrecht des Beigeladenen zu 3 nicht völlig entfallen. Der konkrete Inhalt, die Durchführung und die Dauer des von dem Kläger geschuldeten Rettungsdienstes und Krankentransportes bedurften der näheren Konkretisierung. So teilte ihm der Beigeladene zu 3 für die Tätigkeiten jeweils einen bestimmten Rettungs- bzw. Krankentransportwagen einschließlich Geräte und Ausrüstungsgegenstände zu, die er vor Dienstantritt mittels einer Checkliste zu überprüfen hatte. Die Leitstelle des Rettungszweckverbands Südwestsachsen lenkt und überwacht die Notfalleinsätze im Rettungsdienst (§ 17 SächsLRettDPVO) und wies dem Kläger einen bestimmten Einsatzort zu, welchen dieser nach Alarmierung schnellstmöglich aufzusuchen hatte (Ausrückzeit von maximal einer Minute [§ 3 Abs. 3 des Vertrages vom 14.07.2015]). Im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Rettungsleitstelle (§ 11 Abs. 2 SächsBRKG) delegierte der Beigeladene zu 3 insoweit seine Weisungsbefugnis gegenüber dem Rettungsdienstpersonal an die Rettungsleitstelle (vgl. § 2 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 9 Vertrag vom 14.07.2015 iVm der Leistungsbeschreibung - Allgemeiner Teil - VII). Diese (delegierte) Anweisung der Leitstelle wartete der Kläger in seinem vertraglich zugewiesenen Aufenthaltsbereich (der bestimmten Rettungswache) ab, um ihr dann mit Hilfe eines von dem Beigeladenen zu 3 gestellten Rettungs- oder Notfallkrankenwagens Folge zu leisten. Der Beigeladene zu 3 teilte dem Kläger als Teamführer einen bei ihm beschäftigten Rettungssanitäter zu. Am Einsatzort hatte der Kläger - im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit dem Rettungssanitäter - zunächst die Einsatzstelle (z.B. bei Verkehrsunfällen) abzusichern, die Rettungsleitstelle über die Einsatzlage zu informieren, gegebenenfalls einen Notarzt oder weitere Einsatzkräfte anzufordern und die Erstversorgung der Notfallpatienten unter Heranziehung der personellen und sächlichen Rettungsmittel des Beigeladenen zu 3 durchzuführen. Dabei unterlag der Kläger zum einen den Handlungsempfehlungen, Richtlinien und Anweisungen des Rettungszweckverbands Südwestsachsen, zum anderen aber auch den Weisungen des Notarztes (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R –, juris; <Notarzt im Rettungsdienst>) und des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst (§ 28 Abs. 6 SächsBRKG iVm § 11 Abs. 2 SächsLRettDPVO). Insoweit war der Beigeladene zu 3 kraft des „Öffentlich-rechtlichen Vertrages zur Übertragung von Aufgaben des Rettungsdienstes“ vom 14.07.2015 auch verpflichtet, dessen rechtliche Weisungsbefugnis gegenüber den von ihm eingesetzten Rettungskräften weiterzuleiten (vgl. Leistungsbeschreibung - Allgemeiner Teil - XVI Nr. 2). Bei Dienstverhinderung hatte der Kläger den Beigeladenen zu 3 zu informieren, der in einem solchen Fall eine Ersatzkraft aussuchte und beauftragte.

 

Der Kläger war durch den Einsatz seiner Arbeitskraft und die (unentgeltliche) Heranziehung und Nutzung der von dem Beigeladenen zu 3 zur Verfügung gestellten Einrichtungen und personellen (Notarzt; Rettungssanitäter) und sächlichen Betriebsmittel in einer seine Tätigkeit prägenden Art und Weise fremdbestimmt in die Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufe des Rettungsdienstbetriebes des Beigeladenen zu 3 eingegliedert. So löste der Kläger bei Dienstbeginn den vor ihm eingesetzten Notfallsanitäter ab. Bei dem Rettungseinsatz arbeitete der Kläger arbeitsteilig mit einem Rettungssanitäter des Beigeladenen zu 3 zusammen. Während der Dienstzeit hatte er seine lückenlose Einsatzbereitschaft sicherzustellen und sich zum Ausrücken bereitzuhalten. Im Bedarfsfall setzte er seinen Dienst über den im Auftrag vereinbarten Umfang hinaus fort (vgl. Rechnungen vom Februar 2018). Zudem hatte er jeden Einsatz zu dokumentieren und darüber zu berichten. Die auf diese Weise in arbeitsteiliger Zusammenarbeit mit dem Personal des Beigeladenen zu 3 und der von ihm weisungslegitimierten Rettungsleitstelle funktionierende "Rettungskette" macht zugleich die Eingliederung des Klägers in die Arbeitsabläufe des von dem Beigeladenen zu 3 organisierten Rettungsdienstes deutlich (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R –, juris Rn. 31;<Notarzt im Rettungsdienst>).

 

Nicht ausschlaggebend ist, dass der Beigeladene zu 3 nicht Eigentümer, sondern nur Nutzungsberechtigter der Rettungs-, Krankentransport- und Notarzteinsatzfahrzeuge und der medizinischen Ausstattungsgegenstände, mithin der für die Erbringung der Tätigkeit erforderlichen (wesentlichen) Betriebsmittel war, sondern diese von dem Rettungszweckverband Südwestsachsen zur Verfügung gestellt wurden. Denn mit Hilfe dieser Mittel verfolgte der Beigeladene zu 3 seinen Betriebszweck der Notfallrettung und des Krankentransports, welche er kraft öffentlich-rechtlichen Vertrages als Leistungserbringer für eigene Rechnung ausübte und zu diesem Zweck das Personal (und Verbrauchsmaterial) einsetzte. Für die Zuordnung eines Betriebes zu einem bestimmten Arbeitgeber kommt es auf das Vorhandensein, nicht die Art der Beschaffung der sächlichen Betriebsmittel und darauf an, wer mit diesen Betriebsmitteln fremdbestimmte Arbeit leisten lässt (BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 – B 12 KR 5/97 R –, SozR 3-2400 § 7 Nr 13, SozR 3-2200 § 441 Nr. 2, juris Rn. 19 <Zerlege- und Ausbeinarbeiten>).

 

Dass die hier vorliegenden Umstände typisch für eine "Rettungskette" sind und "in der Natur der Sache" von Rettungseinsätzen liegen sowie den gesetzlichen (hier: SächsBRKG) und sonstigen normativen Vorgaben (hier insbesondere: SächsLRettDPV) entsprechen, führt nicht dazu, dass diese Aspekte bei der Gesamtwürdigung außer Acht zu lassen wären. Denn für die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts maßgebend. Bei der gebotenen Gesamtabwägung sind sämtliche, auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentlich-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt sind oder auf sonstige Weise "in der Natur der Sache" liegen. Ihnen ist zwar nicht zwingend eine entscheidende Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung beizumessen; umgekehrt ist eine abhängige Beschäftigung aber auch nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Weisungsrechte oder Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen. Indizwirkung gegen eine Beschäftigung und für eine selbstständige Tätigkeit besteht vielmehr dann, wenn bei Verrichtung der Tätigkeit eine Weisungsfreiheit verbleibt, die sie insgesamt als eine unternehmerische kennzeichnet. Denn ob und inwieweit einzelne Umstände einer Tätigkeit "ihrer Natur nach" immanent sind, hängt wesentlich mit der zu beurteilenden Tätigkeit und ihrer konkreten Ausgestaltung zusammen. Je enger der übertragene Tätigkeitsbereich abgesteckt ist, weil der Auftrag- oder Arbeitgeber nicht auf eigene Gestaltungsmöglichkeiten verzichtet, desto weniger Spielraum kann der übertragenen Tätigkeit noch immanent sein. So ist in der Regel auch die strikte Weisungsunterworfenheit klassischer "Fabrikarbeiter" der Eigenart ihrer Tätigkeit geschuldet. Gerade dies begründet aber ihre Sozialversicherungspflicht und stellt sie nicht infrage (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R –, juris Rn. 33; <Notarzt im Rettungsdienst>). Umgekehrt können so auch Umstände, die "in der Natur der Sache" liegen, für eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Solche sind hier aber gerade nicht in hinreichendem Maße festgestellt oder erkennbar. Die Einzelfallumstände stützen hier in ihrer Gesamtbetrachtung die Bewertung als abhängige Beschäftigung des Klägers. Er hat seine Arbeitskraft nicht anders als beim Beigeladenen zu 3 angestellte Notfallsanitäter eingesetzt und hatte innerhalb der betrieblich vom Beigeladenen zu 3 vorgegebenen Ordnung keine ins Gewicht fallenden Freiheiten hinsichtlich Gestaltung und Umfang seiner Arbeitsleistung innerhalb einzelner Dienste.

 

Demgegenüber sind keine für die Selbstständigkeit sprechenden Anhaltspunkte festzustellen, die mit einem derartigen Gewicht für Selbstständigkeit sprechen, dass sie die Weisungsgebundenheit und Eingliederung des Klägers hätten auch nur annähernd auf- oder überwiegen können. Der Kläger trug kein nennenswertes Unternehmerrisiko und hatte keine unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeiten. Der Kläger erhielt eine feste Stundenlohnvergütung für geleistete Einsatzstunden und hatte keinen Verdienstausfall zu befürchten. Er setzte lediglich in geringem Umfang eigene Betriebsmittel (Arbeitskleidung) ein. Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbstständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens dienender Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind, und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr. 25, juris Rn. 31 <Rackjobbing>). Wie bereits oben dargestellt hatte der Kläger durch die straffe Einbindung in die „Rettungskette“/die Rettungsdienstorganisation des Beigeladenen zu 3 nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick seine Arbeit so effizient zu gestalten, dass er das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu seinen Gunsten entscheidend hätte beeinflussen können. Das Risiko, vom Beigeladenen zu 3 keine Dienste mehr angeboten zu bekommen, ist für die Statusbeurteilung der Tätigkeit in den jeweils gesondert zu betrachtenden Einzeldiensten irrelevant. Denn aus dem Risiko, außerhalb der Erledigung einzelner Dienste zeitweise die eigene Arbeitskraft gegebenenfalls nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko bezüglich der einzelnen Einsätze (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R –, juris Rn. 36; <Notarzt im Rettungsdienst>). Im Kern erhielt der Kläger für seine Arbeit ohne Rücksicht auf den Arbeitserfolg ein fest definiertes Honorar. Die Aufwendungen für die Ausbildung zum Notfallsanitäter und die Krankentransport-Haftpflichtversicherung stellen kein Indiz für Selbstständigkeit dar, schuf der Kläger damit doch nur die Voraussetzung und die Rahmenbedingung für die Berufsausübung als Notfallsanitäter, ohne dass diese - für sich genommen - seine Tätigkeit selbst entscheidend prägten. Soweit der Kläger ein Unternehmerrisiko aus den Fortbildungskosten eines Notfallsanitäters ableitet, unterliegt er einem Zirkelschluss (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 – B 12 KR 17/00 R –, Rn. 24, juris). Auch als abhängig Beschäftigter war er zur Fortbildung verpflichtet. Der Beigeladene zu 3 hatte dazu ein Fortbildungskonzept zu erstellen (§ 7 Abs. 3 SächsLRettDPVO; § 13 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 SächsLRettDPVO; Leistungsbeschreibung - Allgemeiner Teil – XVII. Fortbildung).

 

Zu einer anderen Statusbeurteilung zwingt auch nicht § 23c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IV. Danach sind Einnahmen aus Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst nicht beitragspflichtig, wenn diese Tätigkeiten neben einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes ausgeübt werden. Abgesehen davon, dass Notfallsanitäter in diese Regelung nicht einbezogen wurden, ist Regelungsgegenstand dieser Bestimmung ausdrücklich die Beitragspflicht, nicht die Versicherungspflicht aufgrund von Beschäftigung (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 10/20 R –, juris Rn. 38; <Notarzt im Rettungsdienst>).

 

Der Schutzbereich des Art 12 Abs. 1 GG wird durch die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses und der daraus folgenden Sozialversicherungspflicht von vornherein nicht berührt, da der Gesetzgeber insoweit weder die Wahl noch die Ausübung des Berufs steuert (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2021 – B 12 R 17/19 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 63, juris Rn. 41 mwN; <ambulante Pflegekraft>).

 

Es handelte sich auch nicht um geringfügige Beschäftigungen gemäß § 8 SGB IV oder unständige Beschäftigungen im Sinne von § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III.

 

II.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

III.

 

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG), da sich die Entscheidung in die umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung zur Statusbeurteilung einreiht und hier keine rechtliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären war.

Rechtskraft
Aus
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