L 6 U 29/21

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 23 U 28/17
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 29/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Im Falle eines sog Wegeunfalles muss im Vollbeweis festgestellt werden, dass der Unfall auf dem unmittelbaren Weg zum oder vom Ort der versicherten Tätigkeit stattfand (vgl: BSG, U v 23.04.2015, B 2 U 20/14 R, juris RN 10; Urteil des Senats vom 21.04.2022, L 6 U 64/18, juris RN 37).

 

Die Berufung wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger am 24. Oktober 1974 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

 

Der Kläger ist 1957 geboren. Am 17. Mai 2016 wandte sich die Beklagte an ihn mit der Bitte um Mithilfe bei der Aufklärung der Umstände seines eventuellen Arbeitsunfalles. Der Kläger gab an, er habe zum Zeitpunkt des Unfalles im VEG D. in F.  gearbeitet. Dort sei er Lehrling gewesen. Der Unfall habe sich am 24. Oktober 1974 um 6:30 Uhr ereignet. Er sei beim Überqueren der Fahrbahn an der Bushaltestelle von einem Wartburg erfasst worden. Das Fahrzeug sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren, habe die Kurve geschnitten und ihn auf der Gegenfahrbahn erfasst. Er sei zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg zur Arbeit gewesen. Er habe unter anderen einen komplizierten Bruch des linken Beines erlitten, der anschließend in der Poliklinik des Bezirkskrankenhauses F. behandelt worden sei. Der Kläger fügte die Auswertung eines MRT des linken oberen Sprunggelenkes bei. Danach hatte sich dort eine ausgeprägte Arthrose entwickelt. Der Kläger fügte eine Kopie seines SV-Ausweises bei. Dort war in der Abteilung Heilbehandlung am 24. Oktober 1974 der Diagnoseschlüssel 823 eingetragen. Anschließend lag nach diesen Eintragungen Arbeitsunfähigkeit bis über den 26. März 1975 hinaus vor.

 

Mit Bescheid vom 2. August 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Unfalles am 24. Oktober 1974 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung heißt es, ein Eintrag in dem Ausweis für Arbeit und Soziales über die Anerkennung eines Arbeitsunfalles sei nicht vorhanden. Weitere Unterlagen, die das Vorliegen eines Arbeitsunfalls beweisen könnten, lägen nicht vor. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und bekräftigte sein bisheriges Vorbringen. Da er auf dem Weg zur Arbeit gewesen sei, liege ein Arbeitsunfall vor. Weiter legte der Kläger zwei gleichlautende „eidesstattliche Versicherungen“ von Frau W. und Frau H. vor, wonach er am 24. Oktober 1974 auf dem Weg zur Arbeit einen Verkehrsunfall mit erheblichen Verletzungen erlitten habe.

 

Auf Anfrage der Beklagten teilte das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit des Landes B. am 22. November 2016 mit, es existiere nur noch die Eintragung im Postbuch der ehemaligen Arbeitsschutzinspektion F. . Aus dieser ging hervor, dass der Kläger am 24. Oktober 1974 beim der VEG D. tätig war und einen Unfall erlitten hatte. Auf Nachfrage der Beklagten im Klinikum F. teilte dieses mit, Unterlagen lägen nicht mehr vor. Die Aufbewahrungsfrist betrage 30 Jahre. Auch ein Nachfolgebetrieb konnte nicht ermittelt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2017 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und verwies erneut auf die bestehende Beweislast.

 

Hiergegen hat der Kläger am 22. März 2017 Klage erhoben und zur Begründung darauf hingewiesen, dass er im Rahmen der Musterung zur Ableistung des Militärdienstes bei der damaligen NVA als nicht geeignet eingestuft worden sei. Dies sei bei späteren Überprüfungen bestätigt worden. Bereits 1980 seien als Unfallfolge rezidivierende Lumbalgien festgestellt worden. Seit 2015 seien zu den Rückenschmerzen auch belastungsabhängige Schmerzen im Knie- und linken Sprunggelenk hinzugekommen. Der Hinweis in den Unterlagen der Arbeitsschutzinspektion auf den Ausbildungsbetrieb belege, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe.

 

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr. G.. Dieser hat ausgeführt, dass die Gesundheitsstörungen im linken Knie- und Sprunggelenk des Klägers mit Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Es zeige sich auf den Röntgenaufnahmen ein Zustand nach Tibiafraktur links. Wann es zu den so nachgewiesenen Verletzungen gekommen sei, lasse sich aber nicht sagen. Er hat weiter dargelegt, die im Rahmen der Musterung der NVA festgehaltene Nr. 0213 stehe für eine Verkürzung einer unteren Extremität um drei bis fünf cm mit Verkürzungsausgleich oder Achsabknickung bis 15° bei guter Belastungsfähigkeit sowie Frakturen der großen Röhrenknochen und des Beckenringes bis zu einem Jahr nach Abschluss der Behandlung.

 

Mit Urteil vom 12. März 2021 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kammer gehe zwar davon aus, dass der Kläger am 24. Oktober 1974 einen Unfall erlitten habe. Es fehle allerdings der Nachweis eines aus diesem Ereignis folgenden Gesundheitserstschadens. Auch aus der Eintragung im SV-Ausweis sei kein konkreter Gesundheitsschaden abzuleiten.

 

Gegen das ihm am 30. März 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. April 2021 Berufung eingelegt und seinen bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft. Er hat weiterhin eine schriftliche Bestätigung von Frau L. vorgelegt, die ihn damals im Krankenhaus besucht habe.

 

Ferner hat er einen Auszug aus dem ICD-8 (Ost) vorgelegt. Er hat weiter behauptet, der eingetragene Diagnoseschlüssel N 823 stehe für eine Tibia- und Fibulafraktur. Dass der Zusatz „N“ fehle, sei unschädlich, da die Ziffer 823 die Art des Schadensereignisses auch die konkrete Verletzungsfolge bezeichne. Der Unfallverursacher sei nach seinen Informationen damals ein Herr S. gewesen, ein ehemaliger Profi-Rennradfahrer. Es sei wahrscheinlich, dass der Polizeibericht über den Unfallhergang und ähnliches unter Verschluss gehalten worden sei.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 12. März 2021 und den Bescheid der Beklagten vom 2. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2017 aufzuheben und festzustellen, dass das Unfallereignis am 24. Oktober 1974 ein Arbeitsunfall mit der Folge einer Tibiaschaftfraktur links ist.

 

Er beantragt hilfsweise

 

die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage, welche Stelle zur Auszahlung der Geldleistung der Sozialversicherung an ihn in den Jahren 1974 und 1975 zuständig war und

 

ob aus der Eintragung im SV-Ausweis des Klägers auf Seite 31 in der Spalte “Von der Stelle auszufüllen, die die Geldleistung der SV auszahlt“ geschlussfolgert werden kann, dass er einen Arbeitsunfall erlitten hat.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

 

Anfragen des Senats bei der damals behandelnden Klinik sowie einem den Kläger langjährig behandelnden Arzt blieben ergebnislos.

 

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen H., W. und L.. Frau W. hat angegeben, der Kläger sei auf dem Weg zur Arbeit verunfallt. Ihre damalige Lehrausbilderin L. habe sie von dem Verkehrsunfall informiert. Sie habe den Kläger auch später im Krankenhaus besucht. Dort sei sein Fuß bzw. Bein verbunden gewesen. Ähnliches hat Frau H. bekundet. Frau L. hat angegeben, sie sei damals Krankenschwester im Bezirkskrankenhaus F. gewesen. Da sie entfernt mit dem Kläger verwandt sei, habe sie für die Familie den Kontakt hergestellt. Es habe sich damals um eine Fraktur des Unterschenkels gehandelt. Der Kläger habe ihr später erzählt, der Unfall sei auf dem Weg zur Arbeit passiert. Ein Auto habe ihn erfasst und er sei weit geflogen. Weiterhin hat der Kläger weitere Einzelheiten von dem Unfall und der anschließenden Fahrt ins Krankenhaus zu Protokoll gegeben. Er hat ausgeführt, eine Begutachtung wegen des Arbeitsunfalles zur Feststellung einer Rente habe es nicht gegeben. Es sei damals auch nicht von einer Entschädigung die Rede gewesen.

 

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

 

Der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte zu Recht die Feststellung des geschilderten Vorfalls als Arbeitsunfall abgelehnt hat.

 

Ein solcher Arbeitsunfall liegt in Form eines allein in Betracht kommenden Wegeunfalls im Sinne von § 550 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO - in der Fassung der letzten Änderung durch Gesetz vom 23.7.1996, BGBl. I S. 1088) nicht vor.

 

§ 550 RVO ist anzuwenden, weil § 215 Abs. 1 S. 1 SGB VII (in der Fassung durch Gesetz vom 7.8.1996, BGBl. I S. 1254) mittelbar auf diese Vorschrift verweist. Für den Regelungsbereich nach der Normüberschrift - Versicherungsfälle im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik - und den zeitlichen Geltungsbereich der Vorschrift - Eintritt vor dem 1. Januar 1992 - erklärt die Vorschrift nämlich § 1150 Abs. 2 RVO für anwendbar. Unter diesen Anwendungsbereich fällt der streitige Vorfall.

 

§ 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO enthält eine Ausnahmeregelung für die genannten Fälle, soweit diese nach § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO grundsätzlich als Arbeitsunfälle im Sinne bundesdeutschen Rechts zu gelten hätten. Die weitere Voraussetzung dafür - Arbeitsunfälle im Sinne des vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet geltenden Rechts der Sozialversicherung - kann hier unterstellt werden, weil jedenfalls weitere Voraussetzungen fehlen. Eine Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall nach dem Recht der Sozialversicherung der DDR kann das Gericht aber auch nicht feststellen; der Kläger behauptet diese auch nicht.

 

Beim Kläger ist nach § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO weiter zu prüfen, ob der Unfall ggf. nach dem Dritten Buch (der RVO) zu entschädigen wäre. Denn sein Unfall ist einem nach dem 1. Januar 1991 zuständigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden.

 

Die Tatbestandsmerkmale „Einwirkungen“ und der „Erstschaden“ und im Rahmen des

 

§ 550 Abs. 1 RVO außerdem ein Unfall auf dem unmittelbaren Weg nach bzw. von dem Ort der versicherten Tätigkeit müssen im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen (siehe BSG, 23.4.2015, B 2 U 20/14 R, juris Rn. 10; Urteil des Senats vom 21.4.2022, L 6 U 64/18, Rn. 37, juris). Eine absolute Sicherheit ist insoweit nicht notwendig. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr zweifelt (siehe bereits BSG, 28.11.1957, 4 RJ 186/56, BSGE 6, 142, 144; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage, § 118 Rn. 5 m. w. N.). Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (siehe hierzu BSG, 27.6.2006, B 2 U 5/05 B, SozR 4- 5671 § 6 Nr. 2). Die Möglichkeit oder sogar Wahrscheinlichkeit eines Weges zur Arbeit genügt nicht (siehe eingehend BSG, 6.10.2020, B 2 U 9/19 R, juris Rn. 17 ff).

 

Nach der Beweisaufnahme spricht zwar mindestens eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass am 24. Oktober 1974 ein Unfall mit einer Verletzung des Beins stattgefunden hat. Allerdings ist nicht einmal mit hoher Wahrscheinlichkeit feststellbar, dass sich dieser Unfall auf dem Weg zur Arbeit ereignet hat.

 

Zeugen können den Zusammenhang des Unfalls mit dem Arbeitsweg in Einzelheiten nicht belegen. Denn sie haben durchweg den Unfall nicht gesehen. Die Zeuginnen W. und H. bekunden lediglich, dass ihnen von einer dritten Person (Frau L., die den Unfall ebenfalls nicht gesehen hat, mitgeteilt worden sei, dass sich der Unfall auf dem Weg zur Arbeit ereignet habe. Ungeachtet der Frage des Erinnerungsvermögens von Zeugen nach so langer Zeit sind angesichts der mehrfachen Weitergabe von Meldungen auch Missverständnisse nicht auszuschließen. Eine gründliche oder gar behördliche Prüfung kann zumindest an jenem frühen Morgen, als den Zeuginnen der Unfall mitgeteilt wurde, noch nicht durchgeführt worden sein. Es ist unbekannt, wer im Betrieb angerufen hat und auf welche Informationen (vom wem) sich wiederum der Anrufer gestützt hat. Frau L. stützt sich allein auf die damaligen Angaben des Klägers. Dies genügt - auch in der Gesamtschau - nicht für die volle Überzeugung des Senats.

 

Eintragungen in ein Postbuch der damaligen Arbeitsschutzinspektion F. haben nicht die Bedeutung, ein Anerkennungsverfahren zu ersetzen. Dieser Eintrag belegt lediglich den wohl nachgewiesenen Unfall selbst. Von einem versicherten Weg oder gar einem Arbeitsunfall ist - auch bei den anderen Registereinträgen - nicht die Rede.

 

Auch in den anderen vom Kläger vorgelegen Unterlagen findet sich kein Hinweis auf einen Wege- bzw. Arbeitsunfall. Die Tauglichkeitsuntersuchung der NVA am 30. März 1979 kam lediglich zu dem Ergebnis, dass der Kläger für den Grundwehrdienst nicht geeignet sei. Auch der Eintrag von Dr. H. vom 8. Mai 1980 erwähnt nur einen „Unfall“ und keinen Arbeitsunfall. Zwar wird in der Bescheinigung von Dr. N. vom 9. Mai 1980 (Orthopädische Fachpoliklinik S.) auf wiederkehrende Lumbalgien seit 1974 hingewiesen. Ein Zusammenhang mit einem Unfall oder gar einem Arbeitsunfall wird aber nicht hergestellt.

 

Der Verweis des Klägers auf eine Fahrerflucht macht seine Vermutung, der Fahrer des Unfallwagens habe geschützt werden sollen, nicht nachvollziehbar. Es hätte ein Verfahren zur Anerkennung als Wegeunfall durchgeführt werden können, ohne den Fahrer ermitteln zu müssen.

 

Das Fehlen eines Anerkennungsverfahrens in der DDR setzt zudem voraus, dass auch der Kläger bzw. seine Erziehungsberechtigten einen entsprechenden Antrag in den Folgejahren unterließen. Dies erscheint nicht nur wegen den heute geklagten, aber auch damals schon bestehenden dauerhaften Folgen schwer verständlich. Insoweit bestand

 

insbesondere angesichts der sehr langen stationären Behandlung ein Interesse an der Anerkennung als Arbeitsunfall. Der Kläger gibt an, dass seine Einberufung in die NVA wegen der Unfallfolgen mehrfach verschoben worden sei; weiter seien bereits 1980 als Unfallfolge rezidivierende Lumbalgien festgestellt worden. Angesichts der jahrelang spürbaren Folgen war schon damals für den damals rund 23 Jahre alten Kläger absehbar, dass eine fehlende Anerkennung Jahrzehnte später Beweisprobleme verursachen könnte. Umso unverständlicher ist es, dass ein solches Anerkennungsverfahren nicht spätestens nach dem Zusammenbruch der DDR eingeleitet wurde. Insoweit gibt es auch keinen Grund, hier den Beweismaßstab abzusenken oder gar Beweiserleichterungen zuzulassen (dazu BSG, 10.8.2021, B 2 U 2/20 R, juris Rn. 31), weil Beweismittel wie beispielsweise die Unterlagen des Krankenhauses, des Betriebs oder weitere Zeugen nicht mehr vorhanden sind.

 

Die Folgen der Nichterweislichkeit hat der Kläger zu tragen. Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, 27.6.1991, 2 RU 31/90, SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

 

Die (fehlenden) Eintragungen im SV-Ausweis sprechen sogar dagegen, dass ein Arbeitsunfall vorliegt. Insbesondere aus der Seite, auf die sich der Kläger beruft (Eintrag Diagnoseschlüssel 823 vom 24. Oktober 1974 bis 31. März 1975), ergibt sich, dass hier eigens eine Spalte vorgesehen war, in dem „AU“ (das heißt „Arbeitsunfall“) einzutragen war. Dies ist hier nicht erfolgt. Solche Eintragungen sind allen drei an der Entscheidung mitwirkenden Berufsrichtern des Senats, die seit langem in dem für die Unfallversicherung zuständigen Spruchkörper tätig sind, aus vielen Verfahren bekannt.

 

Welche Stelle hierfür zuständig war, ist unerheblich, so dass der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage ins Leere geht. Der SV-Ausweis belegt insoweit den Vortrag des Klägers, dass damals keine Anerkennung erfolgte. Insbesondere die Eintragungen 8507/74 Chir., 420/75 Chir. und 2235/15 Chir. hinter den Eintragungen des Bezirkskrankenhauses F. belegen keine Anerkennung und nicht einmal ein entsprechendes Verfahren. Denn ein Verfahren hat nicht drei verschiedene Aktenzeichen. Diese Eintragungen wegen ihrer ihrer räumlichen Nähe einer Stelle zuzuordnen, die Geldleistungen der Sozialversicherung auszahlt, kommt schon wegen des Fehlens von Stempel und Unterschrift nicht in Frage.

 

Falls entgegen den Angaben des Klägers ein Verfahren stattgefunden haben sollte, hält der Senat es angesichts der schweren Unfallfolgen für unwahrscheinlich, dass dies ohne Ergebnis eingestellt wurde. Ohnehin ist es nicht Aufgabe des Gerichts oder der Beklagten, nach über 40 Jahren das Nicht-Vorliegen eines Wegeunfalls zu belegen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 193 Abs. 1 S. 1, 183 SGG.

 

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG). Es handelt sich um eine Frage der Beweiswürdigung im Einzelfall.

Rechtskraft
Aus
Saved