Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.04.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Der 1965 geborene Kläger, der zuletzt als Bestatter arbeitete, stellte nach einem ersten abschlägig beschiedenen Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung am 07.03.2017 einen erneuten entsprechenden Antrag. Hierzu überreichte er eine Bescheinigung des Facharztes für Orthopädie W. vom 16.05.2017, nach der er aufgrund seiner orthopädischen Beschwerden und der mit ihnen einhergehenden massiven Schmerzsymptomatik auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt derzeit nur noch unter drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Die Beklagte holte Befundunterlagen bei den behandelnden Ärzten ein, ließ diese von ihrem ärztlichen Dienst auswerten und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19.09.2017 ab, da der Kläger die medizinischen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfülle.
Auf den Widerspruch des Klägers vom 25.09.2017, der eine Erwerbsminderung im Hinblick auf die Gesamtheit seiner Erkrankungen, insbesondere derjenigen auf orthopädischem Fachgebiet für gegeben erachtete, holte die Beklagte ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. R. vom 18.01.2018 ein. Dieser stellte einen Zustand nach Schlittenprothese rechts in 2013 mit Revisionsoperation in 2014 und weiterhin lokalen Beschwerden, ein chronisches Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei Facettenarthrose sowie eine somatoforme Schmerzstörung fest. Im zuletzt ausgeübten Beruf als Bestatter könne der Kläger wegen der damit verbundenen Belastungen der Wirbelsäule und der Kniegelenke nicht mehr arbeiten. Eine leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit überwiegend im Sitzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei jedoch noch mehr als 6 Stunden täglich möglich.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2018 zurück.
Am 08.05.2018 hat der Kläger hiergegen beim Sozialgericht Detmold (SG) Klage erhoben. Mit seinen gesundheitlichen Einschränkungen könne er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr erwerbstätig sein.
Das SG hat im Rahmen der Beweisaufnahme Befundberichte des Facharztes für Orthopädie Dr. U. vom 27.09.2018, des Facharztes für Orthopädie W. vom 18.10.2018 und des Facharztes für Innere Medizin Dr. Z. vom 10.12.2018 sowie anschließend ein fachorthopädisch-sozialmedizinisches Hauptgutachten des Dr. E. vom 03.06.2019 und ein nervenärztliches Zusatzgutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie B. vom 09.05.2019 eingeholt. Die Sachverständigen haben bei dem Kläger auf orthopädischem Fachgebiet Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und des rechten Kniegelenkes und ein leichtgradiges Schulterimpingement links sowie auf dem nervenärztlichen Fachgebiet den Verdacht auf ein chronisches Schmerzsyndrom mit körperlichen und psychischen Faktoren festgestellt. Der Kläger könne unter Berücksichtigung aller festgestellten Gesundheitsstörungen ohne Schaden für die Gesundheit und ohne unzumutbare Schmerzen noch vollschichtig, d.h. 8 Stunden täglich, körperlich leichte Arbeiten mit dem häufigen Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen mit gewissen qualitativen Einschränkungen verrichten. Sein Hörvermögen sei in der Untersuchungssituation nicht eingeschränkt gewesen und das Sehvermögen bei Brillenversorgung intakt. Der Kläger sei nicht auf betriebsunübliche Pausen angewiesen und könne die rentenrechtlich relevanten Wegstrecken von viermal täglich 500 m jeweils innerhalb von weniger als 20 Minuten zurückzulegen bzw. zumindest zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel auch zu den Hauptverkehrszeiten benutzen sowie als Fahrer einen Pkw führen. Es sei von einer durchschnittlichen Umstellungsfähigkeit auszugehen. Dieses Leistungsvermögen bestehe seit dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung.
Nach einem Wechsel der Knie-TEP und anschließender Rehabilitationsbehandlung des Klägers in der Y.-Klinik in I. im August 2019 hat das SG einen Befundbericht beim Facharzt für Orthopädie Dr. F. vom 11.03.2020 eingeholt und sodann den Sachverständigen Dr. E. mit einer nochmaligen Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser ist nach ambulanter Nachuntersuchung im März 2021 zu der Einschätzung gelangt, dass eine Änderung seiner vorigen Beurteilung aufgrund der aktualisierten Untersuchung des rechten Kniegelenkes nicht geboten sei (Gutachten vom 23.03.2021). Soweit im Entlassungsbericht der Y.-Klinik vom 23.08.2019 eine Leistungsbeschränkung auf unter drei Stunden täglich angenommen worden sei, sehe er dies auch bei Berücksichtigung eines notwendigen Nachbehandlungszeitraums nach Kniegelenksersatz rückblickend wie auch unter Berücksichtigung seines eigenen Funktionsbefundes nicht als substantiiert an.
Auf Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist anschließend ein Gutachten beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. L. in Auftrag gegeben worden. Das Gutachten vom 30.11.2021 enthält als Funktionsdiagnosen eine Instabilität und Fehlstellung des Schultereckgelenkes sowie des Sternoclaviculargelenkes links nach Unfall aus dem Jahr 1990 mit Bewegungseinschränkung des linken Armes im linken Schultergelenk und insgesamt deutlich schmerzhafter Belastungsminderung. Weiterhin bestehe ein Verschleißleiden der Lendenwirbelsäule mit multisegmentaler Osteochondrose und Spondylarthrose mit gesicherten Bandscheibenvorfällen tief-lumbal mit rechtsbetonter Nervenwurzelreizung ohne Anhalt für eine segmentale Instabilität, jedoch verbunden mit einer Störung der Entfaltung und Beweglichkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie eine Koxarthrose beidseits mit rechtsführender Bewegungseinschränkung des Hüftgelenkes, eine einliegende Endoprothese des rechten Kniegelenkes mit stabiler Führung, jedoch deutlicher Kapselreizung und Bewegungseinschränkung und eine Gonarthrose links mit leichtgradiger Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes. Ebenfalls festzustellen seien eine unter Ausbildung eines Außenrotationdrehfehlers verheilte Oberschenkelfraktur rechts und eine funktionell folgenlos ausgeheilte Thrombose des rechten Unterschenkels. In qualitativer Hinsicht vermöge der Kläger bei Berücksichtigung gewisser Einschränkungen leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Er sei nicht auf betriebsunübliche Pausen angewiesen und die Wegefähigkeit erhalten. Die Beurteilung des Gerichtssachverständigen Dr. E. werde geteilt. Signifikante Abweichungen zu seiner Beurteilung bestünden nicht.
Der Kläger hat an seinem Klagebegehren festgehalten und beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.04.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung seit März 2017 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27.04.2022 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 19.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.04.2018 sei rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er sei in der Lage, noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mit qualitativen Einschränkungen erwerbstätig zu sein. Die Kammer schließe sich der Einschätzung der Sachverständigen Dr. E. und B. an. Deren Beurteilung stehe in Übereinstimmung mit dem Ergebnis der im Verwaltungsverfahren bzw. Widerspruchsverfahren eingeholten Gutachten und werde durch das auf Veranlassung und Kosten des Klägers eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. L. vollumfänglich bestätigt. Die Feststellungen im Entlassungsbericht der Y.-Klinik seien hingegen inkonsistent und ließen keinen Schluss auf eine dauerhaft eingeschränkte Erwerbsfähigkeit zu. Auch aufgrund der im Gerichtsverfahren beigezogenen Befundberichte sei eine andere Beurteilung nicht geboten. Eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes bestehe nicht. Weder bestünde beim Kläger eine schwere Leistungsbehinderung noch lägen die Voraussetzungen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Die in einer überwältigenden Vielzahl von Gutachten mit orthopädischer Beteiligung vorgenommenen Einschränkungen auf wechselnde Körperhaltung sei nicht untypisch und lasse eine Vielzahl von Tätigkeiten, so insbesondere das große Feld der Bürotätigkeiten zu.
Gegen das ihm am 20.05.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.06.2022 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, dass sein zeitliches Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollständig aufgehoben bzw. zumindest auf unter 6 Stunden täglich eingeschränkt sei. Er berufe sich auf die Einschätzung des behandelnden Arztes der Y.-Klinik im ärztlichen Entlassungsbericht und des behandelnden Facharztes für Orthopädie Dr. F.. Obwohl der behandelnde Arzt der Reha-Klinik tagtäglich mit sozialmedizinischen Beurteilungen zu tun haben dürfte und auch gegen seinen behandelnden Orthopäden in fachlicher Hinsicht keine begründeten Zweifel bestünden, spreche das SG beiden Behandlern eine hinreichende fachliche Kompetenz ab und stütze sich auf die Beurteilung von Dr. E., dessen Ausführungen jedoch gerade nicht überzeugten. So habe dieser anlässlich der Untersuchung im Februar 2019 übersehen, dass im rechten Kniegelenk ein Endoprothesenwechsel aufgrund vorangegangener instabiler Bandführung erforderlich gewesen sei. Auch die Gesundheitsstörungen des linken Kniegelenkes habe dieser Arzt nicht erkannt. Die vom Gericht angeordnete erneute Auseinandersetzung des Sachverständigen Dr. E. insbesondere mit der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung im Abschlussbericht der Rehabilitationsmaßnahme überzeuge nicht. Darüber hinaus basiere das erstinstanzliche Urteil auf von ihm nur unzureichend erhobenen Diagnosen. Eine vollständige Aufstellung seiner tatsächlich festzustellenden körperlichen Beeinträchtigungen sei in dem nach § 109 SGG eingeholten Gutachten von Dr. L. enthalten. Soweit dieser dennoch zu der (fehlerhaften) Beurteilung komme, dass eine quantitative Leistungsbeeinträchtigung aus orthopädischer Sicht nicht vorliege, könne dies im Hinblick auf die in seinem Gutachten festgestellten Funktionsdiagnosen nicht überzeugen. Schließlich sei das Urteil des SG auch deshalb fehlerhaft, weil es einen Rentenanspruch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes bejaht habe. Von einer Einsatzfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes könne nicht die Rede sein. Dies gelte wegen der Notwendigkeit wechselnder Körperhaltungen auch für das Feld der Bürotätigkeiten. Mängel der Gerichtsgutachten würden im Übrigen auch durch einen von ihm beigefügten Befundbericht des Facharztes für diagnostische Radiologie Dr. P. vom 04.10.2022 belegt.
Im Berufungsverfahren sind zur Beweisaufnahme ergänzende Stellungnahmen der Gerichtssachverständigen B. vom 09.11.2022 und Dr. E. vom 12.12.2022 eingeholt worden. Diese haben an ihren vorigen Beurteilungen des Leistungsvermögens des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festgehalten.
Der Kläger hat zuletzt (weiter) die Auffassung vertreten, das wahre Ausmaß seiner gesundheitlichen Einschränkungen und der hiermit einhergehenden Beeinträchtigungen seines Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei von den Sachverständigen nicht in hinreichendem Maße erkannt bzw. gewürdigt worden. Die behandelnden Ärzte hätten jedenfalls nach den aktuellen Untersuchungsergebnissen anhand des MRTs seine erhebliche Beschwerde- und Schmerzsymptomatik erklären können, die nach den Gutachtern lediglich als appellative Beschwerdedarbietung angesehen worden sei. Er bleibe auch dabei, dass durch den ärztlichen Entlassungsbericht der Reha-Klinik eine Aufhebung seines Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt belegt werde. Auch Bürotätigkeiten seien ihm selbst unter Einsatz eines höhenverstellbaren Schreibtischs nicht möglich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.04.2022 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 19.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2018 zur verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung seit März 2017 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte, die das erstinstanzliche Urteil für zutreffend erachtet, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 06.03.2023 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung gem. § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Beratung des Senats gewiesen ist.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers wird durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 S. 1 SGG zurückgewiesen. Zur Möglichkeit einer solchen Entscheidung sind die Beteiligten mit Schreiben vom 06.03.2023 angehört worden (§ 153 Abs. 4 S. 2 SGG).
Gem. § 153 Abs. 4 S. 1 SGG kann der Senat die Berufung außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 S. 1 SGG zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen liegen vor.
Im Klageverfahren hat das SG nach mündlicher Verhandlung entschieden. Die Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung wird nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens nicht für erforderlich gehalten. Der Sachverhalt ist umfassend ermittelt, eine ergänzende Sachverhaltsaufklärung nicht mehr erforderlich. Das erstmalige Vorbringen noch nicht vorgetragener Tatsachen oder rechtlicher Gesichtspunkte in einem Verhandlungstermin ist nicht zu erwarten. Schließlich ist ein weiteres Vorbringen vom Kläger nicht angekündigt worden. Dieser hat sich vielmehr auf das Anhörungsschreiben des Senats nicht mehr zur Sache geäußert. Andere Aspekte, die nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig erscheinen lassen, sind nicht erkennbar.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 19.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.04.2018 beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG, da er nicht rechtswidrig ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem SGB VI.
Gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 2 S. 1 SGB VI haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 und Abs. 2, je Nr. 2 und 3 SGB VI) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind bzw. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI) und voll erwerbsgemindert – neben weiteren, hier nicht gegebenen besonderen Voraussetzungen – Versicherte, denen dies nicht mindestens drei Stunden täglich möglich ist (§ 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist hingegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 43 SGB VI müssen im Vollbeweis, d.h. mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, feststehen (vgl. z.B. Senatsurt. v. 04.05.2022 – L 8 R 945/12 ZVW – juris Rn. 35 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen eines Rentenanspruchs wegen Erwerbsminderung liegen nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst auf die Würdigung durch das SG Bezug und macht sich diese nach Prüfung zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Der vom Kläger wiederholend angeführte ärztliche Entlassungsbericht der Y.-Klinik vom 26.08.2019 ist – wie bereits das SG festgestellt hat – nicht geeignet, einen erwerbsmindernden Dauerzustand im Sinne des § 43 SGB VI von mindestens sechs Monaten mit dem erforderlichen Vollbeweis zu belegen (vgl. hierzu z.B. Freudenberg in: jurisPK-SGB VI, 3. Aufl. 2021, § 43 SGB VI Rn. 70, 103). Die Leistung zur medizinischen Rehabilitation wurde im Anschluss an den im Juli 2019 erfolgten Knie-TEP-Wechsel rechts bewilligt. Der postoperative Verlauf gestaltete sich ausweislich des Berichts als komplikationsfrei. Bereits am 23.08.2019 und damit nicht einmal einen Monat nach dem operativen Eingriff wurde der Kläger entlassen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Maßnahme konnte er bereits über 50 Stufen bewältigen und an zwei Unterarmgehstützen „unbegrenzt“ gehen. Soweit in der sozialmedizinischen Epikrise des Berichts davon ausgegangen wird, dass der Kläger „derzeit bis mittelfristig“ aufgrund der Beschwerden im LWS-Bereich und auch im linken Kniegelenk nur unter drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne, wird hiermit keine Aussage zu einem erwerbsmindernden Dauerzustand getroffen. Dr. E. hat diese Aussage in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.12.2022 nachvollziehbar dahingehend eingeordnet, dass der Begriff „mittelfristig“ in diesem Zusammenhang ein mehrmonatiges Intervall der Arbeitsunfähigkeit bedeute, durch welches dem Kläger die Möglichkeit gegeben werde, im Rahmen weiterer Physiotherapie und durch Muskelaufbautraining die Belastbarkeit des operativ behandelnden Kniegelenkes zu steigern und auf ein Level üblicher Alltagsbelastbarkeit nach endoprothetischem Gelenkersatz anzuheben. Eine andere prognostische Beurteilung wäre vor dem Hintergrund der im Entlassungsbericht beschriebenen Befunde auch nicht begründbar. Auch aus dem weiteren Akteninhalt kann rückblickend eine Aufhebung oder Minderung des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers im Anschluss an die Leistung zur medizinischen Rehabilitation nicht abgeleitet werden. So geht aus dem Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. F. aus März 2020, auf den sich der Kläger ebenfalls beruft, die anamnestisch Angabe des Klägers vom 02.09.2019 hervor, dass es ihm bis auf ein Spannungsgefühl beim Beugen an der Kniescheibe und in der Kniekehle gut gehe. Die Wunde – so der behandelnde Arzt – sei bei stabiler Bandführung abgeheilt. In der Folgezeit hat sich der Kläger dort auch lediglich zweimalig unter dem 14.10.2019 und 13.03.2020 vorgestellt; Behandlungen an diesen Tagen wurden in dem Befundbericht nicht angegeben. Funktionseinschränkungen, die selbst leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung ausschließen, werden nicht beschrieben. Der Befundbericht von Dr. F. ist daher ebenfalls nicht geeignet, abweichend von den eingeholten Gutachten einen erwerbsmindernden Dauerzustand zu belegen.
Soweit der Kläger geltend macht, Dr. E. habe bereits anlässlich der ersten Untersuchung im Februar 2019 relevante Befunde der Knie nicht erkannt, fehlt es an dies belegenden zeitnahen sonstigen ärztlichen Angaben. Auch sein weiterer Einwand, bei einem Abgleich der Gutachten von Dr. E. und Dr. L. werde eine Unvollständigkeit der von Dr. E. gestellten Diagnosen deutlich, führt ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Die Rentenbegutachtung ist im Wesentlichen Funktionsbegutachtung (vgl. BSG Beschl. v. 28.02.2017 – B 13 R 37/16 BH – juris Rn. 15). Entsprechend kommt es nicht auf die diagnostische Bezeichnung von Gesundheitsstörungen, sondern darauf an, dass alle Funktionseinschränkungen in die gutachterliche Würdigung einfließen, die für das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bedeutsam sind. Dafür, dass Dr. E. wesentliche Funktionseinschränkungen des Klägers nicht berücksichtigt hat, ergeben sich keine aktenkundigen hinreichenden Anhaltspunkte. Dies gilt umso mehr als auch der vom Kläger selbst gem. § 109 SGG benannte Sachverständige Dr. L. signifikante Abweichungen der Gutachtenergebnisse verneint und sich der Beurteilung von Dr. E. ausdrücklich angeschlossen hat.
Die wiederholt vorgetragene Auffassung des Klägers, dass der Arbeitsmarkt für ihn verschlossen sei und er auch keine Bürotätigkeiten ausüben könne, stellt lediglich eine subjektive eigene Einschätzung dar, die im Ergebnis der Beweiserhebung keine Stütze findet. Der von ihm in diesem Zusammenhang angeführten Notwendigkeit wechselnder Körperhaltungen kann z.B. bei den vom SG angeführten Bürotätigkeiten grundsätzlich Rechnung getragen werden. Darüber hinaus kann der Wechsel der Körperhaltungen auch im Rahmen der zur Verfügung stehenden persönlichen Verteilzeiten erfolgen (vgl. hierzu z.B. LSG NRW Urt. v. 23.03.2022 – L 3 R 799/17 – juris Rn. 96; Freudenberg in juris-PK-SGB VI, § 43 Rn. 245).
Soweit der Kläger schließlich behauptet, dass die Ergebnisse der MRT-Untersuchung aus Oktober 2022 eine Fehleinschätzung der Gutachter nahelegten, ist auch dem nicht zu folgen. Vielmehr trifft der Bericht des Facharztes für diagnostische Radiologie Dr. P. vom 04.10.2022 keine Aussage dazu, welche Gesundheitsstörungen in der Vergangenheit zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchungen bestanden haben. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lagen zudem letztmalig am 29.02.2020 und damit mehr als 2 ½ vor der MRT-Untersuchung vor. Der Befundbericht hat für den Rechtsstreit daher keinen entscheidenden Aussagewert.
Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren vor dem Hintergrund der erfolgten umfangreichen Beweisaufnahme und des Umstandes, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seit inzwischen mehr als drei Jahren nicht mehr erfüllt sind, nicht notwendig. Der medizinische Sachverhalt ist hinreichend aufgeklärt. Liegen mehrere Gutachten vor, ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten im Sinne von § 118 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 412 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ungenügend sind, weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde der Gutachter geben (vgl. BSG Beschl. v. 27.01.2021 – B 13 R 123/20 B – juris Rn. 7; Senatsbeschl. v. 05.01.2022 – L 8 R 752/16 – juris Rn. 63). Dies ist hier nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S. 1, 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.