Aufgrund der sichergestellten anderweitigen Bedarfsdeckung ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Bewohner besonderer Wohnformen iSd § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII durch die Zugrundelegung der Regelbedarfsstufe 2 nicht zu erkennen. Bei der aufgeworfenen Frage handelt es sich nicht um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Auch wenn es eine höchstrichterliche Entscheidung dazu bisher nicht gibt, ist die aufgeworfene Rechtsfrage durch Auslegung eindeutig zu beantworten.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 7. Februar 2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu erstatten.
Gründe
Die gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin, die erstinstanzlich erfolglos beantragt hat, den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 3. August 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. September 2020 zu verurteilen, ihr weitere Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) unter Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 und damit in Höhe von weiteren 43,- Euro monatlich für die Zeit vom 1. Januar 2020 bis 31. August 2020 zu gewähren, gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 7. Februar 2022 ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Rechtsmittel der Berufung, das nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG vorliegend ausgeschlossen ist, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 344,- Euro beträgt und damit 750,- Euro nicht übersteigt, ist von der Vorinstanz nicht zugelassen worden – die Verwendung einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung allein stellt keine Zulassungsentscheidung dar (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 29. Juni 2021, B 14 AS 215/20 B, Rn.6 juris) – und ist nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Die in den Nummern 1 bis 3 dieser Vorschrift normierten Zulassungsvoraussetzungen liegen nicht vor.
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Sie wirft eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage, deren Klärung im Allgemeininteresse liegt, nicht auf. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn eine bestimmte abstrakte Rechtsfrage formuliert werden kann, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 144 Rn.28). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Berufungsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Es bedarf der Erforderlichkeit der Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse (Klärungsbedürftigkeit) und der Erwartung, dass durch das Berufungsgericht eine Klärung erfolgen wird (Klärungsfähigkeit). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Nach Auffassung der Klägerin wirft der Rechtsstreit folgende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf:
Ist, soweit wohl unproblematisch eine Ungleichbehandlung zwischen Bewohnern besonderer Wohnformen im Sinne des § 42a Abs. 2 SGB XII und etwa Bewohnern sonstiger Wohnungen im Sinne des § 42a Abs. 1 SGB XII in Bezug auf die Berechnung der Leistungen unter Zugrundelegung der unterschiedlichen Regelbedarfsstufen gegeben ist, diese Ungleichbehandlung durch die grundsätzliche Zuerkennung von Ansprüchen nach § 42a Abs. 5 SGB XII gerechtfertigt bzw. liegt aus anderen Gründen eine Rechtfertigung für die gegebene Ungleichbehandlung vor?
Bei der von der Klägerin aufgeworfenen Frage handelt es sich nicht um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Auch wenn es eine höchstrichterliche Entscheidung dazu bisher nicht gibt, ist die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage durch Auslegung eindeutig zu beantworten. Aufgrund der sichergestellten anderweitigen Bedarfsdeckung ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Bewohner besonderer Wohnformen iSd § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht zu erkennen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. November 2021, L 9 SO 225/21 B, Rn.22 juris; Becker in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 65. Edition, Stand 01.06.2022, § 8 RBEG Rn.17).
Die Klägerin lebte im streitbefangenen Zeitraum in einer besonderen Wohnform iSd § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII. Damit richteten sich die bei der Leistungsgewährung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zugrunde zu legenden Regelbedarfe nach der Regelbedarfsstufe 2 (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) in der bis 31. Dezember 2020 geltenden Fassung). Diese Regelbedarfe beliefen sich bis zum 31. Dezember 2020 auf 389,- Euro. Die Absenkung der Regelbedarfsleistungen auf die Regelbedarfsstufe 2, mithin auf ca. 90% der Regelbedarfsstufe 1, stellt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung iSd Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) gegenüber Personen dar, die Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 erhalten. Die Reduzierung des anzuerkennenden Regelbedarfs entspricht vielmehr der abgesenkten Bedarfslage in diesen Fällen. Bedarfe, die ansonsten – bei Anwendung der Regelbedarfsstufe 1 – aus der Regelleistung zu erbringen wären, werden in besonderen Wohnformen im Rahmen der Unterkunftskosten nach § 42a Abs. 5 SGB XII erbracht. Umfasst sind hierbei Zuschläge für den persönlichen Wohnraum (§ 42a Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 SGB XII in der ab 10. Juni 2021 geltenden Fassung; zuvor § 42a Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 SGB XII in der ab 1. Januar 2020 geltenden Fassung), der Haushaltsstrom, die Instandhaltung des persönlichen Wohnraums und der Räumlichkeiten zur gemeinschaftlichen Nutzung sowie die Ausstattung mit Haushaltsgroßgeräten (§ 42a Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 SGB XII in der ab 10. Juni 2021 geltenden Fassung; zuvor § 42a Abs. 5 Satz 6 Nr. 3 SGB XII in der ab 1. Januar 2020 geltenden Fassung) sowie die Gebühren für Telekommunikation und für den Zugang zu Rundfunk, Fernsehen und Internet (§ 42a Abs. 5 Satz 4 Nr. 4 SGB XII in der ab 10. Juni 2021 geltenden Fassung; zuvor § 42a Abs. 5 Satz 6 Nr. 4 SGB XII in der ab 1. Januar 2020 geltenden Fassung). Eine abweichende (niedrigere) Leistungsfestsetzung des Regelsatzes gemäß § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB XII wegen der Deckung dieser Bedarfe über die Unterkunftskosten ist – worauf bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat – gemäß § 27a Abs. 4 Satz 5 SGB XII ausdrücklich ausgeschlossen. Demgegenüber kommt jedoch eine abweichende (höhere) Regelsatzfestsetzung nach § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII in Betracht, soweit entsprechende Bedarfe nachgewiesen werden. Durch die Regelungen des § 42a Abs. 5 SGB XII (ggfls. ergänzt durch § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII) wird somit eine Unterschreitung des Existenzminimums vermieden und sie stellen einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung gegenüber Leistungsberechtigten iSd Regelbedarfsstufe 1 dar.
Soweit der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren eine Schlechterstellung der Bewohner besonderer Wohnformen durch die Zuordnung zur Regelbedarfsstufe 2 befürchtete (vgl. BR Drucksache 712/16 (Beschluss) vom 16. Dezember 2016, dort unter 2.), so ist diese nicht eingetreten. Zum einen erfolgt ein Ausgleich, wie bereits dargelegt, über die Leistungen nach § 42a Abs. 5 Satz 4 SGB XII sowie, soweit entsprechende Bedarfe nachgewiesen werden, über eine abweichende Regelsatzfestsetzung nach § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII.
Dass Bewohner besonderer Wohnformen nicht gegenüber sonstigen Leistungsberechtigten der Regelbedarfsstufe 1 schlechter gestellt sind, ergibt sich beispielhaft aus dem vorliegenden Sachverhalt. In den streitbefangenen Bescheiden übernahm der Beklagte neben der Bruttowarmmiete der Klägerin iHv 251,94 Euro Kostenbestandteile für Haushaltsstrom, Instandhaltung und Ausstattung mit Haushaltsgroßgeräten (§ 42a Abs. 5 Nr. 3 SGB XII) sowie für die Bereitstellung von Telekommunikation, Rundfunk und Fernsehen in ausgewiesenen Gemeinschaftsräumen (§ 42a Abs. 5 Nr. 4 SGB XII) in Höhe von insgesamt 88,89 Euro (vgl. Berechnungsbogen zum Bescheid vom 3. August 2020). Dies entsprach den hierfür im Mietvertrag ausgewiesenen monatlichen Kosten (vgl. Anlage 1 zum Wohn- und Betreuungsvertrag vom Dezember 2019). Der nach § 42a Abs. 5 SGB XII übernommene Betrag überstieg damit die Differenz zwischen den Regelbedarfsstufen 1 und 2, die im Jahr 2020 43,- Euro (432,- Euro abzüglich 389,- Euro) betrug, so dass die Klägerin bei einer Gesamtbetrachtung besser gestellt ist als bei Anwendung der Regelbedarfsstufe 1, bei der eine Erbringung der genannten Bedarfe über die Unterkunftskosten nicht zulässig wäre. Dies gilt selbst dann, wenn in diese Betrachtung die – von der Klägerin mit ihrem Klageantrag gar nicht geltend gemachte – Höhe der Differenz des aus der Regelbedarfsstufe abgeleiteten Mehrbedarfs „G“ (§ 30 Abs. 1 SGB XII) iHv monatlich 7,31 Euro einbezogen wird.
Es liegt keine entscheidungserhebliche Abweichung von einer Entscheidung eines der in § 144 Absatz 2 Nr. 2 SGG aufgeführten Gerichte vor. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin schon konkrete Entscheidungen dieser Gerichte nicht benannt hat, hat das Sozialgericht im Übrigen keinen – entscheidungserheblichen und von der Klägerin konkret aufgezeigten – abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung der genannten Gerichte widersprechen würde.
Schließlich hat die Klägerin mit ihrer Beschwerde auch keinen Verfahrensmangel bezeichnet, der der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegt und auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG).
Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt (vgl. Keller, a.a.O., § 144 Rn.32). Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, es geht nicht um die Richtigkeit der Entscheidung, sondern um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil. Bei der Beurteilung, ob ein die Zulassung der Berufung rechtfertigender Verfahrensmangel unterlaufen ist, muss von der Rechtsauffassung des Sozialgerichts zum materiellen Recht ausgegangen werden.
Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG dahingehend rügt, dass von der Vorinstanz keine Ermittlungen bezüglich einer abweichenden Regelsatzfestsetzung gemäß § 27a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII durchgeführt worden seien, ist festzustellen, dass das erstinstanzliche Urteil Ausführungen zur Erforderlichkeit einer abweichenden Regelsatzfestsetzung enthält (vgl. Seiten 14/15 des Urteils vom 7. Februar 2022). Das Sozialgericht hat zutreffend dargelegt, dass die in der Anlage 3 zu dem zwischen der Klägerin und der H. geschlossenen Wohn- und Betreuungsvertrag aufgeführten Kosten für die Bereitstellung von Lebensmitteln (monatlich 133,07 Euro) und Hausverbrauchsmaterialien (monatlich 30,- Euro) in den der Klägerin gewährten Regelbedarfsleistungen enthalten und damit abgedeckt sind. So enthielt der Regelbedarf im Jahr 2020 in der Regelbedarfsstufe 2 monatliche Bedarfe für Nahrungsmittel und Getränke iHv 135,62 Euro (vgl. Schwabe in: ZfF, 1/2020, S. 1 ff). Dass darüber hinaus ein weitergehender Bedarf bestanden haben soll, der den Regelbedarf überstieg und im Rahmen einer abweichenden Regelsatzfestsetzung zu berücksichtigen gewesen wäre, hat die Klägerin weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im hiesigen Nichtzulassungsverfahren dargelegt, geschweige denn konkrete Anhaltspunkte hierfür vorgebracht. Dem Senat erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht, zu welchen Ermittlungen sich das Sozialgericht gedrängt gefühlt haben sollte. Gerichtliche Ermittlungen „ins Blaue hinein“ sind nicht angezeigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
Nach § 145 Absatz 4 Satz 4 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.