L 7 KA 19/22 KL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7.
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 19/22 KL
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die in § 106b Abs. 2a Satz 1 SGB V angeordnete Differenzkostenberechnung ist nur auf die unwirtschaftliche Verordnung im engeren Sinne anzuwenden.

Für die unzulässige Verordnung (unwirtschaftliche Verordnung im weiten Sinne) ist nach § 106a Abs. 2 Satz 2 SGB V in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Berücksichtigung von Einsparungen zugunsten des Arztes und damit die Bildung einer Differenz ausgeschlossen. 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Klägerin wendet sich gegen einen Schiedsspruch des Beklagten im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Differenzkostenberechnung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106b Abs. 2a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

 

Die Klägerin und der Beigeladene sind die Vertragsparteien der nach § 106b Abs. 2 SGB V geforderten Rahmenvorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen, welche wiederum die Grundlage für die Vereinbarungen gemäß § 106b Abs. 1 SGB V zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sowie den Kassenärztlichen Vereinigungen (Prüfvereinbarungen) bilden.

 

Erstmals traten die Rahmenvorgaben nach § 106b Abs. 2 SGB V für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen am 1. Dezember 2015 in Kraft. In der Folge kam es zu wiederholten Anpassungen.

 

Durch das Gesetz für schnellere Termine und eine bessere Versorgung (TSVG) vom 6. Mai 2019 (BGBl. I, S. 646 ff.) kam es zu Änderungen in den gesetzlichen Vorgaben zur Wirtschaftlichkeitsprüfung. So wurde unter anderem in § 106b SGB V ein Absatz 2a mit folgendem Wortlaut eingeführt:

 

1Nachforderungen nach Abs. 1 Satz 2 sind auf die Differenz der Kosten zwischen der wirtschaftlichen und der tatsächlich ärztlich verordneten Leistung zu begrenzen. 2Etwaige Einsparungen begründen keinen Anspruch zugunsten des verordnenden Arztes. 3Das Nähere wird in den einheitlichen Rahmenvorgaben nach Absatz 2 vereinbart.“

 

Aufgrund dessen kam es zu einer Neufassung der Rahmenvorgaben am 1. Mai 2020, zuletzt geändert am 26. Mai 2021. In dieser trafen die Klägerin und der Beigeladene in Umsetzung des § 106b Abs. 2a SGB V folgende Vereinbarung:

 

 

„§ 3a Berücksichtigung einer Kostendifferenz gemäß § 106b Abs. 2a SGB V

  1. 1Nachforderungen sind auf die Differenz der Kosten zwischen der wirtschaftlichen und der tatsächlich verordneten Leistung zu begrenzen. 2Etwaige Einsparungen begründen keinen Anspruch zugunsten des verordnenden Arztes. 3Die Sätze 1 und 2 gelten auch im Falle von Maßnahmen nach § 106b Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 SGB V. 4Die Berücksichtigung einer Kostendifferenz ist nur dann vorzunehmen, wenn die in Rede stehende Verordnung nicht bereits durch § 34 SGB V oder nach Anlage 1 der Heilmittel-Richtlinie ausgeschlossen ist und die Voraussetzungen nach § 12 Abs. 11 Arzneimittel-Richtlinie nicht vorliegen.“

 

In der Folge kam es zu Unstimmigkeiten bei den Partnern auf Regionalebene, wie § 3a der Rahmenvorgaben vom 1. Mai 2020 in Bezug auf weitere Formen der unzulässigen Verordnung (Verordnungen von arzneimittelrechtlich nicht zugelassenen Arzneimitteln, Verordnungen von neuen Heilmitteln, bei denen der Gemeinsame Bundesausschuss [GBA] noch keinen Beschluss nach § 138 SGB V gefasst hat und daher der therapeutische Nutzen noch nicht anerkannt ist, Off-Label-Use-Verordnungen unter Verstoß gegen die vom Bundessozialgericht [BSG] entwickelten Voraussetzungen [unzulässiger Off-Label-Use], Verordnungen unter Verstoß gegen Sprechstundenbedarfsvereinbarungen) zu verstehen sei. Dabei stellte sich insbesondere die Frage, ob die Aufzählung in Satz 4 abschließend sei.

 

Aufgrund einer notwendigen Anpassung der Rahmenvorgaben an die geänderten Vorgaben durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) vom 11. Juli 2021 (BGBl I, 2754 ff.) verhandelten die Klägerin und der Beigeladene erneut über die Rahmenvorgaben, wobei auch über Anpassungen bei der Regelung zur Differenzkostenberechnung diskutiert wurde. Dabei konnten sich die Vertragspartner nicht über alle Punkte einigen, so dass der Beigeladene von seinem Kündigungsrecht gemäß § 9 Abs. 1 der Rahmenvorgaben Gebrauch machte und diese gegenüber der Klägerin am 25. März 2021 mit Wirkung zum 31. Oktober 2021 kündigte.

 

In den sich anschließenden Verhandlungen konnten sich die Klägerin und der Beigeladene wiederum in wesentlichen Punkten, insbesondere auch zum Anwendungsbereich der Differenzkostenberechnung, nicht einigen. Der Beigeladene rief daher mit Schriftsatz vom 4. Februar 2022 aufgrund grundlegender Differenzen den Beklagten nach § 89 Abs. 2 SGB V mit dem Begehren an, sieben Regelungen in der von ihm gewünschten Fassung festzusetzen. Unter anderem begehrte er von dem Beklagten im Hinblick auf die Regelung des § 106b Abs. 2a SGB V zum Anwendungsbereich der Differenzkostenberechnung folgende Festsetzung:

 

§ 3a Abs. 1 Satz 3 wie folgt zu fassen:

„Die Berücksichtigung einer Kostendifferenz ist vorzunehmen, wenn die in Rede stehende Verordnung unwirtschaftlich ist und nicht bereits von vornherein unzulässig und somit von der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen ist.“

 

Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 17. März 2022 und begehrte ihrerseits die Festsetzung von zehn Regelungen, hierunter im Hinblick auf die Differenzkostenberechnung:

 

§ 3a Abs. 1 Satz 3 und 4 wie folgt festzulegen:

„Die Sätze 1 und 2 gelten auch im Falle von Maßnahmen nach § 106b Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 SGB V. Die Berücksichtigung einer Kostendifferenz ist nur dann vorzunehmen, wenn die in Rede stehende Verordnung nicht bereits durch § 34 SGB V oder nach Anlage 1 der Heilmittel-Richtlinie ausgeschlossen ist und die Voraussetzungen nach § 12 Abs. 11 Arzneimittel-Richtlinie nicht vorliegen."

 

In der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2022 konnten die Klägerin und der Beigeladene in zahlreichen Fragen eine Einigung erzielen, so dass letztlich nur drei Punkte – darunter die Anwendung der Differenzkostenberechnung - streitig blieben.

 

Am 10. Mai 2022 hat der Beklagte nach mündlicher Verhandlung unter anderem zu Ziffer 1 „Differenzkostenberechnung“ beschlossen:  

§ 3a Abs. 1 Sätze 4 und 5 wird in folgender Fassung festgesetzt:

4Die Berücksichtigung einer Kostendifferenz ist dann vorzunehmen, wenn die in Rede stehende Verordnung unwirtschaftlich ist und nicht unzulässig und somit von der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen ist. 5Ausgenommen von der Anwendung der Differenzschadensmethode sind ärztliche Verordnungen, die durch gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen wie z.B. § 34 SGB V, Anlage 1 der Heilmittelrichtlinie, ausgeschlossen sind und für die die Voraussetzungen nach § 12 Abs. 11 Arzneimittel-Richtlinie nicht vorliegen.“

 

Zur Begründung der Ziffer 1 des Schiedsspruches führte der Beklagte aus, dass er hinsichtlich des Anwendungsbereiches der Differenzkostenberechnung der Rechtsansicht des Beigeladenen, dass diese auf sämtliche Formen der unzulässigen – und mithin von der Leistungspflicht der GKV nicht umfassten – ärztlichen Verordnung nicht anwendbar sei, folge. Zudem sei in Anbetracht der geschilderten praktischen Unsicherheiten über den Anwendungsbereich der Differenzkosten-methode in Satz 5 klarstellend geregelt worden, dass es sich bei den in den bisherigen Rahmenvorgaben benannten normativen Ausschlusstatbeständen lediglich um nicht abschließende Regelbeispiele handele. Die vom Gesetzgeber in § 106b Absätze 2 und 2a SGB V auf die Klägerin und den Beigeladenen übertragene Aufgabe sei auf die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung bezogen und normativ beschränkt durch gesetzlich und untergesetzlich geregelte Ausschlusstatbestände für verordnungsfähige Leistungen, durch die die Leistungspflicht der GKV begrenzt sei. Diese normativen Vorgaben hätten die Vertragspartner in ihre Rahmenvorgaben vom 1. Mai 2020 aufgenommen, ohne dass die benannten Gegenstände unzulässiger Verordnungen abschließend seien. § 106b Abs. 2a Satz 1 SGB V schränke die Ermächtigung der Vertragspartner auf Bundesebene dahingehend ein, dass Nachforderungen auf „die Differenz der Kosten zwischen der wirtschaftlichen und der tatsächlich ärztlich verordneten Leistung“ zu begrenzen seien. Daraus folge, dass es als Vergleichsparameter einer entsprechenden Verordnung bedürfe, die zur Leistungspflicht der GKV gehöre. Es müsse sich mithin um eine verordnungsfähige Leistung handeln. Nicht verordnungsfähige Arzneimittel und solche, die für eine bestimmte Indikation nicht zugelassen und für die auch keine rechtlichen Ausnahmen anerkannt seien, könnten als nicht der Leistungspflicht der GKV unterliegend weder als wirtschaftlich noch als unwirtschaftlich bewertet werden und daher nicht in den Vergleich nach der Differenzkostenmethode einbezogen werden. Sollte der Gesetzgeber den so bestimmten Anwendungsbereich des § 106b Abs. 2a Satz 1 SGB V als rechtliche Grenze für die Rahmenregelungen der Vertragspartner auf Bundesebene erweitern wollen, müsste er dies ausdrücklich tun. Hierzu seien weder die Vertragspartner noch der Beklagte befugt.

Gegen den ihr am 9. Juni 2022 zugestellten Schiedsspruch hat die Klägerin am 7. Juli 2022 Klage im Hinblick auf Ziffer 1 des Schiedsspruches erhoben.

 

Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Schiedsspruches und daran anschließend die Vereinbarung einer Rahmenvorgabe mit dem Beigeladenen, die es den regionalen Verhandlungspartnern ermöglicht, in den Prüfvereinbarungen nach § 106b Abs. 1 SGB V Bestimmungen zu treffen, wonach bei allen Indikationen, in denen eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) begründet sei, die Differenzberechnung greife.

 

Sie ist der Ansicht, dass Ziffer 1 des Schiedsspruches rechtswidrig sei und sie in ihren Rechten verletze, da der Beklagte den rechtlichen Rahmen des § 106b Abs. 2a SGB V verkannt habe, indem er generell und ohne Ausnahme unzulässige ärztliche Verordnungen von der Anwendung der Differenzkostenberechnung ausnehme. Bei der Bestimmung der Grenzen des rechtlichen Rahmens für den Schiedsspruch des § 89 SGB V komme dem Beklagten kein Gestaltungsspielraum zu. Dieser bestehe lediglich innerhalb des gesetzten Rahmens.

 

Der grundsätzliche Ausschluss gesetzlicher und untergesetzlicher Verordnungsausschlüsse aus dem Anwendungsbereich des § 106b Abs. 2a Satz 1 SGB V ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Norm, noch aus der Gesetzesbegründung, noch aus ihrem systematischen Zusammenhang. Auch stehe dies nicht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach unzulässige Verordnungen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung grundsätzlich denselben Regeln unterworfen seien wie die unwirtschaftliche Verordnung im engeren Sinne. Schließlich entspreche die Sichtweise des Beklagten und des Beigeladenen nicht dem mit der Einführung der Differenzkostenberechnung intendierten Schutz rationaler Verordnungen. Insbesondere müssten leitlinienkonforme Off-Label-Use-Verordnungen und Verordnungen von Arzneimitteln, die Verordnungsausschlüssen und -einschränkungen nach der Anlage III der Arzneimittelrichtlinie des GBA unterlägen, Gegenstand der Differenzkostenberechnung sein, da es für den verordnenden Arzt im Zeitpunkt der Verordnung schwierig sei festzustellen, ob die Krankenkasse eine Ausnahme nach § 31 Abs. 4 SGB V oder die Voraussetzungen eines Off-Label-Uses anerkenne.

Aus dem Wortlaut des § 106b Abs. 2a SGB V ergebe sich, dass eine Differenzkostenberechnung auch bei einer nach den Maßstäben der Rechtsprechung des BSG nicht verordnungsfähigen Leistung anzuwenden sei, da die Norm auf die „tatsächliche Verordnung“ abstelle, ohne diese auf eine verordnungsfähige Leistung zu begrenzen. Zudem verweise Absatz 2a Satz 1 auf § 106b Abs. 1 Satz 2 SGB V, der an die Nachforderungen wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise nach § 106 Abs. 3 SGB V anknüpfe. In der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.12.2019, B 6 KA 23/18) würden die unwirtschaftliche und die unzulässige Verordnung gleich gestellt, insbesondere bei der Berechnung des der Krankenkasse für die unzulässige Verordnung entstandenen Schadens. Da die benannte Entscheidung des BSG nach Inkrafttreten des TSVG ergangen sei, hätte sich in dieser ein Hinweis gefunden, wenn dies nunmehr anders zu bewerten sei. Auch hätte der Gesetzgeber in den Gesetzgebungsmaterialien deutlichere Ausführungen gemacht, wenn die Schadensberechnung bei unwirtschaftlicher Verordnung anders zu beurteilen sei als bei unzulässiger Verordnung. Der Verweis des § 106 Abs. 2a Satz 1 SGB V auf Abs. 1 Satz 2 SGB V führe zu widersprüchlichen Ergebnissen, sähe man von Abs. 1 Satz 2 SGB V nur die unwirtschaftliche Verordnung im engeren Sinne umfasst, da die Krankenkassen sodann gar keine Prüfanträge wegen unzulässiger Verordnungen mehr stellen könnten. Vielmehr sei daher mit dem SG München (S 49 KA 139/21) der Begriff „wirtschaftlich“ in § 106b Abs. 2a Satz 1 SGB V als wirtschaftlich im weiteren Sinne zu verstehen, so dass auch die unzulässige Verordnung erfasst sei. Gerade für letztere sei dann auch § 106b Abs. 2a Satz 2 des Weiteren anwendbar. Die Auslegung des Beigeladenen und ihr folgend des Beklagten, dass sich Satz 1 nur auf die wirtschaftliche Verordnung im engeren Sinne beziehe und demgegenüber Satz 2 allein auf die unzulässige Verordnung, könne nicht überzeugen, da es fernliegend sei, dass der Gesetzgeber zwei unmittelbar hintereinander liegenden Sätzen desselben Absatzes einer Norm unterschiedliche Regelungsgegenstände zuweisen wollte. Auch führe diese Auffassung dazu, dass Satz 2 ins Leere laufe. Denn wenn es bei unzulässigen Verordnungen an einer wirtschaftlichen Verordnungsalternative fehle, könne kein Vergleich vorgenommen werden und damit auch kein Negativsaldo entstehen. Dabei sei Satz 2 explizit für die unzulässige Verordnung gedacht, da ein Negativsaldo bei der unwirtschaftlichen Verordnung im engeren Sinne gar nicht entstehen könne. Ausschließlich eine gegenüber der als wirtschaftlich zugrunde gelegten Leistung günstigere tatsächliche Verordnung führe zu etwaigen Einsparungen der Krankenkassen. Dies sei bei bestimmten Konstellationen des Off-Label-Uses der Fall, bei dem das für diese Diagnose nicht zugelassene, aber nach der Leitlinie geeignete Präparat preisgünstiger sei als das zugelassene Präparat. Satz 2 liefe ins Leere, wenn ausgeschlossene Leistungen nicht von der Differenzkostenberechnung umfasst wären.

 

Daher spreche auch die systematische Auslegung des § 106b Abs. 2a SGB V für die Rechtsansicht der Klägerin. Die gegenteilige Argumentation des Beigeladenen überzeuge nicht. § 106b Abs. 2a Satz 2 SGB V ergebe für sich genommen (also ohne eine gedachte Bezugnahme auf Satz 1) keinen Sinn. Eine Regelung, wonach etwaige Einsparungen keine Ansprüche zugunsten des verordnenden Arztes ergeben, setze eine Regelung voraus, aus der sich Einsparungen ergeben könnten. Diese bestehe gerade in Satz 1, der eine Differenzbetrachtung zwischen tatsächlich verordneter und wirtschaftlicher Leistung vornehme. Im Übrigen sei es naheliegend, dass der zweite Satz einer Norm an den ersten Satz anknüpfe. Da § 106b Abs. 2a SGB V nicht zwischen unwirtschaftlichen Verordnungen im engeren und im weiteren Sinne unterscheide, hätte der Gesetzgeber – wenn er für Nachforderungen bei unzulässigen Verordnungen eine von § 106b Abs. 2 SGB V abweichende Regelung hätte treffen wollen – die in Bezug genommenen Vorschriften in § 106b Abs. 1 S. 2 und in § 106 Abs. 3 SGB V ändern müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen.

 

Schließlich greife auch die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/3851, S. 195 f.) den Begriff der unzulässigen Verordnung unmittelbar auf. Nach der Begründung ergebe sich zudem die Nachforderung aus dem Mehrbetrag, der nach Abzug der ärztlich verordnungsfähigen Leistung zu Lasten des Kostenträgers verbleibe. Demgegenüber fehle ein Hinweis darauf, dass der Abzug nur von den Kosten für eine grundsätzlich verordnungsfähige Leistung erfolgen dürfe. In der Begründung des Gesetzes  komme daher unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber die unzulässige Verordnung auch im Zusammenhang mit der Differenzkostenmethode im Blick gehabt habe. Hätten die Nachforderungen wegen unwirtschaftlicher Verordnung in Satz 1 der Gesetzesbegründung nur auf die unwirtschaftliche Versorgung im engeren Sinne beschränkt werden sollen, so hätte dies der Gesetzgeber klar herausgestellt.

 

Nach Ansicht der Klägerin entspreche die Anwendung der Differenzkostenberechnung auch bei unzulässigen Verordnungen, wie beispielsweise einem leitliniengerechten, aber nach der Rechtsprechung des BSG unzulässigen Off-Label-Use oder bei der leitliniengerechten Verordnung von Arzneimitteln, die nach Anlage III der Arzneimittelrichtlinie grundsätzlich ausgeschlossen sind, dem Sinn und Zweck der Regelung, da der Versicherte unstreitig einen Anspruch auf Versorgung zu Lasten der GKV habe. Auf die gegenteilige Ansicht des BSG in den von dem Beigeladenen benannten Entscheidungen aus dem Jahr 2010 könne aufgrund der Neuregelung durch das TSVG nicht abgestellt werden. Der Gesetzgeber habe sich der Betrachtung des BSG gerade nicht angeschlossen, sondern vielmehr eine bereichsspezifische Regelung in Abkehr von der früheren Rechtsprechung zu den kompensatorischen Einsparungen und zur Steuerungsfunktion vertragsarztrechtlicher Vorgaben geschaffen. Dabei habe der Gesetzgeber die Steuerungsfunktion des Leistungserbringungsrechts keinesfalls aufgehoben, sondern im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch den Kompensationsgedanken ersetzt, wonach nur der Betrag zurückgefordert werde, der aufgrund der Verordnung von der Krankenkasse zu viel gezahlt worden sei.

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Beschluss des Bundesschiedsamtes für die vertragsärztliche Versorgung vom 10. Mai 2022 zur Neufassung der Rahmenvorgaben nach § 106 Abs. 2 SGB V zu Ziffer 1. (Differenzkostenberechnung) aufzuheben.

 

 

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

 

            die Klage abzuweisen.

 

Er ist der Ansicht, dass der Schiedsspruch nicht zu beanstanden sei und verweist hierfür vollumfänglich auf dessen Begründung. Jedenfalls halte sich die angegriffene Ziffer 1 des Schiedsspruches innerhalb des vom Gesetzgeber dem Beklagten als zentraler Streitschlichtungsinstanz gemäß § 89 SGB V eingeräumten und von der Rechtsprechung anerkannten Gestaltungsspielraums, da die gegebene Begründung nachvollziehbar und damit vertretbar sei. Die Klägerin zeige nicht auf, warum die Ansicht des Beklagten unvertretbar sei. Auch obliege es allein dem Gesetzgeber, § 106b Abs. 2a SGB V zu ändern bzw. klarstellend neu zu formulieren. Die von der Klägerin für zutreffend gehaltene Auslegung des § 106b Abs. 2a SGB V führe überdies zu Ergebnissen, die vom geltenden Recht nicht gedeckt seien. Der Verweis auf Leitlinien und auf patientenorientierte ärztliche Arzneimitteltherapien vermöge nichts daran zu ändern, dass alle Akteure des Gesundheitswesens an geltendes Recht gebunden seien. Die rechtlichen Vorgaben des SGB V und der Arzneimittel-RL des GBA sowie alle weiteren gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen dienten der Patientensicherheit. Die hierfür erlassenen normativen Vorgaben könnten nicht unter Verweis auf von Medizinern erlassenen Leitlinien, auf behauptete therapeutische und wirtschaftliche Vorteile nicht zugelassener Arzneimittel oder Anwendungen überspielt werden.

 

Der Beigeladene beantragt,

 

            die Klage abzuweisen.

 

Er ist der Auffassung, dass Ziffer 1 des Schiedsspruchs des Beklagten rechtmäßig sei. Mit dieser Regelung werde das Ziel des Beigeladenen, dass die Differenzkostenberechnung nur in denjenigen Fällen greifen solle, in denen eine Verordnung zu Lasten der GKV begründet sei, erreicht. Demgegenüber versuche die Klägerin mit ihrem Angriff des Schiedsspruches zu erreichen, die Fälle von begründeten Verordnungen insbesondere auf Off-Label-Use-Verordnungen auszuweiten, die durch Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen werden, jedoch nach den Regelungen des Rechts der GKV unzulässig seien. Dies ergebe sich aus den von der Klägerin benannten Praxisbeispielen, denen gemein sei, dass jeweils ein indikationsgerechtes Arzneimittel vorhanden sei, welches zu Lasten der GKV verordnet werden könne.

 

Der Beklagte habe den von § 106b Abs. 2a SGB V vorgegebenen rechtlichen Rahmen zutreffend ermittelt. Die vorgenommene Auslegung der Norm sei mit dem Wortlaut, der Systematik und der Gesetzgebungshistorie vereinbar.

 

Die gegenteilige Auffassung der Klägerin beruhe auf der Prämisse, dass Satz 2 des § 106b Abs. 2a eine Anschlussregelung zu Satz 1 darstelle. Dies verkenne jedoch, dass Satz 1 von seinem Wortlaut her für Nachforderungen nach Abs. 1 Satz 2 gelte und daher nur Sanktionen aufgrund unwirtschaftlicher Verordnungsweise, also Zahlungsverpflichtungen der Ärzte erfasse. Es sei redundant, Gegenansprüche der Ärzte auszuschließen, wenn die Regelung nur Ansprüche gegen Ärzte kenne und ihnen keine Gegenansprüche einräume. Eine Auslegung, die eine Vorschrift ihres Anwendungsbereiches beraube, sei methodisch nicht vorzugswürdig. Diese Auslegungsschwierigkeit werde aufgelöst, wenn man die Sätze 1 und 2 in § 106b Abs. 2a SGB V getrennt voneinander betrachte. Nach der Rechtsprechung des BSG umfasse der Begriff der „Nachforderung wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise“ sowohl die zulässigen, aber unwirtschaftlichen Verordnungen (unwirtschaftlich im engeren Sinne) als auch die unzulässigen Verordnungen (unwirtschaftlich im weiten Sinne). Bei der unzulässigen Verordnung bestehe bei der Differenzkostenberechnung die Problematik, dass eine entsprechende wirtschaftliche Variante zum Kostenvergleich erst identifiziert werden müsse. Dies sei überwiegend nicht möglich. Die Prüfungsstelle müsste bei der unzulässigen Verordnung ihre eigenen medizinischen Wertungen an die Stelle der verordnenden Person setzen. Im Unterschied hierzu sei bei der unwirtschaftlichen Verordnung im engeren Sinne die bestimmte wirtschaftliche Alternative eindeutig. Hieraus ergebe sich, dass es bei der unzulässigen Verordnung keine wirtschaftliche Alternativverordnung geben könne. Satz 1 erfasse daher begriffslogisch nur die unwirtschaftliche Verordnung im engeren Sinne. Für unzulässige Verordnungen gelte daher nicht Satz 1, sondern Satz 2, welcher klarstelle, dass Ärzte aus einer unzulässigen Verordnung keine wirtschaftlichen Vorteile ziehen dürfen. Satz 2 kodifiziere mithin nur die Rechtsprechung des BSG, dass der durch eine unzulässige Verordnung eingetretene Schaden nicht dadurch in Frage gestellt werde, dass bei einer rechtmäßigen Verordnung dieselben oder geringere Kosten entstanden wären.

 

Diese Auslegung, dass Satz 1 nur die unwirtschaftliche Verordnung im engeren Sinne und Satz 2 demgegenüber die unzulässige Verordnung erfasse, werde auch durch systematische Erwägungen belegt. Zwar werde der Regress wegen unzulässiger Verordnung in verfahrensrechtlicher Hinsicht dem Regress wegen zulässiger, aber unwirtschaftlicher Verordnung nach der Rechtsprechung des BSG gleichgestellt. Jedoch handele es sich weiterhin um eigenständige Prüfverfahren, die auch hinsichtlich der Schadensberechnung eigenständigen Regelungen unterlägen. Denn der Schaden bei einer unzulässigen Verordnung bestehe darin, dass die Krankenkasse der Apotheke Arzneimittel bezahlen müsse, die nicht hätten verordnet werden dürfen. § 106b Abs. 1 Satz 2 SGB V bündele zwar beide Prüfverfahren, die materiellen Anforderungen für eine Nachforderung würden jedoch weiterhin separat festgelegt und geprüft. Folgerichtig würden die bestehenden Unterschiede in jeweils eigenen Sätzen des § 106b Abs. 2a SGB V abgebildet. Der Gesetzgeber zeichne mithin in § 106b Abs. 2a SGB V nur die Rechtsprechung des BSG nach. Da danach bei einer unzulässigen Verordnung ein Regress in voller Höhe zu erfolgen habe, sei die Frage regelungsbedürftig gewesen, wie mit möglichen Einsparungen zu verfahren sei. Diese Frage stelle sich demgegenüber in „normalen Wirtschaftlichkeitsprüfungen“ nicht, weil die preisgünstigere automatisch die wirtschaftliche Leistung sei. Die Frage der Einsparung sei daher nur für unzulässige Leistungen regelungsbedürftig. Eines Bezugs zur Differenzkostenmethode des Satzes 1 bedürfe es hierfür entgegen der Ansicht der Klägerin nicht.

 

Die Gesetzesbegründung spreche nach Ansicht des Beigeladenen ebenfalls für das von ihm gefundene Auslegungsergebnis, da zwischen der Nachforderung bei der unwirtschaftlichen Verordnung und der unzulässigen Verordnung unterschieden werde. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass die Reglung des § 106b Abs. 2a SGB V erst am Tag vor der dritten Lesung in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt worden und daher eine Anhörung der betroffenen Kreise nicht mehr möglich gewesen sei. Die von der Klägerin angenommene bewusste Abkehr des Gesetzgebers von der Rechtsprechung des BSG hätte in der Begründung des Gesetzes seinen Niederschlag finden müssen. Etwaige Ausführungen fehlten jedoch. Es sei nicht plausibel, dass der Gesetzgeber mit einer derartig unklaren Regelung wie § 106b Abs. 2a SGBV ohne weitere Begründung die seit über einem Jahrzehnt bestehenden und praktizierten Strukturprinzipien der Wirtschaftlichkeitsprüfung habe aufheben wollen.

 

Schließlich werde das von dem Beklagten gefundene Ergebnis von dem Sinn und Zweck der Regelung getragen. Wie das Bundessozialgericht bereits in seinen Entscheidungen aus dem Jahr 2010 (Urteile vom 23. Juni 2010, B 6 KA 7/09 R und vom 18. August 2010, B 6 KA 14/09 R) herausgearbeitet habe, sei es für die Funktionsfähigkeit des Systems der Leistungserbringung unumgänglich, dass für die Erbringung von Leistungen, die unter Verstoß gegen die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen der vertragsärztlichen Versorgung erbracht würden, kein Anreiz gesetzt werde. Andernfalls verlören die Vorschriften für die Leistungserbringung ihre Steuerungsfunktion, wenn die Vertragsärzte nämlich die rechtswidrig bewirkten Leistungen über einen Wertersatzanspruch im Ergebnis dennoch vergütet bekämen. Dies werde durch § 106b Abs. 2a Satz 2 SGB V ausgeschlossen.

 

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte L 7 KA 25/22 KL ER und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage hat keinen Erfolg.

 

A. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist für den vorliegenden Rechtsstreit nach § 29 Abs. 4 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im ersten Rechtszug sachlich zuständig, da sich die Klage gegen eine Entscheidung des Bundesschiedsamtes für die vertragsärztliche Versorgung (§ 89 Abs. 2 SGB V) richtet.

 

Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil die Prozessordnung dies im Falle eines entsprechenden Hinweises in der Ladung vorsieht (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

 

B. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist aufgrund der beschränkten Klageerhebung allein Ziffer 1 (Differenzkostenberechnung) des Schiedsspruchs des Beklagten vom 10. Mai 2022, die vom übrigen Inhalt des Schiedsspruches abgrenzbar ist.

 

C. Die Klage ist zulässig.

 

Gegen den Schiedsspruch des Beklagten vom 10. Mai 2022 ist die isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 und 2 SGG die statthafte Klageart, denn nach der Rechtsprechung des BSG hat ein vertragsgestaltender Schiedsspruch eine Doppelnatur: Gegenüber den Vertragspartnern der Rahmenvorgaben nach § 106b Abs. 2 SGB V, deren Inhalt durch den Schiedsspruch in Teilen festgesetzt wird, ist dieser ein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Gegenüber Dritten, die nicht Partner der Verträge sind, entfaltet der Schiedsspruch in der gleichen Weise bindende Wirkung wie eine in freien Verhandlungen erzielte Vereinbarung (BSG, Urteil vom 4.3.2014, B 1 KR 16/13 R, zitiert nach juris, dort Rn. 21 ff. m.w.N. sowie Urteil vom 13.8.2014, B 6 KA 46/13 R, zitiert nach juris, dort Rn. 26 m.w.N.). Sind die beteiligten Institutionen mit dem Schiedsspruch nicht einverstanden, steht ihnen lediglich die Anfechtungsklage offen; bei einer vollständigen gerichtlichen Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen Missachtung wesentlicher rechtlicher Grundlagen ist das Schiedsamt ohnehin gesetzlich verpflichtet, erneut zu entscheiden. Insoweit bedarf es keiner zusätzlichen Bescheidungstenorierung im Sinne von § 131 Abs. 3 SGG (BSG, Urteil vom 4.3.2014, B 1 KR 16/13 R, zitiert nach juris, dort Rn. 22).

 

Bei den Rahmenvorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen, die die Klägerin und der Beigeladene nach § 106b Abs. 2 SGB V zu vereinbaren haben, handelt es sich um einen schiedsamtsfähigen Vertrag im Sinne von § 89 Abs. 3 und 4 SGB V (vgl. § 106b Abs. 2 Satz 6 SGB V für das erstmalige Nichtzustandekommen der Rahmenvorgaben). Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht (§ 89 Abs. 9 Satz 5 SGB V). Die Klagefrist von einem Monat gemäß § 87 Abs. 1 S. 1 SGG wurde mit der Klageerhebung am 7. Juli 2022 unter Berücksichtigung der Bekanntgabe des Schiedsspruches gegenüber der Klägerin am 9. Juni 2022 gewahrt.

 

D. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Schiedsspruch des Beklagten vom 10. Mai 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

 

I. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG folgt aus dem Wesen von Schiedssprüchen eine im Umfang eingeschränkte gerichtliche Kontrolle (zuletzt u.a. Urteil vom 29.11.2017, B 6 KA 42/16 R, zitiert nach juris, dort Rn. 24 ff. m.w.N.; Urteil vom 10.5.2017, B 6 KA 14/16 R, zitiert nach juris, dort Rn. 53 f. m.w.N.). Schiedssprüche sind ebenso wie die von ihnen ersetzten Vereinbarungen der vorrangig zum Vertragsabschluss berufenen Vertragsparteien auf Interessenausgleich angelegt und haben Kompromisscharakter (BSG, a.a.O., Rn. 52 m.w.N.). Den Schiedsämtern kommt bei der ersetzenden Festsetzung von Vertragsinhalten der gleiche Gestaltungsspielraum zu wie den jeweiligen Vertragspartnern selbst bei einer im Wege freier Verhandlungen erzielten Vereinbarung (st. Rspr. des BSG zuletzt Urteil vom 29.11.2017, B 6 KA 42/16 R, zitiert nach juris, dort Rn. 24 ff. m.w.N.). Schiedssprüche nach § 89 SGB V sind durch die Gerichte nur daraufhin zu überprüfen, ob sie die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen und in inhaltlicher Sicht die zwingenden rechtlichen Vorgaben eingehalten haben. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsamt zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob das Schiedsamt den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d.h. insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Vertragsparteien gelten (st. Rspr. des BSG zuletzt Urteil vom 29.11.2017, B 6 KA 42/16 R, zitiert nach juris, dort Rn. 24 ff. m.w.N.; Urteil vom 10.5.2017, B 6 KA 14/16 R, zitiert nach juris, dort Rn. 53 f. m.w.N.). Die gerichtliche Kontrolle ist darüber hinaus eingeschränkt, soweit die rechtlichen Vorgaben ihrerseits den Vertragsparteien - und bei einer vertragssubstituierenden Entscheidung dem Schiedsamt - einen Spielraum einräumen. Das gilt nicht allein für Beurteilungsspielräume, sondern sinngemäß auch dann, wenn den Vertragsparteien ein Handlungsermessen eingeräumt wird (BSG, Urteil vom 29.11.2017, B 6 KA 42/16 R, zitiert nach juris, dort Rn. 27).

 

II. Gemessen an diesen Vorgaben ist der streitgegenständliche Schiedsspruch des Beklagten frei von Rechtsfehlern.

 

1. In formeller Hinsicht ist der Schiedsspruch nicht zu beanstanden: Der Beklagte hat die grundlegenden verfahrensrechtlichen Anforderungen beachtet. Er war gemäß § 89 Abs. 4 SGB V aufgrund der fristgemäßen Kündigung der geltenden Rahmenvorgaben vom 1. Mai 2020 durch den Beigeladenen mit Wirkung zum 31. Oktober 2021 und des Antrags des Beigeladenen vom 4. Februar 2022 (§ 89 Abs. 3 S. 3 SGB V) ermächtigt und verpflichtet, die zwischen den Vertragspartnern streitig gebliebenen Punkte – zu denen auch der Umfang der Anwendung der Differenzkostenberechnung gehört – in den neuen Rahmenvorgaben festzusetzen. Der Beklagte hat darüber hinaus den zugrundeliegenden Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt und der Schiedsspruch lässt in seiner Begründung die Gründe für das Entscheidungsergebnis hinreichend deutlich erkennen. Rügen sind insoweit von den Beteiligten auch nicht erhoben worden.

 

2. Der Schiedsspruch des Beklagten zum Anwendungsbereich der Differenzkostenberechnung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b Abs. 2a SGB V ist zur Überzeugung des Senats auch inhaltlich nicht zu beanstanden, denn er setzt die Vorgaben des § 106b Abs. 2a SGB V zutreffend um.

 

a) Unter Berücksichtigung der eingangs dargestellten Rechtsprechung des BSG obliegt dem Senat eine umfassende inhaltliche Prüfung, ob der Beklagte die gesetzliche Vorgabe des § 106b Abs. 2a SGB V richtig angewandt hat, denn die Regelung selbst räumt den Vertragspartnern der Rahmenvereinbarung - trotz des Satzes 3 - keinen weitgehenden Handlungs-, Beurteilungs- oder Entscheidungsspielraum zu der Frage ein, ob und wann die Differenzkostenberechnung anzuwenden ist. Soweit Satz 3 der Vorschrift die Regelung der näheren Einzelheiten den Rahmenvorgaben des § 106b Abs. 2 SGB V überlässt, bezieht sich dies allein auf das Wie der Berechnung, so zum Beispiel auf Festlegungen bzw. Ermittlungen der der Differenzberechnung zugrunde zulegenden wirtschaftlichen Leistung. Mit der Neuregelung des § 106b Abs. 2a SGB V statuiert der Gesetzgeber für die Schadensberechnung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die verpflichtende Anwendung der Differenzkosten-berechnung und hat damit letztlich den bislang bestehenden Gestaltungspielraum der Vertragspartner deutlich eingeschränkt (vgl. Ausschussbericht zum TSVG, BT-Drucks. 19/8351, S. 196 - zu § 106b; Engelhard in: Hauck/Noftz SGB V, § 106b, Rn. 141). Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die vom Gesetzgeber in Satz 1 der Vorschrift statuierte Anwendung der Differenzkostenberechnung auf die unwirtschaftliche Verordnung im engeren Sinne begrenzt ist oder aber auch auf die unzulässige Verordnung (unwirtschaftliche Verordnung im weiteren Sinne) anzuwenden ist, eröffnet zudem auch selbst – wie die Rechtsansichten der Beteiligten im Verfahren zeigen – keinen Spielraum für eine differenzierende Betrachtung. Die rechtliche Prüfung des Senates ist daher entgegen der Rechtsansicht des Beigeladenen nicht darauf beschränkt, ob der Beklagte im Rahmen der von ihm vorgenommenen Auslegung zu einer im Ergebnis vertretbaren Auffassung gelangt ist. Vielmehr ist authentisch zu entscheiden, ob die von der Klägerin auf der einen oder die vom Beklagten und vom Beigeladenen auf der anderen Seite vertretene Rechtsauffassung zu Inhalt und Reichweite von § 106b Abs. 2a SGB V zutreffend ist.

 

b) In diesem Sinne hat der Beklagte die Regelung des § 106b Abs. 2a Satz 1 SGB V im angegriffenen Schiedsspruch vom 10. Mai 2022 rechtlich beanstandungsfrei und überzeugend dahingehend ausgelegt, dass die statuierte Differenzkostenberechnung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung lediglich auf Nachforderungen wegen unwirtschaftlicher Verordnungen im engeren Sinne anzuwenden ist und sämtliche Formen der unzulässigen Verordnung nicht erfasst.

 

Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Analyse des Wortlautes der Norm, der Binnensystematik des § 106b Abs. 2a SGB V, der Entstehungsgeschichte der Regelung sowie von Sinn und Zweck der Norm für die zu beurteilende Frage unergiebig sind, wohingegen die Einbettung der Norm in die Systematik des SGB V, der daraus folgende Sinn und Zweck der Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen sowie die hierauf aufbauende ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts deutlich für das gefundene Auslegungsergebnis des Beklagten streiten und damit den Ausschlag geben.

 

(i) Die Analyse des Wortlauts des § 106b Abs. 2a SGB V (Sätze 1 und 2) führt zur Überzeugung des Senates zu keinem eindeutigen Ergebnis zur Reichweite der angeordneten Anwendung der Differenzkostenberechnung (anders SG München, Urteile vom 15.3.2023, S 38 KA 240/22 und vom 5.5.2022, S 49 KA 139/21, jeweils juris). So ist der Klägerin insoweit zuzustimmen, dass dem Satz 1 zunächst keine ausdrückliche Beschränkung des Anwendungsbereiches auf die wirtschaftliche Verordnung im engeren Sinne entnommen werden kann. Vielmehr bestimmt Satz 1 die Anwendung auf „Nachforderungen nach Absatz 1 Satz 2“. In § 106b Abs. 1 Satz 2 SGB V wird wiederum bestimmt: „Auf Grundlage dieser Vereinbarungen können Nachforderungen wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise nach § 106 Absatz 3 festgelegt werden.“ Hierin liegt mithin eine weitere Verweisung auf § 106 Abs. 3 SGB V, der von seinem bloßen Wortlaut nur die wirtschaftliche Verordnung im engeren Sinne erfasst, nach der ständigen Rechtsprechung des BSG jedoch erweiternd dahingehend ausgelegt wird, dass auch die unzulässige Verordnung von der Wirtschaftlichkeitsprüfung des § 106 SGB V erfasst wird (hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 14.3.2001, B 6 KA 19/00 R, zitiert nach juris, dort Rn. 12 ff.).

 

Mit diesem Befund allein ist die Wortlautanalyse jedoch noch nicht abgeschlossen, denn Satz 1 statuiert weiter „… sind auf die Differenz der Kosten zwischen der wirtschaftlichen und der tatsächlich verordneten Leistung zu begrenzen“. Zwar kann der Umstand, dass allein auf die tatsächlich verordnete Leistung abgestellt wird und auch hier im Wortlaut keine ausdrückliche Beschränkung auf eine zulässig verordnete Leistung zu finden ist, zunächst für die Ansicht der Klägerin sprechen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass der Wortlaut der Norm die Ermittlung einer Differenz fordert und als einen Parameter (den Subtrahenden) die „wirtschaftliche“ Verordnung und gerade nicht die zulässige oder rechtmäßige Verordnung benennt. Die wirtschaftliche Verordnung ist jedoch das Pendant zur unwirtschaftlichen Verordnung im engeren Sinne (vgl. hierzu Ladurner, Die Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfung nach dem Terminservice- und Versorgungsgesetz – TSVG, ZMGR 2019, 123, 127), denn die wirtschaftliche Verordnung ist nicht nur eine kostengünstige Verordnung, sondern die kostengünstigere zulässige Verordnung. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach dem Wortlaut des Satzes 1 die Bildung einer Differenz gefordert ist. Diese wiederum stellt das Ergebnis eines Subtraktionsprozesses dar. Voraussetzung einer Subtraktion ist die Vergleichbarkeit von Minuend und Subtrahend. Eine Vergleichbarkeit von wirtschaftlicher Verordnung (wirtschaftlich und zulässig) und (ggf. „nur“) unzulässiger Verordnung ist jedoch nicht gegeben.

 

Darüber hinaus muss auch Satz 2 in die Wortlautanalyse miteinbezogen werden. Dieser regelt: „Etwaige Einsparungen begründen keinen Anspruch zugunsten des verordnenden Arztes“. Der isolierte Wortlaut des Satzes 2 hat nur eine begrenzte Aussagekraft. Er normiert bei unbefangenem Lesen zunächst nur, dass der Arzt etwaigen Nachforderungen keine Gegenansprüche entgegen halten kann. Woher sich „etwaige Einsparungen“ ergeben können, klärt die Norm selbst jedoch nicht. Insbesondere ergibt sich aus dem Wortlaut nicht der von der Klägerin reklamierte Bezug der „Einsparungen“ zu der gebildeten „Differenz“ des Satzes 1, in dem Sinne, dass sich erst aus der Differenz des Satzes 1 eine Einsparung nach Satz 2 ergeben kann (nämlich dann, wenn die „wirtschaftliche“, mithin zulässige Leistung teurer ist als die tatsächlich verordnete Leistung bzw. der Subtrahend größer ist als der Minuend). Denn die Norm verwendet gerade nicht die bei einem Bezug zum Satz 1 zu erwartenden Begriffe wie Guthaben oder Negativsaldo im Sinne einer negativen Differenz. Vielmehr können sich „Einsparungen“ auch außerhalb der Bildung von Differenzen nach Satz 1 ergeben. So kann bereits die nicht verordnete zulässige Leistung insgesamt eine Einsparung sein, da diese Kosten mangels Verordnung nicht aufgewandt und damit eingespart werden. Mithin kann unter Einsparung im Sinne des Satzes 2 gerade bei der unzulässigen Verordnung die zulässige Vergleichsverordnung selbst verstanden werden, so dass Satz 2 auch in dem Lichte gelesen werden kann, dass etwaige Einsparungen aus unzulässiger Verordnung gerade nicht zu einer Reduzierung der Nachforderung führen sollen. Satz 2 würde damit der Anwendung der Differenzkostenberechnung auch auf die unzulässige Verordnung entgegenstehen. Diese Auslegung des Begriffes der Einsparung wird bestätigt durch die Rechtsprechung des BSG, welches bei der Prüfung, ob im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der unzulässigen Verordnung eine Gegenrechnung der Kosten, die im Falle rechtmäßiger Verordnung (zulässiges Medikament oder therapeutische Maßnahme) angefallen wären, erfolgen kann, den Begriff der kompensierenden bzw. kompensatorischen Einsparungen verwendet (vgl. BSG, Urteil vom 18.8.2010, B 6 KA 14/09 R, zitiert nach juris, dort Rn. 51, Urteil vom 15.11.1995, 6 Rka 58/94, zitiert nach juris, dort Rn. 27; vgl. zum Begriff auch Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, S. 308 f.). Der Begriff der Einsparung wird vom BSG im Fall der unzulässigen Verordnung gleichgesetzt mit den Kosten der zulässigen Alternativverordnung bzw. mit den Kosten der zulässigen Alternativhandlung (vgl. BSG Urteil vom 21.6.1995, 6 Rka 60/94 zitiert nach juris, dort Rn. 14 „Einsparung anderweitiger Aufwendungen“ in Bezug auf einem Schadenersatzanspruch der KK wegen unzulässiger Verordnung eines nicht zugelassenen Arztes). Bei der Rechtsprechungsanalyse fällt auf, dass der Begriff im Wesentlichen nur bei einem Vergleich angefallenener Kosten bei ungleichartigen Leistungen (z. Bsp. unzulässiges Medikament verordnet, aber dadurch Einsparung von Heilmitteln; Bezug von Medikamenten über den Sprechstundenbedarf, anstatt patientenindividuell über Rezept und umgekehrt; Verordnung eines objektiv notwendigen Medikamentes durch einen nicht zugelassenen Arzt; überdurchschnittliche Honorarforderungen aufgrund hohen Behandlungsaufwandes, aber dadurch Verringerung stationärer Behandlungsbedürftigkeit etc.) bzw. bei nicht vergleichbaren rechtlichen Formen der Verordnung (so BSG, Urteil vom 25.1.2017, B 6 KA 7/16 R, zitiert nach juris, dort Rn. 19) benutzt wird. Das BSG verwendet mithin bei einer Vergleichbarkeit der Leistungen bzw. der Leistungserbringung das Begriffspaar unwirtschaftliche Verordnung (im engeren Sinne) bzw. wirtschaftliche Verordnung und bei fehlender Vergleichbarkeit wie bei einer unzulässigen Verordnung das Begriffspaar unzulässige Verordnung bzw. Einsparung (im Sinne ersparter Aufwendungen). Da in Satz 1 die Bildung einer Differenz mit der wirtschaftlichen Leistung angeordnet wird, nach Satz 2 eine solche bei einer Einsparung aber gerade nicht erfolgen soll, kann der Wortlaut ebenso für die Ansicht des Beklagten und der Beigeladenen streiten. Vor diesem Hintergrund ist der Wortlaut für die Frage des Anwendungsbereiches des Satzes 1 gerade nicht klar und eindeutig und damit für die Auslegung nicht vorrangig heranzuziehen. Vielmehr zeigt sich, dass der Gesetzgeber seiner Aufgabe, eine hochkomplexe Fragestellung vom Wortlaut der Norm her hinreichend klar zu beantworten, nicht gerecht geworden ist und dass die neu eingeführte Vorschrift mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet.

 

(ii) Auch im Übrigen kann der Norm entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zwingend entnommen werden, dass die Sätze 1 und 2 aufeinander Bezug nehmen und Satz 2 ohne Satz 1 ins Leere liefe. Vielmehr können beide Sätze mit ihren Regelungsgehalten unabhängig voneinander bestehen. Auch gibt es keinen allgemeinen Aufbaugrundsatz dahingehend, dass verschiedene Sätze eines Absatzes einer Norm zueinander in Bezug stehen. Vielmehr können in verschiedenen Sätzen auch voneinander unabhängige Regelungen zum selben Gesamtregelungskomplex enthalten sein. Dies wäre hier der Fall, wenn man wie der Beklagte und der Beigeladene Satz 1 und Satz 2 als zwei nebeneinanderstehende Regelungen zur Berechnung der Nachforderung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung für die wirtschaftliche Verordnung im engeren Sinne und die unzulässige Verordnung ansieht.

 

(iii) Vor diesem Hintergrund führt auch die Ermittlung von Sinn und Zweck der Regelung in § 106b Abs. 2a SGB V zu keinem eindeutigen Ergebnis. Festgestellt werden kann zunächst nur, dass der Gesetzgeber den bislang bestehenden Entscheidungsspielraum der Vertragspartner auf Landesebene zu Art und Weise der Ermittlung der Nachforderungshöhe begrenzen wollte. Zu dem Anwendungsbereich der Begrenzung lassen sich der konkrete gesetzgeberische Wille bzw. die Motive des Gesetzgebers jedoch schlechthin nicht ermitteln; dies bereits deshalb, weil sowohl die Gesetzesbegründung als auch die Entstehungsgeschichte der Norm keinen weitergehenden Aufschluss geben. Die Begründung der Neuregelung findet sich allein in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) vom 13. März 2019 (BT-Drs. 19/8351, S. 195 f.). Dort heißt es:

 

„Durch die Änderung wird die Höhe von Nachforderungen wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise auf eine Differenzberechnung beschränkt. Die Nachforderung ergibt sich aus dem Mehrbetrag, der nach Abzug der ärztlich verordnungsfähigen Leistung zu Lasten des Kostenträgers verbleibt. Soweit sich durch eine unzulässige Verordnung Kostenersparnisse zugunsten des Kostenträgers ergeben, kommt dies nicht dem verordnenden Arzt zugute. Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren das Nähere in den einheitlichen Rahmenvorgaben nach Absatz 2.“

 

Die Gesetzesbegründung erschöpft sich damit im Wesentlichen in der sinngemäßen Wiedergabe des Gesetzestextes und begründet den Eingriff des Gesetzgebers in das bestehende, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung maßgeblich mitgeprägte System der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht ansatzweise. Auch hier stehen die Ausführungen zu Satz 1 und 2 der Norm ohne Bezug nebeneinander, so dass der Schlussfolgerung der Klägerin, dass der Gesetzgeber die unzulässige Verordnung gerade im Zusammenhang mit der Differenzkostenmethode im Blick gehabt habe, nicht gefolgt werden kann. Man kann der Gesetzesbegründung nicht im Ansatz entnehmen, ob Satz 1 auch für die unzulässige Verordnung gelten soll. Zwar könnte man dem Nebeneinander der Begriffe der unwirtschaftlichen Verordnung in Satz 1 der Begründung und der unzulässigen Verordnung in Satz 3 der Begründung die Bedeutung beimessen, dass dem Gesetzgeber die Unterschiede bewusst gewesen sein könnten und Satz 1 daher nur die unwirtschaftliche Verordnung im engeren Sinne erfasst. Hierfür könnte ebenso sprechen, dass in der Begründung der Begriff der Einsparung ersetzt wird durch Kostenersparnisse und diese explizit in den Zusammenhang zur unzulässigen Verordnung gestellt werden. Aber diese Feinheiten erscheinen dem Senat angesichts der Dürftigkeit der Begründung als reine Mutmaßung, die nicht weiter führt und keine verlässliche Grundlage für das Normverständnis liefert.

 

Auch die Materialien zur Entstehung der Norm geben keinen weiteren Aufschluss zum Willen des Gesetzgebers, denn diese erschöpfen sich in dem benannten Bericht des Ausschusses für Gesundheit vom 13. März 2019. Die Norm wurde am 13. März 2019 und damit nur einen Tag vor der 2. und 3. Lesung (am 14. März 2019) durch den Gesundheitsausschuss in das Gesetzgebungsverfahren (vgl. BT Drs. 19/3851 und BT-Plenarprotokoll 19/86, S. 10048 B ff.) eingebracht. Hierdurch hatten die betroffenen Spitzenverbände keine Möglichkeit, zu der beabsichtigten Gesetzesänderung Stellung zu nehmen und auf die Beseitigung etwaiger Unklarheiten Einfluss zu nehmen.

 

(iv) Angesichts dieser Unklarheiten erachtet der Senat die Einbettung der Regelung in das Gesamtgefüge des Rechts der GKV und in das bestehende System der Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen als maßgeblich.

 

Das Recht der GKV ist geprägt durch das Dreiecksverhältnis Versicherter, Krankenkasse als Träger der Krankenversicherung und Leistungserbringer. Die Krankenkassen haben nach § 2 Abs. 1 SGB V dem Versicherten die Leistungen des Dritten Abschnitts des SGB V unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 12 SGB V zur Verfügung zu stellen (Sachleistungsprinzip). Zur Erfüllung des Anspruchs des Versicherten schließen die Krankenkassen Verträge mit selbständigen Leistungserbringern (§ 2 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Diese mit den Leistungserbringern zu schließenden Verträge müssen allgemein gewährleisten, dass sich die Leistungserbringer für eine Behandlung nach den Vorgaben des Krankenversicherungsrechts und zu den vertraglich vereinbarten Konditionen bereithalten. Inhalt und Umfang der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung werden so auch Gegenstand des Abrechnungsverhältnisses zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern.

Der Sachleistungsanspruch des Versicherten ist begrenzt durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V. Hiernach müssen die Leistungen ausreichend, wirtschaftlich und zweckmäßig sein. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V; Grundsatz der Einheit von Leistungs- und Leistungserbringungsrechts). § 12 SGB V stellt dabei eine Grundsatznorm des Leistungsrechts dar, welche im Spannungsfeld zwischen dem Versicherten und dem Leistungserbringer, dem Interesse an einer möglichst umfassenden Gesundheitsversorgung, den beruflich-wirtschaftlichen Interessen der Leistungserbringer und der Leistungsfähigkeit der Krankenkassen steht. Das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V ist Tatbestandsmerkmal jedes Leistungsanspruches nach § 11 SGB V, sofern es nicht bereits in einzelnen Normen des Leistungsrechts (z.B. § 34 SGB V) oder durch eine Festbetragsregelung im Sinne von § 12 Abs. 2 SGB V konkretisiert wird. Dabei umfasst das Wirtschaftlichkeitsgebot selbst sowohl die Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne (d.h. bei der Existenz von Behandlungsalternativen ist die Behandlung mit dem geringeren Aufwand zu wählen, vgl. BSG, Urteil vom 17.2.2016, B 6 KA 3/15 R, zitiert nach juris, dort Rn. 18 mw.N.), als auch die Wirtschaftlichkeit im weiteren Sinne, indem die Leistung ausreichend und zweckmäßig sein muss (vgl. zum weiten Wirtschaftlichkeitsbegriff des § 368 n RVO: BSG, Urteil vom 7.12.1966, 6 Rka 6/64, Rn. 23 m.w.N. zur Verordnungsfähigkeit über den Sprechstundenbedarf).

 

Dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V trägt entsprechend dem Grundkonzept des § 2 SGB V auch das Leistungserbringerrecht im Vierten Kapitel des SGB V Rechnung. Auf vertragsärztlichem Gebiet wird das Wirtschaftlichkeitsgebot in den §§ 70 Abs. 1 S. 2, 72 Abs. 2 und 75 Abs. 1 SGB V konkretisiert (vgl. BSG, Urteil vom 13.5.2015, B 6 KA 18/14 R, Rn. 36 ff.) Durch das Leistungserbringungsrecht im Vierten Kapitel des SGB V soll gewährleistet werden, dass den Versicherten die gesamte Krankenpflege als Sachleistung zur Verfügung gestellt wird. Dementsprechend haben die zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern zu schließenden Verträge und die vom GBA zu beschließenden Richtlinien (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V) die für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung notwendigen ärztlichen und nichtärztlichen Leistungen vollständig und abschließend zu erfassen. Wenn die Vertragspartner oder der GBA in diesem Zusammenhang zum Erlass leistungskonkretisierender oder leistungsbeschränkender Vorschriften ermächtigt werden, bedeutet dies, dass durch diese Vorschriften die im Dritten Kapitel des SGB V nur in Umrissen beschriebene Leistungsverpflichtung der Krankenkasse gegenüber dem Versicherten präzisiert und eingegrenzt werden soll (grundlegend BSG, Urteil vom 16.9.1997, 1 RK 28/95 , zitiert nach juris, dort Rn. 25).

 

Daraus folgt, dass der Versicherte seinen Leistungsanspruch nur innerhalb der Vorgaben des Leistungserbringerrechts verwirklichen darf, denn er ist in der Regel darauf beschränkt, sich die notwendige Versorgung bei den Leistungserbringern zu beschaffen, die ihrerseits wieder an die Vorgaben des Vierten Kapitels und speziell der gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB V über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen abzuschließenden Verträge gebunden sind (§ 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V). In der Person des Leistungserbringers sind damit beide Bereiche miteinander verzahnt; mit der Abgabe der Leistung an den Versicherten erfüllt der Arzt sowohl die Leistungsverpflichtung der Krankenkasse als auch seine eigene, aus der Kassenzulassung folgende Verpflichtung, sozialversicherte Patienten nach Maßgabe der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Vorschriften zu behandeln (BSG, a.a.O., Rn. 27).

 

Im Abrechnungsverhältnis zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse schließlich trägt § 106 SGB V dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V Rechnung. Er regelt die Überprüfung und Überwachung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung (vgl. BSG, Urteil vom 13.5.2015, B 6 KA 18/14 R, zitiert nach juris, dort Rn. 24; Urteil vom 17.2.2016, B 6 KA 3/15 R, zitiert nach juris, dort Rn. 17; Urteil vom 29.6.2022, B 6 KA14/21 R, zitiert nach juris, dort Rn. 15) und sieht als präventive sowie repressive Maßnahmen für ein nicht den gesetzlichen oder vertraglichen Vorgaben entsprechendes Verhalten der Vertragsärzte deren Beratung sowie die Festsetzung von Regressen vor. Zweck der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist daher neben der Sicherung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung, dessen finanzielle Stabilität ein hochrangiges Gemeinwohlgut darstellt (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, vgl. Beschluss vom 12.6.1990, 1 BvR 355/86, zitiert nach juris, dort Rn. 82), vor allem auch die (präventive) Lenkung des vertragsärztlichen Verhaltens (vgl. BSG; Urteil vom 28.10.2015, B 6 KA 45/14 R, zitiert nach juris, dort Rn. 17 ff.; zur Steuerungsfunktion vgl. auch Urteil vom 4.5.1994, 6 Rka 40/93, zitiert nach juris, Rn. 18).

 

Die Wirtschaftlichkeitsprüfung wird in § 106b SGB V in Bezug auf die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen weiter konkretisiert. Die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen trägt dem Umstand Rechnung, dass der Arzt durch seine Verordnungen gleichsam als Vermittler zwischen den Krankenkassen und den weiteren Leistungserbringern fungiert, die auf Grundlage seiner Verordnung ihre Leistungen erbringen und gegenüber der Krankenkasse abrechnen dürfen. In dogmatischer Hinsicht handelt es sich bei einem Verordnungsregress um einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch (BSG, Urteil vom 14.3.2001, B 6 KA 19/00 R, zitiert nach juris, dort Rn. 15; Urteil vom 5.5.2010, B 6 KA 6/09 R, zitiert nach juris, dort Rn. 44; Urteil vom 28.10.2015, B 6 KA 45/14 R, zitiert nach juris, dort Rn. 18). Nach der Rechtsprechung des BSG besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkassen darin, dass an die Leistungserbringer Gelder für die Erbringung von Leistungen gezahlt wurden, welche gegenüber den Versicherten aufgrund der ärztlichen Verordnung erbracht werden durften (vgl. BSG, Urteil vom 5.5.2010, B 6 KA 5/09 R, Rn. 23). Die Krankenkasse hat mithin Kosten aufgewandt, die sie prinzipiell aufwenden muss, die aber im konkreten Fall nicht angefallen wären, wenn der Vertragsarzt den normativen Vorgaben zur wirtschaftlichen Verordnung der Leistung entsprochen hätte.

 

Da die im Leistungserbringungsrecht geltenden Leistungs- und Verordnungsausschlüsse bereits eine Konkretisierung des weiten Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 12 SGB V darstellen, ist es nur folgerichtig, dass das BSG die Prüfung der Einhaltung dieser Regelungen ebenfalls als von der Wirtschaftlichkeitsprüfung des § 106b SGB V erfasst ansieht. So hat das BSG bereits mit Urteil vom 21. Juni 1989 ( 6 Rka 11/88, zitiert nach juris, dort Rn. 11) dargelegt, dass unter Regressforderungen wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise auch alle Regressforderungen wegen Verordnungen fallen, die unzulässig sind. Es sei deshalb geboten, den Begriff der Unwirtschaftlichkeit im weiten Sinn dahin auszulegen, dass er auch die Verordnung von Mitteln erfasst, die die Kasse aus anderen Gründen nach ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung nicht zu gewähren hat.

Demzufolge hat es bereits unter Geltung des § 368n Abs. 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) als gesetzlicher Grundlage der kassenärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung (Urteil vom 5.5.1988, 6 Rka 27/87, zitiert nach juris, dort Rn. 15) herausgearbeitet, dass der Verordnungsregress bei unzulässigen Verordnungen nicht der den Kassenärztlichen Vereinigungen obliegenden Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der vom Arzt eingereichten Honorarforderung unterliegt (§ 34 Abs. 2 BMV-Ä a.F.), sondern der den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen übertragenen Aufgabe der Prüfung der wirtschaftlichen Verordnungsweise unterfällt (§ 34 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 d BMV-Ä a.F.).

 

Dabei betont es jedoch, dass die Prüfung der Zulässigkeit von ärztlichen Verordnungen zwar die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung im weiteren Sinne betrifft und deshalb auch unter § 106 Abs. 2 SGB V fällt und den Prüfgremien obliegt, in der Sache jedoch ein eigenständiges Prüfverfahren darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 11.9.2019, B 6 KA 21/19 R, zitiert nach juris, dort Rn. 15), auch hinsichtlich der Berechnung des eingetretenen Schadens. So könnte zwar grundsätzlich bei der lediglich unwirtschaftlichen Verordnung eines Medikaments (Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne wie z.B. zu große Packungsgröße, kein Generikum) bei der Berechnung des Schadens eine Saldierung der Kosten aufgrund der direkten Vergleichbarkeit der Leistung stattfinden. Demgegenüber erkennt aber das BSG in ständiger Rechtsprechung bei unzulässigen Verordnungen die Berücksichtigung kompensatorischer Einsparungen, d.h. ersparter Kosten des Kostenträgers für die rechtlich zulässige Verordnung, zur Reduzierung der Regressforderung nicht an (sog. normativer Schadensbegriff, vgl. BSG, Urteil vom 25.1.2017, B 6 KA 7/16 R, juris). Dies beruht zum Einen auf dem Umstand, dass eine unzulässige Verordnung nicht mit einer zulässigen Verordnung austauschbar und vergleichbar ist (BSG, Urteil vom 18.8.2010, B 6 KA 14/09 R, zitiert nach juris, dort Rn. 51; Beschluss vom 31.5.2006, B 6 KA 10/06 B, zitiert nach juris, dort Rn. 11) und trägt zum Anderen dem Umstand Rechnung, dass Ziel des Verordnungsregresses des § 106b SGB V auch eine Steuerung des ärztlichen Verhaltens ist. Demgegenüber hätte eine Anrechnung der bei rechtmäßigen Verhalten angefallen Kosten zur Folge, dass es auf die Beachtung der für die vertragsärztlichen Versorgung geltenden Bestimmungen nicht ankäme (BSG, a.a.O.; Urteil vom 4.5.1994, 6 RKa 40/93, zitiert nach juris, dort Rn. 18, vgl. auch BSG, Urteil vom 30.10.2013, B 6 KA 2/13 R, zitiert nach juris, dort Rn. 12 zum Regress beim unzulässigen Off-Label-Use). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass nach der jahrzehntelangen Rechtsprechung des Vertragsarztsenats des Bundessozialgerichts (und daran anschließend der Instanzgerichte) eine Vorteilsausgleichung im System der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgeschlossen war, um jeden Anreiz unwirtschaftlicher Verordnungsweise zu vermeiden.

 

Dieses ineinandergreifende Regelungsgefüge des SGB V hat der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 106b Abs. 2a SGB V zur Überzeugung des Senats nicht in dem weitgehenden Umfang geändert, wie die Klägerin es annimmt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 106b Abs. 2a SGB V eine (bereichsspezifische) Einschränkung der Geltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 12 Abs. 1 SGB V im Verhältnis Leistungserbringer – Krankenkasse und daraus folgend eine grundlegende Änderung im System des Verordnungsregresses beabsichtigt hat. Hiergegen sprechen die Unergiebigkeit der Gesetzesbegründung und die Entstehungsgeschichte der Norm. Es darf erwartet werden, dass der Gesetzgeber eine (wie von der Klägerseite unterstellte) gravierende Änderung grundlegender Strukturen im Recht der Wirtschaftlichkeitsprüfung transparent macht, indem er diese in der Gesetzesbegründung zum Einen als solche deutlich hervor hebt und zum anderen darlegt, warum die Notwendigkeit einer Abkehr von der jahrzehntelangen Rechtsprechung und Praxis geboten erschien. Dies ist hier nicht erfolgt.

 

Eine solche erhebliche Änderung der Steuerungsfunktion des Verordnungsregresses würde aber vorliegen, wenn – wie die Klägerin meint – im Rahmen der Schadensberechnung des § 106b Abs. 2a Satz 1 eine rein wirtschaftliche Betrachtung der Kosten bei unwirtschaftlicher und unzulässiger Verordnung vorgenommen wird und damit auch der Schaden der unzulässigen Verordnung im Verhältnis Leistungserbringer - Krankenkasse auf eine rein wirtschaftliche Betrachtung reduziert wird. Dabei würde letztlich der Umstand, dass der Schaden der Krankenkasse bei einer unzulässigen Verordnung vor allem auch in der Nichtbeachtung der Vorgaben des Leistungserbringungsrechts durch den Vertragsarzt besteht, negiert. Die Reduzierung des Schadens bei einer unzulässigen Verordnung hätte dabei nicht nur Auswirkungen auf die Beziehung Krankenkasse – Leistungserbringer, sondern hätte zugleich eine nicht unerhebliche Reduzierung der Bedeutung der leistungskonkretisierenden Regelungen des Leistungserbringungsrechts im Verhältnis Leistungserbringer (Vertragsarzt) zum Versicherten zur Folge, denn andere gleich wirksame Maßnahmen zur Verhaltenssteuerung der Vertragsärzte im Bereich unzulässiger Verordnungen sind nicht ersichtlich. Insbesondere verkennt das SG München (Urteil vom 5.5.2022, S 49 KA 139/21, Rn. 20) insoweit die Reichweite des vertragsärztlichen Disziplinarrechts (§ 81 Abs. 5 SGB V), welches nur bei einer schuldhaften Verletzung vertragsärztlicher Regelungen in Betracht kommt, wohingegen der Verordnungsregress gerade verschuldensunabhängig greift.

 

Es ist vor dem Hintergrund des Regelungsgefüges und der ständigen Rechtsprechung des BSG auch nicht erkennbar, dass eine solche weitreichende Gesetzesänderung zugunsten der Vertragsärzte notwendig gewesen wäre bzw. überhaupt sachgerecht ist, denn dem Vertragsarzt stehen bei der (von der Klägerin als Hauptargument vorgetragenen) Ungewissheit, ob ein bestimmtes Medikament oder Heilmittel zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden kann, verschiedene Wege zur Absicherung einer Verordnung zur Verfügung (vgl. BSG, Beschluss vom 31.5.2006, B 6 KA 53/05 B, zitiert nach juris, dort Rn. 13). Geht er diese Wege nicht, ist ein Schutzbedürfnis nicht erkennbar.

 

(v) Angesichts der Schwäche des Normtextes und der Unergiebigkeit des Gesetzgebungsverfahrens war der Auslegung Vorrang zu geben, die im Einklang mit der Systematik des SGB V, dem Sinn und Zweck der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der ständigen Rechtsprechung des BSG steht.

 

Da der Beklagte mithin nach Ansicht des Senates die Anwendung der Differenzkostenmethode zutreffend auf die unwirtschaftliche Verordnung im engeren Sinne begrenzt hat, ist seine Festsetzung des Inhalts der Rahmenvorgaben nicht zu beanstanden. Insbesondere war vor diesem Hintergrund die Klarstellung in Satz 5 der Regelung, dass es sich bei den benannten Fallgruppen nur um Beispiele und nicht um eine abschließende Aufzählung zur Nichtanwendung der Differenzkostenmethode handelt, sachgerecht.

 

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 3 sowie § 162 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung.

 

F. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zum Regelungsgehalt des § 106b Abs. 2a SGB V zuzulassen.

Rechtskraft
Aus
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