L 7 KA 32/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 87 KA 247/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 32/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 23/23 B
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. August 2020 wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

 

Gründe

 

I.

Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Abrechnungsgenehmigung für die analytische Psychotherapie bei Erwachsenen.

 

Die Klägerin ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin sowie Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie und nimmt seit dem 1. April 2012 an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Am 19. Juli 2017 erwarb sie bei der Ärztekammer B die Zusatzbezeichnung Psychoanalyse nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Berlin (WBO).

 

Der Klägerin wurde im Rahmen ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit in der Praxis in der A Str.  in  B eine Abrechnungsgenehmigung für die Durchführung von Leistungen der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie als Einzelbehandlung bei Kindern und Jugendlichen (Genehmigung vom 26. April 2012) sowie in der Praxis in der Bstr. ,  B die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der analytischen Psychotherapie als Einzelbehandlung bei Kindern, Jugendlichen Heranwachsenden (Genehmigung vom 21. August 2018) erteilt.

 

Am 1. August 2017 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erteilung einer Abrechnungsgenehmigung für die Durchführung psychoanalytischer Leistungen bei Erwachsenen. Sie halte die Erweiterung ihres Angebots auf Erwachsene bei bestimmten Indikationen für sinnvoll.

 

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23. August 2017 ab. Die Klägerin sei als Fachärztin im Gebiet Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie anerkannt. Die Behandlung von Erwachsenen würde eine Erweiterung der Gebietsgrenze der fachärztlichen Tätigkeit bedeuten. Gem. § 2 Abs. 4 S. 3 WBO könne die Gebietsgrenze fachärztlicher Tätigkeiten nicht durch eine erworbene Zusatzbezeichnung erweitert werden. Auch nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könnten Fachgebietsumgrenzungen weder durch besondere persönliche Qualifikation oder Sondergenehmigungen zur Erbringung/Abrechnung weiterer Leistungen noch durch die berufsrechtliche Berechtigung zur Führung von Zusatzbezeichnungen erweitert werden.

 

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, dem sie ein Zeugnis des B Instituts für Psychotherapie und Psychoanalyse e.V. () beilegte, wo sie berufsbegleitend an einer psychoanalytischen Weiterbildung teilgenommen hatte. Sie habe im Rahmen der Weiterbildung ausreichend Erfahrung in der psychoanalytischen Behandlung Erwachsener sammeln können. Zudem sei sie in ihrer 5-jährigen Weiterbildungszeit als Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie auch in die psychiatrische Behandlung von Erwachsenen mit einbezogen worden.

 

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2018 zurück. Der Klägerin fehle die fachliche Befähigung nach § 7 Psychotherapievereinbarung (PsychV), da sie als Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie zugelassen sei. Nach der Rechtsprechung des BSG sei eine Genehmigung für die Erbringung fachfremder Leistungen nicht zu erteilen.

 

Am 14. Dezember 2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Klägerin trägt vor, dass ein Bedarf der Behandlung für bestimmte Erwachsenengruppen bestehe. Dieser sei gegeben bei Erwachsenen mit schweren Persönlichkeitsstörungen und psychosenahen Zuständen durch fortwirkende in früher Kindheit erlittene Traumata, bei auch im Erwachsenenalter nicht altersgemäßem Entwicklungsstand, bei Heranwachsenden, für die aufgrund komplexer psychiatrischer Problematik die für Jugendliche vorgesehenen Behandlungsstunden nicht ausreichten, und wenn bei einem Elternteil ein zusätzlicher psychotherapeutischer Bedarf bestehe. Die Gebietsdefinition nach § 2 Abs. 2 WBO sei extensiv auszulegen. Durch die Erteilung der Abrechnungsgenehmigung für analytische Psychotherapie habe die Beklagte festgestellt, dass die Klägerin nach § 5 Abs. 4 PsychV qualifiziert sei. Für die Klägerin als ärztliche Psychotherapeutin sei auch nicht § 7 Abs. 6 PsychV, sondern § 5 PsychV entscheidend. Die Klägerin sei nach der WBO Nr. 37 zum Führen der Zusatzbezeichnung Psychoanalyse berechtigt. Für diese sei ihre Facharztausbildung allein Eingangsvoraussetzung, nicht aber Limitierung. Die Zusatzbezeichnung sei eine zusätzliche Qualifikation. Außerdem sei die Weiterbildung auch auf die Behandlung von Erwachsenen bezogen gewesen. Letztlich stelle § 7 Abs. 6 PsychV klar, dass psychologische Psychotherapeuten, die in ihrer Fachkunde auf Kinder und Jugendliche begrenzt seien, Erwachsene nicht behandeln dürften. Entsprechendes sei für ärztliche Psychotherapeuten in § 5 Abs. 4 PsychV nicht geregelt. Außerdem regele § 5 Abs. 4 PsychV, dass ein Facharzt für psychotherapeutische Medizin auch Kinder und Jugendliche behandeln dürfe, wenn er eine zusätzliche Ausbildung habe. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn die Grenzen des Fachgebiets psychotherapeutischer Medizin allein durch den Personenkreis bestimmt seien. Letztlich unterschieden sich die Weiterbildungsinhalte nur unwesentlich und die Zusatzbezeichnung Psychoanalyse sei nicht auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen begrenzt. 

 

Mit Urteil vom 12. August 2020 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Abrechnungsgenehmigung zur analytischen Psychotherapie bei Erwachsenen. Rechtsgrundlage sei § 92 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6a SGB V i.V.m. § 39 Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (PsychRL) i.V.m. der Vereinbarung über die Anwendung von Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung vom 2. Februar 2017 (PsychV). Der Klägerin sei dahingehend zuzustimmen, dass ihre fachliche Befähigung nach § 5 PsychV zu bestimmen sei. Aus dem Zusammenspiel von § 5 Abs. 1 und 4 PsychV ergebe sich jedoch eindeutig, dass die fachliche Befähigung zur Abrechnung von Leistungen der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie bei Erwachsen die Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung Psychiatrie und Psychotherapie voraussetze, während die Befähigung zur Abrechnung von Leistungen der Psychotherapie im jeweiligen Verfahren bei Kindern und Jugendlichen die Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie voraussetze. Die PsychV knüpfe die Abrechnungsgenehmigungen demnach an die Gebietszugehörigkeit nach der WBO. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG bestehe die Verpflichtung der Ärzte mit Gebietsbezeichnung, ihre Tätigkeit als Vertragsarzt auf dieses Fachgebiet zu begrenzen (BSG, Urteil vom 4. Mai 2016, B 6 KA 13/15 R Rn 20, Beschluss vom 28. Oktober 2015, B 6 KA 12/15 B Rn 9). Dies werde in B in § 31 Abs. 4 S. 1 B Heilberufekammergesetz geregelt. Für die Beurteilung, ob Leistungen fachzugehörig oder fachfremd seien, sei darauf abzustellen, welche Inhalte und Ziele der Weiterbildung für das jeweilige Fachgebiet in der WBO der Länder genannt würden, und in welchen Bereichen eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben werden müssten (BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2015, B 6 KA 12/15 B Rn 9 m.w.N.).

 

Anders als von der Klägerin angenommen, sei bei der Auslegung der WBO und den dadurch nach § 2 Abs. 2 WBO bestimmten Grenzen der fachärztlichen Tätigkeit bezüglich der hier entscheidenden Nr. 15.1. „Facharzt/Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie“ nicht die Behandlungsart, sondern der Personenkreis entscheidend. So habe das BSG für die Begrenzung der Fachgebietsgrenzen der Kinder- und Jugendmedizin entscheidend auf den Personenkreis abgestellt und nicht auf die angewandten ärztlichen Behandlungsmethoden oder ein Organsystem (BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2015, B 6 KA 12/15 B Rn 12 m.w.N.). Diese Rechtsprechung sei auf die hier streitige Gebietsbezeichnung der Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie  zu übertragen. Auch in diesem Bereich möge das Leistungsspektrum der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie nach Nr. 15.1 WBO gegenüber dem der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie nach Nr. 27.1 vergleichbar sein. Jedoch ergebe sich auch hier die Abgrenzung eindeutig aufgrund des Personenkreises, der damit auch entscheidend für die Fachgebietsgrenze sei. Dies sei nach Überzeugung der fachkundig besetzten Kammer auch sachgerecht, da wesentliche Unterschiede zwischen der Behandlung von Kindern/Jugendlichen und Erwachsenen bestünden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Berechtigung der Klägerin zum Führen der Zusatzbezeichnung Psychoanalyse nach der WBO, denn entscheidend für die Fachgebietsgrenzen seien allein die Gebietsdefinitionen der WBO. Schwerpunktbezeichnungen oder Zusatzbezeichnungen hätten keinen Einfluss auf die Beurteilung der Fachfremdheit einer Leistung.

 

Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass § 7 Abs. 6 PsychV für psychologische Psychotherapeuten ausdrücklich festlege, dass Therapeutinnen und Therapeuten, die durch ihren Fachkundenachweis auf die Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen beschränkt seien, nur bei Kindern und Jugendlichen tätig werden dürften, und es an einer entsprechenden Regelung in § 5 Abs. 4 PsychV fehle. Denn § 7 PsychV regele die Voraussetzungen der fachlichen Befähigung von psychologischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, während § 5 die Befähigung der ärztlichen Psychotherapeuten regele. § 5 PsychV setze in Abs. 1 bzw. Abs. 4 die Berechtigung zum Führen einer entsprechenden Gebietsbezeichnung voraus, woraus sich für Fachärzte und Fachärztinnen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie bereits die Begrenzung auf den zu behandelnden Personenkreis ergebe. Daher sei eine weitere Begrenzung in der PsychV entbehrlich.

 

Letztlich liege auch die von der Klägerin dargestellte besondere Bedarfslage nicht vor. Zum einen könne nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine den gesetzlichen Vorgaben widersprechende Ermächtigung oder Abrechnungsgenehmigung auch unter Sicherstellungsgesichtspunkten nicht erteilt werden (BSG, Beschluss vom 28. Oktober 2015, B 6 KA 12/15 B). Zum anderen definiere § 1 Abs. 4 PsychRL den Kreis von Kindern und Jugendlichen als Personen bis zum 21. Lebensjahr und lege in Satz 2 fest, dass Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie ausnahmsweise auch dann zulässig sei, wenn zur Sicherung des Therapieerfolgs bei Jugendlichen eine vorher mit Mitteln der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie begonnene psychotherapeutische Behandlung erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres abgeschlossen werden könne. Nach Satz 3 der Vorschrift hätten Patientinnen und Patienten ab dem 18. Lebensjahr zudem einen Anspruch auf Erwachsenentherapie. In diesen Fällen würden nach § 1 Abs. 4 S. 4 die Regelungen für Erwachsene gelten. § 9 PsychRL regele außerdem die Einbeziehung von für die Behandlung der psychischen Störung relevanten Bezugspersonen wie Eltern. Damit fänden die von der Klägerin genannten besonderen Fälle, in denen die Behandlung Erwachsener notwendig werden könnte, nach Überzeugung der fachkundig besetzten Kammer ausreichend Beachtung.

 

Gegen das ihr am 27. August 2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. September 2020 (Montag) Berufung eingelegt. Einschlägig sei für die von der Klägerin begehrte Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung im Verfahren analytische Psychotherapie bei Erwachsenen der § 5 Abs. 2 PsychV. Die Klägerin, welche zum Führen der Zusatzbezeichnung „Psychoanalyse“ berechtigt sei, besitze die fachliche Befähigung gem. § 5 Abs. 4 i.V.m. § 5 Abs. 2 PsychV. Daher sei denklogisch auch die Voraussetzung des § 5 Abs. 2 PsychV erfüllt. Im Übrigen seien die begehrten Abrechnungsleistungen auch nicht fachfremd, da die von der Klägerin benannten Bedarfslagen unter die Gebietsdefinition des § 2 Abs. 2 S. 2 WBO fielen. Die PsychV gehe nicht den Regelungen der WBO vor. Vielmehr setze die PsychV die in der WBO aufgestellten Fachgebiete voraus. Es bestehe aber in der WBO keine Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis. Der Inhalt der Zusatzweiterbildung sei zudem altersneutral formuliert. Außerdem verfüge die Klägerin durch ihre Weiterbildung über altersunabhängiges Wissen zur Psychiatrie und Psychotherapie. Die Nichterteilung der Abrechnungsgenehmigung stelle eine ungerechtfertigte Benachteiligung gegenüber Fachärzten anderer Fachrichtungen – insbesondere gegenüber den Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie – dar. Denn es stehe jedem Facharzt beliebiger Facharztrichtung nach § 5 Abs. 1 und 3 PsychV frei, die entsprechenden Therapieverfahren anzuwenden, wenn er die Zusatzbezeichnung „Psychotherapie“ führe und zusätzlich eine Weiterbildung im entsprechenden Therapieverfahren absolviert habe. Es sei unverständlich, warum die Fachgebietsgrenzen für die Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie gelten würden, aber nicht für Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, welche ohne größere Schwierigkeiten in die Behandlung von Kindern und Jugendlichen einsteigen könnten. Die Rechtsprechung des BSG zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunktbezeichnung Kinderkardiologie (Beschluss vom 28. Oktober 2015, B 6 KA 12/15 B) sei für die Klägerin, die im Gegensatz dazu eine altersneutrale Zusatzausbildung absolviert habe, nicht einschlägig.

 

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. August 2020 und den Ablehnungsbescheid vom 23. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Abrechnungsgenehmigung zur analytischen Psychotherapie bei Erwachsenen nach dem Leistungsinhalt der EBM Nr. 35130, 35131, 35140, 35141, 35150, 35401, 35402, 35405, 35411, 35412, 35415 sowie 35600 bis 35602 zu erteilen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei nicht entscheidend, dass sie über die nach der PsychV erforderliche Qualifikation zur Behandlung von Erwachsenen verfüge. Entscheidend sei, dass nach der Rechtsprechung des BSG eine Genehmigung nicht erteilt werden könne, wenn sie auf die Erbringung und Abrechnung fachfremder Leistungen gerichtet sei. Qualitätsanforderungen und Fachgebietsgrenzen seien voneinander unabhängig (BSG, Urteil vom 4. Mai 2016, B 6 KA 13/15 R). Die Klägerin sei als Kinder- und Jugendpsychotherapeutin zugelassen. Auch wenn die Klägerin die fachliche Qualifikation zur Behandlung Erwachsener erworben haben sollte, erweitere dies nicht die Fachgebietsgrenzen (§ 2 Abs. 4 S. 4 WBO).

 

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

 

II.

 

Der Senat durfte nach Anhörung der Beteiligten über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nach Ausübung seines dahingehenden Ermessens nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 SGG).

 

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat nach eigener Sachprüfung Bezug auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Sozialgericht hat sein Urteil, mit dem es die Klage abgewiesen hat, überzeugend und im Ergebnis richtig begründet.

 

Unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren bleibt noch zu ergänzen:

 

Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung einer Abrechnungsgenehmigung für die Durchführung von psychoanalytischen Leistungen bei Erwachsenen hat. § 2 Abs. 4 Satz 3 WBO in der maßgeblichen Fassung vom 22. September 2021 bestimmt, dass die Gebietsgrenzen fachärztlicher Tätigkeiten durch die Zusatz-Weiterbildungen nicht erweitert werden. Davon weicht die PsychV nicht ab. Zwar scheint nach dem Wortlaut der maßgeblichen Rechtsgrundlage des § 5 Abs. 2 PsychV allein der Nachweis einer Berechtigung zum Führen der Zusatzbezeichnung Psychoanalyse für die fachliche Befähigung zu genügen. § 5 Abs. 2 verweist allerdings eingangs auf die Grundnorm des § 3 PsychV. Gemäß § 3 Satz 5 PsychV dürfen Therapeuten, die durch ihren Fachkundenachweis auf die Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen beschränkt sind, nur bei diesen die dann näher bezeichneten psychotherapeutischen Leistungen durchführen. Damit kommt die Grenze des Fachgebiets der Kinder- und Jugendpsychotherapeuten zum Ausdruck.

 

Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht unter Gleichbehandlungsaspekten. Soweit § 5 Abs. 4 PsychV den umgekehrten Fall abweichend regelt, liegt darin keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Nach der zweiten Variante dieser Regelung gilt die notwendige fachliche Befähigung für die Ausführung und Abrechnung von Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen als nachgewiesen, wenn die Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung Psychotherapeutische Medizin oder Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Psychiatrie und Psychotherapie oder der Zusatzbezeichnung „Psychotherapie" oder Psychoanalyse und eingehende Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der psychotherapeutischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen nachgewiesen werden. Darin liegt - ausgehend vom Inhalt der Weiterbildungsordnung - nur scheinbar eine Durchbrechung der Fachgebietsgrenzen. Jedenfalls ist die unterschiedliche Behandlung der Arztgruppen gerechtfertigt.

 

Ziff. 15 der WBO definiert das Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie und               –psychotherapie unter Bezugnahme auf die Patientengruppe Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Heranwachsende. Ziff. 28 der WBO (in der vorherigen Fassung Ziff. 27) beschränkt das Fachgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie nicht ausdrücklich nur auf Erwachsene. Der Weiterbildungsinhalt unter Ziff. 15 der WBO ist zudem oftmals spezifisch auf die besondere Personengruppe bezogen, z.B. kinder- und jugendpsychiatrische Anamnese und Befunderhebung (in der Rubrik Krankheitslehre und Diagnostik). Während unter Ziff. 15 der WBO der Bereich „Behandlung psychischer und psychosomatischer Störungen im Kindes- und Jugendalter“ enthalten ist, heißt diese Rubrik unter Ziff. 28 „Behandlungen psychischer Erkrankungen und Störungen“, dessen Inhalt auch weit über den Inhalt unter Ziff. 15 hinaus geht. Folgende Weiterbildungsinhalte werden beispielsweise unter Ziff. 28 der WBO genannt und nicht unter Ziff. 15, um nur einige aufzuführen:

 

  • Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Störungen aufgrund von Störungen der Schlaf-Wach-Regulation,

 

  • Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Störungen aufgrund von Störungen der Schmerzwahrnehmung,

 

  • Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Störungen aufgrund von Störungen der Sexualentwicklung und –funktionen einschließlich Störungen im Zusammenhang mit der sexuellen Identität,

 

  • Therapie von chronisch kranken Menschen mit psychischen Erkrankungen und Störungen im Alter auch unter Berücksichtigung von Multimorbidität, Polypharmazie und Einbeziehung des psychosozialen Umfeldes.

 

Schließlich umfasst der Weiterbildungsinhalt der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie auch psychische Erkrankungen und Störungen im Kindes- und Jugendalter. Dadurch dass die Weiterbildung der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie umfassender ist und andererseits auch Wissen über psychische Erkrankungen und Störungen im Kindes- und Jugendalter vermittelt, ist nachvollziehbar, warum § 5 Abs. 4 PsychV für diese Fachärzte die Möglichkeit eröffnet, bei Nachweis eingehender Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen in diesem Gebiet eine Genehmigung zu erlangen.

 

Eine unterschiedliche Behandlung durch die PsychV, konkret § 5 Abs. 4, ist damit vor Art. 3 GG gerechtfertigt.

 

Dem Sozialgericht ist ebenfalls zuzustimmen, dass die von der Klägerin genannten Fallgruppen, die nach ihrer Auffassung eine besondere Bedarfslage begründen, in der PsychRL Berücksichtigung finden. So können Kinder- und Jugendliche bis 21 Jahre und ausnahmsweise darüber hinaus behandelt werden, wenn die Behandlung davor nicht abgeschlossen werden kann (§ 1 Abs. 4 PsychRL).

 

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m § 154 Abs. 1 VwGO und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

 

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG)

Rechtskraft
Aus
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