L 1 KR 447/20

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 91 KR 597/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 447/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 60/23 B
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung wird zurückgewiesen.

 

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Im Streit stehen primär Ansprüche auf Erstattung der Kosten für durchgeführte Apherese-Behandlungen sowie auf Übernahme der Kosten für eine künftige derartige Therapie.

 

Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger beantragte mit Schreiben vom 23. März 2015 - vom ihm persönlich am Folgetag in der Niederlassung Z in B übergeben - eine schriftliche Bestätigung einer Kostenübernahme „für eine Doppelmembranfiltrationsapherese“, welche im I-Tklinikum C erfolgen müsse. Beigefügt war ein „Ärztlicher Antrag“ des Dr. S dieses Klinikums vom 12. März 2015, wonach beim Kläger eine komplexe chronisch inflammatorische Multisystemerkrankung mit progressiv lebenszerstörendem und lebensbedrohlichem Charakter bestehe. Der Kläger reichte ferner ein Attest des Dr. W vom 25. September 2014 ein, wonach der Kläger an einer schweren chronischen Borreliose sowie an einer Mitochondriopathie sowie Schwermetallintoxination leide und der Verdacht auf eine Myokarditis bestehe, Atteste des Dr. R vom 09. September 2014 und des Dr. K vom 24. November 2014, zudem die Kopie einer „Forschungsinfo“ des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie vom 07. August 1995, und einen „Schlussbericht zu dem Fortsetzungsantrag Entstehung von Autoimmunkrankheit nach Exposition gegenüber Quecksilber bzw. Goldsalzen: Charakterisierung der an den T-Zellreaktionen beteiligten Selbstproteine“ des Prof. Dr. G von Oktober 1997. Er nahm zuletzt auch Bezug auf einen Beschluss des Sozialgerichts Berlin (SG) vom 25. Juli 2014 (Az. S 89 KR 1336/14 ER), in welchem eine gesetzliche Krankenkasse im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet worden war, sechs therapeutische Apherese-Behandlungen im I-M zu übernehmen.

 

Mit Schreiben vom 30. März 2015 beauftragte die Beklagte den MDK Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) mit einer Einzelfallbegutachtung. Am selben Tag teilte sie dem Kläger schriftlich die Einschaltung des MDK mit. Sie wies dabei darauf hin, dass Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung grundsätzlich nur in zugelassenen Einrichtungen hätten. Das I-Klinikum C sei jedoch eine Privatklinik. Über die medizinische Notwendigkeit einer privatärztlichen Behandlung könne nur im Rahmen einer Einzelfallprüfung entschieden werden. Eine Übernahme der Kosten einer privatärztlichen Behandlung könne nur in Höhe der vertraglich vereinbarten Vergütung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgen.

 

Mit Faxschreiben vom 01. April 2015 bat der Kläger um Zustimmung bis zum 07. April 2015. Es gehe ihm sehr schlecht. Er leide jeden Tag, habe Beschwerden und Schmerzen. Daraufhin informierte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 02. April 2015 erneut darüber, dass die beantragte Leistung grundsätzlich nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zähle. Am 10. April 2015 reichte der Kläger ein Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin J vom 09. April 2015 bei der Beklagten ein. Am gleichen Tag stellte er beim Sozialgericht Berlin (SG) den Antrag, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, umgehend die Kosten für eine therapeutische Doppelmembranfiltrations-Apherese zu übernehmen (Az. S 72 KR 1002/15 ER). In einem Telefonat ebenfalls am 10. April 2015 teilte der Sachbearbeiter der Beklagten B dem Kläger mit, dass nach den vorgelegten Unterlagen nicht von einem lebensgefährlichen bzw. lebensbedrohlichen Zustand ausgegangen werde. Dazu sei der MDK eingeschaltet. Taggleich forderte der MDK von der behandelten Hausärztin J sowie den Drs. S, W und Dr. R ergänzende Unterlagen bzw. Informationen an.

 

Die Gutachterin T des MDK gelangte in ihrem sozialmedizinischen Gutachten vom 13. April 2015 zu dem Ergebnis, die in den Attesten genannten Erkrankungen seien nicht durch objektive Befunde belegbar. Sie habe die behandelnden Ärzte des Klägers nicht erreichen können. Es gebe für die berichteten Erkrankungen keine ausreichenden Nachweise der Wirksamkeit der beantragten therapeutischen Apheresen in der I-Tklinik C. Die Annahme einer schweren bzw. lebensbedrohlichen Erkrankung sei nicht nachvollziehbar. Da keine objektiven Befunde vorlägen, könnten auch keine Alternativen benannt werden. Prinzipiell sei die Durchführung einer Apherese in Krankenhäusern und auch ambulant möglich. Dieses Gutachten wurde dem SG im Rahmen des Eilverfahrens am selben Tag übermittelt und gleichzeitig eine weitere Stellungnahme des MDK angekündigt.

 

Am 15. April 2015 und am 20. April 2015 ließ der Kläger im I-Tklinikum C so genannte „diagnostische Apheresen“ durchführen. Laut ärztlicher Bescheinigung des Klinikums vom 15. Oktober 2020 erfolgte zu jeder Behandlung ein schriftlicher Behandlungsvertrag. Der Kläger bezahlte für die Behandlung am 15. April 2015 1.978,81 €, für diejenige am 20. April 2015 1.696,75.

 

Das SG holte im laufenden Eilverfahren einen Befundbericht der behandelnden Hausärztin J vom 14. April 2015 ein und übersandte am Folgetag per Fax Abschriften bzw. eine abgetippte Leseabschrift an die Beklagte zur Weiterleitung an den MDK. Mit Schriftsatz vom 03. Mai 2015 nahm der Kläger seinen Eilantrag zurück.

 

Mit Schreiben vom 04. Juni 2015 an den seinerzeitigen Bevollmächtigten des Klägers lehnte es die Beklagte ab, Kosten nach § 13 Abs. 3 a Sozialgesetzbuch V. Buch (SGB V) zu erstatten. Zur Begründung führte sie aus, sie habe nicht verzögert über den Leistungsantrag entschieden. Die Frist sei eingehalten, da der Kläger am 30. März 2015 schriftlich über die Einschaltung des MDK unterrichtet worden sei. Im einstweiligen Rechtschutzverfahren sei ihm ergänzend mitgeteilt worden, dass medizinische Unterlagen der Behandler eingeholt würden. Auch aus materiell-rechtlichen Gründen stehe dem Kläger kein Leistungsanspruch zu.

 

Am 12. Juni 2015, 18. Juni 2015, 07. Juli 2015, 29. Juli 2015 sowie 22. September 2015 fanden „therapeutische Apheresen“ statt, für die der Kläger 1.661,45 € (12. Juni 2015, 1.662,49 € (18. Juni 2015), 1.662,49 € (07. Juli 2015), 1.662,49 € (29. Juli 2015) sowie 1.667,80 € (22. September 2015) jeweils bar bezahlte.

 

Bereits mit Schreiben vom 15. Juni 2015 hatte der Kläger unter Übersendung der Rechnung vom 12. Juni 2015 bei der Beklagten die Erstattung der Kosten für die am 12. Juni 2015 durchgeführte „therapeutische“ Apherese beantragt. Die Beklagte erklärte sich mit Schreiben vom 30. Juni 2015 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bereit, die dem Kläger „ab dem heutigen Datum bis zur ausstehenden Entscheidung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg in dieser Angelegenheit anfallenden Kosten für lebenserhaltende Behandlungen im I-Tklinikum in C zu erstatten“.

 

Die Gutachterin des MDK T erstellte unter dem 02. Juli 2015 ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten. Darin gelangte sie zu dem Ergebnis, dass die Apherese-Behandlung medizinisch nicht notwendig sei und sich aus den vorliegenden Unterlagen keine ausreichende Begründung dafür ergebe, dass der klägerische Krankheitsverlauf durch die Apheresen positiv beeinflusst werden könnte. Eine entsprechende fachärztliche Diagnostik der internistischen, neurologischen und psychiatrischen Symptome sei nicht erfolgt. Es gebe keinen Nachweis dafür, dass beim Kläger eine lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung vorliege. Es fehle auch an einem Nachweis einer Schwermetallintoxikation.

 

Mit Bescheid vom 06. Juli 2015 lehnte die Beklagte daraufhin den Kostenerstattungs- bzw. -übernahmeantrag ab. Zur Begründung führte sie u. a. aus, bei der beantragten Apherese-Behandlung handele es sich um ein neues Behandlungsverfahren. Dazu habe der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) eindeutig Stellung genommen. Die therapeutische Apherese werde nur unter konkret definierten Voraussetzungen eingesetzt, nicht jedoch bei Schwermetallvergiftungen. Der MDK habe bestätigt, dass keine lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung vorliege. Dem Kläger werde angeboten, sich zur Feststellung einer möglichen Schwermetallintoxikation z. B. in der C oder im Klinikum E, beides zugelassene Krankenhäuser mit nephrologischer Fachabteilung, entsprechend untersuchen zu lassen. Der Bescheid und das Gutachten des MDK vom 2. Juli 2015 sind dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 6. Juli 2015 vorab per Fax übermittelt worden.

 

Mit Schreiben vom 08. Juli reichte der Kläger unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 a SGB V eine weitere Rechnung ein. Mit Bescheid vom 10. Juli 2015 lehnte die Beklagte daraufhin die Übernahme der Kosten für therapeutische Apheresen ab In der Folge stellte der Kläger am selben Tag einen neuerlichen Antrag beim SG auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Übernahme der Kosten für die Doppelmembranfiltrations-Apheresen in der I-Tklinik C (Az. SG Berlin S 111 KR 203/15 ER).

 

Gegen den Ablehnungsbescheid vom 6. Juli 2015 legte der Kläger am 11. Juli 2015 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2015 zurückwies.

 

In einem weiteren, im Zuge des Eilverfahrens S 111 KR 203/15 ER erstellten sozialmedizinischen Gutachten des MDK gelangte die Gutachterin T unter dem 08. September 2015 u. a. zu dem Ergebnis, der Kläger leide nicht an einer sehr seltenen Erkrankung, die sich einer systematischen Erforschung entziehe. Das SG holte im Eilverfahren eine Stellungnahme des Dr. S vom 09. September 2015 ein. Mit Beschluss vom 16. September 2015 lehnte es den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 10. Juli 2015 schließlich ab. Das hiesige LSG hat mit Beschluss vom 24. Februar 2016 (Az. L 9 KR 412/15 B ER) die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des SG vom 16. September 2015 zurückgewiesen. Der Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme dieses Verfahrens ist mit Beschluss des LSG vom 22. April 2016 zurückgewiesen worden (Az. L 9 KR 150/16 B ER RG).

 

Gegen den Ablehnungsbescheid vom 6. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2015 hat der Kläger am 02. Oktober 2015 Klage beim SG erhoben. Zur Klagebegründung hat er vorgebracht, die Beklagte habe den Verwaltungsvorgang dem Gericht nur unvollständig vorgelegt. Seine Schreiben vom 13. Mai 2015, 21. Mai 2015 sowie vom 28. Mai 2015 nebst Faxsendebericht fehlten. Er habe von Anfang an umfangreiche Unterlagen eingereicht, welche seine komplexe immunologische, infektiologische und toxikologische Situation durch multiple Vergiftung belegten. Dr. St habe eine umgehende Entgiftung für notwendig erachtet, es bestehe Lebensgefahr. Auch Frau J habe eine umgehende Entgiftung für notwendig gehalten und dargelegt, dass keine Standardtherapie zur Verfügung stehe. Die erste therapeutische Apherese sei am 12. Juni 2015 erfolgt. Zuvor hätten diagnostische Apheresen stattgefunden, deren Kostenerstattung nicht bei der Beklagten beantragt worden sei. Ihm gehe es durch die Apherese-Therapie gesundheitlich besser. Allerdings seien weitere Apheresen notwendig, um alle Fremdstoffe/Giftstoffe aus seinem Körper zu entfernen. Es befänden sich weiterhin Schwermetalle im Körper, z. B. Silber. Er habe auch in der C vorgesprochen, wo ihm erklärt worden sei, dass diese eine therapeutische Apherese zur umfassenden Entgiftung nicht vornehme. Die Charité schicke schwere Fälle in die I-Klinik nach C. Den Kassenpatienten stünden die Ärzte der Fachrichtung Toxikologie und Umweltmedizin nicht zur Verfügung. Obwohl das (erste) Gutachten des MDK bereits am 13. April 2015 erstellt worden sei, habe die Beklagte den Antrag erst mit Bescheid vom 06. Juli 2015 abgelehnt. Bis heute sei seitens des MDK keine fachgerechte toxikologische Beurteilung erfolgt. Seinen (ersten) Eilantrag habe er zurückgenommen, weil er guten Glaubens gewesen sei, dass eine fiktive Genehmigung nach § 13 Abs. 3 a SGB V eingetreten sei. Denn er habe bereits am 23. März 2015 bei der Beklagten den Antrag auf Kostenübernahme gestellt. Der Kläger hat weitere medizinische Unterlagen eingereicht, u. a. einen Behandlungsbericht der C, Klinik für Dermatologie sowie ein „Anamnese-Befund-Protokoll Stand Oktober 2015“. Ferner hat er diverse Rechnungen für Übernachtungen und Bahnfahrten nach C zur Akte gereicht.

 

Die Beklagte hat u. a. vorgebracht, ihr sei eine Entscheidung innerhalb der in § 13 Abs. 3 a SGB V vorgegebenen Fristen unmöglich gewesen. Zum einen sei der MDK eingeschaltet worden. Zum anderen habe der MDK nach den gerichtlichen Vorgaben im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergänzende medizinische Unterlagen der behandelnden Ärzte eingeholt, um den Sachverhalt aufklären zu können. Im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut in § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V und die Tatsache, dass dem Kläger hinreichende Gründe im gerichtlichen Verfahren schriftlich mitgeteilt worden seien, trete die Sanktionswirkung nicht ein. Aufgrund des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens habe es dem SG oblegen, den weiteren Verfahrensfortgang zu leiten.

 

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 26. Oktober 2020 umfangreiche Anträge gestellt. Mit Urteil vom selben Tag hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, dem Kläger stehe kein Kostenerstattungsanspruch für die durchgeführten therapeutischen und diagnostischen Apherese-Behandlungen zu. Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V reiche nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Die Apherese-Behandlungen seien privatärztlich durchgeführt und abgerechnet worden. Insoweit habe es sich nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gehandelt. Darüber hinaus sei die Apherese-Behandlung nicht vom Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst. Dem Kläger stehe auch kein Leistungsanspruch nach § 13 Abs. 3 a Satz 6 SGB V zu. Kosten der Selbstbeschaffung seien nach Eintritt der Genehmigungsfiktion zwar auch dann erstattungsfähig, wenn das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung einen entsprechenden Anspruch nicht vorsehe, es sei denn, dass der Versicherte dies im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Leistung gewusst oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewusst habe. Hier habe der Kläger aber bereits mit Schreiben der Beklagten vom 30. März 2015 und vom 02. April 2015 die Information erhalten, dass die beantragte Leistung grundsätzlich nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre. Sie habe ihn in einem Telefongespräch am 10. April 2015 darauf hingewiesen, dass ein Leistungsanspruch überaus fraglich sei. Auch habe der Kläger im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes am 14. April 2015 das ablehnende MDK-Gutachten und den Hinweis der Vorsitzenden der 72. Kammer des SG zu den fehlenden Erfolgsaussichten des Antrages zur Kenntnis genommen. Ungeachtet dessen habe er am 15. April 2016 die erste diagnostische Apherese-Behandlung durchführen lassen. Darüber hinaus setze die Genehmigungsfiktion einen inhaltlich konkreten, bewilligungsfähigen Antrag voraus. Einen solchen habe der Kläger erstmals mit Schreiben vom 15. Juni 2015 mit der ersten Abrechnung des I-Tklinikum C vorgelegt. Frühestens zu diesem Zeitpunkt habe ein fiktionsfähiger Antrag vorgelegen. Ein Anspruch auf künftige Sachleistung scheide damit ebenfalls aus. Die weiteren Anträge des Klägers seien bereits unzulässig.

 

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Kläger mit seiner Berufung, zu deren Begründung er unter Wiederholung seines bisheriges Vorbringen ergänzend ausführt, auch aufgrund des Beschlusses des SG zu dem Az. S 89 KR 1336/14 ER im guten Glauben gewesen zu sein. Zudem sei er von der U sowie dem V dahingehend beraten worden, dass er im Recht sei und sich die Apheresen beschaffen könne. Er habe sich in einer Ausnahmesituation lebensbedrohlicher Art befunden. Durch die zwei diagnostischen Apheresen habe es keine Vorfestlegung für nachfolgende therapeutische Apheresen gegeben. Im Gegenteil: wenn die erstgenannten nicht zu entsprechenden Diagnosen geführt hätten, wäre eine weitere Therapie sinnlos gewesen. Er habe sich erst nach Eintritt der Genehmigungsfiktion entschieden, die therapeutischen Apheresen durchführen zu lassen. Die Begutachtung durch den MDK sei aufgrund unvollständiger Aktenlage und ohne eigene medizinische Untersuchung erfolgt. Der Gutachterin fehle die Qualifizierung für toxikologische Fragestellungen. Fälschlicherweise nenne das SG weiter einen Bescheid vom 04. Juli 2015, den es nicht gebe, lediglich ein einfaches Schreiben. Hingegen gebe es Bescheide vom 30. Juni 2015, vom 06. Juli 2015 und vom 10. Juli 2015. Der Ablehnungsbescheid vom 10. Juli 2015 beziehe sich nur auf ein Schreiben vom 08. Juli 2015, nicht hingegen auf seinen Antrag vom 23. März 2015. Die Beklagte habe ihm außergerichtlich die Zahlung von drei Apheresen angeboten. Darüber hinaus habe sie unter dem Datum 29. Juni 2015 einen positiven Bescheid erlassen. In diesem Zusicherungsschreiben liege keine Befristung nur bis zur nächsten Stellungnahme des MDK, sondern bis zur ausstehenden, mithin abschließenden Stellungnahme. Das endgültige MDK-Gutachten sei erst am 08. September 2015 erfolgt, also zu einem Zeitpunkt, an dem die fünfte therapeutische Apherese bereits terminiert bzw. erfolgt gewesen sei. Mutmaßlich habe die Beklagte die Verwaltungsakte vorsätzlich verfälscht. Die Lebensbedrohlichkeit seiner Situation sei nicht nur mit erhöhten Laborwerten begründet worden, sondern auch mit seinem klinischen Zustand. Er bitte darum, dass die Beklagte dem Gericht eine unverfälschte bzw. vollständige Verwaltungsakte vorlege und sich ggf. für fehlende Unterlagen erkläre oder entschuldige. Er sei weiterhin krank und leide im Übrigen unter genau den gleichen Störungen wie Frau J K. Diese habe in der gleichen Situation von ihrer gesetzlichen Krankenkasse mit Hilfe des Beschlusses des SG mindestens neun Apheresen bezahlt bekommen. Auch heute noch leider er u a. an Konzentrationsschwierigkeiten. Es lägen toxikologische Laborbefunde vor, die Werte über den maßgeblichen Referenzwerten zeigten, etwa ein Laborbefund vom 7. Dezember 2021, aus dem sich ein Wert von 4,5 µg/l Silber i. B. ergebe. Für Silber gebe es kein Antidot. Es werde nicht hinreichend berücksichtigt, dass die verschiedenen Gifte miteinander reagierten und sich gegenseitig verstärkten. Apheresen seien gegen Vergiftungen wirksam und würden im Ausland seit Jahren eingesetzt. Auch die C habe schriftlich geäußert, dass die Apherese angesichts der Silberablagerungen auf der Haut weiter durchgeführt werden solle. Die Apherese-Behandlung könne nicht in der C stattfinden, welche die Klinik in C empfohlen habe. Es gebe im Übrigen neue Befunde, so leide er mittlerweile auch an einem Zustand nach einem Hörsturz und an Herzrhythmusstörungen. Er beantrage eine Einreichungsfrist von vier Wochen für den Nachweis von Folgeschäden. Die Gutachterin des MDK habe nie die Notwendigkeit der Apherese verneint, sie habe diese lediglich nicht nachvollziehen können, was an ihrer mangelnden Qualifikation und unvollständigen Unterlagen liege. Es fehle ein unabhängiges Gutachten, denn das MDK-Gutachten sei ein Parteigutachten, das aus drei Teilen bestehe. Von Bedeutung sei allein der dritte und abschließende Teil des Gutachtens. Wenn es keine anderen Möglichkeiten der Behandlung gebe, dürfe eine Behandlung auch in einer so genannten Privatklinik durchgeführt werden. Im Übrigen gebe es diesen Begriff nicht. Nur weil eine Klinik in der Form einer GmbH geführt werde, heiße dies nicht, dass diese keine Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen dürfe.

 

Der Kläger beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2020 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06. Juli 2015 in der Gestalt des Bescheides vom 10. Juli 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2015 zu verurteilen, ihm

 

  1. die Kosten für die fünf therapeutischen Doppelmembranfiltrations-Apheresen im I Tklinikum C am 12. Juni 2015, 18. Juni 2015, 7. Juli 2015, 29. Juli 2015 und 22. September 2015 i. H. v. insgesamt 8.316,72 € zu erstatten,
  2. die Fahr- und Übernachtungskosten und die Kosten für die Erstellung eines Befundberichtes i. H. v. insgesamt 1.136,68 € zu erstatten,
  3. die Kosten für zwei diagnostische Apheresen am 15. April 2015 und 20. April 2015 i. H. v. insgesamt 3.675,56 € zu erstatten sowie
  4. die Kosten für sechs weitere Doppelmembranfiltrations-Apheresen im ITklinikum C zu übernehmen,

ferner

  1. dass der Rechtsstreit an das BSG verwiesen wird,
  2. dass der Rechtsstreit an das BVerfG verwiesen wird,
  3. die Beiziehung der Prozessakten zu dem Verfahren von Frau J K,
  4. die Zulassung der Revision,
  5. die Beklagte aufzufordern, eine unverfälschte Verwaltungsakte vorzulegen,
  6. die Gewährung einer Erklärungsfrist von 3 Wochen nach Akteneinsicht in die Gerichts- und Verwaltungsakten,
  7. nochmals Akteneinsicht in alle Gerichts- und Verwaltungsakten,
  8. die Unterbrechung des Gerichtsprozesses so lange eine verfälschte Verwaltungsakte vorliegt,
  9. Beweis zu erheben durch Vernehmung der Ärztin C J aus Berlin als Zeugin zu den Folgeschäden,
  10. Beweis zu erheben durch Vernehmung von Dr. S aus Ch am als Zeuge,
  11. die Einholung eines toxikologischen Gutachtens,
  12. festzustellen, dass die MDK Sachbearbeiterin keine toxikologische Qualifikation besaß,
  13. die Beklagte aufzufordern, ein vollständiges Leistungsverzeichnis vorzulegen,
  14. Beweis zu erheben durch Vernehmung des ärztlichen Direktors der C zum Nachweis des Fehlens einer toxikologischen Ambulanz.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führt sie aus, das Zusicherungsschreiben vom 30. Juni 2015 sei rechtlich fragwürdig bzw. auslegungsbedürftig. Die Kostenübernahme sei bis zur nächsten Stellungnahme des MDK befristet gewesen. Diese sei am 02. Juli 2015 erfolgt und dem Kläger spätestens am 09. Juli 2015 bekannt gewesen.

Auf die genannten Gutachten, ärztlichen Bescheinigungen und Befundberichte wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten und die Gerichtsakten zu den gerichtlichen Verfahren mit den Az. S 72 KR 1002/15 ER (SG Berlin), L 9 KR 439/16 B ER (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg) und L 9 KR 412/15 B ER (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg) haben zur Verhandlung vorgelegen und sind Gegenstand der Erörterung gewesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung eine Endentscheidung treffen. Der Rechtsstreit war nicht zu vertagen, um dem Kläger nochmals Gelegenheit zur Akteneinsicht zu geben. Das SG hatte bereits mit Verfügung vom 2. März 2020 Akteneinsicht gewährt, die der Kläger auch wahrgenommen hat (vgl. das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2. November 2020). Das SG wie das hiesige Gericht haben ihm zudem durchweg Abschriften aller Beteiligten- und Gerichtsschreiben zukommen lassen. Auch ansonsten war eine Vertagung nicht geboten und dem Kläger keine Erklärungsfrist mehr einzuräumen. Auf die nachfolgenden Darlegungen wird verwiesen.

 

Die statthafte und zulässige Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist unbegründet.

 

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Ablehnungsbescheid vom 6  Juli 2015 in der Fassung des weiteren Bescheides vom 10. Juli 2015 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die durchgeführten „diagnostischen“ und therapeutischen Apheresen zu.

 

Die Beklagte ist zunächst nicht nach § 13 Abs. 3 SGB V verpflichtet, da sie keine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese nach § 13 Abs. 3 S. 1, Alt. 2 SGB V von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender primärer Sachleistungsanspruch. Er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der Anspruch ist umgekehrt gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruches rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn insoweit auch ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl. aus jüngster Zeit: BSG, Beschluss vom 17. Dezember 2020 – B 1 KR 60/19 B – juris Rn. 7 mit Nachweisen seiner Rechtsprechung).

 

Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB V unterliegt damit den sich aus §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden – wie hier – nur der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben haben. Die Richtlinie regelt nämlich nicht nur, unter welchen Voraussetzungen die Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen, sondern legt auch den Umfang der den Versicherten geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest. Neu ist eine Methode, wenn sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige vertragsärztliche Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist.

 

Nach Anlage 1 Nr. 2 der Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung; in der Fassung vom 17. Januar 2006 veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 48 S. 1 523 vom 9. März 2006, zuletzt geändert am 20. Oktober 2022 veröffentlicht im Bundesanzeiger (BAnz AT 13.01.2023 B3) können Apheresen zwar als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden. Dies betrifft allerdings nicht Blutwäschen aller Art, sondern nur LDL-Apheresen bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie in homozygoter Ausprägung, Patienten mit schwerer Hypercholesterinämie, bei denen grundsätzlich mit einer über 12 Monate dokumentierten maximalen diätetischen und medikamentösen Therapie das LDL-Cholesterin nicht ausreichend gesenkt werden kann, bei bestimmten LDL-Apheresen bei isolierter Lp (A) –Erhöhung sowie bei Immunapheresen bei aktiver rheumatoider Arthritis. Der Kläger leidet jedoch weder nach den Gutachten des MDK noch nach den medizinischen Stellungnahmen der ihn behandelnden Ärztinnen und Ärzte an einer dieser Erkrankungen, sondern an zahlreichen anderen, bei denen eine Schwermetallintoxikation, eine chronische Borreliose sowie multiple Infektionen und Allergien im Vordergrund stehen.

 

Ein Anspruch auf Kostenübernahme, unabhängig davon, dass es sich um eine neue Behandlungsmethode handelt, unter dem Gesichtspunkt des so genannten Systemversagens bzw. § 2 Abs. 1 a SGB V, liegt ebenfalls nicht vor. Ausnahmsweise kann eine Leistungspflicht ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist, und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlicherseits auf andere Weise zu überwinden (vgl. BSG, Urteil vom 16. September 1997 – 1 RK 28/95 – juris Rn 35 ff.). Ein Fall eines Systemversagens ist hier aber nicht zu erkennen.

 

Es ist auch nicht von einer notstandsähnlichen Krankheitssituation auszugehen, wie sie in § 2 Abs. 1 a SGB V vorgesehen ist. Gemäß § 2 Abs. 1a SGB V können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung eine über den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse hinausgehende Leistung beanspruchen, wenn für ihre Erkrankung eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht und eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Vorschrift kodifiziert den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06. Dezember 2005 (B 1 BvR 347/98), wonach es mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und der objektiv-rechtlichen Schutzpflicht des Staates für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, dem medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn diese Behandlungsmethode eine nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht. Das BSG hat diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben in seiner Rechtsprechung aufgegriffen und näher konkretisiert. Danach darf eine bestimmte neue ärztliche Behandlungsmethode, die der zuständige GBA noch nicht anerkannt hat und sich auch noch nicht zumindest in der Praxis und der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat, nicht abgelehnt werden, wenn die folgenden drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt (1.) eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Krankheit vor. Für diese Krankheit steht (2.) eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung. Für den Versicherten besteht (3.) hinsichtlich der ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Februar 2020 – L 1 KR 216/16 – juris Rn. 30 mit Bezugnahme auf BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 3/07 KR R -, vom 05. Mai 2009 - B 1 KR 15/08 R- und vom 17. Dezember 2013 - B 1 KR 70/12 R - juris Rn. 28).

 

Eine Erkrankung ist lebensbedrohlich, wenn sie in überschaubarer Zeit das Leben beenden kann und dies eine notstandsähnliche Situation herbeiführt, in der Versicherte nach allen verfügbaren medizinischen Hilfen greifen müssen. Es genügt hierfür nicht, dass die Erkrankung unbehandelt zum Tode führt, denn dies trifft auf nahezu jede schwere Erkrankung ohne therapeutische Einwirkung zu. Die Erkrankung muss trotz des Behandlungsangebots mit vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung regulär umfassten Mitteln lebensbedrohlich sein. Kann einer Lebensgefahr mit diesen Mitteln hinreichend sicher begegnet werden, besteht kein Anspruch aus grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts. Die notstandsähnliche Situation muss sich nach den konkreten Umständen des einzelnen Falles ergeben. Ein nur allgemeines mit einer Erkrankung verbundenes Risiko eines lebensgefährlichen Verlaufs genügt hierfür nicht (BSG, Urteil vom 20. März 2018 - B 1 KR 4/17 R - SozR 4-2500 § 2 Nr. 12). Die notstandsähnliche Situation muss im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegen, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Danach muss es sich um eine durch eine nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage handeln (BSG, Urteil vom 20. März 2018, a.a.O.).

 

Nach diesen Maßgaben ergeben sich vorliegend keine Hinweise auf eine zum Zeitpunkt der durchgeführten Apherese-Behandlungen oder heute noch bestehende regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit oder eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung i.S. eines nicht kompensierbaren Verlustes eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion. Nach den Angaben des Klägers und seines Behandlers Dr. S litt er 2010 bis 2014 unter chronischer Borreliose, Schwermetallintoxikation, Anämie unklarer Genese, Eisenspeicherstörung unklarer Genese, Prostatitis durch Enterokokken, reaktiver Arthritis, Dünndarmfehlbesiedlung, Mitochondriopathie, rezidivierender Diarrhoe, Verdacht auf Myokarditis, multiplen Infektionen und multiplen Allergien. Bei Dr. S hat der Kläger auch über ein bestehendes schmerzhaftes Vibrieren am ganzen Körper, aufsteigende Gefühllosigkeit des linken Arm und des linken Fußes, chronische Gelenkschmerzen, aufsteigende brennende Schmerzen im Bereich von Hals und Kopf sowie über Gewichtsverlust geklagt. Ein Befund eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie lag und liegt allerdings nicht vor, so dass die Gutachterin des MDK zu dem Schluss gekommen ist, dass eine fachärztliche Bestätigung einer beim Kläger bestehenden neurologischen Erkrankung fehle. Die Gutachterin hat auch darauf hingewiesen, dass es außer einer kardiologischen Untersuchung am 01. September 2014 (in jüngerer Zeit) keine kardiologische Vorstellung und keine weitere kardiologische Kontrolle erfolgt ist, obwohl der Verdacht auf eine Myokarditis geäußert worden ist.

 

Es kann insbesondere auch nicht von einer lebensbedrohlichen Schwermetallintoxikation ausgegangen werden. Der MDK konstatiert zwar eine Überschreitung des Grenzwertes für Arsen sowie Überschüsse an Kobalt, Quecksilber und Silber. Allerdings sei der Kläger 2014 mit DMSA (Dimercaptosuccinic acid = Dimercaptobernsteinsäure) als Ausscheider behandelt („chelatiert“) worden. Durch diese Substanz werden Metalle aus dem Gewebe mobilisiert, wodurch sich die Werte im Blut erhöhen. Nach den sachverständigen Aussagen der Gutachterin gibt es keine anerkannten Referenzbereiche für Schwermetalle im Blut oder im Eluat (= dem durch eine Apherese Ausgefilterten). Bei dem erfolgten Schwermetallnachweis handele es sich nicht um eine anerkannte Diagnostikmethode. Die Gutachterin hat weiter darauf hingewiesen, dass beim Kläger Chelatbildner eingesetzt wurden, was mit deutlichen Nebenwirkungen wie Fieber, Schüttelfrost, Hautreaktionen, Beeinträchtigungen des Mineralstoffhaushaltes und kardiovaskulären Reaktionen, Bauchbeschwerden und Brustenge verbunden sein könne. Inwieweit die Beschwerden des Klägers hiermit zusammenhingen, sei nicht ermittelt worden. Soweit der Kläger tatsächlich unter einer Schwermetallvergiftung leide, seien Chelatbildner indiziert.

 

Nicht in Ansätzen vorgetragen oder aus den eingereichten und vom MDK gewürdigten ärztlichen Unterlagen ersichtlich ist, dass sich der Kläger erfolglos um konventionelle Therapien bemüht hätte. Dies gilt für eine Behandlung der Anämie unklarer Genese bzw. der Eisenspeicherstörung. Eine anerkannte Diagnostik der Ursache der Anämie und der dazu notwendige Ausschluss einer Blutungsquelle sind nicht durchgeführt worden. Ebenfalls unklar ist, ob die vorgetragenen multiplen Infektionskrankheiten ausreichend ermittelt und therapiert worden sind. Zur Diagnose einer Borreliose wurde eine intravenöse Antibiose (Antibiotikagabe) empfohlen. Dass diese – leitliniengerecht - durchgeführt worden ist, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Insgesamt gelangt die Gutachterin aus Sicht des Senats in sich widerspruchsfrei und überzeugend zu dem Ergebnis, dass der Kläger weder unter einer seltenen Erkrankung leidet, die sich der systematischen Erforschung entzieht, noch, dass die Krankheiten und Zustände lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufen oder mit einer derart schwerwiegenden Situation wertungsmäßig vergleichbar sind. Dass die Sachverständige des MDK keine Toxikologin ist, ergibt sich bereits aus ihrer Facharztbezeichnung ohne Benennung einer entsprechenden Spezialisierung, spricht jedoch nicht gegen die Richtigkeit ihrer gutachterlichen Ausführungen.

 

Die Gutachten des MDK sind auch keine Parteigutachten. Nach § 275 S. 1 SGB V (in der bis 31. Dezember 2019 geltenden Fassung) sind die Ärzte des Medizinischen Dienstes bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen.

 

Dass darüber hinaus bis heute Lebensgefahr besteht, ergibt sich selbst aus dem Vorbringen des Klägers nicht. Dies gilt insbesondere für die behaupteten Folgeerkrankungen, deren Behandlung nicht streitgegenständlich ist. Die Einräumung einer Erklärungsfrist hatte bereits aus diesem Grund nicht zu erfolgen. Eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes durch Vernehmung von Zeugen und/oder Einholung von Unterlagen oder Beauftragung von Sachverständigen ist aus Sicht des Senats auch vor dem Hintergrund der aktenkundigen Befundberichte der behandelnden Ärzte J und Dr. St nicht geboten. Im Rahmen des Eilverfahrens zu dem Az. S 72 KR 1002/15 ER hat die behandelnde Ärztin J unter dem 14. April 2015 einen Befundbericht erstellt, in dem sie die Frage 3 zu den konkreten, eine Lebensbedrohlichkeit begründenden Befunden nur mit allgemeinen Formulierungen und gerade nicht mit spezifischen Befunden beantwortet hat. Ebenso wenig hat sie sich konkret geäußert zu dem Risiko eines baldigen Versterbens des Klägers. Gleiches gilt für den im Zuge des Eilverfahrens zu dem Az. S 111 KR 2003/15 ER (nachfolgend L 9 KR 412/15 B ER) eingeholten Befundbericht des Dr. S vom 20. August 2015. Unerheblich ist es auch, welche Ambulanzen die C unterhält und inwieweit es Parallelen zum Sachverhalt gibt, welcher dem Verfahren vor dem SG zu dem Az. S 89 KR 1336/14 ER zu Grunde lag.

 

Vor diesem Hintergrund war den Anträgen des Klägers zu 7, sowie 13 bis 16 und 18 nicht nachzukommen. Ebenso wenig bestand für den Senat Anlass, die Beklagte aufzufordern, ein vollständiges Leistungsverzeichnis vorzulegen (Antrag zu 17). Aus diesem ergeben sich keine konkreten, von den behandelnden Ärzten ambulant oder stationär erhobenen Befunde. Allein diese könnten jedoch für die Frage des Vorliegens einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung von Bedeutung sein.

 

Der Kläger hat auch keinen Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 a Satz 7 SGB V. Danach steht einem Versicherten ein Kostenerstattungsanspruch für selbst beschaffte Leistungen zu, wenn die Krankenkasse über einen Leistungsantrag nicht zügig im Sinne der Regelung entscheidet.

 

Der Anspruch nach § 13 Abs. 3 a Satz 7 SGB V setzt voraus, dass der Versicherte die Leistung hinreichend bestimmt beantragt hat, die Krankenkasse über den Leistungsantrag nicht fristgerecht entschieden hat, der Versicherte sich die beantragte Leistung nach Fristablauf selbst beschafft hat, ihm hierdurch Kosten entstanden sind, er im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von einem Nichtbestehen des materiellen Leistungsanspruchs hat und im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung über den materiell-rechtlichen Leistungsanspruch noch nicht bindend entschieden ist oder sich der Antrag anderweitig erledigt hat (vgl. BSG, Urteil vom 26.5.2020 - B 1 KR 9/18 R - juris Rn. 22 ff.).

 

Eine Kostenerstattung für die „Diagnose-Apheresen“ am 15. April 2015 und am 20. April 2015 (1.978,81 € bzw. 1.696,75 €) hat der Kläger nach seinen eigenen Angaben selbst nicht in seinem am 24. März 2015 eingegangenen Antrag geltend gemacht. Die Kosten sind überdies angefallen, bevor die hier einschlägige Fünfwochenfrist des § 13 Abs. 3 a Satz 1, 2. Halbsatz SGB V am 28. April 2015 abgelaufen war. Es galt diese Fünfwochenfrist und nicht die Dreiwochenfrist nach § 13 Abs. 3 a Satz 1, 1. Halbsatz SGB V, weil die Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme des MDK in Auftrag gegeben und darüber den Kläger mit Schreiben vom 30. März 2015 im Sinne des § 13 Abs. 3 a Satz 2 SGB V unterrichtet hatte. Die Genehmigungsfiktion ist mit dem Ablauf der Fünfwochenfrist eingetreten, weil eine weitere Verlängerung nicht eingetreten ist. Die Beklagte hat nicht wirksam nach § 13 Abs. 3 a Satz 5 SGB V mitgeteilt, weshalb die Entscheidungsfrist bis dahin nicht hat eingehalten werden können. Zwar hat sie im Eilverfahren (SG: S 72 KR 1002/15 ER) mit Schriftsatz vom 13. April 2015 informiert, dass eine nochmalige Stellungnahme durch den MDK erfolgen solle, weil weitere ärztliche Unterlagen angefordert worden seien. Der Schriftsatz ist durch das Gericht am 14. April 2015 weitergeleitet worden. Der Kläger hat auch mit seinem Schriftsatz vom 18. April 2015 darauf reagiert. Allerdings setzt eine Verlängerung voraus, dass die Krankenkasse mindestens einen hinreichenden Grund für die Verzögerung benennt und taggenau angibt, wie lange sich die Entscheidung aus diesem Grund prognostischerweise verzögert (BSG, Urteil vom 08. März 2016 – B 1 KR 25/15 R –juris Rn. 20), was hier nicht der Fall ist. Die Beklagte war auch ungeachtet des bereits laufenden gerichtlichen Eilrechtsschutz-Verfahrens entgegen ihrer Rechtsaufassung nach wie vor Herrin des Verwaltungsverfahrens.

 

Allerdings hat ein Versicherter, der schon vor Ablauf der maßgeblichen Entscheidungsfristen nach § 13 Abs. 3 a SGB V auf die Selbstbeschaffung der beantragten Leistungen vorfestgelegt ist, keinen Anspruch auf Kostenerstattung aufgrund einer Genehmigungsfiktion (BSG, Urteil vom 25. März 2021 – B 1 KR 22/20 R – juris Rn. 18; Urteil vom 27. Oktober 2020 – B 1 KR 3/20 R – juris Rn. 14). Denn Voraussetzungen der Kostenerstattung ist es, dass zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang besteht. Daran fehlt es, wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungsbringer festgelegt hat und fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte (BSG, a. a. O. Rn. 13 f).

 

Hier war der Kläger entgegen seinen Beteuerungen ausweislich seines Vorbringens fest entschlossen, die therapeutischen Apherese-Behandlungen auf jeden Fall durchführen zu lassen, nachdem als Ergebnis der „diagnostischen“ Apheresen das Vorhandensein von Giftstoffen festgestanden hat. Der Kläger hat sich in C behandeln lassen, weil er subjektiv davon ausgegangen ist, in Lebensgefahr zu sein und nur durch die Apheresen behandelt werden zu können, unabhängig davon, ob ihm gegenüber der Beklagten ein Kostenerstattungsanspruch zusteht oder nicht. Seine Einlassung, vor der Entscheidung über die (therapeutischen) Apheresen die Ergebnisse der „diagnostischen“ abzuwarten, spricht dafür, dass die Entscheidung nur von der Notwendigkeit aufgrund der Diagnoseergebnisse abhing, nicht hingegen von der beantragten Kostenerstattung. Auffällig ist zudem, dass der Behandler Dr. in seinem zeitnah vor der Durchführung der diagnostischen Apheresen erstellten Attest vom 14. April 2015 ausführt, dass die therapeutischen Apheresen als ultima ratio Therapie vorgenommen werden müssten und der Einsatz dieser Therapie am 15. April 2015 unter seiner Leitung und Aufsicht erfolgen werde. Danach gibt es keinen Unterschied zwischen den Apheresen, die später vorgenommene Differenzierung zwischen „diagnostischen“ und „therapeutischen“ Apheresen lässt den Schluss zu, dass damit die Vorfestlegung verbrämt werden sollte.

 

Für die Behandlungen ab dem 29. Juli 2015 ist zusätzlich davon auszugehen, dass der Kläger sich in Kenntnis oder aber jedenfalls aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis vom Nichtbestehen des materiellen Leistungsanspruchs im oben genannten Sinne hat behandeln lassen. Denn spätestens mit dem ablehnenden Bescheid vom 10. Juli 2015 konnte der Kläger nicht mehr darauf vertrauen, die begehrte Behandlung in einer privaten Krankenanstalt erstattet zu bekommen. Die Annahme des Klägers, anspruchsberechtigt zu sein, beruhte bei der Antragstellung im März zwar zunächst nicht auf einer grob fahrlässigen Unkenntnis. Grob fahrlässig handelt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, das heißt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu bemessen. Eine nähere Kenntnis der Gesetzeslage darf den Versicherten nicht abverlangt werden. Das Tatbestandsmerkmal der groben Fahrlässigkeit soll nur eine Kostenerstattung offensichtlich rechtswidriger Leistungen ausschließen. Je offensichtlicher die beantragte Leistung außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt, desto eher ist von einer zumindest grob fahrlässigen Unkenntnis (Bösgläubigkeit) im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung auszugehen (BSG, Urteil vom 26. Mai 2020 – B 1 KR 9/18 R – juris Rn. 24 unter Bezugnahme auf BT-Drucks 18/9522 S. 238). Dies ist dann der Fall, wenn sich Versicherte trotz erdrückender Sach- und Rechtslage besserer Erkenntnis verschließen. Es kommt auch dabei nicht auf formale Ablehnungsentscheidungen an, sondern auf die Qualität der fachlichen Argumente und ihre Nachvollziehbarkeit durch die Versicherten; deshalb folgt aus einer ablehnenden Entscheidung der Krankenkasse für sich genommen noch keine grobe Fahrlässigkeit; auch dann nicht, wenn die Entscheidung der Krankenkasse auf einer Stellungnahme des MDK beruht (BSG, a. a. O. Rn. 25).

 

Im März 2015 konnte der Kläger zwar der Auffassung sein, ihm stünden die therapeutischen Apheresen zu Lasten der Beklagten als gesetzlicher Krankenkasse zu, weil er subjektiv der Auffassung war, akut lebensgefährlich erkrankt zu sein und keine Alternativen als die begehrte Behandlung in der Privatklinik zu deren Konditionen sah. Insoweit betraf der Antrag Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung lagen (vgl. zu diesem Erfordernis bei Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen: BSG, Urteil vom 6. November 2018 – B 1 KR 20/17 R – juris Rn. 17 - 18). Spätestens aufgrund der ihm bekannten Darlegungen des MDK in dessen zweiten Gutachten vom 2. Juli 2015, das Grundlage für den Ablehnungsbescheid ist, musste dem Kläger dann aber ohne Restzweifel klar sein, dass seine subjektive Auffassung, nur durch die Behandlung mit einer Außenseitermethode in C adäquat behandelbar zu ein, mit der Befundlage und der objektiven medizinischen Situation nicht in Einklang zu bringen ist, wonach weder von Lebensgefahr auszugehen ist, noch, dass die alternativen Behandlungsoptionen allesamt als gescheitert betrachtet werden müssten. Dieses Gutachten ist dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers zusammen mit dem Bescheid vom 6. Juli 2015 übermittelt worden und dort ausweislich den der Antragsschrift im einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 111 KR 2003/15 ER beigefügten Unterlagen vorab per Fax am selben Tag eingegangen. Eine fortwährende Gutgläubigkeit konnte sich insbesondere nicht daraus ergeben, dass das SG über ein Jahr zuvor einer anderen gesetzlich Krankenversicherten im Wege einer einstweiligen Anordnung die begehrte Doppelmembran-Filterapheresen zugesprochen hatte und der Kläger selbst zu diesem Zeitpunkt das zweite gerichtliche Eilverfahren betrieben hat. Der Kläger selbst hatte seinem Antragsschreiben vom 23. März 2015 den vollständigen Stattgabebeschluss beigefügt. Aus der Beschlussbegründung ergibt sich, dass eine reine Folgenabwägung getroffen wurde, weil eine Aufklärung der Sach- und Rechtslage dem SG im Eilverfahren nicht möglich gewesen sei. Die notwendige Aufklärung ist in seinem Fall hingegen erfolgt. Fortbestehender guter Glaube konnte ferner nicht auf Grundlage des Zusicherungsschreibens vom 30. Juni 2015 bestehen. Nach dessen Erklärungsinhalt aus einer objektivierten Empfängersicht wurde eine Zusicherung nämlich nur bis zu der aktuell ausstehenden „Entscheidung“ des MDK abgegeben. Das Gutachten des MDK erfolgte bereits am 2. Juli 2015. Aufgrund des Gutachtens stand überdies weiter fest, dass in C keine lebenserhaltende Behandlung stattfinden würde. Soweit der Kläger einwendet, der MDK könne bzw. dürfe nicht entscheiden, dies obliege allein der Beklagten, mag dies richtig sein. Dennoch ist für einen verständigen Empfänger offensichtlich, dass die Zusicherung nur für die Zeit bis zu einer weiteren Äußerung des MDK gelten solle.

 

Ein fingierter Kostenerstattungsanspruch scheitert zudem für alle Apheresen an einer fehlenden Bestimmtheit des Antrages. Hierauf hat auch bereits das SG abgestellt. Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 1/17 R – juris Rn. 18 mit Bezugnahme auf Urteil vom 8. März 2016 – B 1 KR 25/15 R –, BSGE 121, 40-49, Rn. 23). Ein Verwaltungsakt ist - zusammengefasst - inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X), wenn sein Adressat objektiv in der Lage ist, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen und der Verfügungssatz gegebenenfalls eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bildet. So liegt es, wenn der Verfügungssatz in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts. Der Verfügungssatz, einen Naturalleistungsanspruch auf eine bestimmte Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) zu gewähren, verschafft dem Adressaten eine Rechtsgrundlage dafür, mittels Leistungsklage einen Vollstreckungstitel auf das Zuerkannte zu erhalten. Die Vollstreckung erfolgt nach den Regelungen über vertretbare Handlungen (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 1, § 198 Abs. 1 SGG, § 887 Zivilprozessordnung). Es genügt hierfür, dass das Behandlungsziel klar ist (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017, a.a.O., Rn. 19).

 

Es ist danach zwar unschädlich, dass der Antrag des Klägers vom 24. März 2015 zunächst Unklarheiten aufwies, ob in der Tagesklinik in C eine (teil-)stationäre oder eine ambulante Behandlung stattfinden sollte (so noch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Februar 2016 – L 9 KR 412/15 B ER). Denn ersichtlich sollten die aus Sicht des Klägers „medizinisch erforderlichen Apheresen" durchgeführt werden (so BSG, a.a.O. Rn. 20 für Liposuktionen). Allerdings wäre ein entsprechender Sachleistungsbescheid zu unbestimmt, weil nicht ersichtlich wäre, welchem Zweck die speziellen Blutwäschen dienen sollten. Während der Begriff der Liposuktion vom begehrten Behandlungserfolg her definiert werden kann, waren und sind die Einzelheiten der begehrten bzw. durchgeführten Apheresen auch nach Einreichung der Rechnungen unklar. Was jeweils ausgefiltert werden sollte bzw. wurde und welche Krankheit damit bekämpft werden sollte, ist schlicht unbekannt. Ein entsprechender Leistungsbescheid könnte deshalb nicht vollstreckt werden.

 

Aus dem Zusicherungsschreiben vom 30. Juni 2015 kann der Kläger keinen Anspruch herleiten, weil ihm – wie oben ausgeführt - zu dessen näheren Bedingungen keine Kosten entstanden sind. Soweit der Kläger zutreffend auf den Umstand hinweist, dass der MDK keine Entscheidungen treffen konnte, relativiert er selbst den Erklärungswert der Zusicherung. Dass es weitere Zusicherungsschreiben gegeben hat, welche der für eine Verbindlichkeit nach § 34 Abs. 1 S. 1 SGB X erforderlichen Schriftform genügten, behauptet der Kläger selbst nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte Dokumente zurückhalten könnte, aus denen sich für den Kläger Ansprüche ergeben könnten. Der Umstand, dass Schreiben seines zwischenzeitlichen Bevollmächtigten nicht zur Akte gelangt sind, obgleich die Beklagte auf diese reagiert hat, zeigt zwar eine unzureichende Aktenführung auf. Leistungsansprüche kann der Kläger daraus aber nicht herleiten. Im Übrigen hat der Kläger selbst diese Schreiben inzwischen (mehrfach) zur Gerichtsakte gereicht, sodass das SG und der Senat diese bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen konnte. Der Kläger konnte in den Inhalt der Verwaltungsakte im Sinne des § 120 SGG so Einsicht nehmen, wie diese auch dem SG und dem Senat zur Verfügung standen bzw. stehen. Eine erneute Akteneinsicht ist deshalb zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht geboten gewesen, weshalb dem Kläger auch keine erneute Erklärungsfrist einzuräumen war.

 

Ansprüche auf künftige Leistungen scheiden damit ebenfalls aus, gleichfalls die Erstattung von Fahrt- und Übernachtungskosten. Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung übernimmt die Krankenkasse zudem Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung (nur) in besonderen Ausnahmefällen, die der GBA in der Richtlinie über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (Krankentransportrichtlinie) geregelt hat. Im Allgemeinen muss ein Versicherter Ärzte und Heilmittelerbringer auf eigene Kosten aufsuchen.

 

Eine Rechtsgrundlage für eine „Verweisung“ des Rechtsstreits an das BSG oder das Bundesverfassungsgericht (Berufungsanträge zu 5 und 6) ist nicht ersichtlich. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.

 

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, so dass insbesondere eine grundsätzliche Bedeutung ausscheidet.

Rechtskraft
Aus
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