Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. Januar 2020 aufgehoben.
Die Beklagte wird unter Änderung des Honorarbescheides für das Quartal IV/2015 vom 3. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2016 verpflichtet, der Klägerin für das Quartal IV/2015 den Aufschlag bei der Zusatzpauschale der GOP 04040 EBM von 14 Punkten in der Höhe von 1.796,01 Euro festzusetzen und zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe von vertragsärztlichen Honorarzahlungen für das Quartal IV/2015.
Die Klägerin stellt eine Berufsausübungsgesellschaft (BAG) dar, deren Mitglieder, Frau Dr. A. und Herr B., im streitgegenständlichen Zeitraum (seit dem 1. Januar 2015) als Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit Praxissitz in A-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teilnahmen. Frau Dr. A. verfügt als Jobsharing Junior Partnerin seit dem 1. Januar 2015 über eine vinkulierte (eingeschränkte) Zulassung. Nach dem Zulassungsbeschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 28. Oktober 2014 ist Frau Dr. A. zur gemeinsamen vertragsärztlichen Tätigkeit mit Herrn B. zugelassen. Durch die vinkulierte Zulassung darf Frau Dr. A. in einem an sich gesperrten Versorgungsbereich tätig sein und nach 10 Jahren den Arztsitz des Jobsharing-Partners übernehmen. In diesem Zusammenhang verpflichteten sich Frau Dr. A. und Herr B., den Umfang der früheren Einzelpraxis von Herrn B. nicht wesentlich zu überschreiten.
Mit Honorarbescheid vom 3. April 2016 stellte die Beklagte für das Quartal IV/2015 einen Gesamthonoraranspruch von 69.738,48 € fest. Bei der Berechnung der Zusatzpauschale für die Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrages gemäß § 73 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) nach der Gebührenordnungsposition (GOP) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) berücksichtigte die Beklagte 635 Behandlungsfälle pro Arzt (Behandlungsfallzahl der Praxis gesamt: 1.307, abzüglich einer nicht-relevanten Behandlungsfallzahl von 37 als relevante Fallzahl: 1.270 wovon 1.179 Behandlungsfälle von Frau Dr. A. und 89 Behandlungsfälle von Herrn B. berücksichtigt wurden, Bl. 1, 33, 34 der Verwaltungsakte der Beklagten - VA -). Bei Praxen mit weniger als 400 hausärztlichen Behandlungsfällen je Kinderarzt sei ein Abschlag i.H.v. 14 Punkten und bei mehr als 1.200 Behandlungsfällen ein Aufschlag i.H.v. 14 Punkten auf die GOP 04040 vorzunehmen. Die Behandlungsfallzahl je Arzt werde ermittelt, indem die relevante Behandlungsfallzahl der Praxis durch die Anzahl der in der Praxis tätigen Kinderärzte dividiert werde. Für die Bestimmung der Anzahl der Kinderärzte sei der Umfang der Tätigkeit laut Zulassungs- bzw. Genehmigungsbescheid zu berücksichtigen. Bei der Division der relevanten Fallzahl von 1.270 durch 2 Kinderärzte der Praxis ergebe sich keine Berücksichtigung eines Zu- oder Abschlages. Gegen den Honorarbescheid vom 3. April 2016 erhob die Klägerin mit Schreiben vom 7. Juni 2016 Widerspruch und begründete dies mit der Nichtgewährung des Aufschlags auf die Vorhaltepauschale nach der GOP 04040 EBM. Aufgrund der Konstellation einer BAG im Jobsharing-Verfahren bestehe für die Mitglieder gemeinsam eine Leistungsbeschränkung. Die Behandlungsfälle könnten dadurch nicht oder nur minimal gesteigert werden. Aufgrund dessen solle auch die relevante gemeinsame Behandlungsfallzahl von 1.270 für den streitgegenständlichen Zuschlag im Gesamten als Grundlage der Berechnung dienen.
Gegen die Honorarbescheide der Beklagten vom 3. Juli 2015 (Quartal I/2015), vom 30. September 2015 (Quartal II/2015), vom 6. Januar 2016 (Quartal III/2015) erhob die Klägerin unter dem 2. September 2015, 22. November 2015 und dem 26. Februar 2016 jeweils Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2016 wies die Beklagte diese zurück.
Die Klägerin hat gegen den Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2016 am 21. November 2016 Klage zu dem Sozialgericht Marburg erhoben. Mit Beschluss vom 29. November 2016 hat das Sozialgericht Marburg die Verfahren für die Quartale II/2015 bis IV/2015 abgetrennt und als separate Verfahren mit den Az.: S 16 KA 737/16 (Quartal II/2015), S 16 KA 738/16 (Quartal III/2015) und S 16 KA 739/16 (Quartal IV/2015) geführt. Zur Begründung hat die Klägerin auch im Klageverfahren darauf hingewiesen, dass der Honoraranspruch für das Quartal IV/2015 neu festzusetzen sei, soweit der Aufschlag auf die Vorhaltepauschale nach der GOP 04040 EBM nicht gewährt worden sei. Da die Klägerin eine Zulassung als Jobsharing-BAG habe, habe sie letztendlich nur einen Versorgungsauftrag als Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin inne. Soweit für die Bestimmung der Anzahl der Ärzte der Umfang der Tätigkeit laut Zulassungs- bzw. Genehmigungsbescheid zu berücksichtigen sei und ein Versorgungsauftrag von 1,0 vorliege, könne zur Berechnung der Anzahl der Ärzte letztendlich nur der Versorgungsauftrag von 1,0 zugrunde gelegt werden. Im Rahmen des vorliegenden Modelles teile sich ein bereits zugelassener Vertragsarzt seinen Versorgungsauftrag mit einem zusätzlich tätigen Arzt. Bei der Bedarfsplanung werde dieser zusätzliche Teilnehmer an der vertragsärztlichen Versorgung nicht mitgezählt. Als relevante Fallzahl für die Berechnung zur Bewertung der Vorhaltepauschale sei die Fallzahl der Praxis insgesamt zu berücksichtigen. Die Beklagte hat im Klageverfahren an ihrer Rechtsauffassung, dass vorliegend keine Zuschläge (14 Punkte = 10%) nach der Vorhaltepauschale gewährt werden könnten, festgehalten. Nach dem klaren Wortlaut der Legende der GOP 04040 bezögen sich die jeweiligen Grenzzahlen immer auf einen einzelnen Arzt in der Praxis, was bedeute, dass in einer BAG die gesamten von der BAG erbrachten Behandlungsfälle durch die Anzahl der dort tätigen Kinderärzte zu teilen sei. Regelungen ausschließlich bezüglich der Bedarfsplanung im Jobsharing-Modell tangierten nicht die Honorarverteilung. So erhalte Frau Dr. A. auch wie alle anderen Ärzte ein eigenes Regelleistungsvolumen und sei auch wie alle anderen zugelassenen Ärzte in der Honorarverteilung zu berücksichtigen. Hieraus ergäben sich für die BAG der Klägerin sogar Vorteile, indem sie durch die Gründung einer fachgleichen kinderärztlichen BAG einen 22,5% Aufschlag auf die Grundpauschale erhalten würde. Die Ansicht, dass die Mitglieder der Klägerin sich die Zulassung quasi teilten und entsprechend behandelt werden müssten als ob jeder Einzelne von ihnen einen Zulassungsanteil von weniger als 1 habe, widerspreche dem Wesen des Jobsharings und auch der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B 6 KA 36/12 R und B 6 KA 43/12 R). Der Umfang der Tätigkeit sei laut Zulassungsbeschluss auch nicht begrenzt worden. Es bestehe lediglich eine Punktzahlobergrenze. Auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2020, in der das Sozialgericht gleichfalls das Verfahren S 11 KA 686/16 verhandelt hat, hat dieses die Klage abgewiesen und die Klägerin verurteilt, die Kosten des Verfahrens zu tragen. In seinen Entscheidungsgründen führt das Sozialgericht im Wesentlichen folgendes aus:
„Der streitgegenständliche Aufschlag auf die Zusatzpauschale zu den GOP 04000 und 04030 für die Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrags gem. § 73 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) ist im fünften Absatz der Anmerkung zur GOP 04040 im EBM vorgesehen. Er kommt Praxen zugute, in denen ein Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin vertragsärztliche Leistungen durchführt und berechnet. Das trifft auf die Klägerin zu. Entscheidende Voraussetzung ist sodann, dass die Praxis im Quartal auf mehr als 1.200 „Behandlungsfälle je Arzt“ kommt. Die Berechnung dieses Quotienten ist in der Anmerkung zur GOP 04040 selbst vorgegeben. Zu dividieren ist die Gesamtzahl der Behandlungsfälle einer Praxis durch die Anzahl der Ärzte, wobei deren „Umfang der Tätigkeit laut Zulassungs- bzw. Genehmigungsbescheid zu berücksichtigen“ ist.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich die Vorgehensweise der Beklagten als rechtmäßig. Sie hat zutreffend die Zahl der Behandlungsfälle beider Gesellschafter der Klägerin addiert und sodann durch zwei geteilt. Der so gebildete Quotient liegt deutlich unter 1.200, so dass die Klägerin die für den Aufschlag vorausgesetzte Anzahl von „Behandlungsfällen je Arzt“ nicht erreicht hat.
Entgegen der Ansicht der Klägerin bietet das ihrer Berufsausübungsgemeinschaft zugrundeliegende Job-Sharing-Verhältnis keine hinreichende Grundlage, um die Gesamtzahl der Behandlungsfälle der Praxis nur durch eins zu dividieren. In der Anmerkung zur GOP 04040 findet sich zu diesem speziellen Fall keine Sonderregelung. Daher ist von der allgemeinen Vorgabe auszugehen, dass der Umfang der Tätigkeit laut Zulassungsbescheid maßgebend ist. Sowohl Frau Dr. A. als auch Herr B. sind zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Ihre Zulassungsbescheide enthalten keine Regelung über einen reduzierten Umfang der Tätigkeit. Daher ist jeder der beiden Ärzte mit einem Zulassungsumfang von 1,0 zu berücksichtigen. Daran ändert auch die vinkulierte Zulassung von Frau Dr. A. als Job-Sharing-Juniorpartnerin nichts. Irrelevant für den vorliegenden Fall ist damit, dass sich die Job-Sharing-Partner verpflichtet haben, den Umfang der früheren Einzelpraxis von Herrn B. nicht wesentlich zu überschreiten. Zwar ist der Praxisumfang der Klägerin zur Durchsetzung dieser Leistungsbegrenzung im streitgegenständlichen Zeitraum durch Festlegung eines quartals-bezogenen Gesamtpunktzahlvolumens für das 1. Leistungsjahr beschränkt gewesen. Darauf kommt es aber nach dem oben Gesagten nicht an. Denn Rechtsfolge dieser Leistungsbegrenzung ist ja gerade, dass dadurch ausnahmsweise die „Zulassung“ eines Arztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, erreicht werden kann (§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V). Zwar ist diese Zulassung nach Maßgabe von § 101 Abs. 3 SGB V beschränkt. Dort ist aber auch geregelt, wann die Beschränkung und die Leistungsbegrenzung enden. Da es sich demnach um vorübergehende Belastungen handelt, die zudem bewusst in Kauf genommen werden, um trotz einer Überversorgung eine Zulassung zu erlangen, erscheint es der Kammer vertretbar, dass im EBM an dieser Stelle nur nach dem Umfang der Tätigkeit laut Zulassungsbescheid differenziert wird und weitere Besonderheiten außer Betracht bleiben. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt darin nicht.“
Mit Beschluss vom 14. April 2020 hat das Sozialgericht den Streitwert nach einer Probeberechnung der Beklagten auf 1.796,01 € festgesetzt. Im Rahmen der Berechnung hat die Beklagte den streitigen Betrag für das Quartal IV/2015 mit 1.796,01 € netto (1.847,89 € brutto) berechnet (Bl. 40 der GA).
Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 18. Februar 2020 zugestellte Urteil hat diese am 17. März 2020 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Soweit seitens des Sozialgerichts ausgeführt werde, dass sowohl Frau Dr. A. als auch Herr B. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen seien und der Zulassungsbescheid keine Regelung über einen reduzierten Umfang der Tätigkeit enthalte, sodass beide Ärzte mit einem Zulassungsumfang von 1,0 zu berücksichtigen seien, sei entgegenzuhalten, dass der Beschluss des Zulassungsausschusses aus der Sitzung vom 28. Oktober 2014, ausgefertigt am 4. Februar 2015, im Tenor ausführe, dass Frau Dr. A. zur „gemeinsamen vertragsärztlichen Tätigkeit mit Herrn B. zugelassen“ sei. Dies zeige, dass gerade keine separate Zulassung von Frau Dr. A. vorliege. Vielmehr liege beim Jobsharing die Besonderheit darin begründet, dass die Zulassung in einem gesperrten Planungsbereich erfolge und die Partner der BAG zu einer Leistungsbegrenzung verpflichtet seien, die den bisherigen Praxisumfang nicht wesentlich überschreite. Aus diesem Grund könne die Regelung nach der GOP 04040 EBM in diesen Konstellationen nicht darauf abzielen, dass durch die Anzahl der Ärzte dividiert werde. Es müsse tatsächlich ein Versorgungsauftrag von 1,0 zugrunde gelegt werden. Es bestehe eine Praxis mit einem Versorgungsauftrag, der von zwei Mitgliedern der BAG ausgefüllt werde. Auch im EBM der betreffenden GOP werde für die Bestimmung der Anzahl der Ärzte auf den Umfang der Tätigkeit laut Zulassungs- und Genehmigungsbescheid Rückgriff genommen. Der Klägerin sei durchaus bewusst gewesen, dass durch die Zulassung im Rahmen des Jobsharings eine Punktzahlobergrenze bestehe, bei deren Überschreitung eine Honorarrückforderung geltend gemacht werde. Grund hierfür sei, die Bedarfsplanung durch das Hinzutreten eines weiteren Leistungserbringers nicht zu umgehen. Zwar bestehe mit der Zulassung im Rahmen des Jobsharings eine unbegrenzte Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Eine Ausweitung des Praxisumfangs auf 2.400 Behandlungsfälle würde die Teilnahme am Jobsharing-Verfahren ad absurdum führen. Entgegen der Auffassung der Beklagten interpretiere die Klägerin die Kooperationsform einer Gesellschaft, die durch das Jobsharing begründet werde, nicht als Teilung einer Zulassung. Im Fall einer Teilung des Versorgungsauftrages wäre für die Bestimmung der Anzahl der Ärzte der Umfang der Tätigkeit laut Zulassungs- bzw. Genehmigungsbescheid zu berücksichtigen, sodass für beide Ärzte ein hälftiger Versorgungsauftrag vorgelegen hätte. In diesem Fall wäre die Fallzahl lediglich durch eins dividiert worden, sodass die Voraussetzungen zur Anerkennung des Zuschlags gegeben wären. Bereits aus diesem Grund könne im Rahmen des Jobsharings keine Schlechterstellung im Vergleich zur Teilung des Versorgungsauftrags vorgenommen werden. Zur Bestätigung seines Vorbringens hat die Klägerin den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 28. Oktober 2014, Frau Dr. A. betreffend, vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 29. Januar 2020 aufzuheben und den Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal IV/2015 vom 3. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2016 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihr für das Quartal IV/2015 den Aufschlag bei der Zusatzpauschale der GOP 04040 EBM von 14 Punkten in der Höhe von 1.796,01 Euro netto festzusetzen und zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ein Jobsharing habe keinerlei Einfluss auf honorarverteilende Regelungen. Die Vorgaben, aus denen sich eine Begrenzung der Tätigkeit im Jobsharing ergebe, seien bereits in der Bedarfsplanungsrichtlinie geregelt und beträfen ausschließlich die Bedarfsplanung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts besitze eine Begrenzung der Punktoberzahlgrenze im Jobsharing keinen Einfluss auf Regelungen des EBM oder der Honorarverteilung und die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung werde nach dem Bundessozialgericht durch ein laufendes Jobsharing nicht begrenzt. Insoweit werde laut Leistungslegende der GOP 04040 EBM für die Bestimmung der Anzahl der Ärzte gemäß Nr. 1 der Präambel 4.1 der Umfang der Tätigkeit laut Zulassungbeschluss auch nicht begrenzt (lediglich eine Punktoberzahlgrenze, nicht jedoch die Leistungserbringung). Das Wort „gemeinsam“ im Rahmen des Zulassungsbeschlusses beschreibe lediglich die Kooperationsform einer Gesellschaft, die durch das Jobsharing erst begründet werde und keine Teilung der Zulassung. Aufgrund der rechtsdogmatisch strikten Trennung der beiden Regelungsbereiche könne dies dazu führen, dass die Klägerin bei mehr als 2.400 Behandlungsfällen zunächst einen 10% Aufschlag im Rahmen der Honorarberechnung erhalte, sich jedoch andererseits zeitlich nachfolgend bei der Überprüfung der Einhaltung der Punktoberzahlgrenzen (bei Überschreitung) nach einem Leistungsjahr mit Honorarrückforderungen konfrontiert sehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist auch begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Nachvergütung für das Quartal IV/2015 in der geltend gemachten Höhe.
Die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gegen den erlassenen Honorarbescheid vom 3. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2016 (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) ist zulässig und auch begründet. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Anspruch der Klägerin auf weitere Vergütung für das Quartal IV/2015 und der dazu erlassene und von ihr angefochtene Honorarbescheid der Beklagten vom 3. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2016.
Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf höheres Honorar ist § 85 SGB V in der im IV. Quartal 2015 geltenden Fassung (vom 22. Dezember 2011, BGBl I S. 2983). Danach steht jedem Vertragsarzt ein Anspruch auf Teilhabe an den von den Krankenkassen entrichteten Gesamtvergütungen entsprechend der Art und dem Umfang der von ihm erbrachten abrechnungsfähigen Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen im Honorarverteilungsmaßstab zu. Das Nähere zu Inhalt und Umfang der abrechnungsfähigen Leistungen ist im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) bestimmt, an dessen Vorgaben die Kassenärztliche Vereinigung bei der Ausgestaltung ihrer Honorarverteilung gebunden ist.
Streitig ist im Berufungsverfahren allein, ob der Klägerin ein Aufschlag i.H. von 14 Punkten auf die GOP 04040 EBM (2015) – Zusatzpauschale zu den GOP 04000 EBM (Versichertenpauschale) und 04030 EBM (Versichertenpauschale bei unvorhergesehener Inanspruchnahme zwischen 19:00 und 7:00 Uhr, an Samstagen, Sonntagen, gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und 31.12. bei persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt) für die Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrags gemäß § 73 Abs. 1 SGB V zu gewähren ist. Dies ist nach der Auffassung des Senats der Fall.
Für die Auslegung der genannten GOP EBM ist in erster Linie der Wortlaut der Regelung maßgebend. Hierbei kommt der Beklagten auch kein Beurteilungsspielraum zu. Zur Frage der Auslegung einer GOP folgt der Senat nach eigener Überprüfung der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dieses führt insoweit in seiner Entscheidung vom 25. November 2020, B 6 KA 14/19 R, zitiert nach juris Rdnr. 18 aus:
„Grund für die besondere Bedeutung des Wortlauts ist nach der zu den GOP des EBM-Ä ergangenen ständigen Rechtsprechung des Senats (BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 14/13 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 28 RdNr 11; zuletzt: BSG Urteil vom 11.9.2019 - B 6 KA 22/18 R - SozR 4-5531 Nr 01210 Nr 1 RdNr 13 jeweils mwN) zum einen, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM-Ä - des Bewertungsausschusses gemäß § 87 Abs. 1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände besteht nur dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden. Diese Grundsätze gelten auch für Kostenerstattungstatbestände, sofern sie eine Pauschalerstattung vorsehen (BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 14/13 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 28 RdNr 11; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 6 KA 39/15 R - SozR 4-5531 Nr 40100 Nr 1 RdNr 25).“
Obligater Leistungsinhalt der GOP 04040 EBM ist die Vorhaltung der zur Erfüllung von Aufgaben der hausärztlichen Grundversorgung notwendigen Strukturen, einmal im Behandlungsfall. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Berechnungsfähigkeit der Vorhaltepauschale dient der Stärkung der Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrags (vgl. hierzu: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Februar 2021, L 11 KA 50/19; Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Oktober 2015, B 6 KA 42/14 R – zitiert nach juris). Bei Praxen mit weniger als 400 Behandlungsfällen je Arzt gemäß Nr. 12 der Präambel 4.1, in denen ein Arzt gemäß Nr. 1 der Präambel 4.1 vertragsärztliche Leistungen durchführt und berechnet (Behandlungsfälle der Praxis gemäß Nr. 12 der Präambel 4.1, in denen ein Arzt gemäß Nr. 1 der Präambel 4.1 vertragsärztliche Leistungen durchführt und berechnet, dividiert durch Anzahl der Ärzte gemäß Nr. 1 der Präambel 4.1) ist ein Abschlag i.H. von 14 Punkten auf die GOP 04040 vorzunehmen. Bei Praxen mit mehr als 1.200 Behandlungsfällen je Arzt gemäß Nr. 12 der Präambel 4.1, in denen ein Arzt gemäß Nr. 1 der Präambel 4.1 vertragsärztliche Leistungen durchführt und berechnet, ist ein Aufschlag i.H. von 14 Punkten auf die GOP 04040 vorzunehmen. Für die Bestimmung der Anzahl der Ärzte gemäß Nr. 1 der Präambel 4.1 ist dabei der Umfang der Tätigkeit laut Zulassungs- bzw. Genehmigungsbescheid zu berücksichtigen (Anmerkung 5 der GOP 04040 EBM).
Ausgehend von dem Tenor des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 28. Oktober 2014 ist für die Bestimmung der Anzahl der Ärzte gemäß Nr. 1 der Präambel 4.1 bei der GOP 04040 EBM dabei von 1 Arzt auszugehen. Eine Division der Behandlungsfälle der Praxis durch 2 Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin hat nach der Auffassung des Senats wegen der Besonderheiten des Jobsharings nicht zu erfolgen.
Ausweislich des Beschlusses des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 28. Oktober 2014 liegt hier ein so genanntes Jobsharing in der Variante einer Jobsharing-Zulassung der Juniorärztin in Verbindung mit einer BAG-Bildung zwischen Seniorarzt und Juniorärztin nach § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V vor. Der bereits zugelassene Seniorarzt teilt seinen Versorgungsauftrag mit einer zusätzlich tätig werdenden Juniorärztin und einigt sich mit dieser über Umfang und Aufteilung der gemeinsamen Leistungserbringung intern. Bei der Bedarfsplanung wird der Juniorarzt als zusätzlicher Teilnehmer an der vertragsärztlichen Versorgung nicht mitgezählt (Frehse in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Auflage 2017, § 5 C Rdnr. 38). Die Zulassung des Jobsharing-Partners ist dabei an die Zulassung des Praxispartners gebunden. Die Beendigung der BAG führt automatisch zur Beendigung der Jobsharing-Zulassung (Plagemann, Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, 5. Auflage 2018, Teil D. SGB V – Gesetzliche Krankenversicherung, § 19 Rdnr. 83). Frau Dr. A. wurde als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin für den Vertragsarztsitz A-Straße, A-Stadt, zur gemeinsamen vertragsärztlichen Tätigkeit mit Herrn B. gemäß § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V in Verbindung mit Abschnitt 9 § 40 der Bedarfsplanungs-Richtlinie (BPlRL) mit Wirkung zum 1. Januar 2015 zugelassen. Die Zulassung ist nach dem Beschluss gemäß § 101 Abs. 3 SGB V auf die Dauer der gemeinsamen vertragsärztlichen Tätigkeit mit Herrn B. beschränkt. In zulassungsbeschränkten Planungsbereichen können Ärzte ausnahmsweise zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden, wenn sie ihre Tätigkeit zusammen mit einem bereits zugelassenen Arzt in einer BAG aufnehmen, § 101 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 SGB V. Die Vorschrift dient der Schaffung zusätzlicher Beschäftigungsmöglichkeiten für Ärzte, ohne damit zugleich eine Leistungsausweitung auszulösen. Voraussetzung ist zum einen, dass sich beide Partner der Gemeinschaftspraxis gegenüber dem Zulassungsausschuss verpflichten, den bisherigen (abrechenbaren) Leistungsumfang beizubehalten bzw. nicht wesentlich zu überschreiten (vgl. § 4 BPlRL), d.h. das quartalsbezogene Gesamtpunktezahlvolumen des bisherigen Praxisinhabers, errechnet auf Basis der vorausgegangenen mindestens vier Quartale, verbunden mit einem Aufschlag von 3% darf nicht überschritten werden. Zum anderen muss eine Fachgebietsidentität zwischen beiden Partnern bestehen (vgl. hierzu ausführlich den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 28. Oktober 2014 und ergänzend: Bundessozialgericht, Urteile vom 28. August 2013, B 6 KA 36/12 R und B 6 KA 43/12 R; Bundessozialgericht, Urteile vom 17. März 2021, B 6 KA 32/19 R und vom 13. Februar 2019, B 6 KA 58/17 R, zitiert nach juris; Frehse und Wigge in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Auflage 2017, § 5 C Rdnr. 38 und § 6 Rdnr. 119 m.w.N.).
Hierbei verkennt der Senat nicht, dass vorliegend, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, keine hälftige Zulassung der Mitglieder der BAG vorliegt. Der Senat folgt jedoch nicht der von der Beklagten vertretenen Auffassung, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Regelungen ausschließlich bezüglich der Bedarfsplanung im Jobsharing-Modell nicht die Honorarverteilung tangieren. Nach der statusrechtlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts begrenzt die Jobsharing-Obergrenze nicht die Berechtigung des Arztes, gegenüber Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen zu erbringen. Sie beschränkt aber gerade den Umfang der Leistungen, die gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnungsfähig sind und stellt damit einen expliziten Bezug auch zum EBM her. Hierzu führt das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 13. Februar 2019, B 6 KA 58/17 R – zitiert nach juris – Rdnr. 22ff explizit aus:
„Die Obergrenze regelt nicht das "Außenverhältnis" zum Patienten, sondern das "Abrechnungsverhalten" gegenüber der KÄV. In diesem Sinne definiert auch die Bedarfsplanungs-Richtlinie in der hier noch maßgebenden Fassung vom 15.2.2007 (BAnz 2007, 3491; im Folgenden: BedarfsplRL aF) in § 23c Abs 1 S 1 (jetzt inhaltsgleich in § 42 Abs 1 S 1 BedarfsplRL) die Abrechnungsobergrenze als "Gesamtpunktzahlvolumina …, welche bei der Abrechnung … als Leistungsbeschränkung maßgeblich sind (Obergrenze)".
Grundlage der Leistungsbeschränkung für Jobsharing-Praxen ist § 92 Abs 1 S 2 Nr 9, § 101 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V iVm §§ 23a ff BedarfsplRL aF. Mit der Genehmigung der Anstellung eines weiteren Arztes erfolgt eine förmliche Zuerkennung der Teilnahmeberechtigung im Sinne der statusrechtlichen Rechtsprechung des Senats; damit steht fest, dass der angestellte Arzt zur Teilnahme an der Versorgung berechtigt ist. Der im Rahmen des Jobsharings angestellte Arzt (wie auch der zugelassene Partner) darf vertragsärztlich tätig werden und muss die Leistungsbeschränkungen nach § 101 Abs 1 S 1 Nr 4 und 5 SGB V beachten. Auch bei Überschreitungen der Grenzen bleiben die Behandlungen der Versicherten jedoch vertragsärztliche Leistungen, für die allerdings nur begrenztes Honorar gewährt wird. Eine im Rahmen des Jobsharings erteilte, mit der Festsetzung von Abrechnungsobergrenzen verbundene Anstellungsgenehmigung (oder Zulassung) hat nicht zur Folge, dass der betroffene Arzt nur über eine entsprechend begrenzte Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung verfügt. Vielmehr ist er auch dann (weiterhin) zur Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten berechtigt, wenn er mit weiteren Behandlungen seine Abrechnungsobergrenze überschreiten würde.
Für eine Beschränkung der "Leistungsbegrenzung" auf einen Abrechnungsausschluss spricht auch deren Zweck. Die durch Art 1 Nr 35 des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-NOG vom 23.6.1997, BGBl I 1520) eingeführten Regelungen in § 101 Abs 1 S 1 Nr 4 und 5 SGB V dienen der Flexibilisierung, "ohne mit diesen Regelungen die Gefahr einer Leistungsausweitung auszulösen" (vgl Ausschussbericht zum 2. GKV-NOG, BT-Drucks 13/7264 S 65). Die zusätzliche Zulassung eines Jobsharing-Arztes (bzw die entsprechende Genehmigung der Anstellung) sollte weitgehend kostenneutral gestaltet werden (Zeller/Zalewski in Liebold/Zalewski, Kassenarztrecht, Stand August 2010, § 101 SGB V RdNr 12). Im Fokus stand damit die finanzielle Stabilität der GKV; für diese ist es aber - grundsätzlich - ohne Bedeutung, ob bestimmte Leistungen erbracht werden, wenn damit keine (zusätzliche) Vergütung verbunden ist.
Da es sich bei der Leistungsbegrenzung im Rahmen der Jobsharing-Regelungen nicht um ein aus der Überschreitung einer Abrechnungsgrenze resultierendes Leistungserbringungsverbot handelt, werden auch bei Überschreitung der Jobsharing-Obergrenze alle abgerechneten Leistungen bis zum abrechenbaren Gesamtpunktzahlvolumen gemäß § 23c/§ 23k BedarfsplRL 2007 (jetzt § 60 BedarfsplRL vom 20.12.2012) mit einer punktemäßigen Anerkennungsquote wie beim seinerzeitigen honorarbegrenzenden Praxisbudget (abrechenbare begrenzte Gesamtpunktzahl gem Teil B Nr 1 EBM-Ä 1996) vergütet.“
Soweit die Beklagte im Rahmen ihrer Argumentation zusätzlich auf den BAG-Aufschlag auf die Grundpauschale Rückgriff nimmt, ist dies mit den oben dargestellten Auslegungsgrundätzen des Bundessozialgerichts, die GOP EBM betreffend, nicht vereinbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision ist zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG im Sinne einer grundsätzlichen Bedeutung vorliegen.