Im Rahmen des § 117 Abs. 3a S. 2 Nr. 1 SGB V ist eine Bedarfsprüfung durchzuführen. Entscheidend ist die Sicherstellung der ausreichenden Versorgung der Versicherten, Aspekte des Ausbildungsbedarfs sind nicht relevant. Die Bedarfsprüfung ist nicht auf den Maßstab des § 25 Bedarfsplanungsrichtlinie begrenzt, sondern entsprechend der Prüfung eines Sonderbedarfs nach §§ 36 ff. Bedarfsplanungsrichtlinie durchzuführen.
ENTWURF Sozialgericht Berlin |
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verkündet am
…, Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle |
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…,
- Klägerin -
Proz.-Bev.:
… Rechtsanwälte …,
gegen
Berufungsausschuss für Ärzte und Psychotherapeuten,
Zulassungsbezirk Berlin
Masurenallee 6 A, 14057 Berlin,
- Beklagter -
1. Kassenärztliche Vereinigung Berlin,
Masurenallee 6 A, 14057 Berlin,
2. AOK Nordost,
- Die Gesundheitskasse -
Brandenburger Str. 72, 14467 Potsdam,
3. BKK Landesverband Mitte,
Eintrachtweg 19, 30173 Hannover,
4. BIG direkt gesund,
Markgrafenstr. 22, 10969 Berlin,
5. Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau,
als Landwirtschaftliche Krankenkasse
Im Haspelfelde 24, 30173 Hannover,
6. Verband der Ersatzkassen e.V.,
Askanischer Platz 1, 10963 Berlin,
- Beigeladene -
hat die 87. Kammer des Sozialgerichts Berlin auf die mündliche Verhandlung am 6. September 2023 durch die Richterin am Sozialgericht Dr. … sowie den ehrenamtlichen Richter Herrn … und die ehrenamtliche Richterin Frau… für Recht erkannt:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Beschlusses vom 30. März 2022 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Ermächtigung als Ausbildungsambulanz vom 9. Dezember 2020 und 28. September 2021 und den Widerspruch der Klägerin vom 11. Januar 2022 gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte und Psychotherapeuten vom 13. Oktober 2021 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren war notwendig.
Der Beklagte trägt die Kosten des Widerspruchsverfahrens und 3/4 der Kosten des gerichtlichen Verfahrens, die Klägerin trägt 1/4 der Kosten des gerichtlichen Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Ermächtigung als Ausbildungsambulanz.
Die Klägerin wurde mit Bescheid des LAGeSo vom 20. Januar 2020 mit Wirkung zum 13. Dezember 2019 als staatlich anerkannte Ausbildungsstätte für die mindestens 5jährige Teilzeitausbildung zum/zur Psychologischen Psychotherapeuten/-in und zur/zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten/-in im Vertiefungsgebiet Psychoanalytische Verfahren inklusive Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (im Folgenden AP) und Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (im Folgenden TP) anerkannt.
Am 9. Dezember 2020 stellte die Klägerin beim Zulassungsausschuss einen Antrag auf Ermächtigung als Ausbildungsambulanz nach § 117 Abs. 3a SGB V mit Sitz in der Stromstraße 3b, 10555 Berlin.
Der Zulassungsausschuss stellte Anfragen zum Bedarf bei der KV Berlin, der ARGE der Krankenkassen und Krankenkassenverbände, dem Verband der Vertragspsychotherapeuten, dem Berufsverband psychologischer Psychoanalytiker und bei Ausbildungsstätten für systemische Psychotherapie. Wegen des Inhaltes der Anfragen und der Antworten wird auf die Verwaltungsakte verwiesen.
Am 28. September 2021 ergänzte die Klägerin den Antrag um den Hilfsantrag auf Ermächtigung an einem Standort im Bezirk M..
Mit Beschluss vom 13. Oktober 2021, ausgefertigt am 3. Januar 2022, lehnte der Zulassungsausschuss die Anträge der Klägerin ab. Dies begründete er im Wesentlichen damit, dass die Richtlinienverfahren TP und AP für Erwachsene und Kinder- und Jugendliche von 66 % der zugelassenen Leistungserbringer angeboten werde. Daher sei bei einem Versorgungsgrad von 170 % von einer Überversorgung auszugehen.
Den gegen diesen Beschluss am 11. Januar 2022 eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der Berufungsausschuss mit Beschluss vom 30. März 2022, ausgefertigt am 6. Juli 2022, zurück. Dies begründete er im Wesentlichen damit, dass sich aus der Gesetzesbegründung (BT-DS 19/13585, S. 87) ergebe, dass Anträge in etablierten Therapieverfahren in der Regel abzulehnen seien. Die verklammerte Ausbildung in den Verfahren AP und TP sei etabliert. Aus den Zahlen der KV Berlin ergebe sich, dass 849 Psychotherapeuten die Abrechnungsgenehmigung für AP und TP hätten. In dieser Zahl seien noch keine Ermächtigten, Job-Sharer und 32b Vertreter enthalten. Daher sei davon auszugehen, dass es sich um etablierte Verfahren handele. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus der Verklammerung der Ausbildung. Eine Ermächtigung komme daher nur in Ausnahmefällen in Betracht. Darüber hinaus sollte die Versorgung der von der Klägerin genannten Hochrisikopatienten durch die Hochschulambulanzen nach § 117 Abs. 2 SGB V abgedeckt sein.
Am 25. Juli 2022 hat die Klägerin Klage erhoben.
Die Klägerin trägt vor, dass die Ermächtigung notwendig sei, um eine ausreichende Versorgung sicherzustellen. Die gelte für den Standort S.-Straße, weil die verklammerte Ausbildung der AP und TP im Vergleich zu anderen Vertiefungsverfahren relativ selten sei und es wenig doppelqualifizierte Psychotherapeuten gebe. Die Doppelqualifikation stelle ein hohes Qualifikationsniveau dar, aufgrund dessen eine Vielzahl von Erkrankungen, vor allem schwere psychische Erkrankungen, behandelt werden könnten. Es könne in der Ausbildungsambulanz eine adäquate, fachlich fundierte Versorgung sichergestellt, die besondere Versorgungsmöglichkeiten für besonderes komplexe Krankheitsbilder eröffne. Insbesondere könnten schwere Persönlichkeitsstörungen mit schwerwiegenden Symptomatiken versorgt werden. Versicherte mit diesen Erkrankungen, insbesondere Hochrisikopatienten, die suizidgefährdet seien oder selbstverletztend agierten, seien in Berlin deutlich unterversorgt. Katamnestische Untersuchungen der Klägerin hätten ergeben, dass durch die ambulante Behandlung die Patienten ein deutlich geringeres Suizidrisiko hätten und stationäre Aufenthalte reduziert werden konnten. Daneben bestehe bei der Klägerin eine besondere Expertise für die Versorgung und Behandlung von jugendlichen Hochrisikopatienten und für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Angststörungen in Kurzzeittherapie. In der mündlichen Verhandlung legte Prof. G. dar, dass doppelt qualifizierte Psychotherapeuten entscheiden könnten, welches Therapieverfahren für die jeweiligen Patienten Anwendung finde und gegebenenfalls auch während einer Therapie – nach Antragstellung – das Therapieverfahren wechseln könnten. Der Beklagte habe den Versorgungsbedarf beurteilungsfehlerhaft abgelehnt. Der Zulassungsausschuss habe bei der Ermittlung, dass 66 % der Leistungserbringer TP und AP anbieten, nicht beachtet, wie viele Psychotherapeuten die Anerkennung für beide Richtlinienverfahren haben. Dabei sei zu beachten, dass nur 21,3 % der Therapeuten eine Abrechnungsgenehmigung für AP hätten. Soweit der Beklagte sich darauf stütze, dass 849 Psychotherapeuten die Abrechnungsgenehmigung sowohl für AP als auch TP hätten, könne dies nicht zutreffen. Denn nach der Tabelle der KV Berlin hätten nur 554 der Psychotherapeuten und 137 der Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten die Abrechnungsgenehmigung für AP, also könnten nicht 849 Therapeuten beide Abrechnungsgenehmigungen haben. Daneben habe der Beklagte beurteilungsfehlerhaft den Versorgungsbedarf nicht geprüft. Aus dem Gesetzeswortlaut des § 117 Abs. 3a S. 2 SGB V „insbesondere“ ergebe sich keine Einschränkung der Ermächtigungen auf neue Verfahren und auch nicht auf besondere Ausnahmefälle. Die Auslegung des Beklagten entspreche nicht den anerkannten Methoden der Gesetzesinterpretation. Daneben sei nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil des BSG vom 8. Dezember 2022, B 2 U 19/20 R) allein der objektivierte Wille des Gesetzgebers entscheidend. Letztlich handele es sich bei der vom Beklagten zitierten Drucksache nicht um die Gesetzesbegründung, sondern eine Beschlussempfehlung. Aber auch diese enthalte allein die Ausführung, dass eine Ermächtigung in bereits etablierten Therapieverfahren in der Regel abzulehnen sei. Der Beurteilungsspielraum des Beklagten sei auf Null reduziert, dies ergebe sich aus dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin Brandenburg im vergleichbaren Fall der Bedarfsermittlung zum Sonderbedarf vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20. Dies insbesondere für den Hilfsantrag auf Zulassung im Bezirk M.. Denn in diesem Bezirk entfallen nur 4,2 % der erteilten Abrechnungsgenehmigung auf das Richtlinienverfahren AP. Im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten bestehe im Bezirk keine einzige Abrechnungsgenehmigung für AP. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens seien der Klägerin vollständig zu erstatten. Denn der Beschluss des Zulassungsausschusses sei ohne Anhörung der Klägerin ergangen. Der Zulassungsausschuss habe seine Entscheidung auf eine Statistik der Beigeladenen zu 1 gestützt, die er der Klägerin nicht zur Kenntnis gegeben habe. Auch bei Heilung dieses Anhörungsfehlers seien nach der Rechtsprechung des BSG die Kosten des Widerspruchsverfahrens unabhängig vom Ausgang des Verfahrens zu übernehmen (BSG, Urteil vom 14. Juli 2021, B 6 KA 12/20 R).
Die Klägerin beantragt,
- Den Beschluss des I. gGmbH gemäß § 117 Abs. 3a SGB V als Ausbildungsstätte nach § 6 PsychThG für den Standort S.-Straße 3b, … Berlin zur ambulanten psychotherapeutischen Behandlung der Versicherten und der in § 75 Abs. 3 SGBV genannten Personen in den Richtlinienverfahren „Analytische Psychotherapie und Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“ auf Grundlage der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten (PsychThAPrV) und für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJPsychThAPrV) zu ermächtigen,
- hilfsweise, den Beschluss des Beklagten vom 30. März 2022 (Bescheid vom 6. Juli 2022) aufzuheben und die I. gGmbH gemäß § 117 Abs. 3a SGB V als Ausbildungsstätte nach § 6 PsychThG für einen Standort im Verwaltungsbezirk M. zur ambulanten psychotherapeutischen Behandlung der Versicherten und der in § 75 Abs. 3 SGBV genannten Personen in den Richtlinienverfahren „Analytische Psychotherapie und Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“ auf Grundlage der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten (PsychThAPrV) und für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJPsychThAPrV) zu ermächtigen,
- weiter hilfsweise, den Beschluss des Beklagten vom 30. März 2022 (Bescheid vom 6. Juli 2022) aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch der Klägerin vom 11. Januar 2022 gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte und Psychotherapeuten vom 13. Oktober 2021 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
- Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären und festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren vollständig zu erstatten hat.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass im Rahmen des § 117 Abs. 3a SGB V keine allgemeine Bedarfsanalyse durchzuführen sei. Zwar biete die von der Klägerin angebotene Doppelqualifikation ein hohes Qualifikationsniveau. Das sei für die Entscheidung über die Ermächtigung aber irrelevant. Denn auch bei doppelt qualifizierten Leistungserbringern komme in der Therapie nur ein Verfahren zur Anwendung. Sowohl das Verfahren der AP als auch TP seien aber etablierte Verfahren. Weiter sei die Zahl der staatlich anerkannten Ausbildungsinstitute zu beachten, dies seien in Berlin 28. Eine Ermittlung des Bedarfs auf Bezirksebene verbiete sich in Hinblick auf § 117 Abs. 3a SGB V, es sei eine berlinweite Bedarfsanalyse durchzuführen. Es bestünden keine Hinweise dafür, dass es für die Versorgung einer Ermächtigung der Klägerin bedarf, um durch die von dieser vorgenommenen Ausbildung die Versorgung der Versicherten sicherzustellen. In der mündlichen Verhandlung betonte der Beklagte, dass die Bedarfsanalyse in Bezug auf die Notwendigkeit der Ausbildung von Leistungserbringern in bestimmten Therapieverfahren vorzunehmen und daher eine berlinweite Betrachtung angebracht sei. Es liege auch kein der Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vergleichbarer Fall vor, nach dem der Beurteilungsspielraum auf Null reduziert wäre. Der Beklagte halte sich streng an die in der Gesetzesbegründung herausgestellte Intention des Gesetzgebers, die Anzahl neuer Ausbildungsinstitute zu begrenzen und nur für neue Therapieverfahren eine Neuermächtigung zuzulassen. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens seien nicht zu übernehmen, weil kein dem Urteil des BSG vergleichbarer Fall vorliege. Denn es gehe nicht um einen Anfechtungs- sondern einen Leistungsfall und die Klägerin habe mehrfach Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der geheimen Beratung geworden ist.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2 bis 6 verhandeln und entscheiden, weil diese in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind, § 126 SGG.
Die Kammer hat in der Besetzung mit je einer ehrenamtlichen Richterin/einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts nach § 12 Abs. 3 S. 1 SGG handelt.
Streitgegenstand des Verfahrens ist allein der Beschluss des Beklagten vom 30. März 2022 (ausgefertigt am 6. Juli 2022), da er den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 13. Oktober 2021 (ausgefertigt am 3. Januar 2022) ersetzt (vgl. Leitherer in M-L/K/L/S SGG, § 95 Rn 2 b mwN).
Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hinsichtlich der Anträge zu 3 und 4 begründet. Hinsichtlich der Anträge zu 1 und 2 war die Klage abzuweisen. Der angegriffene Beschluss des Beklagten verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Erteilung der Ermächtigung, sondern allein auf beurteilungsfehlerfreie Neubescheidung.
Rechtsgrundlage für die begehrte Ermächtigung als Ausbildungsambulanz ist § 117 Abs. 3a SGB V. Dieser lautet:
Die folgenden Ambulanzen im Sinne des Absatzes 3 bedürfen abweichend von Absatz 3 einer Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss:
1. Ambulanzen, die vor dem 26. September 2019 nach § 6 des Psychotherapeutengesetzes in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung staatlich anerkannt wurden, aber noch keine Behandlungsleistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht haben, weil das von ihnen angewandte psychotherapeutische Behandlungsverfahren noch nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 92 Absatz 6a anerkannt war, oder
2. Ambulanzen, die nach dem 26. September 2019 nach § 6 des Psychotherapeutengesetzes in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung staatlich anerkannt werden.
Eine Ermächtigung ist auf Antrag zu erteilen,
1. soweit sie notwendig ist, um eine ausreichende Versorgung der Versicherten, insbesondere in neuen vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 92 Absatz 6a anerkannten Psychotherapieverfahren, sicherzustellen, und
2. sofern die Krankenbehandlung unter der Verantwortung von Personen stattfindet, die die fachliche Qualifikation für die psychotherapeutische Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erfüllen.
Die Klägerin wurde erst nach dem 26. September 2019 als Ausbildungsstätte nach § 6 PsychThG staatlich anerkannt. Daher ist die Ermächtigung unter den Voraussetzungen des § 117 Abs. 3a S. 2 Nr. 1 und 2 SGB V zu erteilen. Der Beklagte hat die danach durchzuführende Bedarfsprüfung nicht beurteilungsfehlerfrei durchgeführt (I.) Zum einen ist der Bedarf zu prüfen (1), zum anderen ist eine Bedarfsprüfung entsprechend der Prüfung bei der Sonderbedarfszulassung durchzuführen (2). Der Beurteilungsspielraum des Beklagten war dabei weder wegen wiederholten Prüfungsausfalls (II) noch in Bezug auf die Zulassung im Bezirk M. auf Null reduziert (III).
I.
(1)
Aus der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (nicht Gesetzbegründung) zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung (BT DS 19/13585) folgt kein Ausschluss der Bedarfsprüfung.
Die Beschlussempfehlung lautet [Hervorhebungen nur hier]:
„[…]
In beiden Fällen erhalten die Ambulanzen die Ermächtigung nicht mehr kraft Gesetzes, sondern nur noch bedarfsabhängig durch Bescheid des Zulassungsausschusses. Dies bedeutet, dass die unter diese Regelung fallenden Ambulanzen zukünftig nur noch auf Antrag und nach einer Bedarfsprüfung durch den Zulassungsausschuss ermächtigt werden können. Die Ermächtigung wird durch den Zulassungsausschuss erteilt, wenn die Ermächtigung der jeweiligen Ambulanz zur psychotherapeutischen Versorgung erforderlich ist.
Der Versorgungsbedarf in Bezug auf neue Psychotherapieverfahren, die sich erst noch in der Versorgung etablieren müssen (z. B. die systemische Therapie), wird in aller Regel zu bejahen sein, da gesetzlich krankenversicherte Patientinnen und Patienten bisher noch nicht im Wege des neuen Therapieverfahren behandelt werden.
In bereits etablierten Psychotherapieverfahren dürfte die Versorgung dagegen in der Regel gesichert sein, so dass ein Bedarf für die Ermächtigung neuer Ambulanzen, die nach dem Stichtag staatlich anerkannt werden und die bisherige postgraduale Ausbildung in bereits etablierten Therapieverfahren durchführen wollen, nur in besonders begründeten Ausnahmefällen bestehen wird. Sofern eine Ambulanz einer Ausbildungsstätte nach dem Stichtag einen Antrag auf Ermächtigung stellt, um in bereits etablierten Therapieverfahren auszubilden und zu behandeln, dürfte dies vom Zulassungsausschuss daher in der Regel abzulehnen sein. […]“
Die Beschlussempfehlung selbst sieht also eine Bedarfsprüfung weiter vor und stellt allein fest, dass der Antrag auf Ermächtigung in bereits etablierten Therapieverfahren auszubilden und zu behandeln in der Regel abzulehnen sein dürfte. Aus der Formulierung „in der Regel“, folgt dabei zwingend, dass ein Bedarf in Ausnahmefällen weiter anzunehmen wäre. Auch insoweit wäre eine Bedarfsprüfung durchzuführen (Rademacker in Hauck/Noftz SGB V § 117 Rn 24).
Davon unabhängig ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut die Notwendigkeit einer Bedarfsprüfung. Nach § 117a Abs. 3a Nr 1 SGB V ist zu prüfen, ob die Ermächtigung notwendig ist, um eine ausreichende Versorgung der Versicherten, insbesondere in neuen vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 92 Abs. 6a SGB V anerkannten Psychotherapieverfahren, sicherzustellen. Der Einschub „insbesondere“ bedeutet nach den gängigen juristischen Auslegungsregeln, dass auch in den Fällen, in denen die Ausbildung in bereits etablierten Verfahren erfolgt, die Notwendigkeit für die Versorgung der Versicherten zu prüfen ist. Entsprechend wird in der Literatur von der Notwendigkeit einer Bedarfsprüfung ausgegangen (Rademacker in Hauck/Noftz SGB V § 117 Rn 24; Kania in jurisPK SGB V § 117 Rn 64). Der Wortlaut des Gesetzes selbst ergibt schon nicht, dass die Ermächtigung in etablierten Psychotherapieverfahren nur in Ausnahmefällen zu erteilen wäre. Es lässt sich aus der Formulierung allein entnehmen, dass in den Fällen der Ausbildung in neu anerkannten Verfahren nur ausnahmsweise eine Ablehnung erfolgen kann.
Daneben ist die in der Beschlussempfehlung geäußerte Vermutung, dass die Versorgung in bereits etablierten Psychotherapieverfahren in der Regel gesichert sei, zumindest für den Planungsbereich Berlin realitätsfremd. Dies dürfte dem Beklagten auch aus zahlreichen Zulassungsverfahren bekannt sein. Die Annahme in der Beschlussempfehlung stützt sich nicht auf empirische Daten. Angesichts zahlreicher Presseberichte und Klageverfahren vor den Sozialgerichten, die darauf schließen lassen, dass insbesondere in Großstädten die Wartezeiten für eine psychotherapeutische Behandlung einen zumutbaren Zeitraum von drei bis sechs Monaten zumindest in Einzelfällen erheblich überschreiten, überzeugt die pauschale These des Gesundheitsausschusses nicht (Kania in jurisPK-SGB V § 117 SGB V Rn 70).
Es wäre auch ein rechtswidriger Eingriff in die Bedarfsplanung, wenn durch den Gesetzgeber statisch die ausreichende Versorgung festgestellt würde. Entsprechend hat die in der Beschlussempfehlung geäußerte Vermutung des Gesundheitsausschusses keinen Niederschlag im Gesetz gefunden.
(2).
Bei der Prüfung des Bedarfs steht den Zulassungsgremien ein Beurteilungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbar ist. Ausschlaggebend dafür ist der Umstand, dass es sich bei den Zulassungs- und Berufungsausschüssen um sachverständige, pluralistisch zusammengesetzte Gremien handelt, die bei der Entscheidung über das Vorliegen eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen haben (BSG Urteil vom 13. August 2014, B 6 KA 33/13 R Rn 17ff.; BSG Urteil vom 17. März 2021, B 6 KA 2/20 R Rn 20). Der Beurteilungsspielraum erstreckt sich zum einen auf die Bewertung, Gewichtung und Abwägung der ermittelten Tatsachen, zum anderen auf die schlussfolgernde Bewertung, ob und inwieweit der Versorgungsbedarf bereits durch das Leistungsangebot der zugelassenen Psychotherapeuten gedeckt ist oder ob noch ein Versorgungsbedarf besteht. Ein Beurteilungsspielraum besteht jedoch nicht dahingehend, wie weit die Zulassungsgremien ihre Ermittlungen erstrecken. Der Umfang ihrer Ermittlungen ist (allgemein) durch § 21 SGB X zwingend vorgegeben. Die Ermittlung des Sachverhalts muss das nach pflichtgemäßem Ermessen erforderliche Maß ausschöpfen, das heißt sich so weit erstrecken, wie sich Ermittlungen als erforderlich aufdrängen (BSG Urteil vom 18. Dezember 2010, B 6 KA 36/09 R Rn 18 ff., Urteil vom 28. Juni 2017, B 6 KA 28/16 R Rn 21ff.; LSG BB, Urteil vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20 Rn 62).
Der Maßstab der Bedarfsprüfung nach § 117 Abs. 3a S. 2 Nr. 1 SGB V ist dabei an der Versorgung der Versicherten auszurichten und nicht an der Notwendigkeit der Ausbildung (a). Auch eine Begrenzung auf die alleinige Prüfung des Versorgungsgrades nach § 25 Bedarfsplanungsrichtlinie (BPlRL), wie sie das SG Magdeburg annimmt, kann nicht überzeugen (b). Die Bedarfsprüfung ist an der realen Versorgungslage in den von der Klägerin angebotenen Richtlinienverfahren auszurichten (c).
(a)
Maßstab der Bedarfsprüfung ist bereits nach dem Wortlaut des § 117 Abs. 3a S. 2 Nr. 1 SGB V die „ausreichende Versorgung der Versicherten“ und nicht die ausreichende Ausbildung von Psychotherapeuten in bestimmten Richtlinienverfahren. Auch soweit in § 117 Abs. 3a S. 2 Nr. 1 SGB V die Annahme der Notwendigkeit der Ermächtigung zur Sicherstellung der ausreichenden Versorgung „insbesondere in neuen vom Gemeinsamen Bundessausschuss nach § 92 Abs. 6a anerkannten Psychotherapieverfahren“ geregelt ist, ergibt sich nichts Anderes. Denn schon aus dem Wortlaut ergibt sich, dass es um die Sicherstellung der Versorgung der Versicherten geht. Dass diese in neu vom GBA zugelassenen Therapieverfahren durch die Ermächtigung von Ambulanzen an Ausbildungsstätten sichergestellt werden soll, ist damit begründet, dass in neu zugelassenen Therapieverfahren noch keine ausreichende Versorgung durch zugelassene Vertragspsychotherapeuten gewährleistet sein dürfte (Rademacker in Hauck/Noftz SGB V § 117 SGB 5 Rn 25).
Dass die Ausbildung nicht Gegenstand der Bedarfsprüfung sein kann, ergibt sich auch aus der Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes erstreckt sich nach Art. 74 Nr. 19 GG allein auf die Zulassung zu den Heilberufen, die mit der Approbation endet. Die Ausgestaltung der Ausbildung beziehungsweise Weiterbildung ist dem Landesgesetzgeber vorbehalten (Rademacker in Hauck/Noftz SGB V § 117 SGB 5 Rn 26).
(b)
Die Bedarfsprüfung ist entsprechend der Bedarfsprüfung bei der Zulassung aufgrund eines lokalen oder qualitativen Sonderbedarfs nach § 36 BPlRL an der realen Versorgungslage auszurichten.
Die Kammer folgt nicht der Ansicht des SG Magdeburg (Urteil vom 18. Januar 2023, S 1 KA 244/21, derzeit anhängig beim BSG zum Aktenzeichen B 6 KA 3/23 R), dass für die Bedarfsprüfung nach § 117 Abs. 3a S. 2 Nr. 1 SGB V allein der sich aus § 25 BPlRL ergebende Maßstab entscheidend sein soll. § 25 BPlRL regelt die Feststellung einer Überversorgung nach § 101 Abs. 4 SGB V durch den Landesausschuss für die psychotherapeutische Versorgung. Bei Feststellung einer Überversorgung gelten die Zulassungsbeschränkungen nach § 103 SGB V. Sollte im Rahmen des § 117 Abs. 3a S. 2 Nr 1 SGB V allein der nach § 25 BPlRL festgestellte Versorgungsgrad entscheidend sein, wäre danach eine Ermächtigung für Ausbildungsambulanzen in gesperrten Planungsbereichen nicht möglich. Hätte der Gesetzgeber dieses Ziel gehabt, hätte er das ausdrücklich so geregelt. Der Wortlaut des § 117 Abs. 3a S. 2 Nr. 1 SGB V entspricht dem jedoch nicht. Nach dem Wortlaut ist die Ermächtigung zu erteilen, soweit sie notwendig ist, „um eine ausreichende Versorgung der Versicherten […] sicherzustellen“. Dieser Wortlaut verweist auf die Prüfung, die auch § 101 Abs. 1 Nr. 3, § 36 Abs. 1 BPLRL vorsieht: „[…] um die vertragsärztliche Versorgung in einem Versorgungsbereich zu gewährleisten“. Die Annahme, dass ein entsprechender Bedarf insbesondere bei neuen Psychotherapieverfahren anzunehmen ist, entspricht einem qualifikationsgebundenem Sonderbedarf nach § 36 BPlRL.
Der Wortlaut ist auch nicht so eng gefasst wie bei der Ermächtigung von Krankenhausärzten nach § 116 SGB V, die nach Satz 2 der Vorschrift zu erteilen ist, „soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Ärzten der in Satz 1 genannten Einrichtungen nicht sichergestellt wird“. Dass im Rahmen der Bedarfsprüfung nach § 116 SGB V iVm § 31 Abs. 1 SGB V für den quantitativ-allgemeinen Bedarf allein auf die Angaben des Bedarfsplans nach § 99 SGB V abzustellen ist (Geiger in Hauck/Noftz SGB V § 116 SGB 5, Rn 29) ergibt sich aus § 31 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV, der auf eine bestehende oder unmittelbare Unterversorgung nach § 101 Abs. 1 SGB V abstellt. Dieser ist im Rahmen der Prüfung nach § 117 Abs. 3a S. 2 Nr. 1 SGB V jedoch nicht anwendbar (a.A. Rademacker in Hauck/Noftz SGB V § 117 SGB 5 Rn 25, danach sei hinsichtlich der Voraussetzungen der Ermächtigung auf die Voraussetzungen nach § 116 SGB V, 31 Ärzte-ZV abzustellen).
(c)
Die Prüfung der Notwendigkeit für die Sicherstellung der Versorgung der Versicherten nach § 117 Abs. 3a S. 2 Nr. 1 SGBV richtet sich demnach nach den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen für die Prüfung eines lokalen oder qualifikationsgebundenen Sonderbedarfs.
Die Zulassungsgremien haben sich ein möglichst genaues Bild der Versorgungslage im betroffenen Planungsbereich zu machen. Entscheidend sind allein reale, und keine potentiellen Versorgungsangebote, die tatsächlich nicht zur Verfügung stehen. Die Befragungen der im Planungsbreich zugelassenen Psychotherapeuten ist demnach nicht allein entscheidend, da deren Äußerungen von subjektiven Einschätzungen und deren individueller Interessenlage beeinflusst sein können (BSG, Urteil vom 28. Juni 2017, B 6 KA 28/16 Rn 24f.). Die Ermittlungen der Zulassungsgremien haben sich auf den hier entscheidenden Bedarf im Richtlinienverfahren der AP und TP zu beziehen. Denn es handelt sich bei den verschiedenen Richtlinienverfahren der Psychotherapie um unterschiedliche Versorgungsangebote. Hinweise zum Bedarf können insbesondere Wartezeiten für die Behandlung bei Ärzten und Psychotherapeuten geben. Gerade im Bereich der psychotherapeutischen Behandlungen sind jedoch auch die Zahl und der Anteil der bewilligten Kostenerstattungsverfahren für bestimmte Richtlinienverfahren wichtige Hinweise auf einen ungedeckten Bedarf (BSG, Urteil vom 28. Juni 2017, B 6 KA 28/16 Rn 28, 30, 33).
Der Beklagte hat bereits beurteilungsfehlerhaft entschieden, weil ein Beurteilungsausfall gegeben ist. Denn er hat aufgrund der von ihm vertretenden Rechtsansicht gar keine Bedarfsprüfung durchgeführt. Aber auch die Bedarfsprüfung des Zulassungsausschusses ist beurteilungsfehlerhaft, da der der Bedarfsprüfung zugrundeliegende Sachverhalt nicht entsprechend der Vorgaben der Rechtsprechung ermittelt wurde.
Der Beklagte wird die tatsächliche Versorgung zu prüfen haben. Soweit die Zulassungsgremien dem Umfang der Leistungserbringung durch die bereits zugelassenen Ärzte oder ihrer Kapazität entscheidende Bedeutung beimessen, muss ihr Beurteilungsergebnis auf ausreichend fundierte Ermittlungen gegründet sein (LSG BB, Urteil vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20 Rn 62). Es genügt daher nicht, allein auf die Zahl der zugelassenen Psychotherapeuten und Abrechnungsgenehmigungen abzustellen. Es wird zu prüfen sein, ob die Psychotherapeuten für Erwachsene und Kinder- und Jugendliche in den Richtlinienverfahren AP und TP Kapazitäten zur Versorgung haben. Dabei sind nur die Therapeuten einzubeziehen, die Abrechnungsgenehmigungen in beiden Richtlinienverfahren haben. Denn die Klägerin hat sowohl schriftlich als auch in der mündlichen Verhandlung schlüssig begründet, dass die Verklammerung beider Richtlinienverfahren zur Behandlung bestimmter Patienten, insbesondere Hochrisikopatienten, erforderlich ist. Zwar kommt in der Therapie wie vom Beklagten angenommen nur ein Verfahren zur Anwendung. Jedoch kann ein Therapeut, der beide Verfahren beherrscht während der Probatorik entscheiden, welches Verfahren für die Behandlung des jeweiligen Patienten erforderlich ist. Außerdem ist auch während der Therapie gegebenenfalls eine Umstellung der Therapie möglich. Die Klägerin hat weiterhin substantiiert vorgetragen, dass sie aufgrund der verklammerten Ausbildung die Versorgung von suizidgefährdeten oder selbstverletzend agierenden Hochrisikopatienten sicherstellen kann und dass diese durch die zugelassenen Vertragspsychotherapeuten nicht ausreichend versorgt werden können. Die Klägerin hat anhand von katamnestischen Studien dargelegt, dass die Hochrisikopatienten ohne ambulante Behandlung wiederholt stationär aufgenommen werden müssen und dass die stationäre Behandlung allein nicht ausreichend ist. Der Beklagte hat insoweit allein die Vermutung geäußert, dass die ambulante Versorgung durch Hochschulambulanzen sichergestellt sein dürfte. Der Beklagte wird zu prüfen haben, ob die Hochschulambulanzen die Versorgung der Hochrisikopatienten neben den zugelassenen Vertragspsychotherapeuten sicherstellen können. Insoweit sind sowohl die tatsächlichen Kapazitäten der zugelassenen Vertragspsychotherapeuten als auch der Hochschulambulanzen zu erfragen. Weiter wäre bei den die stationäre Behandlung gewährleistenden Krankenhäusern im Planungsbereich anzufragen, ob diese ausreichend ambulante Weiteberbehandlungsmöglichkeiten für gegeben erachten. Zusätzlich sind die Kostenerstattungsverfahren bei den Krankenkassen in den Richtlinienverfahren AP und TP und auch für Hochrisikopatienten zu erfragen. Soweit der Zulassungsausschuss die Versorgungskapazitäten von Ausbildungsambulanzen im Richtlinienverfahren systemische Therapie geprüft hat, ist dies hier nicht relevant. Die Klägerin bildet in diesem Richtlinienverfahren nicht aus. Letztlich wird der Beklagte gegebenenfalls aufgrund der jeweiligen Ermittlungsergebnisse weitere Tatsachen zu ermitteln haben. So genügt es nicht, dass die Beigeladene zu 1 in Beantwortung der Anfrage mit Schreiben vom 30. September 2021 allein feststellt, dass nicht ersichtlich sei, dass den Niedergelassenen die Kenntnisse beziehungsweise belastbare Argrumente dafür, dass die Weiterbehandlung schwerer Erkrankungen nicht möglich sei, fehlten. Denn allein der Beklagte hat die Möglichkeit zur Sachaufklärung bezüglich des Bedarfs, auch wenn die materielle Beweislast bei der Klägerin liegt (LSG BB Urteil vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20 Rn 65).
II.
Der Beurteilungsspielraum des Beklagten ist vorliegend nicht dahingehend auf Null reduziert, dass allein eine Ermächtigungserteilung rechtmäßig wäre, so dass der Klageantrag zu 1 abzulehnen war. Die Gerichte sind aufgrund des Beurteilungsspielraums des Beklagten darauf beschränkt zu prüfen, ob dieser seiner Ermittlungspflicht nachgekommen ist, die Entscheidung verfahrensfehlerfrei erging und ob der Beklagte unzutreffende Rechtsmaßstäbe zugrunde gelegt hat. Anderes gilt nur dann, wenn der Beurteilungsspielraum so verdichtet ist, dass nur eine Entscheidung zugunsten einer Zulassung (rechts-)fehlerfrei ist (LSG BB, Urteil vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20 Rn 65). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Denn aufgrund der fehlenden Bedarfsprüfung durch den Beklagten fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass ein ungedeckter Versorgungsbedarf besteht, der weder durch die zugelassenen Psychotherapeuten noch die Hochschulambulanzen gedeckt werden kann. Zum anderen liegt im vorliegenden Fall eine erstmalige Entscheidung und keine wiederholte und anhaltend grobe Verletzung der Ermittlungspflicht des Beklagten vor (vgl. dazu LSG BB, Urteil vom 18. Mai 2022, L 7 KA 12/20 Rn 64).
III.
Der Beurteilungsspielraum ist auch nicht für den mit dem Hilfsantrag gestellten Antrag auf Zulassung in Bezirk M. auf Null reduziert.
Zwar ist bezüglich der psychotherapeutischen Versorgung nicht auf den gesamten Planungsbereich Berlin abzustellen. Denn im Rahmen der Prüfung des Versorgungsbedarfs ist der zumutbaren Zugang der Versicherten zur vertragsärztlichen Versorgung zu prüfen. Dieser ist bei allgemeinen, auch psychotherapeutischen Leistungen nicht gegeben, wenn eine Entfernung von mehr als 25 km beziehungsweise eine Fahrtzeit von mehr als 40 Minuten gegeben ist (BSG, Urteil vom 23. Juni 2010, B 6 KA 22/09 R Rn 24, B 6 KA 2/20 R Rn 35, 40). Diese Entfernung ist bei Ausdehnung auf das gesamte Stadtgebiet Berlins jedoch überschritten. Das BSG hat für die psychotherapeutische Versorgung in Berlin hinsichtlich der Prüfung von Versorgungsgründen nach § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV (Sitzverlegung) entschieden, dass auf die Bezirke als nächstkleinere räumliche und organisatorische Einheit, für die statistische Zahlen vorliegen, abgestellt werden kann. Der Versorgungsgrad innerhalb eines Bezirks hat zumindest Indizwirkung für die Versorgungslage an einem konkreten Vertragsarztsitz. Diese kann jedoch dadurch widerlegt werden, dass im unmittelbaren Einzugsbereich der Praxis eine signifikant andere Situation besteht. Dabei ist im innerstädtischen Bereich zu beachten, dass Entfernungen und die regionale Verteilung aufgrund der Infrastruktur von geringerer Bedeutung sein können. Dies kann jedoch nur ausgehend von einem konkreten Praxisstandort beurteilt werden (BSG, Urteil vom 3. August 2016, B 6 KA 31/15 R Rn 30 ff.).
Die Klägerin hat den Antrag auf Ermächtigung im Bezirk M. ohne Angabe eines Praxisstandorts gestellt. Dies ist nur ausnahmsweise zulässig, da grundsätzlich der Vertragsarztsitz Teil der Zulassung nach § 95 Abs. 1 S. 5 SGB V, § 24 Ärzte-ZV ist (Pawlita in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 95 SGB V Rn 489). Vorliegend wäre ein nach der Rechtsprechung des BSG anzunehmender Ausnahmefall zwar gegeben, weil die Zulassung durch den Beklagten ohnehin unklar ist (vgl. BSG, Urteil vom 11. Februar 2015, B 6 KA 7/14 R Rn 20; Pawlita in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 95 SGB V Rn 508). Jedoch ist für die Prüfung der ausreichenden Versorgung nicht allein der Verwaltungsbezirk Berlins entscheidend, sondern wie oben dargelegt, auch die konkrete Situation am Praxissitz. Ohne Angabe eines konkreten Praxissitzes kann daher keine Reduzierung des Beurteilungspielraums auf Null angenommen werden. Dies stellt sich vorliegend auch nicht anders dar, weil nach der Statistik der KV Berlin vom 1. Juli 2021 die Versorgungsgrade im Bezirk M. mit nur 4 Psychotherapeuten für Erwachsen im Richtlinienverfahren PA und keinen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten mit einer Abrechnungsgenehmigung im Richtlinienverfahren PA für eine Unterversorgung sprechen. Denn auch insoweit wäre die individuelle Erreichbarkeit umliegender Praxisstandorte zu prüfen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen ist davon nicht umfasst, weil diese sich nicht an dem Verfahren beteiligt und auch keine Anträge gestellt haben, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten beruht auf § 197 a SGG iVm § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO.
Die Kostenentscheidung im Widerspruchsverfahren war jedoch entsprechend § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X zu ändern. Nach dieser Vorschrift hat der Rechtsträger der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entstandenen Kosten auch dann zu erstatten, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg gehabt hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 SGB X unbeachtlich ist. Die Vorschrift findet vorliegend jedoch nicht direkt Anwendung, da dem Beklagten dahingehend zuzustimmen ist, dass im vorliegenden Antragsverfahren eine Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X nicht erforderlich ist (anders bei BSG, Urteil vom 14. Juli 2021, B 6 KA 12/20 Rn 56). Jedoch hat der Zulassungsausschuss das rechtliche Gehör verletzt, indem er die Aufstellungen der erteilten Abrechnungsgenehmigungen durch die Beigeladenen zu 1 zum Stichtag 1. Juli 2021, die er am 12. Oktober 2021 für die Sitzung am 13. Oktober 2021 anforderte, der Klägerin nicht vor Beschlussfassung zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht hat, seinen Beschluss aber im Wesentlichen mit dieser begründete. Die Statistik wurde dem Klägerbevollmächtigten erst auf ausdrückliche Nachfrage am 19. Januar 2022 übermittelt. Die Kammer hält diesen Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs für so wesentlich, dass dies die Kostenfolge entsprechend § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X auslöst. Denn der Klägerin war es nicht möglich, vor Widerspruchseinlegung zu prüfen, ob die Erwägungen des Zulassungsausschusses zur Bedarfsprüfung zutreffen.