L 2 SO 3980/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SO 1228/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 3980/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Das Mittagessen in Einrichtungen ist kein Bestandteil der Eingliederungshilfeleistungen, soweit die Kosten des Mittagessens die Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b Abs. 2 Satz 3 SGB XII nicht übersteigen. Nur soweit die Kosten für die Herstellung und Bereitstellung hierdurch nicht gedeckt werden, sind sie der Eingliederungshilfe zugeordnet. 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Weitere außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob der Beklagte Eingliederungshilfeträger verpflichtet ist, die Kosten des Mittagessens im Rahmen der Tagesstruktur für Senioren in der Einrichtung der Beigeladenen ab dem 1. April 2020 in Höhe von monatlich 64,60 € im Rahmen der Eingliederungshilfe zu übernehmen.

Der 1950 geborene Kläger lebt seit dem 1. Oktober 2001 in einer vollstationären Wohnform der Einrichtung Evangelische Stiftung L1 (Beigeladene). Bei ihm besteht eine psychische Erkrankung und eine geistige Behinderung. Beim Kläger sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen G, H und B seit 1974 anerkannt (siehe Schwerbehindertenausweis Bl. 4 des Widerspruchsteils Verwaltungsakte Band II). Der Kläger bezieht eine Altersrente sowie eine Betriebsrente. Beim Kläger ist ein Betreuer bestellt (siehe Betreuerausweis vom 28. Februar 2019 - Bl. 3 SG-Akte).

Die Beigeladene legte dem Betreuer des Klägers im April 2020 zwei Verträge vor, die dieser nach eigenen Angaben nur unter Vorbehalt unterschrieben hatte. In dem Zusammenhang war nach Mitteilung des Betreuers ein zivilrechtliches Verfahren vor dem Amtsgericht (AG) H1 anhängig.
Im Vertrag über tagesstrukturierende Angebote für Menschen mit Behinderung (Bl. 35 f.SG-Akte) ist unter § 3 Mittagsverpflegung geregelt, dass bei einer Fünftagearbeitswoche eine monatliche Pauschale in Höhe von 64,60 € vom Teilnehmer zu zahlen sei.
Im Vertrag über Leistungen in einer besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe (Bl. 41 f. SG-Akte) ist unter § 2 Gegenstand der Leistungserbringung in Abs. 1 geregelt, dass sich die Leistungen zusammensetzen aus (1.) Überlassung von persönlichem Wohnraum und gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten zur Erbringung von Fachleistungen, (2.) Fachleistungen, (3.) Leistungen zum Lebensalltag. Zu den Leistungen zum Lebensalltag ist in Teil D § 1 vorgesehen, dass Lebensmittel und Hauswirtschaftsmittel (nur Sachkosten) von der Einrichtung zur Verfügung gestellt werden; Lebensmittel und Getränke in einem Umfang, die die Versorgung mit Frühstück, Mittagessen, Abendessen und einer Zwischenmahlzeit ermöglichen. Das Entgelt für die Leistungen zum Lebensalltag nach § 1 beläuft sich nach Teil D § 2 Abs. 1 des Vertrages auf 251,52 €. Ab dem 1. Januar 2020 rechnete die Beigeladene gegenüber dem Kläger diese Kosten ab (Wohnraumentgelt 466,18 €, Entgelt zur Haushaltsführung 251,52 € und Mittagessen pauschal 64,40 €).

Der Sozialhilfeträger bewilligte aufgrund der Übergangsvorschrift des § 140 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) dem Kläger mit Bescheid vom 10. Dezember 2019 (Bl. 175 VA Band II) einen einmaligen Zuschuss zur Vermeidung einer Zahlungslücke für den Monat Januar 2020 in Höhe von 855,18 €. Im Übrigen lehnte der Sozialhilfeträger in diesem Bescheid für die Zeit ab Februar 2020 einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen ab. Der Grundsicherungsbedarf des Klägers sei nämlich durch eigenes Einkommen gedeckt. So bestehe beim Kläger unter Berücksichtigung des Grundsicherungsbedarfs in Höhe des Regelbedarfes von 389,00 €, eines Mehrbedarfes in Höhe von 66,13 € (§ 42 i.V.m. § 30 Abs.1 Nr. 1 SGB XII) sowie der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in der Einrichtung der Beigeladenen (466,18 €) ein Gesamtbedarf von 921,31 €. Dem stehe eine Altersrente in Höhe von damals 1.208,98 € und eine Betriebsrente (Firma A1) in Höhe von 199,58 € abzüglich eines Freibetrages nach § 82 Abs. 4 SGB XII in Höhe von 129,87 €, insgesamt 1.278,69 €, als anrechenbares Einkommen gegenüber, weshalb hier bei einem Einkommensüberhang von 357,38 € im Übrigen kein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen bestehe (siehe zur Berechnung Bl. 172 VA Band II).
Mit Bescheid vom 18. Februar 2020 hob der Sozialhilfeträger diesen Bescheid vom 10. Dezember 2019 wieder auf und bewilligte stattdessen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für Mittagsverpflegung in Höhe von 64,60 € und eines Mehrbedarfs nach § 42 i.V.m. § 30 Abs.1 Nr. 1 SGB XII in Höhe von 66,13 € einen einmaligen Zuschuss zur Vermeidung einer Zahlungslücke für Monat Januar 2020 in Höhe von (nunmehr) 985,91 € (Bl. 195 VA Band II). Dieser Bescheid ist bestandskräftig.

Mit Bescheid vom 17. Februar 2020 bewilligte der Beklagte (als Eingliederungshilfeträger) als Leistungen der Eingliederungshilfe die Kosten der Fachleistungen mit der besonderen Wohnform (bisher vollstationäre Unterbringung) sowie der Tagesstruktur für Senioren in der Einrichtung der Beigeladenen ab dem 1. Januar 2020 bis zum 30. September 2021 in Höhe der vereinbarten und jeweils gültigen Vergütungssätze abzüglich eines gegebenenfalls zu zahlenden Eigenanteils (Bl.178 VA Band II). Zugleich wurden mit diesem Bescheid die bisher erteilten Kostenzusagen zum 31. Dezember 2019 aufgehoben. Ein vom Kläger zu zahlender Eigenanteil wurde in der Folgezeit nicht festgesetzt.

Zuvor hatte der Betreuer des Klägers bereits am 31. Januar 2020 vorsorglich beantragt, die Kosten des Mittagessens in Höhe von monatlich 64,60 € im Wege der Eingliederungshilfe zu übernehmen. Nach § 113 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) sei die Mittagsverpflegung eine Leistung der Eingliederungshilfe. Da offenbar von der Einrichtung eine werkstattähnliche Tagesstruktur abgerechnet werde und vom Beklagten bei den Leistungen ein Abzug erfolge, müssten die Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe übernommen werden, da der Kläger keine Grundsicherung erhalte (Bl. 181 VA Band II).

Mit dem hier streitigen Bescheid vom 19. Februar 2020 (Bl. 190 VA Band II) lehnte der Beklagte den Antrag auf Eingliederungshilfe in Form von Übernahme der Kosten für das Mittagessen in der Tagesbetreuung ab. Mit Überführung der Eingliederungshilfe in das SGB IX zum 1. Januar 2020 und der damit verbundenen Trennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe von den existenzsichernden Leistungen zum Lebensunterhalt erhalte der Kläger ab dem 1. Januar 2020 Eingliederungshilfe in Form der reinen Fachleistungen (besondere Wohnform sowie Tagesstruktur für Senioren). Bezüglich der Kosten des Mittagessens hätten die Träger der Eingliederungshilfe und die Leistungserbringer in § 7 Abs. 1 der Übergangsvereinbarung zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes - BTHG - in Baden-Württemberg vom 18. April 2019 bei der Leistungsvergütung entsprechend dem zu gewährenden Mehrbedarf nach § 42b Abs. 2 SGB XII vereinbart, dass die Leistungsvergütung um die Sachkosten des Mittagessens von 1,99 € kalendertäglich reduziert werde. Damit seien die Kosten des Mittagessens nicht der Eingliederungshilfe, sondern der Grundsicherung zuzuordnen. Nach § 113 Abs. 4 SGB IX könnten lediglich die Kosten der Einrichtung für die erforderliche sachliche und personelle Ausstattung übernommen werden, nicht aber nach einem Mehrbedarf für das Mittagessen an sich.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers durch seinen Betreuer wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2020 unter Wiederholung der Ausführungen im Ausgangsbescheid als unbegründet zurück. Soweit geltend gemacht werde, dass die Einrichtung trotz vertraglich vereinbarter Vollverpflegung und Kosten der Haushaltsführung zusätzliche Beträge in Rechnung stelle, müsse dies mit dem Leistungserbringer geklärt werden.

Dagegen hat der Kläger durch seinen Betreuer am 13. Mai 2020 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben, die er im Wesentlichen damit begründet hat, dass es sich bei den Kosten der Zubereitung des Mittagessens um Eingliederungshilfeleistungen nach § 113 Abs. 4 SGB IX handele und diese daher vom Beklagten im Wege der Eingliederungshilfe zu übernehmen seien. In dem Mehrbedarf nach § 42b SGB XII seien Fachleistungen enthalten. Die Nichtgewährung des Mehrbedarfszuschlags an behinderte Menschen mit ausreichendem Einkommen oder Vermögen benachteilige diese daher unzulässig gegenüber Grundsicherungsempfängern (mit Hinweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichts <BSG> vom 14. Dezember 2017 - B 8 SO 18/15 R - SozR 4-3500 § 92 Nr. 3). Außerdem sei unklar, ob es sich bei dem angebotenen Mittagessen überhaupt um eine Tagesstruktur im Sinne des Anspruchs auf einen Mehrbedarfszuschlag nach dem SGB XII handele. Die Kosten für die Vollverpflegung seien bereits in den berechneten Leistungen enthalten. Die Einrichtung fordere lediglich eine zusätzliche Pauschale, weil seitens des Beklagten dieser Betrag von den Fachleistungen abgezogen werde. Das Mittagessen an Arbeitstagen werde dadurch doppelt berechnet. Seit Beginn der Coronapandemie habe es zudem kein gemeinsames Essen in der Tagesstruktur mehr gegeben, sondern nur noch auf der stationären Wohngruppe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Betreuer des Klägers auf den vor dem AG H1 geschlossenen Vergleich vom 25. Mai 2021 verwiesen (Bl. 78 SG-Akte). Unter Ziff. 2 sei dort geregelt, dass sich die Parteien einig seien, dass für die Monate Juli 2020 bis einschließlich Dezember 2021 von der Einrichtung der Mehrbedarf für die Mittagsverpflegung vollständig und für den Mehrbedarf Mobilität jeweils die Hälfte des geltend gemachten Satzes abgerechnet werde. Für die Zeit davor habe die Einrichtung auf die Mittagsverpflegung verzichtet. Tatsächlich storniert worden sei der Mehrbedarf Mittagessen aber nur bis einschließlich März 2020; nach seiner Erinnerung sei dies vor dem AG H1 (entgegen dem Beschluss) auch so besprochen gewesen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat darauf verwiesen, dass entgegen der geäußerten Zweifel der Kläger tagesstrukturierende Maßnahmen nach Leistungstyp I.4.6. gemäß Rahmenvertrag erhalte und an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung teilnehme. Die erforderliche Möglichkeit der klaren Abgrenzung zwischen häuslicher Bereitstellung des gemeinschaftlichen Mittagessens sowie der Bereitstellung eines gemeinschaftlichen Mittagessens im Rahmen der Maßnahme sei nach dem Rundschreiben des KVJS Baden-Württemberg (Nr.Dez.2.28/2019 vom 2. Dezember 2019) dann gegeben, wenn eine auf die Leistung bezogene konzeptionelle Trennung vorliege, eine räumliche Trennung sei nicht erforderlich. Die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 42b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII seien dem Grunde nach erfüllt, der Kläger habe wegen seines Einkommens jedoch keinen Anspruch auf Grundsicherung.

Mit Urteil vom 14. Dezember 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Mittagessen in der Zeit vom 1. April 2020 bis 30. September 2021 in Höhe von monatlich 64,60 € im Rahmen der Eingliederungshilfe habe. In der mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2021 hätten die Beteiligten den streitigen Zeitraum eingegrenzt auf die Zeit 1. April 2020 bis 30. September 2021. Für den neuen Bewilligungsabschnitt hinsichtlich der Eingliederungshilfe ab 1. Oktober 2021 hätten sich die Beteiligten darauf geeinigt, nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens das Ergebnis hierauf zu übertragen.
Der Bescheid vom 19. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2020 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für das Mittagessen im Rahmen der Tagesstruktur in Höhe von 64,60 € monatlich im Rahmen der Eingliederungshilfe. Hierfür gebe es keine Rechtsgrundlage. Ein Mehrbedarfszuschlag nach § 42b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Der Kläger habe unstreitig wegen seines Einkommens im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Nach § 113 Abs. 4 SGB IX (in der Fassung vom 30. November 2019, BGBl. I 1984) würden zur Ermöglichung der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in der Verantwortung einer Werkstatt für behinderte Menschen, einem anderen Leistungsanbieter oder dem Leistungserbringer vergleichbarer anderer tagesstrukturierender Maßnahmen die erforderliche sächliche Ausstattung, die personelle Ausstattung und die erforderlichen lebensnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers übernommen werden. Vor Einführung dieser Vorschrift mit Wirkung vom 1. Januar 2020 seien nach der Rechtsprechung die gesamten Kosten des gemeinsamen Mittagessens als Bestandteile der Eingliederungshilfe zu übernehmen gewesen (Hinweis auf BSG vom 9. Dezember 2009 - B 8/9b 10/07 R). Im Gegenzug allerdings habe die leistungsberechtigte Person, wenn sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bezogen habe, eine Absenkung ihres monatlichen Regelsatzes nach § 27a Abs. 4 SGB XII um den darin enthaltenen Anteil für das Mittagessen hinnehmen müssen (Hinweis auf BSG a.a.O.); auf diese Höhe sei auch der gegebenenfalls zu leistende Kostenbeitrag für das Mittagessen begrenzt (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2017 - B 8 SO 18/15 R -, SozR 4-3500 § 92 Nr. 3 Rn. 18). Mit dem BTHG habe der Gesetzgeber eine Abkehr von einer umfassenden Leistung vollzogen hin zu einer personenzentrierten Ausgestaltung der Eingliederungshilfe und damit verbunden zu einer Trennung von Fachleistungen und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. § 42b SGB XII gewähre für den Fall gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung einen Mehrbedarf im Rahmen der Leistungen zum Lebensunterhalt, der sich am Wert des Sachbezugs für das Mittagessen orientiere. Hingegen würden (nur) die Kosten im Zusammenhang mit der Zubereitung und Bereitstellung des Mittagessens der Eingliederungshilfe zugeordnet und von dieser übernommen. Hierzu würden die Kosten der erforderlichen sächlichen und personellen Ausstattung sowie betriebsnotwendige Anlagen des Leistungserbringers, also z.B. Küchenräume, Geräte, Geschirr, Speisenausgabe zählen (mit Hinweis auf Bieback in Grube/Wahrendorf/Flint, Sozialhilfe,7. Aufl. SGB IX, § 113 Rn. 46).
Der Kläger begehre hier die Kosten für das Mittagessen an sich, das sich entsprechend der vorgelegten Zusatzvereinbarung auf 64,60 € bei 19 Arbeitstagen im Monat belaufe. Dieser Betrag entspreche damit der Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b Abs. 2 Satz 3 SGB XII, der sich am Warenwert für den Einkauf der erforderlichen Lebensmittel orientiere (19 x 102,00 € [dies ist der Betrag der Sozialversicherungsentgeltverordnung für 2020] geteilt durch 30).  Die hier streitigen Mittagessenskosten im Rahmen der Tagesstruktur in der Einrichtung seien nach dem Willen des Gesetzgebers daher eindeutig den Leistungen des Lebensunterhalts zuzuordnen und nicht vom Träger der Eingliederungshilfe, sondern gegebenenfalls vom Träger der Grundsicherung bzw. der Hilfe des Lebensunterhalts zu tragen (BT-Drucks. 18/9522, S.213); lediglich im Falle nicht von durch den Mehrbedarf gedeckten Kosten sollten im Einzelfall Kosten für die gemeinsame Mittagsverpflegung nach § 113 Abs. 4 SGB IX übernommen werden (BT-Drucks. 18/9522, S. 327). Dies sei hier indes nicht der Fall (mit Hinweis auf ein Urteil des SG Heilbronn vom 26.November 2020 - S 9 SO 636/20 -, gegen das die Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg - L 7 SO 4143/20 - anhängig war, das zwischenzeitlich durch abweisendes Urteil entschieden worden war; die beim BSG anhängige Revision war im Hinblick auf den Tod des dortigen Klägers wegen Unzulässigkeit zurückgenommen worden).
Nur ergänzend werde darauf hingewiesen, dass der Abschluss der Zusatzvereinbarung hinsichtlich der Kosten für das Mittagessen von 64,60 € vor dem Hintergrund der zur Umsetzung des BTHG in B1 von den Trägern der Eingliederungshilfe, dem Kommunalverband für Jugend und Soziales B1 (KVJS) und der Vereinigung der Leistungserbringer am 18. April 2019 geschlossenen Übergangsvereinbarung (ÜV) erfolgte. § 7 ÜV enthalte Überleitungsregelungen für alle Leistungsangebote der Tagesstruktur mit integriertem Mittagessen oder integrierter Tagesstruktur mit Verpflegung (LT I.4.4, LT I.4.5a, LT I.4.5b, LT I.4.6, LT I.5.1 für Erwachsene des Rahmenvertrages nach § 79 Abs. 1 SGB XII). Nach Abs. 1 dieser Regelung gelte: „Da ab 01.01.2020 für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung nach § 42b Abs. 2 SGB XII in einer Werkstatt für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter oder im Rahmen vergleichbarer anderer tagesstrukturierender Angebote für Menschen mit wesentlichen Behinderungen ein Mehrbedarf anerkannt werde, werde die Summe aus Grund- und Maßnahmepauschale bei der Leistungsvergütung um 1,99 € kalendertäglich (99,00 € x 1/30 x 220 Tage x 1/365) reduziert. Die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung rechne der Leistungserbringer gegebenenfalls direkt mit dem Leistungsberechtigten ab.“ Vor diesem Hintergrund sei die Zusatzvereinbarung zwischen der Einrichtung und dem Kläger über die Kosten für das Mittagessen zu sehen. Die geforderten Kosten würden die Höhe des Mehrbedarfs nicht übersteigen, sodass auch keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass in dem Betrag von 64,60 € monatlich Fachleistungen enthalten seien.
Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht ersichtlich. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebiete, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund würden sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber ergeben, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen könnten (ständige Rechtsprechung; z.B. Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 17. Juni 2020 - 1 BvR 1134/15 - juris Rn. 9). Im Bereich der leistenden Massenverwaltung seien die Gestaltungsspielräume des Gesetzgebers besonders groß (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 27. Juli 2016 - 1 BvR 371/11 -, BVerfGE 142, 33 = SozR 4-4200 § 9 Nr.15). In Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes sei nur zu überprüfen, ob der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten habe und nicht, ob er unter verschiedenen Lösungen die gerechteste oder zweckmäßigste gewählt habe (ständige Rechtsprechung; BVerfG vom 8. Juni 2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412,436 m.w.N.). Nichts Anderes gelte unter Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips. Im Bereich gewährender Staatstätigkeit begründe das Sozialstaatsprinzip die Gewähr für die Absicherung eines menschenwürdigen Daseins und - in Zusammenschau mit Art. 3 Abs. 1 GG - die Ausrichtung staatlicher Leistungen an den Anforderungen sozialer Gerechtigkeit (BVerfG vom 18. Juni 1975 - 1 BvL 4/74 - BVerfGE 40, 121, 133 f. = SozR 2400 § 44 Nr. 1).
Die vom Gesetzgeber vorgenommene Trennung in Sachleistungen und Leistungen zum Lebensunterhalt sei grundsätzlich sachgerecht. Hieraus folge, dass bei ausreichendem Einkommen die Bedarfe zum Lebensunterhalt selbst zu finanzieren seien. Eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Klägers sei insoweit nicht ersichtlich, denn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien bei bedürftigkeitsabhängigen Leistungen ein sachgerechtes Differenzierungskriterium. Es bestehe kein Anspruch darauf, dass einmal bestehende Vergünstigungen dauerhaft erhalten blieben.
Eine ganz andere Frage sei, ob die Einrichtung die Sachkosten für das Mittagessen vom Klägerdoppelt verlangen könne, einmal im Rahmen des Vertrages über tagesstrukturierende Angebote (§ 3) und auf der anderen Seite im Vertrag über Leistungen in einer besonderen Wohnform (§ 2 Nr.3 i.V.m. Teil D § 1). Diese Frage könne jedoch nicht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens beantwortet werden, sondern erfordere eine Klärung vor den Zivilgerichten.

Der Kläger hat gegen das seinem Betreuer mit Postzustellungsurkunde am 20. Dezember 2021 zugestellte Urteil am 28. Dezember 2021 durch seine Bevollmächtigte Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung hat die Bevollmächtigte u.a. geltend gemacht, dass es sich bei der Übergangsvereinbarung u.a. um einen Vertrag zu Lasten Dritter handle, wenn § 7 Abs. 1 so interpretiert werde, dass die Kosten für ein Mittagessen im Rahmen einer tagesstrukturierenden Maßnahme nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe, sondern  im Rahmen des § 42b Abs. 2 SGB XII zu übernehmen seien und hierdurch für die Personen, die keine existenzsichernden Leistungen erhielten, auch nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kosten eines Mittagessens gemäß §  113 Abs.4 SGB IX übernommen werden sollten.
Grundsätzlich jedoch seien Verträge zu Lasten Dritter mit dem Grundsatz der Privatautonomie unvereinbar und daher unzulässig. Somit sei die Übergangsvereinbarung für das vorliegende Verfahren ohne Belang und es seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 113 Abs. 4 SGB IX zu prüfen, um eine Klärung zu erhalten, ob die Übernahme der Kosten des Mittagessens im Rahmen der tagesstrukturierenden Maßnahme also im Rahmen der Eingliederungshilfe zu übernehmen seien oder nicht. So könne wohl unstreitig gestellt werden, dass der Kläger eine tagesstrukturierende Maßnahme der Einrichtung des Beigeladenen in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum besucht habe. Unstreitig könne auch wohl gestellt werden, dass unabdingbarer und zur Teilnahme verpflichtender Bestandteil der tagesstrukturierenden Maßnahme das gemeinschaftliche Mittagessen sei. Die Klägerbevollmächtigte verweise in dem Zusammenhang auch auf die ständige Rechtsprechung des BSG zur Eingliederungshilfe nach dem SGB XII, wonach das Mittagessen in einer WfbM notwendiger Bestandteil der vom Sozialhilfeträger zu leistenden Eingliederungshilfe sei. Nichts anderes gelte natürlich auch für andere Formen der tagesstrukturierenden Maßnahmen. Es bestehe ein funktioneller Zusammenhang mit der in der Einrichtung gewährten Eingliederungshilfe. Das Mittagessen sei integraler Bestandteil der eigentlichen Aufgabenerfüllung der Einrichtung. Die Hilfe sei ganzheitlich zu betrachten. Es werde ein ganzheitliches Förderkonzept verfolgt, zu dem ein gemeinsames Mittagessen gehöre.
Damit bleibe festzuhalten, dass somit auch das gemeinsame Mittagessen der sozialen Teilhabe im Sinne des § 113 Abs. 2 SGB IX zuzuordnen sei.
Demzufolge seien vorliegend die erforderliche sachliche Ausstattung, die personelle Ausstattung und die erforderlichen betriebsnotwendigen Anlagen zu übernehmen. Das gemeinschaftliche Mittagessen sei daher als Fachleistung, die im Rahmen der Eingliederungshilfe zu tragen sei, anzusehen. Vor der Einführung des § 113 Abs. 4 SGB IX mit Wirkung zum 1. Januar 2020 seien die gesamten Kosten des Mittagessens im Rahmen der Eingliederungshilfe zu übernehmen gewesen (mit Hinweis auf BSG vom 9. Dezember 2009 - B 8/9 B SO 10/07 R -). Mit dem BTHG sei eine Abkehr von einer umfassenden Leistung vollzogen worden hin zu einer personenzentrierten Ausgestaltung der Eingliederungshilfe. Verbunden sei damit eine Trennung von Fachleistungen und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gewesen.
Das SG sei in seinem streitgegenständlichen Urteil davon ausgegangen, dass aufgrund der Einführung des § 42b SGB XII der Wille des Gesetzgebers dahingehend auszulegen sei, dass die Mittagessenskosten im Rahmen der Tagesstruktur in der Einrichtung den Leistungen des Lebensunterhaltes zuzuordnen seien und nicht vom Träger der Eingliederungshilfe, sondern gegebenenfalls vom Träger der Grundsicherung bzw. der Hilfe zum Lebensunterhalt zu tragen seien. § 113 Abs. 4 SGB IX sei damit nach Ansicht der Klägerbevollmächtigten - entgegen seinem eindeutigen Wortlaut - fehlinterpretiert worden, als nur im Falle von durch den Mehrbedarf gemäß § 42b SGB XII nicht gedeckten Kosten im Einzelfall Kosten für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung nach § 113 Abs. 4 SGB IX übernommen werden sollten. Nach Ansicht der Bevollmächtigten sei in dem Gedankengang des SG nicht beachtet worden, dass das Ziel des BTHG doch gerade die Trennung von Leistungen der Eingliederungshilfe einerseits und existenzsichernde Leistungen andererseits gewesen sei und durch den Rückschluss von § 42b SGB XII auf einen Ausschluss von Leistungen nach dem § 113 Abs. 2 bzw. Abs. 4 SGB IX genau dies umgangen werden würde.
Des Weiteren solle darauf verwiesen werden, dass man im Rahmen der Umstellung durch das BTHG von einer Budget-Neutralität ausgegangen sei. Der Leistungserbringer habe die gleichen Leistungen wie vor dem 1. Januar 2020 erbringen und das gleiche Leistungsentgelt erhalten sollen. Der Träger der Eingliederungshilfe solle mit den gleichen Ausgaben rechnen können. Es gehöre dann aber auch dazu, dass die Umstellung zu dem für den Leistungsberechtigten budgetneutral zu erfolgen habe. Dieser solle die gleichen Leistungen wie vor dem 1. Januar 2020 erhalten und dies zu den für ihn identischen finanziellen Rahmenbedingungen.
Wenn also schon vor dem 1. Januar 2020 im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kosten für ein gemeinsames Mittagessen getragen worden seien, dann könne nichts Anderes für die Zeit ab 1. Januar 2020 gelten, um auch für den Leistungsberechtigten eine Budgetneutralität zu haben.
Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14. Dezember 2021 sowie den Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Mai 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 1. April 2020 bis einschließlich 30. September 2021 die von ihm an die Einrichtung monatlich gezahlten 64,60 € zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Ergänzend weist er auf ein beim LSG Baden-Württemberg anhängiges Parallelverfahren, in dem das LSG mit Urteil vom 17. März 2022 (L 7 SO 4143/20) zu einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden und auch dort die Auffassung vertreten habe, dass keine Übernahme der Mittagessenskosten durch den Sozialhilfeträger zu erfolgen habe. Der einzige Unterschied im Sachverhalt sei gewesen, dass der Kläger in dem dortigen Verfahren in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeitstätig gewesen sei, wohingegen hier der Kläger tagesstrukturierende Maßnahmen erhalte. Die rechtliche Beurteilung der hier streitigen Rechtsfrage stelle sich durch diesen Unterschied jedoch nicht anders dar, da in §113 Abs. 4 SGB IX auch „vergleichbare andere tagesstrukturierende Maßnahmen“ aufgeführt seien. Das LSG habe in dem dortigen Verfahren deutlich herausgestellt, dass entgegen der vom hiesigen Kläger vertretenen Auffassung die gesamten Kosten für das Mittagessen seit Inkrafttreten des BTHG zum 1. Januar 2020 den existenzsichernden Leistungen nach dem Dritten bzw. Vierten Kapitel des SGB XII zuzuordnen seien, nicht den Fachleistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX. Letzteres könne nur im Einzelfall angenommen werden, soweit die Kosten für die Herstellung und Bereitstellung des Mittagessens durch den Mehrbedarf nach § 42b SGB XII nicht gedeckt würden. Diese Ausnahme greife auch im hiesigen Verfahren nicht ein, weil der vom Leistungserbringer erhobene Betrag die Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b SGB XII nicht überschreite. Das SG habe im Übrigen in dem erstinstanzlichen Urteil in dem Verfahren L 7 SO 4143/20 darauf abgehoben, dass aus § 113 Abs. 4 SGB IX, auf den auch der hiesige Kläger seinen Anspruch stütze, kein Anspruch des Leistungsbeziehers resultieren könne, sondern darin vielmehr ausschließlich ein Anspruch des Leistungserbringers auf Übernahme der sächlichen und personellen Ausstattung sowie der erforderlichen betriebsnotwendigen Anlagen geregelt sei.

Die mit Beschluss vom 5. Juni 2023 zum Verfahren beigeladene Einrichtung (Evangelische Stiftung L1) hat im Ergebnis dem Beklagten angeschlossen und ist ebenfalls der Auffassung, dass die Berufung nicht begründet sei.
Das SG habe vielmehr zu Recht ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung der begehrten Leistungen als Eingliederungshilfeleistungen habe. Vielmehr seien diese als Mehrbedarf im Sinne des § 42b SGB XII, mithin als existenzsichernde Sozialhilfe- bzw. Grundsicherungsleistungen, zu qualifizieren. Der Kläger sei aber nicht grundsicherungsberechtigt.
Auch § 113 Abs. 4 SGB IX verschaffe dem Kläger keinen eingliederungshilferechtlichen Anspruch auf die streitgegenständlichen, von ihm begehrten Leistungen. Insoweit sei auf die Ausführungen des SG zu verweisen. Klarstellend und ergänzend hierzu sei hervorzuheben, dass der vom Kläger begehrte Mehrbedarf nach § 42b SGB XII eine Refinanzierung der seitens der Beigeladenen auf Grundlage ihrer zivilgerichtlichen Rechtsverhältnisse mit dem Kläger erbrachten (und in Rechnung gestellten) sogenannten Leistungen zum Lebensalltag nach Teil D des betreffenden Wohn- und Betreuungsvertrages bzw. nach § 3 des Vertrags über tagesstrukturierende Angebote für Menschen mit Behinderung darstellen könnten. Klienten, die nicht in der Grundsicherung seien, hätten diese nach der BTHG-gesetzgeberischen Grundentscheidung dagegen wiederum seit dem 1. Januar 2020 mit eigenen finanziellen Mitteln selbst zu finanzieren.
§ 113 Abs. 4 SGB IX umfasse Leistungsbestandteile, die in der Tat Leistungen der Eingliederungshilfe darstellten. Diese seien aber gerade nicht Teil der Leistungen zum Lebensalltag aus Teil D des Wohn- und Betreuungsvertrages zwischen der Beigeladenen und dem Kläger.
Letztlich begehre der Kläger vom Beklagten Leistungen, die aus den genannten rechtlichen Gründen ausschließlich Grundsicherungsleistungen seien und sein könnten, durch Leistungen der Eingliederungshilfe. Auf diese Grundsicherungsleistungen habe er aber als solche mangels seiner Grundsicherungsberechtigung keinen Anspruch. Dass der Kläger diese Leistungen nun nicht als Grundsicherungs-, sondern als Leistungen der Eingliederungshilfe begehre, sei vor dem Hintergrund der seit dem 1. Januar 2020 geltenden Trennung der Leistungen durch den BTHG-Gesetzgeber in Eingliederungshilfeleistungen und existenzsichernde (Grundsicherungs-) Leistungen jedoch systemfremd und vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt.
Aus diesen Gründen sei auch die seitens der Prozessbevollmächtigten des Klägers in diesem Verfahren immer wieder angesprochene BSG-Rechtsprechung zum gemeinschaftlichen Mittagessen in einer WfbM nach der früheren SGB XII-Eingliederungshilfesystematik hierauf nicht (mehr) anwendbar.
Dem SG sei auch beizupflichten, dass kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliege.
Auch aus der von der Klägerbevollmächtigten angesprochenen Übergangsvereinbarung ergebe sich nichts Anderes, da diese ausschließlich das Verhältnis zwischen den Eingliederungshilfeleistungsträgern und den Leistungserbringern betreffe. Im Wesentlichen gehe es bei dieser Übergangsvereinbarung gerade um Absprachen zwischen den Partnern, um von den bis 31. Dezember 2019 nach dem bisherigen SGB XII-Eingliederungshilfesystem der früheren Rechtslage zu einer rechnerischen Aufteilung der großenteils (leider) bis heute geltenden Vergütungssätze auf die seit dem 1. Januar 2020 bestehenden Finanzierungszuständigkeiten der beiden nunmehr getrennten Leistungsträger nach SGB IX und nach SGB XII zukommen.
Der Kläger könne auch nicht, wie dessen Bevollmächtigte es vertrete, im Rahmen einer der genannten Übergangsvereinbarung entnommenen Budgetneutralität bei der BTHG-Umstellung der Angebotssysteme verlangen, dass für ihn nichts teurer (werden) werde. Dies betreffe vor allen die von ihm nunmehr nach dem Prinzip der Trennung der Leistungen selbst zu finanzierenden existenzsichernden Leistungen. Mit dieser Regelung habe nämlich erreicht werden sollen, dass die Leistungserbringer für eine Übergangszeit die gleichen Leistungen der Eingliederungshilfe erbringen würden und dafür solange zumindest die gleiche Vergütung erhalten sollten. Die von Klägerseite begehrten Leistungen beträfen hier aber gerade keine Leistungen der Eingliederungshilfen, sondern einen Mehrbedarf nach § 42b SGB XII, also Grundsicherungsleistungen.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 25. Mai 2023 (Beklagter), 1. Juni 2023 (Kläger) und 19. Juli 2023 (Beigeladene) jeweils mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.

Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Mehrbedarfs in Höhe von 64,60 € für die hier streitige Zeit vom 1. April 2020 bis 30. September 2021 verneint.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 19. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2020 (vgl. § 95 SGG), mit welchem der Beklagte die Übernahme der Kosten des Mittagessens in der WfbM für die Zeit ab 1. Januar 2020 im Rahmen der Eingliederungshilfe abgelehnt hat. Insofern handelt es sich um eine zusätzliche Leistung und damit um einen abtrennbaren Streitgegenstand (vgl. zu dieser Konstellation BSG, Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 8/13 R - juris Rn. 10). Der Ablehnungsbescheid erging nicht für einen bestimmten Zeitraum, sondern zukunftsoffen.
Er knüpft auch nicht an den Bewilligungszeitraum des Bescheides vom 17. Februar 2020 an, mit welchem der Beklagte die Kosten der Fachleistungen in der Besonderen Wohnform (bisher vollstationäre Unterbringung) sowie der Tagesstruktur für Senioren in der Einrichtung der Beigeladenen vom 1. Januar 2020 bis 30. September 2021 übernommen hat, weil der Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für das Mittagessen wegen fehlender Zuständigkeit abgelehnt hat und es sich bei den beantragten Leistungen nicht um solche der Eingliederungshilfe handelt (hierzu später). Es ist daher über den Anspruch grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (BSG, Urteil vom 25. Juni 2008 - B 11b AS 45/06 R - juris Rn. 28) zu entscheiden. Die Beteiligten haben allerdings den streitigen Zeitraum ausdrücklich auf die Zeit April bis September 2020 begrenzt.

Richtige Klageart ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG, mit der der Kläger statt einer Sachleistungsverschaffung einen Erstattungsanspruch geltend macht, weil er sich die Leistung (spätestens mit Vergleichsabschluss vor dem AG H1 am 25. Mai 2021) selbst beschafft hat (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2008 - B 8/9b SO 10/07 R - juris Rn. 10 m.w.N.). Die durch den Senat erfolgte (einfache) Beiladung der Leistungserbringerin nach § 75 Abs. 1 SGG ist demnach ausreichend. Eine notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG war hingegen nicht erforderlich. Bei der beantragten Kostenerstattung sind die Rechtsbeziehungen des Klägers zur Beigeladenen nicht unmittelbar betroffen, wie dies § 75 Abs. 2 SGG für die echte notwenige Beiladung voraussetzt (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2008 - B 8/9b SO 10/07 - juris Rn. 10).

III.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Kostenerstattung ist § 18 Abs. 6 SGB IX. Danach sind vom Rehabilitationsträger die Kosten für eine selbst beschaffte Leistung in der entstandenen Höhe u.a. dann zu erstatten, wenn er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Leistungsberechtigten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor, weil der Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten i.H.v. 64,60 EUR monatlich für das in der Einrichtung der Beigeladenen eingenommene Mittagessen im Rahmen der Eingliederungshilfe.

Nach § 99 i.V.m. § 90 SGB IX erhalten Eingliederungshilfe Menschen mit Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX, die wesentlich in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind (wesentliche Behinderung) oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe gehören nach § 102 Abs. 1 SGB IX u.a. Leistungen zur Sozialen Teilhabe nach §§ 76 ff SGB IX. Leistungen zur sozialen Teilhabe werden erbracht, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, soweit sie nicht nach den Kapiteln 9 bis 12 erbracht werden (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Hierzu gehört, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem sozialen Raum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB IX).
Leistungen zur Sozialen Teilhabe sind gemäß § 76 Abs. 2 SGB IX insbesondere u.a. (1.) Leistungen für Wohnraum und (2.) Assistenzleistungen.
Leistungen für Wohnraum werden gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erbracht, um Leistungsberechtigten zu Wohnraum zu verhelfen, der zur Führung eines möglichst selbstbestimmten, eigenverantwortlichen Lebens geeignet ist. Die Leistungen umfassen Leistungen für die Beschaffung, den Umbau, die Ausstattung und die Erhaltung von Wohnraum, der den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen entspricht (Satz 2).
Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGB IX werden zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags einschließlich der Tagesstrukturierung Leistungen für Assistenz erbracht. Sie umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeine Erledigung des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen (Satz 2).

Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger vor, dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig (vgl. Bewilligungsbescheide vom 10. Dezember 2019 und 17. Februar 2020).

Der Beklagte ist auch gemäß § 94 Abs. 1 SGB IX i.V.m. § 1 Abs. 1 Ausführungsgesetz zum Gesetzbuch Neuntes Buch (AGSGB IX BW) sachlich und gemäß § 98 SGB IX örtlich zuständiger Träger der Eingliederungshilfe.

Ob eine Kostenerstattung im Rahmen der Eingliederungshilfe schon deshalb ausscheidet, weil der Kläger mangels Unterzeichnung bzw. unter Vorbehalt der „Zusatzvereinbarung Mittagessen“ bereits keinem wirksamen Zahlungsanspruch des Beigeladenen ausgesetzt war (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Juni 2011 - L 7 SO 797/11 ER-B - juris Rn. 11 ff.) kann der Senat offenlassen. Selbst bei Vorliegen einer wirksamen Kostenverpflichtung besteht kein Anspruch gegen den Beklagten im Rahmen der Eingliederungshilfe.

Das Mittagessen ist nach Inkrafttreten der Reformstufe 3 des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) zum 1. Januar 2020 und der daraus resultierenden Trennung der Fachleistungen der Eingliederungshilfe und der existenzsichernden Leistungen nach dem Willen des Gesetzgebers kein Bestandteil der Eingliederungshilfeleistungen, soweit die Kosten des Mittagessens die Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b Abs. 2 Satz 3 SGB XII - wie hier - nicht überschreiten. Das BTHG weicht insoweit von der alten Gesetzeslage ab, nach der das Mittagessen in einer WfbM nach der Rechtsprechung des BSG zu den Eingliederungshilfeleistungen gehörte. Danach war das Mittagessen als integraler Bestandteil der entsprechenden Eingliederungshilfeleistung angesehen und nicht der Hilfe zum Lebensunterhalt zugeordnet worden (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2008 - B 8/9b SO 10/07 R - juris; siehe auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. März 2022 - L 7 SO 4143/20 -, juris Rn. 32). 

Mit der Einführung des § 42b Abs. 2 SGB IX ist der Gesetzgeber jedoch einen anderen Weg gegangen (a. A. wohl Siefert in jurisPR-SozR 7/2017 Anm. 1) und hat einen pauschalierten Mehrbedarf geregelt, welcher neben der Abgeltung des Wareneinsatzes bei auswärtiger Verpflegung auch der Deckung von Aufwendungen, die durch die Zubereitung und Bereitstellung von gemeinschaftlichem Mittagessen außerhalb des persönlichen Wohnumfeldes entstehen, dient (vgl. BT-Drs. 18/9522, Seite 201, 327f.). Können aus dem Mehrbedarf nicht alle über den Warenwert hinausgehenden Kosten für die Zubereitung und Bereitstellung (z. B. Sach-, Personal und Investitionskosten) gedeckt werden, ist der ungedeckte Teilbetrag von der Eingliederungshilfe nach § 113 Abs. 4 SGB IX als Leistung zur Sozialen Teilhabe vom Eingliederungshilfeträger zu übernehmen (vgl. Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Mehrbedarf bei gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung in Werkstätten für behinderte Menschen und in vergleichbaren tagesstrukturierenden Angeboten nach § 42b Absatz 2 SGB XII vom 28. Oktober 2019, abrufbar unter https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/w/files/aktuelles/19-10-28-rundschreiben-zu-c-42b-abs-2-sgb-xii.pdf, zuletzt abgerufen am 8. März 2022; BT-Drs. 18/9522, S. 327 f.; siehe auch LSG Baden-Württemberg aaO, juris Rn. 33).

Die gesamten Leistungen für das Mittagessen sind demnach der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII bzw. der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII und nur soweit im Einzelfall die Kosten für die Herstellung und Bereitstellung hierdurch nicht gedeckt werden, der Eingliederungshilfe zugeordnet. Den Regelungen in § 42b Abs. 2 SGB XII und § 113 Abs. 4 SGB IX liegt damit die Annahme zugrunde, dass die Mittagsverpflegung aus zwei Quellen finanziert wird, nämlich zum Teil durch den Leistungsberechtigten mit den ihm nach § 42b Abs. 2 SGB XII zu gewährenden Leistungen und zum Teil durch Leistungen zur sozialen Teilhabe des hierfür zuständigen Rehabilitationsträgers (Simon in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand April 2021, § 42b Rn. 24). Der Anspruch nach § 42b SGB XII ist mithin als Spezialregelung vorrangig (vgl. auch Simon in jurisPK-SGB XII, 3. Auflage 2020 [Stand 4. Januar 2021], § 42b Rn. 17, der aber eine tatbestandliche Abgrenzung nach Leistungsanteilen für vorzugswürdig erachtet; siehe auch LSG Baden-Württemberg aaO, juris Rn. 34).

Die Beigeladene erhebt von dem Kläger für die Teilnahme am Mittagessen einen der Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b SGB XII entsprechenden Betrag. Sie hat diesbezüglich vor dem SG angegeben, es werde dabei nach pauschalierten Werten abgerechnet. Eine tatbestandliche Abgrenzung nach Leistungsanteilen kommt demnach nicht in Betracht, ist aber auch deshalb schon nicht erforderlich, weil der von der Beigeladenen erhobene Betrag die Höhe des Mehrbedarfs nach § 42b SGB XII nicht überschreitet.

Etwas Anderes ergibt sich, entgegen der Auffassung des Klägers, auch nicht aus der Übergangsvereinbarung zur Umsetzung des BTHG in B1 vom 18. April 2019. Nach § 7 der Übergangsvereinbarung wurde zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den Vereinigungen der Leistungserbringer für die Zeit ab 1. Januar 2020 bis längstens 31. Dezember 2021 vereinbart, die Summe aus Grund- und Maßnahmenpauschale bei der Leistungsvergütung um 1,99 EUR kalendertäglich zu reduzieren, weil ab 1. Januar 2020 für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung ein Mehrbedarf anerkannt wurde. Diese Übergangsvereinbarung berührt jedoch im sozial- bzw. eingliederungshilferechtlichen Dreieck einzig die Rechtsbeziehungen zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen, so dass der Kläger schon aus diesem Grund hieraus nichts für sich ableiten kann (siehe LSG Baden-Württemberg aaO, juris Rn. 36).

Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist nicht gegeben. Insbesondere kann auch kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Grundgesetz (GG), wie von dem Kläger vorgetragen, angenommen werden. Wird durch eine Norm eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten, verletzt sie den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06 u.a. - BVerfGE 126, 369 (397) m.w.N., juris Rn 86, st. Rechtsprechung). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass hinsichtlich der Ungleichbehandlung an ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal angeknüpft wird. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsgrundsätze reichen (BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06 u.a. - BVerfGE 126, 369 (398) m.w.N., juris Rn. 86). Auf dem Gebiet des Sozialrechts ist dem Gesetzgeber eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen (BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvL 11/06 u.a. - BVerfGE 126, 369 (398) m.w.N., juris Rn. 86). Eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Klägers ist insoweit nicht ersichtlich. Eine Trennung von Fachleistungen und Leistungen des Lebensunterhaltes ist sachgerecht. Die Anknüpfung an die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist bei bedürftigkeitsabhängigen Leistungen ein sachgerechtes Differenzierungskriterium. Im Übrigen würde eine Gleichstellung lediglich bedeuten, dass - wie bei Hilfebedürftigen ohne Einkommen - ein Anspruch gegen den Grundsicherungsträger gegeben wäre. Ein Anspruch auf eine identische Leistung gegen unterschiedliche Sozialleistungsträger, je nach Bedürftigkeit des Antragstellers, ist dem Sozialrecht fremd (siehe LSG Baden-Württemberg aaO, juris Rn. 37).

IV.

Ein Anspruch des Klägers auf Leistungen nach § 42b Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gegen den Grundsicherungsträger besteht ebenfalls nicht, so dass auch dessen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG unterbleiben konnte. Unabhängig davon, dass der Kläger schon einen entsprechenden Antrag weder im Klage- noch im Berufungsverfahren gestellt hat (vgl. zur Notwendigkeit eines zumindest konkludenten Antrags LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. März 2017 - L 7 AY 5085/17 - juris Rn. 37; siehe auch Urteil vom 17. März 2022 - L 7 SO 4143/20 -, juris Rn. 38), steht einer Verurteilung bereits entgegen, dass ein Anspruch des Klägers gegen den Grundsicherungsträger mit Bescheid vom 10. Dezember 2019 bzw. 18. Februar 2020, gegen den der Kläger keinen Widerspruch eingelegt hat, bestandskräftig abgelehnt worden ist. Eine Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG eines anderen Leistungsträgers kommt dann nicht mehr in Betracht (BSG, Urteil vom 4. Mai 1999 - B 2 U 19/98 R - juris Rn. 28 m.w.N.; BSG, Urteil vom 13. August 1981 - 11 RA 56/80 - juris Rn. 14 m.w.N).

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Kläger muss als nach § 183 SGG Kostenprivilegierter nicht die außergerichtlichen Kosten des Beklagten, wohl aber die der Beigeladenen tragen, die im Berufungsverfahren einen eigenen Antrag auf Zurückweisung der Berufung des Klägers gestellt und begründet hat. Denn nach § 193 Abs. 4 SGG sind nur die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen nicht erstattungsfähig. Das sind lediglich Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten privilegierten Personen gehören, nicht aber Beigeladene (vgl. BSG Beschluss vom 2. November 2011 - B 12 KR 34/11 B - juris Rn. 14 mit Verweis auf: BSG SozR 4-4200 § 7 Nr. 5; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 17). Dabei kann vorliegend offen bleiben, ob nach § 183 SGG kostenprivilegierte Beteiligte von der Erstattungspflicht gegenüber beigeladenen Trägern öffentlicher Verwaltung freizustellen sind, weil sie nicht durch eine drohende Kostenlast von der Anstrengung eines gerichtlichen Verfahrens abgehalten werden sollen (BSG Beschluss vom 2. November 2011 - B 12 KR 34/11 B -, juris Rn. 14, BSG Urteil vom 1. März 2011 - B 1 KR 10/10 R - SozR 4-2500 § 35 Nr. 4 Rn. 90). Es entspricht jedoch nicht der Billigkeit, nach § 183 SGG kostenprivilegierte Beteiligte auch gegenüber einer beigeladenen natürlichen oder juristischen Person von der Erstattung außergerichtlicher Kosten freizustellen, wenn diese sich anders als die in § 73 Abs. 4 Satz 4 SGG Genannten nicht durch eigene Beschäftigte vertreten lassen können. § 183 SGG entlastet den dort benannten Personenkreis lediglich von Gerichtskosten; das Risiko der Kostenerstattung gegenüber anderen Beteiligten - beispielsweise in Fällen unmittelbarer Drittbetroffenheit (vgl Legde, SGb 1996, 468) - wird hierdurch nicht berührt. Zwar enthält § 193 Abs. 4 SGG auch insoweit eine Privilegierung, doch gilt diese nicht umfassend, sondern nur gegenüber den nach § 184 Abs. 1 SGG Pauschgebührenpflichtigen (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG 13. Aufl. 2020, § 193 Rn. 11). Eine vollständige Entlastung auch des in § 183 SGG benannten Personenkreises von jeglichem Kostenrisiko im sozialgerichtlichen Verfahren ist hiernach nicht vorgesehen (vgl. BSG Beschluss vom 2. November 2011 - B 12 KR 34/11 B - juris Rn. 14; siehe auch schon BSGE 44, 51 = SozR 2200 § 405 Nr. 6). Vor diesem Hintergrund hat in Fällen wie dem Vorliegenden das Interesse kostenprivilegierter Personen an einem möglichst niederschwelligen Zugang zu sozialgerichtlichem Rechtsschutz hinter dem anderer Beteiligter an einer Erstattung der durch eine aktive Rechtsverteidigung entstandenen außergerichtlichen Kosten jedenfalls dann zurückzutreten.

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.  


 

Rechtskraft
Aus
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