Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12.12.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Klägerin hat 300,00 € Verschuldenskosten an die Staatskasse zu zahlen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe einer Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalls der Klägerin vom 09.03.2010 im Streit.
Die 1955 geborene Klägerin erlitt am 09.03.2010 einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, als sie bei Glatteis vor der Firmenkantine ausrutschte und auf ihre linke Hand fiel. Im Durchgangsarztbericht des M1 vom 11.03.2010 wurden als Erstdiagnosen eine distale Radiusfraktur links sowie eine Prellung des linken Ellenbogens festgehalten. Eine Computertomographie (CT) vom 17.03.2010 ergab eine Fraktur des Os pisiforme (Erbsenbein) links ohne fassbare Dislokation oder Dehiszenz (Auseinanderweichen von Gewebe). Im Übrigen wurden unauffällige Strukturen des Handgelenks beschrieben, und es erfolgte eine konservative Behandlung.
Bei fortbestehenden Schmerzen absolvierte die Klägerin ab dem 14.06.2010 eine Wiedereingliederungsmaßnahme, welche sie erfolgreich abschloss. Danach nahm sie am 11.07.2010 ihre Tätigkeit als Schleiferin in einem Möbelwerk vollschichtig wieder auf. Zum Abschluss der Wiedereingliederungsmaßnahme bestand ausweislich der Bescheinigung des M1 vom 26.07.2010 lediglich noch ein geringer Druckschmerz über dem Os pisiforme bei freier Beweglichkeit im Handgelenk und peripher intakter DMS. Bei einer Kontrolluntersuchung am 01.09.2010 stellte der L1 ein posttraumatisches Carpaltunnelsyndrom links fest, welches durch den P1 am 16.09.2010 bestätigt wurde; eine operative Spaltung empfahl er nicht, da die Schädigung lediglich leicht sei.
Der B1 vertrat am 08.12.2010 die Auffassung, dass das Carpaltunnelsyndrom und die Narbenbildung auf das Unfallgeschehen zurückzuführen seien.
Der G1 diagnostizierte am 17.03.2011 eine Pisotriquetralarthrose (Arthrose des Gelenks [PT-Gelenk] zwischen Erbsenbein [Pisiforme] und Dreiecksbein [Triquetrum]), sowie einen Zustand nach einer Fraktur des Os pisiforme links, und empfahl hierzu eine Exstirpation (operative Entfernung) des Os pisiforme. Diese Operation erfolgte am 31.03.2011 bei G1 im S1 Klinikum V1. Die Klägerin wurde am 02.04.2011 mit reizlosen Wundverhältnissen aus der stationären Behandlung entlassen.
In derselben Klinik wurde wegen fortbestehender Beschwerden am 07.06.2011 ein CT des linken Handgelenks angefertigt, wonach im OP-Bereich noch zwei kleinste Knochenstrukturen von 1 bis 2 mm Durchmesser sowie narbige Residuen in den Weichteilen bei sonst unauffälligen knöchernen Strukturen der Handwurzel bestanden hätten.
Ebenfalls im S1 Klinikum erfolgte am 03.08.2011 eine Arthroskopie des linken Handgelenks mit lokaler Entfernung der Synovia (viskose Flüssigkeit) ulnar. Die Klägerin wurde am 05.08.2011 in gutem Allgemeinzustand und mit reizlosen Wundverhältnissen aus der stationären Behandlung entlassen. Im Entlassungsbericht wurde unter anderem mitgeteilt, dass die von der Klägerin am 17.08.2011 bei der Befundkontrolle und Fadenentfernung wiederholt vorgetragenen Beschwerden nicht mit dem arthroskopischen Befund kompatibel seien.
Anschließend holte die Beklagte ein Gutachten bei dem Handchirurgen B2 vom S1 Klinikum ein. In dem Gutachten vom 15.12.2011 diagnostizierte dieser einen Folgezustand nach posttraumatischer Pisotriquetralarthrose links mit einer Bewegungseinschränkung und Kraftminderung im linken Handgelenk. Außerdem verwies er auf die Narben nach den durchgeführten Operationen. Die Beweglichkeit des linken Handgelenks stellte er mit 50-0-40 Grad (rechts: 60-0-60) handrückenwärts/hohlhandwärts und 20-0-30 Grad (rechts 20-0-45) speichenwärts/ellenwärts fest. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aufgrund der Unfallfolgen betrage 20 von Hundert (v.H.).
Beratungsärztlich teilte der B3 am 30.03.2012 mit, das die Fraktur des Os pisiforme gesichert sei. Auf den – diagnostisch jedoch nicht ausreichend verwertbaren Papierausdrucken – sei keine erkennbare Fraktur oder Fehlstellung zu erkenne. Dem schloss sich die K1 am 26.06.2012 an.
Mit Stellungnahme vom 19.07.2012 verblieb B2 bei seiner Einschätzung einer MdE um 20 v.H., was er im Wesentlichen mit den Beschwerden ulnarseitig im Bereich des Handgelenks und einer pathologischen Dorsalextension (D/P 40-0/45 Grad, R/U 15-0-35 Grad) begründete.
Am 06.09.2012 widersprach die K1 dieser MdE-Bewertung, da nach den Bewegungsmaßen des linken Handgelenks im Vergleich zur Gegenseite nur eine MdE um 10 v.H. anzunehmen sei. Es bestünden weder objektivierbare Schonungszeichen, noch eine wesentliche Muskelminderung oder eine Minderbeschwielung, und es sei auch keine Mineralsalzgehaltminderung beschrieben worden. Am 11.07.2010 sei die Beweglichkeit des linken Handgelenks frei gewesen und am 01.09.2010 sei die Beweglichkeit als sehr gut beurteilt worden. Auch liege ein Hinweis auf eine karpale Instabilität nach den Operationen nicht vor. Eine Verschlimmerung durch Entstehung einer posttraumatischen Arthrose sei allerdings möglich.
Die Beklagte anerkannte mit Bescheid vom 27.09.2012 das Vorliegen eines Arbeitsunfalls und stellte als Unfallfolgen links fest:
- Verlust des Erbsenbeines der Handwurzel,
- Bewegungseinschränkung des Handgelenkes,
- Kraft- und Muskelminderung im Bereich der Hand sowie
- knöcherne Veränderungen am Dreiecksbein nach Bruch des Erbsenbeines,
- folgenlos verheilte Schädigung des Mittelarmnervs im Sinne eines Karpaltunnelsyndroms,
- folgenlos ausgeheilte Prellung des Ellenbogens und des Handgelenks.
Unabhängig von dem Arbeitsunfall liege eine vorbestehende Teilschädigung der Bandhaft zwischen Kahn- und Mondbein im linken Handgelenk vor. Eine Verletztenrente sei nicht zu gewähren, weil keine unfallbedingte MdE um wenigstens 20 v.H. vorliege.
Am 02.10.2012 legte der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch ein, der nicht weiter begründet wurde.
Am 19.09.2012 erfolgte im S1 Klinikum aufgrund therapieresistenter Synovialitis am linken Handgelenk mit ulnarseitigen Beschwerden eine Teil-Denervation des linken Handgelenks nach Wilhelm.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2013 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.09.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Der von B2 angenommenen Bewertung der MdE der Unfallfolgen mit 20 v.H. könne nicht gefolgt werden, da die anerkannten Unfallfolgen eine MdE im rentenberechtigten Umfang nicht begründeten. Die darüber hinaus bestehenden Beschwerden seien aus unfallunabhängigen Ursachen zurückzuführen.
Die Klägerin erhob deswegen am 26.03.2013 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). In dem Klageverfahren S 8 U 912/13 wurde im Auftrag des SG am 26.07.2013 ein Gutachten durch den B4 erstellt. Den Gesundheitserstschaden bezeichnete dieser als Distorsion des linken Handgelenks mit nicht bestätigtem primären Verdacht auf distale Radiusfraktur links sowie primär nicht erkannter Fraktur des Os pisiforme links sowie einer Prellung des linken Ellenbogengelenkes. Die noch bestehenden Gesundheitsstörungen bezeichnete er als schmerzhafte Funktionseinschränkung des linken Handgelenks, eine reizlose Narbenbildung nach mehrfacher OP am linken Handgelenk, sowie die beschriebenen radiologischen Veränderungen am linken Handgelenk. Unabhängig von den Unfallfolgen bestünden ein rezidivierendes LWS-Syndrom, eine Heiserkeit nach Operation eines Stimmbandtumors, eine Schilddrüsenfunktionsstörung sowie ein depressives Syndrom. Die MdE sei nunmehr mit 15 v.H. zu bewerten. Hinsichtlich der Kausalitätsbewertung sei auf die Stellungnahme der Beratungsfachärztin vom 06.09.2012 zu verweisen und dieser insoweit zu folgen, als eine Ausdehnung der ulnokarpalen Bänder degenerativer oder unfallbedingter Natur sein könne und ein Unfallschaden diesbezüglich nicht mehr zu sichern sei. Bei fehlendem Nachweis einer karpalen Instabilität sei dies hinsichtlich der Bewertung der MdE jedoch auch nicht von Bedeutung. Das SG wies die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 22.04.2014 ab, und verneinte ebenso wie die Beklagte das Vorliegen einer MdE in rentenberechtigendem Umfang. Die Klägerin legte hiergegen kein Rechtsmittel ein.
Die Klägerin erlitt am 21.07.2014 einen weiteren bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall (2. Arbeitsunfall), als sie während der Arbeit beim Schieben eines Wagens auf beide Hände stürzte. Die hierbei links erlittene distale Radiusfraktur (ohne Gelenkbeteiligung) verheilte in leichter Fehlstellung.
Am 20.11.2014 erfolgte durch im S1Klinikum eine erneute Arthroskopie des linken Handgelenks, wobei sich ein ausgedehnter und ausgefaserter, aber in einzelnen Strukturen noch intakter ulnokarpaler Bandapparat gezeigt habe.
Die Klägerin erlitt am 31.01.2015 einen weiteren Arbeitsunfall mit einer Verletzung des rechten Sprunggelenks (3. Arbeitsunfall).
Ein Kernspintomogramm des linken Handgelenks vom 11.01.2016 ergab eine leichte Achsenverkürzung und eine nach dorsaler Achsenabknickung verheilte distale Radiusfraktur links mit konsekutiv leichtem Ulnarvorschub. Außerdem zeigte sich das entfernte Os pisiforme mit narbigen Residuen ulnarseitig an dessen Stelle, im Übrigen zeigten sich unauffällige knöcherne Strukturen und keine Anzeichen für Arthrosen. Außerdem seien eine Läsion des Diskus ulnaris mit kleinen Rissbildungen an der Ober- und Unterfläche sowie degenerative Veränderungen der Basis mit minimalem Begleiterguss im Radioulnargelenk bei im Übrigen unauffälligen Weichteilen und knöchernen Strukturen und auch insoweit fehlenden signifikanten Arthrosen festgestellt worden.
Am 12.12.2016 erfolgte erneut eine Arthroskopie des linken Handgelenks wegen in Fehlstellung verheilter distaler Radiusfraktur links 2014 mit Diskusglättung, Teilsynovektomie und Knorpel-glättung radiokarpal.
In einem zweiten fachärztlichen Gutachten auf handchirurgischem Gebiet vom 15.10.2016 (als Zusatzgutachten wegen einer Sprunggelenksverletzung 2015) gab B2 ohne Unterscheidung zwischen den beiden Unfallereignissen vom 09.03.2010 und 21.07.2014 folgende Unfallfolgen an:
Vollzustand nach ulnopalmarer Bandverletzung, Teilverletzung des scapholunären Bandes, und stattgehabter Pisotriquetralfraktur links, deutliche Bewegungseinschränkungen und Kraftminderung des linken Handgelenkes infolge beider Unfälle mit Zunahme der Bewegungseinschränkung nach dem Unfallereignis vom Juli 2014, Narben nach den durchgeführten Operationen. Die Beweglichkeit des linken Handgelenks stellte er nunmehr mit 40-0-30 Grad (im Vergleich zu 50-0-40 im ersten Gutachten, siehe oben, und rechts: 60-0-60) handrückenwärts/hohlhandwärts und 30-0-20 Grad (im Vergleich zu 20-0-30 im ersten Gutachten und rechts 20-0-45) speichenwärts/ellenwärts fest. Die MdE betrage insgesamt 20 v.H.
Der F1 vertrat hierzu am 17.02.2017 die Auffassung, dass der Unfall von 2014 (2. Arbeitsunfall) nach den beschriebenen Befunden außerhalb des Gelenkes mit leichter Dorsalabkippung ausgeheilt sei. Hier wäre eine einzelne MdE von 10 v.H. erst bei einer zusätzlichen Bewegungseinschränkung von 40 Grad zu erwarten, die beschriebenen Befunde sprächen indes für eine bezüglich der Funktion folgenlose Ausheilung. Der zweite Arbeitsunfall habe daher eine MdE in Höhe von weniger als 10 v.H. hinterlassen.
Mit dem hier streitgegenständlichen Änderungsbescheid vom 24.08.2017 (Bl. 644 VA) bewilligte die Beklagte daraufhin aufgrund des Unfalls vom 09.03.2010 nunmehr eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 15 v.H. ab dem 31.01.2015. Als Unfallfolgen links gab sie an:
- Verlust des Erbsenbeins der Handwurzel
- anteilige Bewegungseinschränkung des Handgelenkes
- Kraftminderung im Bereich der Hand mit belastungsabhängigen Beschwerden und beginnende degenerative Veränderungen zwischen Kahnbein und Mondbein.
Unabhängig vom Arbeitsunfall lägen vor:
- Zustand nach Radiusbruch links (2. Arbeitsunfall vom 21.07.2014)
- Zustand nach Sprunggelenksluxationsbruch rechts (3. Arbeitsunfall vom 31.01.2015)
Die Rente werde als gestützte Rente gewährt, da aufgrund der Folgen des dritten Arbeitsunfalls vom 31.01.2015 bereits eine Rente auf Dauer nach einer MdE um 10 v.H. vorliege.
Dementsprechend gewährte die Beklagte aufgrund des Arbeitsunfalls vom 31.01.2015 aufgrund der verbliebenen gesundheitlichen Einschränkungen am rechten Sprunggelenk mit weiterem Bescheid vom 24.08.2017 eine Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. ab dem 10.02.2016.
Mit einem dritten Bescheid vom 24.08.2017 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund des (2.) Unfalls vom 21.07.2014 ab. Die bei diesem Unfall links erlittene anteilige Bewegungseinschränkung im Bereich des Handgelenks nach unter Fehlstellung knöchern festverheiltem Radiusbruch und nicht verheilter Absprengung am Griffelvorsatz der Elle habe nicht zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt, die mit einer MdE um mindestens 20 v.H. zu bewerten sei.
Der Bevollmächtigte der Klägerin legte in der Folgezeit Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.08.2017 betreffend den Unfall vom 09.03.2010 ein.
Ein separat eingelegter Widerspruch hinsichtlich des Bescheides vom 24.08.2017 betreffend den Unfall vom 21.07.2014 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2018 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 09.05.2018 erfolgte eine weitere Arthroskopie mit ausdrücklicher Feststellung, dass keine Änderung zur zuvor durchgeführten Arthroskopie festgestellt worden sei.
Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 21.03.2018 (2. Arbeitsunfall vom 21.07.2014) beim SG Reutlingen mit dem Az.: S 8 U 802/18 wurde mit Urteil vom 26.02.2020 abgewiesen. Ein Rechtsmittel hiergegen wurde nicht eingelegt.
Anschließend wies die Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid vom 16.09.2020 auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.08.2017 betreffend den (1.) Arbeitsunfall vom 09.03.2010 zurück. Nach sorgfältiger Auswertung der vorliegenden Befunde lägen aufgrund des Unfalls vom 09.03.2010 keine gesundheitlichen Einschränkungen mit einer MdE von mehr als 15 v.H. vor. Hierbei werde eine Stützrente aufgrund des (3.) Arbeitsunfalls vom 31.01.2015 (betreffend das Sprunggelenk) in Höhe einer MdE um 10 v.H. berücksichtigt. Es werde in diesem Zusammenhang daraufhin gewiesen, dass die Folgen des (2.) Arbeitsunfalls vom 21.07.2014 entsprechend dem Bescheid vom 24.08.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2018 keine messbare MdE begründeten. Diese Entscheidung sei durch das SG Reutlingen mit Urteil vom 27.02.2020 zu dem Az.: S 8 U 802/18 bestätigt worden.
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat deswegen am 12.10.2020 beim SG erneut Klage erhoben und die Gewährung einer höheren Verletztenrente beantragt.
Das SG hat zunächst den behandelnden M1 als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser hat schriftlich am 26.04.2021 mitgeteilt, dass sich die Erkrankung der Klägerin im Verlauf der Behandlung nicht habe verbessern lassen. Im Sinne des Alterungsprozesses sei es bei den vorliegenden arthrotischen Veränderungen eher zu einer Verschlechterung des Zustandes gekommen.
Daraufhin hat der L2 am 19.05.2021 ein Sachverständigengutachten im Auftrag des SG erstellt. Durch den Arbeitsunfall vom 09.03.2010 seien eine Fraktur des Os pisiforme links und eine Prellung des Ellenbogen links verursacht worden. Die hieraus entstehende Pisotriquetralarthrose habe zur operativen Entfernung des Erbsenbeins am 31.03.2011 geführt. Als sekundäre Gesundheitsstörungen im Sinne von Dauerschäden benannte der Gutachter:
- Mäßiggradige Bewegungseinschränkung des Handgelenks links, insbesondere bei Palmarflexion,
- Äußere und innere Narben nach Entfernung des Os pisiforme Narbe nach Teildenervierung des Handgelenkes,
- Narben nach Arthroskopie.
Die Handgelenksbeweglichkeit sei linksseitig für die Flexion um ca. ¼ im Vergleich zur Gegenseite reduziert (Angaben im Messblatt: 50-0-45 Grad [rechts: 60-0-60] handrückenwärts/hohlhandwärts und 20-0-20 Grad [rechts 30-0-20] speichenwärts/ellenwärts). Schmerzen entstünden aus den Sehnenverwachsungen und Narben nach der Operation. Zur Kraft könne keine abschließende objektive Aussage getroffen werden, da bei Rechtshändigkeit wie im Falle der Klägerin höhere Werte als auf der nicht dominanten Seite vorlägen. Auf Grund der operationsbedingten Narben seien Funktionseinschränkungen durch Bewegungseinschränkung, Schmerzen und möglicherweise auch Kraftminderung der linken Hand entstanden. Im Gegensatz zum 09.03.2010, nachdem das Os pisiforme letztlich komplett entfernt worden sei, sei es durch die Radiusfraktur am 21.07.2014 als primäre Gesundheitsstörung zu wesentlicheren und weitgreifenden sekundären Gesundheitsstörungen im Zeitverlauf gekommen. Die MdE auf Grund des Ereignisses vom 09.03.2010 betrage lediglich 5 v.H. (mit Hinweis auf Fritze/Mehrhoff, Die ärztliche Begutachtung, 8. Auflage Seite 761: 0-10 v.H. bei einer geringgradigen Bewegungseinschränkung des Handgelenks für Streckung/Beugung bis 30-0-40 Grad). Die Beschwerden nach Entfernung des Os pisiforme seien als gering zu bewerten. Ein wesentlicher Kraftverlust könne nach dem Eingriff nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Die Unfallfolgen vom 21.07.2014 seien demgegenüber deutlich einschränkender. Die Gesamt-MdE sei mit 15 v.H. zu veranschlagen.
Anschließend ist am 24.05.2022 auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin ein weiteres Gutachten durch den K2 erstellt worden. Folgen des Arbeitsunfalles vom 09.03.2010 seien die verspätet diagnostizierte Fraktur des Os pisiforme mit Entwicklung einer Pisotriquetralarthrose, ein Zustand nach Handgelenksarthroskopie 2/2011, eine Teildenervation des linken Handgelenkes 8/2012 sowie eine Rearthroskopie des Handgelenks 11/2014 bei schmerzhafter Bewegungseinschränkung des Handgelenkes links und einer Läsion des Diskus ulnaris links. Als sekundäre Gesundheitsstörungen bestünden eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks, insbesondere bei Palmarflexion, die äußeren/inneren Vernarbungen bei Entfernung des Os pisiforme, sowie die Vernarbung nach Teildenervierung des Handgelenks (Angaben im Messblatt: 70-0-20 Grad [rechts: 60-0-70] handrückenwärts/hohlhandwärts und 10-0-10 Grad [rechts 10-0-20] speichenwärts/ellenwärts). Entsprechend den Ausführungen des L2 sei funktional von einer Beeinträchtigung der Beweglichkeit, Schmerzen sowie einer Kraftminderung der linken Hand auszugehen. Eine eindeutige Abgrenzung zu den Unfallfolgen vom 21.07.2014 sei jedoch grundsätzlich schwierig. Im Ergebnis bestehe jedoch weitgehend Übereinstimmung mit dem Vorgutachter, dass die zunehmende Arthrose des Handgelenks (Radiokarpalgelenk und Ulnokarpalgelenk) sowie insbesondere die Arthrose und Instabilität des distalen Radioulnargelenks eindeutig dem Unfallereignis vom 21.07.2014 zuzuordnen seien. Anders als der Vorgutachter gehe er jedoch von einer durch das Ereignis vom 09.03.2010 bedingten MdE um 10 v.H. aus, welche auch für das Ereignis vom 21.07.2014 anzunehmen sei.
Gestützt auf diese beiden Gutachten hat das SG die Klage mit Urteil vom 12.12.2022 als unbegründet abgewiesen. Nach Auskunft beider Gutachter seien die durch das Unfallereignis vom 09.03.2010 verbliebene Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk gering. Die Funktionsbeeinträchtigung wirke sich dynamisch und durch Schmerzen in Folge von Verwachsungen aus. Im Vergleich zu einer Versteifung des Handgelenks in Neutralstellung, für welche eine MdE um 25 v.H. vorgeschlagen werde, weise das Handgelenk der Klägerin eine wesentlich bessere Beweglichkeit auf. Auch unter Berücksichtigung der bestehenden Schmerzen bedingten die vorliegenden Einschränkungen jedenfalls keine MdE um 20 v.H. wie von der Klägerin beantragt. Angesichts der von dem Gutachter PD Dr. L2 erhobenen Befunde sei eine MdE um 5 v.H. auf Grund der Folgen des Unfallereignisses vom 09.03.2010 nachvollziehbar. Es müsse allerdings auch berücksichtigt werden, dass die Beschwerden der Klägerin persistierten und ein mehrfaches operatives Eingreifen erforderlich gemacht hätten, weswegen der K2 eine höhere MdE, nämlich eine solche um 10 v.H., vorgeschlagen habe. Eine höhere Verletztenrente als nach einer MdE von 15 v.H. stehe der Klägerin jedenfalls nicht zu. Das Urteil des SG ist den Bevollmächtigten der Klägerin am 21.12.2022 zugestellt worden.
Am 05.01.2023 haben die Bevollmächtigten der Klägerin beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Schmerzen und Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk bestünden fort, zudem bestehe eine erhebliche Reduzierung der Kraft in der linken Hand. Entsprechend des zuvor erstellten Gutachten des B2 sei von einer hierdurch bedingten MdE um 20 v.H. auszugehen, weswegen eine Verletztenrente zu gewähren sei. Insbesondere sei das SG unzutreffend davon ausgegangen, dass nur eine geringe Einschränkung der Beweglichkeit des linken Handgelenks vorläge, welche indes lediglich von dem L2 festgestellt worden sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2020 und unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Reutlingen vom 12.12.2022 zu verurteilen, der Klägerin eine Verletztenrente auf Grund des Unfallereignisses vom 09.03.2010 nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 31.01.2015 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Entscheidungen für rechtmäßig.
Mit richterlicher Verfügung vom 28.03.2023 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass nach der bestandskräftig bewilligten Verletztenrente auf Grund einer MdE von 15 v.H. aus Rechtsgründen auch bei Annahme einer MdE um 20 v.H. eine höhere Verletztenrente auf Grund des Ereignisses vom 09.03.2010 nicht gewährt werden könne, da eine Abweichung der MdE-Bewertung von der Einschätzung der Verwaltung um lediglich 5 v.H. als nicht zulässig erachtet wird (mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 07.12.1976 – 18 R U 14/76 -, BSGE 43, 53 u. a.).
Sowohl in diesen Schreiben als auch im Erörterungstermin am 22.05.2023 ist die Klägerin insoweit wegen der objektiven Aussichtslosigkeit des Berufungsbegehrens nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen auf die Möglichkeit der Verhängung von Verschuldenskosten nach § 192 SGG hingewiesen worden. Die Beteiligten haben in dem Erörterungstermin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungs- und Gerichtsakten, insbesondere die hierin enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten und die genannten Gutachten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§ 143 f. SGG statthafte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Mit dem Einverständnis der Beteiligten hat der Senat nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Streitgegenständlich ist vorliegend alleine die Höhe der Verletztenrente, welche von der Beklagten aufgrund des ersten aktenkundigen Arbeitsunfalls der Klägerin vom 09.03.2010 gewährt wird. Das Ziel der Gewährung einer höheren Verletztenrente kann die Klägerin zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgen.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 24.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2020 und das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12.12.2022 sind jedoch rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat aufgrund des Arbeitsunfalls vom 09.03.2010 keinen Anspruch auf eine Verletztenrente, welche nach einer MdE von mehr als 15 v.H. zu bemessen ist.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Die Entstehung länger andauernder Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, - B 2 U 40/05 R - und - B 2 U 26/04 R -, juris). Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. stellvertretend BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R -, juris). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 10.06.1955 – 10 RV 390/54 –, juris).
Der Senat stellt nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme fest, dass bei der Klägerin als Folgen des Arbeitsunfalls vom 09.03.2010 die in den Bescheiden der Beklagten benannten Unfallfolgen zutreffend festgestellt worden sind. Die Beklagte hat als Folgen des Unfalls zuletzt mit dem Bescheid vom 24.08.2017 einen
- Verlust des Erbsenbeins der Handwurzel
- eine anteilige Bewegungseinschränkung des Handgelenkes
- und eine Kraftminderung im Bereich der Hand mit belastungsabhängigen Beschwerden
- sowie beginnende degenerative Veränderungen zwischen Kahnbein und Mondbein
anerkannt. Diese Feststellungen sind nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme weiterhin zutreffend, wozu auf die im Wesentlichen übereinstimmenden Ausführungen der L2 und K2 Bezug genommen wird. Darüber hinaus gehende Unfallfolgen sind bei der Bewertung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente daher nicht zu berücksichtigen.
Die beiden vom SG gehörten Gutachter haben die Feststellungen der Beklagten bestätigt. Insoweit kommt es zunächst auf den Meinungsunterschied zwischen L2 und K2 bezüglich des Vorliegens einer Kraftminderung im linken Handgelenk nicht an, weil die Beklagte in dem Bescheid eine Kraftminderung bestandskräftig anerkannt hat. Im Übrigen hat L2 in seinem Gutachten vom 19.05.2021 die Unfallfolgen als Fraktur des Os pisiforme links mit operativer Entfernung des Erbsenbeins in der Folge, eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung des Handgelenks links, insbesondere bei Palmarflexion, um ca. ¼ im Vergleich zur unverletzten Gegenseite, sowie die äußeren und inneren Narben nach Entfernung des Os pisiforme und nach Teildenervierung des Handgelenkes und Arthroskopie angegeben. Schmerzen entstünden aus den Sehnenverwachsungen und Narben nach der Operation.
K2 hat diesen Feststellungen des Vorgutachters in seinem Gutachten vom 24.05.2022 ausdrücklich zugestimmt und hierzu ausgeführt, dass eine verspätet diagnostizierte Fraktur des Os pisiforme mit Entwicklung einer Pisotriquetralarthrose, ein Zustand nach Handgelenksarthroskopie 2/2011, eine Teildenervation des linken Handgelenkes 8/2012 sowie eine Rearthroskopie des Handgelenks 11/2014 bei schmerzhafter Bewegungseinschränkung des Handgelenkes links und als sekundäre Gesundheitsstörungen eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks, insbesondere bei Palmarflexion, die äußeren/inneren Vernarbungen bei Entfernung des Os pisiforme, sowie die Vernarbung nach Teildenervierung des Handgelenks bestehen. Entsprechend den Ausführungen des L2 sei funktional von einer Beeinträchtigung der Beweglichkeit, Schmerzen sowie einer Kraftminderung der linken Hand auszugehen. Zwar sei eine eindeutige Abgrenzung zu den Unfallfolgen vom 21.07.2014 grundsätzlich schwierig, im Ergebnis bestehe jedoch weitgehend Übereinstimmung mit dem Vorgutachter, dass die zunehmende Arthrose des Handgelenks (Radiokarpalgelenk und Ulnokarpalgelenk) sowie insbesondere die Arthrose und Instabilität des distalen Radioulnargelenks eindeutig dem Unfallereignis vom 21.07.2014 zuzuordnen seien. Insoweit geht K2 von einer durch das Ereignis vom 09.03.2010 bedingten MdE um 10 v.H. aus, welche indes immer noch unter der von der Beklagten angenommenen MdE um 15 v.H. liegt, welche auch der aktuellen Rentengewährung zugrunde liegt.
Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass diese Unfallfolgen auch den Beschwerden entsprechen, welche die Klägerin bei dem B2 im Verwaltungsverfahren vorgetragen hat (S. 4 dieses Gutachtens: „Die Klägerin hat persistierende, belastungsabhängige Schmerzen ulnarseitig am linken Handgelenk. Sie beklagt eine im Seitenvergleich bestehende Bewegungseinschränkung und Kraftminderung.“).
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt, nachdem insbesondere der zuletzt nach § 109 SGG gehörte K2 dem Gutachten seines Fachkollegen L2 explizit inhaltlich weitestgehend zugestimmt und lediglich die MdE geringfügig höher – allerdings immer noch niedriger als die Beklagte – bewertet hat. Der Senat hält weitere Ermittlungen deswegen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen und die aktenkundigen Gutachten haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO).
Sofern die L2 und K2 die MdE unterschiedlich hoch bewerten, nämlich mit 5 v.H. (L2) bzw. 10 v.H. (K2), wird hierdurch das Klagebegehren der Klägerin offenkundig nicht gestützt, weil die Beklagte der Klägerin aktuell eine Verletztenrente nach einer MdE von sogar 15 v.H. gewährt.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII). Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der MdE noch nicht abschließend festgestellt werden kann (§ 62 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben (§ 62 Abs. 2 SGB VII).
Die Bemessung der MdE wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG, Urteile vom 05.09.2006 – B 2 U 25/05 R – und vom 02.05.2001 – B 2 U 24/00 R –; juris). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG, Urteile vom 14.11.1984 – 9b RU 38/84 – und vom 30.06.1998 – B 2 U 41/97 R –, juris). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG, Urteil vom 02.05.2001 – B 2 U 24/00 R –, juris).
Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O; BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R -, juris). Die Erfahrungswerte bilden in der Regel die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, diese sind aber nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend (BSG, Urteile vom 26.06.1985 – 2 RU 60/84 –, vom 30. Juni 1998 – B 2 U 41/97 R –, vom 18.03.2003 - B 2 U 31/02 R –; juris). Die Feststellung der Höhe der MdE als tatsächliche Feststellung erfordert stets die Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R -, juris mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.05.2001 – B 2 U 24/00 R –, juris).
Neben diesen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Umständen für die Bemessung der MdE sind aus der gesetzlichen Definition der MdE sowie den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung fließende rechtliche Vorgaben zu beachten (BSG, Urteil vom 05.09.2006 – B 2 U 25/05 R – juris). Bestanden bei dem Versicherten vor dem Versicherungsfall bereits gesundheitliche, auch altersbedingte Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit (sog. Vorschäden), werden diese nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und der einhelligen Auffassung in der Literatur für die Bemessung der MdE berücksichtigt, wenn die Folgen des Versicherungsfalles durch die Vorschäden beeinflusst werden. Denn Versicherte unterliegen mit ihrem individuellen Gesundheitszustand vor Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 30.05.1988 – 2 RU 54/87 –, 211, 212; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, Ergänzungslieferung 1/20, § 56 Rn. 10.1 ff.). Dies verlangt § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die "infolge" des Versicherungsfalls eingetretene Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und die dadurch verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens maßgeblich sind.
Der Senat stellt insoweit fest, dass ausweislich der nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens vorliegenden Unfallfolgen maximal eine unfallbedingte MdE um noch 10 v.H. anzunehmen ist. Zwischen den beiden Gerichtsgutachtern L2 und K2 besteht Einigkeit (auch) dahingehend, dass die zunehmende Arthrose des Handgelenks (Radiokarpalgelenk und Ulnokarpalgelenk) sowie insbesondere die Arthrose und Instabilität des distalen Radioulnargelenks dem Unfallereignis vom 21.07.2014 zuzuordnen sind, und aufgrund des hier zu beurteilenden vorausgehenden Unfalls vom 09.03.2010 als sekundäre Gesundheitsstörung im Wesentlichen eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks vorliegt.
Nach der unfallmedizinischen Literatur ist bei einer Verletzung des Handgelenks mit Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen um 40 Grad im Regelfall eine MdE um 10 v.H. angemessen, wohingegen eine MdE um 20 bis 30 v.H. regelmäßig erst bei einem Speichenbruch mit erheblicher Achsenabknickung und Einschränkungen der Handgelenksbewegungen um insgesamt 80 Grad oder bei vergleichbaren verbliebenen Einschränkungen erreicht wird (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 581).
Bei der Klägerin liegen weder ein Speichenbruch noch eine Achsabknickung aufgrund des Ereignisses vom 09.03.2010 vor. Die Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit wird trotz teils voneinander abweichenden Bewegungsmaße von allen Gutachtern als mäßiggradig beschrieben, was sich anhand der aktenkundigen Messungen bestätigen lässt (Gesamtabweichungen links gegenüber rechts in der Handgelenksbeweglichkeit in den vier Gutachten: B2 45 und 50 Grad, L2 35 Grad, K2 70 Grad). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein wesentlicher Anteil der eingeschränkten Beweglichkeit im linken Handgelenk auf den zweiten Arbeitsunfall aus dem Jahr 2014 zurückzuführen ist, dessen Folgen hier nicht streitgegenständlich sind, wodurch sich erklärt, dass auch der von der Klägerin nach § 109 SGG benannte K2 trotz einer Gesamt-Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk von 70 Grad als Unfallfolge nur eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung annimmt. Die vorhandene Bewegungseinschränkung ist zudem zum Teil auch auf Schmerzen der Klägerin zurückzuführen. Diese sind einerseits grundsätzlich einer Behandlung zugänglich, und andererseits von der Klägerin selbst gegenüber B2 als belastungsabhängig bezeichnet worden. Daraus ergibt sich, dass die unfallbedingten Schmerzen der Klägerin kein Ausmaß erreichen, wonach allein hierdurch bereits eine höhere MdE anzunehmen wäre.
Sofern mit der Berufungsbegründung hauptsächlich Kritik an dem Gutachten von L2 und insbesondere an seinen Messergebnissen formuliert wird, berücksichtigt dies nicht, dass auch nach dem neueren Gutachten des K2 als Unfallfolge nur von einer mäßiggradigen Bewegungsminderung ausgegangen werden kann; dies wird im Übrigen auch durch die beiden vorausgegangenen Gutachten durch B2 gestützt.
Denn zum einen hat der B2 in seinem zweiten Gutachten vom 15.10.2016 eine Gesamt-MdE um 20 v.H. nur in der Gesamtschau mit den Folgeerscheinungen des zweiten Arbeitsunfalls aus dem Jahr 2014 angenommen, die hier jedoch nicht zu berücksichtigen sind. Insoweit hat B2 sein erstes Rentengutachten vom 15.12.2011 korrigiert, in welchem er noch eine MdE um 20 v.H. alleine aufgrund des Ereignisses vom 09.03.2010 angenommen hatte.
Schließlich ist zudem noch auf den Umstand hinzuweisen, dass auch bei der fiktiven Zugrundelegung einer MdE um 20 v.H. gemäß dem Gutachten des B2 aus dem Jahr 2012 – dies ist die höchste aller von ärztlicher Seite aus angenommene MdE-Bewertung im vorliegenden Verfahren – eine höhere Verletztenrente dennoch nicht gewährt werden könnte. Denn eine Abweichung der MdE-Bewertung von der Einschätzung der Verwaltung um lediglich 5 v.H. ist unzulässig, weil sich eine Abweichung um bis zu 5 v.H. innerhalb der Toleranzspanne der vorzunehmenden MdE-Bewertung bewegt (BSG, Urteil vom 07.12.1976 – 8 RU 14/76 –, BSGE 43, 53-56, SozR 2200 § 581 Nr 9, Rn. 12; Urteil vom 21.03.1974 – 8/2 RU 55/72 –, BSGE 37, 177-181, SozR 2200 § 581 Nr 1, Rn. 22). Da die MdE nach 5 v.H.-Schritten zu bemessen ist (arg. § 73 Abs. 3, Halbsatz 1 SGB VII), und eine MdE um 25 v.H. jedenfalls von keinem Gutachter vertreten wird, und auch im Übrigen bei einer leichten Bewegungseinschränkung in einem einzigen Handgelenk nicht in Betracht kommen dürfte, ist die Entscheidung des SG im Ergebnis offensichtlich nicht zu beanstanden.
Im Ergebnis gibt es damit kein ärztliches Gutachten und keine sonstige ärztliche Stellungnahme, die das Berufungsbegehren stützt, weil hierfür nach den vorangehenden Ausführungen eine MdE um 25 v.H. aufgrund des Ereignisses vom 09.03.2010 nachgewiesen sein müsste.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Festsetzung von Verschuldenskosten in Höhe von 300,00 € folgt aus § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SGG i. V. m. § 184 Absatz 2 SGG. Danach kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 für die jeweilige Instanz, also für ein Berufungsverfahren von 225,00 €.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Rechtsverfolgung ist missbräuchlich, wenn sie offensichtlich unzulässig oder evident unbegründet ist und von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 01.12.2008 - 2 BvR 2187/08). Es ist also ein ungewöhnlich hohes Maß an Uneinsichtigkeit zu verlangen (vgl. BSG, Urteil vom 12.03.1981, Az. 11 RA 30/80; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 15.12.2022 – L 6 KR 6/21 –, Rn. 33, juris). Trotz der schriftlich und mündlich erfolgten Belehrungen über die offensichtliche Aussichtslosigkeit des Begehrens, nämlich des Fehlens jeglicher das Berufungsbegehren stützender ärztlicher Stellungnahme, und trotz der weiteren Hinweise auf die mögliche Verhängung einer Missbrauchsgebühr haben die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter hier ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit gezeigt. Letzteres wird insbesondere dadurch deutlich, dass die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter in dem Termin vom 22.05.2023 auch die Ausführungen des von ihnen selbst benannten K2 nicht gelten lassen wollten, und gegen alle sachverständigen ärztlichen Auskünfte an dem Berufungsbegehren festhielten, ohne indes hierfür eine nachvollziehbare Begründung des Begehrens vorzutragen. Dabei hat sich in dem Erörterungstermin auch der Eindruck bestätigt, dass der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten die Aussichtslosigkeit der Berufung bewusst ist.
Der Senat hält deswegen in Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens die Verhängung von Verschuldenskosten für angemessen, weil ein gerichtskostenpflichtiger Kläger in einem entsprechenden Fall nicht in kostenerhöhender Weise auf ein Urteil insistieren würde. Bezüglich der Höhe der Verschuldenskosten orientiert sich der Senat am unteren Rand des möglichen Betrags. Die Klägerin bezieht neben den beiden aktenkundigen Unfallrenten nach ihrer Einlassung im Erörterungstermin eine Altersrente in Höhe von 1.500 €. Mehr ist zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Klägerin nicht bekannt. Insoweit hält es der Senat für angemessen, aber auch angezeigt, Verschuldenskosten in einer Höhe von 300,00 € aufzuerlegen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.