Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.03.2022 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen selbst.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge endgültig auf 9.107,14 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 9.107,14 Euro für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2018.
Die Klägerin ist ein Fachbetrieb für Dach, Wand und Abdichtungstechnik. Die Beklagte führte in der Zeit vom 19.08.2019 bis 08.06.2020 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch.
Die Beigeladene M1 (nachfolgend Beigeladene) gab in einem Fragebogen gegenüber der Beklagten am 16.12.2019 an, dass sie seit August 2000 die Büro- und Aufenthaltsräume reinige. Sie habe ein Putzgewerbe angemeldet. Eigene Büro- oder Geschäftsräume bestünden bis auf ein im Esszimmer integriertes Arbeitszimmer nicht. Sie beschäftige keinen Arbeitnehmer. Die Vereinbarung der vertraglichen Grundlagen sei mündlich erfolgt. Es sei keine regelmäßige Arbeitszeit vereinbart worden und sie müsse keinen Arbeitszeitnachweis führen. Die Tätigkeit werde am Betriebssitz der Klägerin verrichtet. Weisungen hinsichtlich der Ausführung ihrer Arbeit würden nicht erteilt. Ob ihre Arbeit kontrolliert werde, wisse sie nicht. Sie sei nicht berichtspflichtig und nicht in den Betriebsablauf eingegliedert. Es bestehe kein Anspruch auf bezahlten Urlaub oder für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Bei einer Erkrankung ihrerseits stelle sie keine Vertretung. Eine Erkrankung werde mitgeteilt, dies sei aber keine Pflicht. Sie sei nicht verpflichtet, die Arbeiten persönlich auszuführen, habe jedoch keine Hilfskräfte. Putzmittel würden kostenlos zur Verfügung gestellt. Sie sei nicht verpflichtet, eigenes Kapital einzusetzen. Sie habe ein Angebot für die Tätigkeit abgegeben. Ob dies in Konkurrenz zu anderen erfolgt sei, wisse sie nicht. Ihr unternehmerisches Risiko bestehe im Kauf von Putz- und Arbeitsmitteln und dem Verlust des Verdienstes bei Urlaub und Krankheit. Sie habe mehrere Auftraggeber und einen eigenen Kundenstamm. Sie hafte dem Auftraggeber bei Schäden und Schlechtleistungen durch eine Haftpflichtversicherung sowie Nachbesserung. Die Zahlung erfolge monatlich nach Rechnungsstellung. Sie werde zur Einkommenssteuer veranlagt. Von der Umsatzsteuer sei sie als Kleinunternehmerin nach § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) befreit.
Zudem befinden sich eine Rechnung vom 30.09.2019 über Putzarbeiten für den Monat September 2019 in Höhe von 542,75 Euro zu einem Stundenlohn von 13 Euro, eine Buchungsübersicht über die Zahlungen der Klägerin an die Beigeladene für die Jahre 2015 und 2016, eine Kundenliste der Beigeladenen sowie eine Gewerbeanmeldung der Beigeladenen vom 27.12.1999 in den Akten.
Die Klägerin teilte in einem Fragenbogen gegenüber der Beklagten am 10.12.2019 mit, dass die Beigeladene die Büro- und Sozialräume reinige und die Auftragsbedingungen mündlich festgelegt worden seien. Es sei eine regelmäßige Arbeitszeit vereinbart worden. Zeitnachweise seien nicht zu führen. Bezüglich der Ausführung seien Weisungen erteilt worden. Die Arbeit werde kontrolliert. Es bestehe kein Anspruch auf Urlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die Arbeiten seien nicht höchstpersönlich zu erbringen. Putzmittel seien kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Die Beigeladene trage ein eigenes unternehmerisches Risiko. Sie habe die Preise selbst gestalten können. Bezüglich der Frage nach der Haftung gegenüber Schäden oder Schlechtleistungen teilte die Klägerin mit, dass kein Risiko bei Reinigungsarbeiten bestehe. Die Zahlungen erfolgten monatlich.
Mit Schreiben vom 19.02.2020 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 10.684,20 Euro an. Im Rahmen der Betriebsprüfung seien Beiträge in Höhe von 11.899,02 Euro nacherhoben worden, wobei 1.215 Euro zu viel gezahlt wurden, die in Abzug zu bringen seien. Die Prüfung habe ergeben, dass die Tätigkeit der Beigeladenen als sozialversicherungspflichtig einzustufen sei. Die Arbeiten seien mit Putzmitteln der Klägerin durchgeführt worden. Eigene Betriebsmittel habe sie nicht gehabt, sodass eine Eingliederung in die Betriebsorganisation vorliege. Darüber hinaus seien die Arbeiten durch die Klägerin festgelegt und kontrolliert worden und es seien regelmäßige Anwesenheits- und Abwesenheitszeiten einzuhalten gewesen, sodass ein Weisungsrecht bestanden habe. Daneben habe auch kein unternehmerisches Risiko bestanden, da die Vergütung nach einem festen Stundensatz in Höhe von 13 Euro erfolgt sei, der zudem einer Entlohnung eines Arbeitnehmers entspreche. Ein schriftlicher Vertrag sei nicht abgeschlossen worden und die Rechnungen würden nicht den Buchführungs- und Nachweispflichten eines Unternehmens genügen. Im Weiteren habe ein Befreiungsantrag des auf geringfügiger Basis angestellten W1 gefehlt, sodass die Rentenversicherungsbeiträge nachberechnet würden. Bei den Beschäftigen B1 und C1. habe ein Nachweis über die Elterneigenschaft nicht vorgelegen, sodass der Beitragszuschlag für Kinderlose nacherhoben werde. Für G1 seien ebenso Beiträge nach zu erheben, da die kurzfristige Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt worden sei. Ebenso seien auf die Kostenübernahme des Strafzettels, da es sich um einen geldwerten Vorteil handele, Beiträge nachzuberechnen. Bezüglich J1 fehle es an einem Nachweis für den Kindergartenzuschuss, sodass ebenso Beiträge nachzuberechnen seien.
Der Prozessbevollmächtige der Klägerin nahm mit Schreiben vom 27.05.2020 Stellung und führte aus, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit nicht selbst habe erbringen müssen. Sie habe über einen eigenen Schlüssel für die Büroräume verfügt und die Tätigkeit daher zu ihr passenden Zeiten durchführen können. Dass diese außerhalb der Bürozeiten stattzufinden hatten, führe zu keiner anderen Wertung, da dies regelmäßig so gehandhabt werde, um die Arbeit nicht zu stören. Auch habe sie teilweise Reinigungsgeräte benutzt, die sie sich selbst angeschafft habe (Fensterreiniger, Dampfreiniger). Allein die Verwendung von Arbeitsmitteln der Klägerin führe jedenfalls nicht zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung, wie sich auch in der Rechtsprechung zeige. Darüber hinaus habe sie auch Aufträge ablehnen können. Allein die Vereinbarung eines Stundensatzes sei zudem ebenso kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Die Beigeladene habe ferner einen eigenen Kundenstamm besessen, Werbung betrieben und habe ein Unternehmerrisiko, etwa im Falle von Gewährleistungsansprüchen.
Mit Bescheid vom 10.06.2020 forderte die Beklagte von der Klägerin eine Nachforderung in Höhe von 10.684,20 Euro. Die Tätigkeit der Beigeladenen sei als abhängige Beschäftigung einzustufen. Sie habe in der Betriebsstätte der Klägerin gearbeitet und sich an die dortigen Gegebenheiten eingerichtet. Sie habe keine eigenen Betriebsmittel eingesetzt. Der Einsatz von eigenem Werkzeug und Kleingeräten sei auch für Arbeitnehmer nicht unüblich. Ein wesentlicher Einsatz eigenen Kapitals zur Anschaffung des Fensterreinigers oder des Dampfreinigers als Ausdruck unternehmerischen Risikos könne darin nicht gesehen werden. Ferner habe keine freie Tätigkeit vorgelegen, da der Inhalt der Tätigkeit festgestanden habe. Es handele sich um einfachste, routinemäßig sich wiederholende Arbeiten, die in der Regel von abhängig Beschäftigten ausgeübt
werden würden. Zudem habe eine Weisungsgebundenheit vorgelegen.
Der Prozessbevollmächtige der Klägerin legte am 08.07.2020 Widerspruch ein und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Einordnung der Beigeladenen als Beschäftigte fehlerhaft sei. Die Beigeladene sei weder in den Betrieb der Klägerin eingegliedert noch habe sie Weisungen erhalten. Sie sei als Selbstständige zu qualifizieren. Allein der Einsatz des Fensterreinigers und des Dampfreinigers würden zeigen, dass sie einen eigenen Spielraum gehabt habe, da sie diese nach eigenem Ermessen eingesetzt habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2020 als unbegründet zurück. Es lägen keine schriftlichen Verträge vor, so dass bei der Beurteilung auf die mündlichen Vereinbarungen bzw. die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen sei. Dass die Tätigkeit der Beigeladenen lediglich mündlich vereinbart worden sei, schließe eine abhängige Beschäftigung nicht aus. Vorliegend spreche die nur mündliche Vereinbarung allerdings eher gegen eine selbständige Tätigkeit, denn üblicherweise werde außerhalb von Privathaushalten bei der Vergabe von Reinigungstätigkeiten an selbständige Unternehmer wegen des fehlenden Weisungsrechts genau und schriftlich geregelt, welche Tätigkeiten in welchen Intervallen zu verrichten seien und eine feste Vergütung für die auszuführenden Arbeiten vereinbart (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2015 – L 11 R 2083/15).
Es sei nicht vom Vorliegen eines Unternehmerrisikos auszugehen. Die Beigeladene habe letztlich nur ihre Arbeitskraft und keine wesentlichen Arbeitsmittel mit der ungewissen Aussicht darauf, Einnahmen zu erzielen, eingesetzt. Dass sie einen Fenster- und Dampfreiniger angeschafft habe, sei hierbei nicht entscheidungserheblich, da es sich nicht um Investitionen in Betriebsmittel handele, die von wesentlicher und damit entscheidungserheblicher materieller Bedeutung seien. Die Belastung mit Risiken im Zusammenhang mit der Verwertung der eigenen Arbeitskraft spreche nur dann für Selbständigkeit, wenn ihr größere Freiheiten bei der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüberstünden. Dies sei vorliegend erkennbar nicht der Fall, da auf Stundenlohnbasis abgerechnet worden sei und schon deshalb nicht die Gefahr bestanden habe, Arbeitsleistung ohne einen Gegenwert in Geld zu erbringen. Nach Aktenlage habe die Beigeladene die ihr übertragenen Reinigungsarbeiten in einem Umfang von monatlich 10-12 Stunden ausgeführt, so dass sie sich des entsprechenden Entgelts habe sicher sein können. Die Vergütung sei weder erfolgs- noch leistungsbezogen gewesen. Ein unternehmerisches Risiko im vorbeschriebenen Sinne liege nicht vor. Im Hinblick auf die Höhe der Stundenvergütung von 13 Euro sei anzumerken, dass diese der einer aus einer abhängigen Beschäftigung resultierenden Vergütung entspreche. Soweit ausgeführt wurde, die Beigeladene hätte zur Arbeitserledigung eigenes oder anderes selbständiges Personal mitbringen können, verfange dies nicht. Sie hätte 13 Euro Stundenlohn bekommen, gleichgültig ob sie die Arbeit selbst verrichtete oder von anderen verrichten ließ. Eine Beschäftigung von anderen Personen durch die Beigeladene bzw. eine Ausdehnung ihrer Geschäftsaktivitäten sei angesichts der Vergütungshöhe nicht möglich. Die Beigeladene sei auch weisungsgebunden gewesen. Würden einfache, typische Arbeitnehmertätigkeiten, die der Beschäftigte ohne nennenswerte eigene Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigten ausübe, ohne die Möglichkeit einer individuellen Erledigung der Arbeitsleistung erbracht, spreche dies für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Ein weiteres bedeutsames Kriterium für eine abhängige Beschäftigung sei vorliegend, dass die Beigeladene die Arbeitsleistung persönlich erbracht und darüber hinaus auch keine eigenen Beschäftigten gehabt habe.
Der Prozessbevollmächtigte hat am 30.11.2020 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen das Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Insbesondere der Umstand, dass die Beigeladene die Leistungen nicht in Person habe erbringen müssen, spreche für eine selbstständige Tätigkeit. Zudem sei sie finanziell in der Lage gewesen, Beiträge zu einer privaten Rentenversicherung und Beiträge zu einer Kranken- und Pflegeversicherung über Jahre hinweg zu tragen, sodass aus dem vereinbarten Stundenlohn nicht auf eine abhängige Beschäftigung geschlossen werden könne. Eine fehlende Betriebsstätte führe ebenfalls nicht zu einer anderen Wertung, da die Tätigkeit der Beigeladenen betriebsmittelarm sei. Zudem sei der Stundenlohn höher als der gesetzliche Mindestlohn. Die Beigeladene habe auch einen eigenen Schlüssel gehabt. Sie habe daher selbst entscheiden können, wann sie die Reinigung durchführe. Auch habe sie nach eigenem Ermessen entschieden, wann welcher Bereich zu reinigen gewesen sei und ob gewisse Elemente der Büros, wie Heizkörper, Fenster oder Teppiche, auch zu späterer Zeit gereinigt werden sollten. Auch habe die Beigeladene eigene Putzmittel durch den Dampfreiniger und das Fensterputzgerät eingesetzt. Hierdurch habe sie auch ihr Geschäftsfeld erweitern können und sich neue Einnahmemöglichkeiten bei der Klägerin, aber auch bei anderen Auftraggebern verschaffen können. Der Prozessbevollmächtigte hat Unterlagen über zwei private Rentenversicherungen der Klägerin, die Kranken- und Pflegeversicherung als nebenberufliche Selbstständige bei der A1 BKK, Beitragsbescheide der Handwerkskammer H1 sowie Urteile des BAG vom 21.05.2019 – AZR 295/18, des BGH vom 18.07.2019 – 5 StR 649/18, des LSG Baden-Württemberg vom 08.08.2019 – L 7 BA 3027/18 sowie vom 24.02.2015 – L 11 R 5165/13 vorgelegt.
Die Beklagte hat zur Klageerwiderung auf den Akteninhalt und die Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen. Der Umstand, dass die Beigeladene einen Schlüssel für die Betriebsräume gehabt habe, spreche eher für eine Beschäftigung. Auch die Mitgliedschaft in der Handwerkskammer sage nichts über den Status aus. Die weiter vorgelegten Unterlagen über private Alters- und Krankenvorsorge würden eindrücklich zeigen, dass das Einkommen der Beigeladenen gerade nicht für die angemessene Finanzierung ihres Lebens und der sozialen Absicherung ausreiche.
Die Bundesagentur für Arbeit hat auf Anfrage des SG mit Schreiben vom 08.03.2021 sowie die A1 BKK mit Schreiben vom 15.04.2021 mitgeteilt, dass jeweils kein Antrag auf Beiladung nach § 75 Abs. 2b Satz 1 SGG gestellt werde.
Das SG hat mit Beschluss vom 20.04.2021 M1 zum Verfahren beigeladen.
Das SG hat die Beigeladene sowie den Geschäftsführer der Klägerin L1 in der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2022 befragt.
Das SG hat mit Urteil vom 03.03.2022 antragsgemäß den Bescheid vom 10.06.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2020 insoweit aufgehoben, als er eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen über 1.576,88 Euro festlegt. Zudem hat das SG die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Beklagten auferlegt. Nach den Ausführungen der Beteiligten im Klageverfahren könne das SG weder eine Weisungsgebundenheit noch eine tiefergehende Eingliederung in den Geschäftsbetrieb der Klägerin erkennen. Sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene hätten im Rahmen der mündlichen Verhandlung glaubwürdig ausgeführt, dass die Beigeladene autonom gehandelt habe. Das SG verkenne hierbei nicht, dass bei niederen Arbeiten wie Putzen nur eine geringe Einweisung vonnöten sei und sich die selbständige Durchführung der Tätigkeit (d.h. die Entscheidung über die Handhabung des Putzvorgangs) quasi aus der Tätigkeit selbst ergebe. Das Gesetz gebe aber keinen Anhalt, dass die selbständige Durchführung von niederen Arbeiten a priori nicht möglich sei, zumal sowohl der Geschäftsführer der Klägerin als auch die Beigeladenen übereinstimmend und schlüssig gegenüber der Kammer dargelegt hätten, dass die Beigeladene auch jeweils selbst habe entscheiden können, welche Putztätigkeiten sie ausübe. Für eine Eingliederung in den Betrieb könne auch nicht der Umstand herangezogenen werden, dass die Beigeladene einen eigenen Schlüssel für die Räumlichkeiten der Klägerin gehabt habe. Denn zum einen sei dies den Arbeitszeiten der Beigeladenen, die hauptsächlich samstags und (unregelmäßig) abends tätig geworden sei, geschuldet und zum anderen habe die Beigeladenen mitgeteilt, dass sie von allen ihren Auftraggebern einen Schlüssel gehabt habe.
Für eine Eingliederung in den Betrieb spreche zwar die Tatsache, dass die Beigeladene die Putzmittel von der Klägerin gestellt bekommen habe, jedoch habe sie auch eigene Gerätschaften, wie einen Dampfreiniger sowie einen Fensterreiniger angeschafft und dort verwendet. Dass die Beigeladene ihre Preise nach der Anschaffung der Geräte nicht geändert habe, vermöge ggf. betriebswirtschaftlich nicht ganz nachvollzogen werden können, jedoch führe dies allein nicht zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Gleiches gelte bezüglich der gestellten Putzmittel. Denn auch wenn die Beigeladene gelegentlich ihre eigenen Putzmittel genutzt habe, wenn etwa die Putzmittel der Klägerin leer gewesen seien, und sie diese der Klägerin nicht in Rechnung gestellt habe, sei letzteres für die Kammer zumindest insofern nachvollziehbar, als von den Putzmitteln pro Putzvorgang in der Regel nur kleinen Mengen benötigt würden und diese lediglich einen geringen Betrag kosteten. Die Tatsache, dass die Beigeladene ihren Arbeitsort nicht habe frei wählen können, führe jedenfalls nicht zu einer Eingliederung in den Betrieb. Es sei vielmehr einer Putztätigkeit immanent, dass diese nur in den Räumlichkeiten des Auftraggebers durchgeführt werden könne.
Im Weiteren vermöge das SG auch kein Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer und Art der Ausführung zu erkennen. Sowohl die Klägerin als auch die Beigeladenen hätten glaubhaft ausgeführt, dass eine Kontrolle – bis auf eine reine Sichtkontrolle bzw. der Wahrnehmung von geputzten Räumen – der Tätigkeit der Beigeladenen nicht stattgefunden habe. Soweit die Klägerin im Fragebogen der Beklagten angegeben habe, dass eine Kontrolle stattfinde und Weisungen erteilt würden, sei dies einem Missverständnis geschuldet. Indessen habe der Geschäftsführer der Klägerin glaubhaft ausgeführt, dass er keine Einblicke darin gehabt habe, welche Tätigkeiten die Beigeladene auszuführen hatte, und er ihr quasi nur die „Weisung“ erteilt habe, zu putzen. Die von ihm durchgeführte Kontrolle habe sich lediglich auf die Wahrnehmung der Tatsache beschränkt, dass die Räumlichkeiten geputzt worden waren. So habe der Geschäftsführer der Klägerin etwa dargelegt, dass die Beigeladene selbst gesehen habe, wenn etwas zu putzen gewesen sei. Ein Weisungs- oder Kontrollrecht, wie bei einem abhängigen Beschäftigten, habe daher gerade nicht vorgelegen. Im Weiteren habe es auch keine festen Arbeitszeiten für die Beigeladene gegeben. Indessen habe die Befragung im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen aufgezeigt, dass die Beigeladene über ihre eigene Arbeitskraft frei verfügen konnte und ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten konnte. So habe sie die Tage, an denen sie bei der Klägerin geputzt habe, selbst gewählt und habe ihre Tätigkeit auch mit ihren anderen Auftraggebern koordinieren müssen. Zu beachten sei hierbei insbesondere der Umstand, dass die Beigeladene neben der Tätigkeit bei der Klägerin insgesamt drei bis sechs weitere Auftraggeber gehabt habe. Eine solche Anzahl von Beauftragungen sei in Beschäftigungsverhältnissen (mit entsprechendem Weisungsrecht der Arbeitgeber im Hinblick auf die zeitliche Anwesenheitspflicht) nicht leistbar.
Der lediglich geringe Kapitaleinsatz vermöge hingegen nicht für eine abhängige Beschäftigung zu sprechen. Dass ein Ein-Mann-Unternehmen im Reinigungsbereich nur wenig Kapitaleinsatz benötige, sei branchenbedingt, so dass hieraus auch das geringe unternehmerische Risiko der Beigeladenen folge. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche neben der freien Gestaltung der Tätigkeit auch der Stundenlohn von 13 Euro. Zwar sei der Beklagten insofern zuzustimmen, als dieser Stundenlohn für eine selbstständige Tätigkeit nicht derart hoch sei, dass hierdurch mit Gewissheit eine ausreichende private Daseinsvorsorge geschaffen werden könne, jedoch sei er gegenüber dem branchenüblichen Stundenlohn deutlich erhöht. Denn dieser habe im Jahr 2022 bei 11,55 Euro bis 12,11 Euro pro Stunde gelegen, wobei insofern davon auszugehen sei, dass er im vorliegenden Prüfzeitraum von Januar 2015 bis Dezember 2018 noch deutlich niedriger gewesen sei. Mit dieser Vergütung sei zumindest eine gewisse unternehmerische Chance gegeben, mit dem Arbeitseinsatz einen höheren Verdienst zu erlangen als in einer abhängigen Beschäftigung. Ferner habe die Beigeladene in Übereinstimmung mit der Klägerin angegeben, dass die Beigeladene den Preis selbst bestimmt habe. Im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses lege jedoch der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer den Stundenlohn fest, sodass dieser Umstand für eine Selbstständigkeit spreche. Ferner spreche auch die Abrechnung für eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen. Diese habe ihre Stunden selbstständig aufgelistet und diese dann gegenüber der Klägerin in Rechnung gestellt. Hierbei habe sie – wie sich auch den Überweisungen entnehmen lasse – unterschiedliche Beträge abgerechnet. Es sei daher im streitgegenständlichen Prüfzeitraum von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 14.03.2022 zugestellte Urteil am 12.04.2022 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG ergebe sich die Eingliederung in den Betrieb aufgrund der eigenverantwortlichen Erledigung von Arbeiten nach Arbeitsanfall. Die Verteilung der Arbeitszeit sei frei erfolgt, wobei sie außerhalb der Bürozeiten gelegen habe. Die Freiheit bezüglich der Arbeitszeit habe folglich nur innerhalb der vorgegebenen betrieblichen Ordnung bestanden. Eine fehlende inhaltliche Einzelzuweisung führe auch nicht dazu, dass keine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin vorgelegen habe, zumal die Tätigkeit der Beigeladenen nicht von komplizierten oder sich häufig ändernden Arbeitsabläufen geprägt gewesen sei. Der Inhalt der Tätigkeit der Beigeladenen habe festgestanden, nämlich die Reinigung der ihr zugewiesenen Räume und die Sicherstellung der vereinbarten Sauberkeit. Ihr sei kein Spielraum belassen worden, der quantitativ oder qualitativ von dem abweiche, was von einem Arbeitnehmer erwartet werde. Soweit vom Gericht ausgeführt werde, die Reinigung der Fenster sei nach Wetterlage und der Sanitäranlagen wöchentlich erfolgt, verfange dies nicht. Diese Tätigkeiten seien nicht von den sonstigen Reinigungsarbeiten zu trennen. Dass die Beigeladene im Besitz eines Schlüssels zu den Betriebsräumlichkeiten der Klägerin gewesen sei, spreche nicht für eine selbständige Tätigkeit. Zwar ermögliche der freie Zugang zu den Betriebsräumen tendenziell eine von den Bürozeiten und Anwesenheitszeiten von Mitarbeitenden der Klägerin unabhängige Ausübung der Tätigkeit, andererseits spreche aber der Besitz eines Schlüssels eher für eine enge Bindung an den Auftraggeber. Weisungen der Klägerin seien nicht erfolgt.
Entgegen den Ausführungen des SG spreche für eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen ebenfalls nicht, dass sie eigene Gerätschaften, wie einen Dampfreiniger sowie einen Fensterreiniger, benutzt habe. Der Einsatz von eigenen Kleingeräten sei auch für Arbeitnehmer in handwerklichen Berufen nicht unüblich, erst recht, wenn diese auch für private Zwecke genutzt werden könnten. Im Übrigen sei ein Nachweis über die getätigten Anschaffungen der Gerätschaften nicht vorgelegt worden. Entscheidend sei, dass die Beigeladene für die Aufwendungen für Putzmittel ebenfalls kein Risiko zu tragen gehabt habe. Daran ändere auch die gelegentliche Nutzung eigener Putzmittel ohne Inrechnungstellung, wenn etwa die Putzmittel der Klägerin leer gewesen seien, nichts. Ein wesentlicher Einsatz eigenen Kapitals zur Anschaffung von Betriebsmitteln als Ausdruck unternehmerischen Risikos könne darin nicht gesehen werden. Ob tatsächlich Einzelweisungen hinsichtlich der Art der Ausführung der Arbeiten erteilt worden seien, sei ohne Belang, weil von einem entsprechend seiner Aufgabe qualifizierten Arbeiter erwartet werden könne, dass er die ihm übertragenen Tätigkeiten eigenverantwortlich ohne gezielte Kontrolle und Anleitung zur Zufriedenheit des Dienstgebers verrichte.
Der eingeräumten Möglichkeit, Aufträge von Dritten anzunehmen bzw. Aufträge der Klägerin abzulehnen, sei vorliegend bei der Gesamtwürdigung kein hohes Gewicht beizumessen, denn für die Beigeladene habe sich die Situation vor Annahme eines Auftrags letztlich nicht anders dargestellt als für einen Arbeitssuchenden, dem es ebenfalls freistehe, eine ihm angebotene (ggf. befristete Teilzeit-) Arbeitsgelegenheit anzunehmen oder nicht. Ein Arbeitsverhältnis könne auch dann vorliegen, wenn der Mitarbeiter selbst bestimmen könne, dass er an bestimmten Tagen nicht zur Verfügung stehe oder wenn er bestimmte Einsätze ablehnen könne (BAG – 5 AZR 402/93). Auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen seien Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Arbeitnehmer überließen, ob er im Anforderungsfall tätig werden wolle oder nicht (z.B. Tätigkeit bei Abruf, Tagelöhner oder in Vertretungsfällen). Zugleich hätten jedenfalls Teilzeitbeschäftigte die Möglichkeit, in nennenswertem Umfang nebeneinander für mehrere Arbeitgeber tätig zu sein. Auch solche Beschäftigte müssten angebotene Beschäftigungen ablehnen, wenn sich Arbeitszeiten überschneiden würden oder gesetzliche Arbeitsgrenzen erreicht seien. Im Übrigen sei auch hierfür ein Nachweis bspw. über den zeitlichen Umfang der Tätigkeiten bei den anderen Auftraggebern in Form eines schriftlichen Vertrags oder ähnlichem nicht vorgelegt worden. Der Feststellung des SG, dass eine Anzahl von drei bis sechs Beauftragungen nicht im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen leistbar sei, könne sich die Beklagte daher nicht anschließen.
Fraglich sei auch, ob im Falle der Beigeladenen die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt worden sei, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss gewesen sei. Das Unternehmerrisiko unterscheide sich vom Risiko eines abhängig Beschäftigten dadurch, dass möglicherweise nicht nur keine Einnahmen erzielt würden (Arbeitsplatzverlust), sondern trotz fehlender Aufträge noch erhebliche Aufwendungen gemacht werden müssten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2004 – L 4 KR 3083/02 –, juris). Die Beklagte verkenne nicht, dass es durchaus selbständige Tätigkeiten im Dienstleistungssektor gebe, die keine nennenswerten Investitionen erforderten, weil die Dienstleistung ohne Betriebsmittel erbracht werden könne, etwa Beratungsleistungen. In solchen Fällen möge der fehlende Kapitaleinsatz nicht ausschlaggebend sein. Vorliegend liege der Fall aber anders. Ein Reinigungsunternehmen könne in der Regel nicht geführt werden, ohne dass die nötigen Putzgerätschaften sowie Putzmittel bereitgehalten würden. Bis auf den genannten Dampf- und Fensterreiniger habe die Beigeladenen keine Investitionen getätigt. Vorliegend sei dies als gewichtiges Indiz für eine abhängige Beschäftigung zu werten. Zudem sei ein unternehmerisches Risiko nicht erkennbar. Die Beigeladene habe der Klägerin lediglich ihre eigene Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Auch der Erfolg des Einsatzes der persönlichen Arbeitskraft sei für die Beigeladene nicht ungewiss gewesen. Das Risiko, bei fortlaufenden Kosten für Krankenversicherung und Altersvorsorge aufgrund der Vertragsgestaltung keine gesicherten Einkünfte zu haben, führe aber noch nicht zur einer selbständigen Tätigkeit. Zum echten Unternehmerrisiko werde dieses erst dann, wenn bei Auftragsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt werde, sondern zusätzlich auch Kosten für betriebliche Investitionen oder Arbeitnehmer anfallen oder früher getätigte Investitionen brachliegen würden. Solche Fixkosten habe die Beigeladene nicht gehabt. Eigene Betriebsmittel oder eigenes (Wagnis-)Kapital in nennenswertem Umfang habe sie nicht eingesetzt. Fehlende Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder im Urlaub begründe ebenfalls kein unternehmerisches Risiko. Das Ausschließen von Arbeitnehmerrechten mache aus einer abhängigen Beschäftigung keine selbständige Tätigkeit.
Gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit spreche ferner die Vereinbarung einer zeitabhängigen – im Gegensatz zu einer erfolgsabhängigen – Vergütung. Der Vergleich des SG des Stundenlohns von 13 Euro mit einem branchenüblichen Stundenlohn von beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen im Berufsfeld Helfer/in - Reinigung schlage fehl. Der gezahlte Stundenlohn von 13 Euro entspreche in etwa dem Entgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und sei nicht so hoch, dass dieser eine auskömmliche kranken-, pflege- und rentenversicherungsrechtliche Eigenvorsorge zugelassen hätte, zumal die Beigeladene ausgeführt habe, den Stundenlohn von Zeit zu Zeit gegenüber der Klägerin erhöht zu haben. Darüber hinaus betreffe die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen durch Rechnung formale Äußerlichkeiten der Entgeltzahlung und sei für die materielle Einstufung des Entgelts als Arbeitsentgelt oder Unternehmervergütung nicht ausschlaggebend. Es lägen daher überwiegende Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 03.03.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin hat zur Berufungserwiderung vorgetragen, dass die Berufung unzulässig sei, da sie nicht schriftlich und damit formgerecht gemäß § 151 SGG eingelegt worden sei. Das Berufungsschreiben vom 12.04.2022 enthalte am Ende den Zusatz „Dieses Schreiben ist maschinell erstellt und daher nicht unterzeichnet. B2“. Im Übrigen sei die Berufung unbegründet. Die Anpassung der Beigeladenen an die organisatorischen Vorgaben der Klägerin sei Sachzwängen geschuldet. Der Beigeladenen habe die Reinigung der Büroräume der Klägerin oblegen. Um den Betriebsablauf nicht zu stören, sei es daher erforderlich gewesen, dass sie außerhalb der betrieblichen Arbeitszeiten tätig wurde. Dies sei bei derartigen Reinigungsleistungen, sowohl bei der Klägerin als auch in vielen anderen Betrieben im Bürobereich, regelmäßig der Fall. Es liege zudem auch keine personelle Eingliederung vor. Von einer personellen Eingliederung sei etwa dann zu reden, wenn die betroffene Person ihre Leistung in Zusammenarbeit mit Arbeitnehmern des Auftraggebers erbringe. Die Beigeladene habe nicht mit Arbeitnehmern der Klägerin zusammengearbeitet, sondern ihre Leistung gerade dann erbracht, wenn keine Arbeitnehmer der Klägerin zugegen gewesen seien. Die Beigeladene habe keine Weisungen der Klägerin erhalten. Selbst die Beklagte trage keinerlei Weisungen vor, die gegenüber der Beigeladenen seitens der Klägerin erteilt worden sein sollen. Die Beklagte trage für das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung die objektive Beweislast. Die Bereithaltung von Putzmitteln und Gerätschaften durch die Beigeladene belege auch, dass diese keine Arbeitnehmerin gewesen sei. Bei einem Arbeitsverhältnis sei nämlich alleine die Klägerin verpflichtet gewesen, Putzmittel bereitzustellen. Stelle sie diese nicht bereit, hätte die Beigeladene als Arbeitnehmerin ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können. Zurückzuweisen sei auch die Behauptung, dass die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber bei Teilzeitbeschäftigten nicht unüblich sei. Dies sei unzutreffend. So habe beispielsweise das LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 08.08.2019 a.a.O. unter Rdnr. 62 ausgeführt und mit Zahlen untermauert, dass es auch keineswegs üblich sei, dass Arbeitnehmer mehrere Arbeitgeber hätten. Vielmehr entspreche es der Regel, dass Arbeitnehmer jeweils nur einen Arbeitgeber hätten. Gänzlich unüblich sei es hingegen, dass Arbeitnehmer drei bis sechs Arbeitgeber hätten. Im vorliegenden Fall zeige sich dies ganz deutlich auch daran, dass die Erbringung von Leistungen gegenüber von bis zu sechs Auftraggebern eine erhebliche Planung und Organisation seitens der Leistungserbringerin erfordere. Sie müsse verschiedene Interessen und zeitliche Wunschvorstellungen der Auftraggeber miteinander vereinbaren. Gegebenenfalls müsse sie, falls bei Privathaushalten kurzfristig zeitliche Änderungen einträten, hier schnell und flexibel reagieren können. Auch sei es unerheblich, dass die Beigeladene keine zusätzlichen Fixkosten für betriebliche Investitionen oder Arbeitnehmer gehabt habe. Dies sei nicht erforderlich. So sei bereits dargelegt worden, dass es sich bei dem Betrieb der Beigeladenen um einen betriebsmittelarmen Betrieb gehandelt habe. Betriebliche Investitionen seien daher nicht erforderlich. Ebenso seien Selbstständige nicht verpflichtet, Arbeitnehmer einzustellen. Auch sei es im Rahmen der Vertragsbeziehung der Parteien so gewesen, dass die Beigeladene sich selbst darum gekümmert habe, dass die Reinigungsleistung erbracht worden sei. Hierfür habe sie bei Verhinderung Lösungen angeboten und sich die Arbeit so eingeteilt, dass es hier nicht zu Problemen mit dem Auftraggeber gekommen sei.
Zuzugeben sei der Beklagten zwar, dass der Stundensatz von 13 Euro als niedrige Vergütung zu qualifizieren sei. Allerdings sei auch zu berücksichtigen, dass die Löhne im Reinigungsgewerbe nicht so hoch seien. Wenn man zudem bedenke, dass die Sozialabgaben etwa 40% des Lohnes ausmachten und damit eine Absicherung des Arbeitnehmers gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit und für die Rente als ausreichend vom Gesetzgeber angesehen werde, ergebe sich daraus im Umkehrschluss, dass keine hohe Vergütung erforderlich sei, um für eine ausreichende Altersvorsorge sorgen zu können. Entscheidend sei aber, dass die Ansicht der Beklagten verkenne, dass die Vergütung von 13 Euro je Stunde auf Seiten der Beigeladenen ihre betriebswirtschaftliche Berechtigung haben könnte. Die Beigeladene habe sich einen Plan erstellt, um die Bedürfnisse von bis zu sechs Auftraggebern bedienen zu können. Hinsichtlich der Klägerin sei es so gewesen, dass sie dort stets nach Feierabend und am Wochenende ihre Leistung erbringen konnte. Dies habe der Beigeladenen zeitliche Flexibilität gegeben, um ihre anderen Auftraggeber bedienen zu können. Es sei daher nicht auszuschließen, dass die Beigeladene die geringere Vergütung von 13 Euro als betriebswirtschaftlich sinnvoll anerkannt habe, weil sie durch diese Tätigkeit zwar eventuell weniger als bei anderen Auftraggebern verdient habe, dafür jedoch zeitlich sehr flexibel tätig werden konnte. Auch dies wäre dann wieder Ausdruck eines unternehmerischen Risikos, nämlich die eigene Arbeitskraft auf Risiko mit Gewinn oder Verlust einzusetzen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Beigeladene die Preise selbst festgesetzt habe. Der geringe Stundensatz könne zudem auch der Tatsache geschuldet sein, dass die Beigeladene bei der Klägerin unter keinem Zeitdruck gestanden habe, ihre Leistung innerhalb eines gewissen Zeitrahmens zu erbringen. Vielleicht habe sie ihre Leistungen auch in dem ihr genehmen Arbeitstempo erbringen, also die Reinigung etwas ruhiger angehen können und habe daher für den dadurch entstandenen höheren Zeitaufwand die geringe Stundenvergütung angesetzt. Auch die Vergütung der Beigeladenen sei somit kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung und könne durchaus auch der organisatorischen Planung ihrer Dienstleistung und dem unternehmerischen Risiko geschuldet sein.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 12.10.2022 vorgetragen, dass mit Inkrafttreten der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung) die Datenstelle der Rentenversicherung für jeden Träger der Rentenversicherung jeweils ein eigenes besonderes elektronisches Behördenpostfach (beBPo) beantragt und eingerichtet habe. Seitdem sei die authentifizierte rechtsverbindliche Kommunikation und der Austausch von Dokumenten auf sicherem elektronischem Weg über ein beBPo mit den Sozialgerichten erfolgt. Mit der individuellen SAFE-ID könne sich der registrierte Kommunikationspartner als Empfänger und Sender von EGVP-Nachrichten gegenüber der Justiz ausweisen. Da die Berufung nicht in Papierform, sondern über das besondere elektronisches Behördenpostfach übermittelt worden sei, für das die vertretungsberechtigte Beamtin wirksam und rechtsverbindlich authentifiziert sei, leide die prozessuale Handlung hier nicht an einem Formfehler. Auf das Beifügen eines unterzeichneten Beglaubigungsvermerks könne verzichtet werden. Hilfsweise werde auf den BGH-Beschluss vom 24.11.2009 (VI ZB 36/09 DRsp Nr. 2009/28082) Bezug genommen, wonach das Fehlen der Unterschrift auf der Berufungs- und Begründungsschrift ausnahmsweise entfallen könne, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergebe, dass Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen. Im Übrigen werde auf das Berufungsschreiben vom 12.04.2022 verwiesen, in dem, entgegen den Ausführungen der Klägerin, der vollständige Name sowie die Kontaktdaten der vertretungsberechtigen Beamtin hervorgingen.
Ein eigenes Unternehmerrisiko sei weiterhin nicht erkennbar. Die Arbeitsmittel (Putzmittel) habe die Klägerin zur Verfügung gestellt. Sofern, wie bei der mündlichen Verhandlung vorgetragen, eigene Putzmittel verwendet worden seien, sei dies der Klägerin nicht - wie bei Reinigungsunternehmen üblich - in Rechnung gestellt worden bzw. Nachweise hierzu seien nicht vorgelegt worden. Würden einer allein arbeitenden Reinigungskraft die für die Reinigung notwendigen Arbeitsmittel gestellt, werde diese arbeitnehmer- und nicht unternehmertypisch tätig. Sie setze allein ihre Arbeitskraft ein und erbringe einfache Arbeitsleistungen, die typischerweise unter dem Schutz der Sozialversicherung erbracht werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.06.2016 – L 5 R 3039/15). Soweit die Klägerin behaupte, dass die Vergütung von 13 Euro je Stunde ihre betriebswirtschaftliche Berechtigung habe, lasse sich daraus kein unternehmerisches Risiko der Beigeladenen erkennen. Die Arbeitsleistung sei vielmehr gegen einen pauschal festgelegten Arbeitslohn von 13 Euro bei 10 bis 12 Arbeitsstunden pro Woche und nicht gegen einen auf unternehmerischer Kalkulation unter Einbeziehung auch etwa der Kosten für Kranken-/Pflege- und Alterssicherung beruhenden unternehmertypischen Werklohn erbracht worden. Im Übrigen liege ein Arbeitsentgelt in Höhe von 13 Euro pro Stunde nicht weit oberhalb des Arbeitsentgelts angestellter Reinigungskräfte. Auch sei es nicht möglich, mit diesem Stundenlohn ausreichend Eigenvorsorge zu tätigen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.02.2019 – L 5 R 1190/17 dort mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 31.03.2017 – B 12 R 7/15 R -, juris).
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 08.11.2022 ausgeführt, dass die Formalien einer Berufung auch bei Einreichung über das beBPo nicht gewahrt seien, da es an der Formvoraussetzung des § 65a Abs. 3 SGG mangele. In diesem Zusammenhang verstehe die Klägerin die Ausführungen der Beklagten so, dass die Beklagte nicht das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen habe, sondern dieses nur über einen sicheren Übermittlungsweg, das beBPo, eingereicht worden sei. Die Berufung sei daher nach wie vor unzulässig. Zudem sei die Berufung auch weiterhin unbegründet.
Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen hat sich mit Schreiben vom 30.11.2022 den Ausführungen der Klägerin angeschlossen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 12.04.2022 gegen das ihr am 14.03.2022 zugestellte Urteil innerhalb der Berufungsfrist nach § 151 Abs. 1 SGG Berufung eingelegt. Das Schreiben vom 12.04.2022 erfüllt auch die Formanforderungen nach § 151 Abs. 1 SGG iVm § 65a Abs. 5 Satz 1 SGG. Das Schreiben ist entsprechend den Vorgaben über den elektronischen Rechtsverkehr auf der Empfangseinrichtung des LSG nach § 65a Abs. 5 Satz 1 SGG eingegangen (vgl. hierzu auch Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Aufl., § 151 SGG Rdnr. 50 ff.). Das Schreiben enthält am Ende den Namen der zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten B2 und ist durch die Safe-ID wirksam und rechtsverbindlich authentifiziert (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 14.07.2022 – B 3 KR 2/21 R –, juris Rdnr. 12 ff.).
Die Berufung ist auch begründet. Der Bescheid vom 10.06.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat der Klage daher zu Unrecht stattgegeben und den Bescheid vom 10.06.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2020 insoweit aufgehoben, als er eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen über 1.576,88 Euro festlegt. Die Beigeladene übte ihre Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2018 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus und unterlag der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Streitgegenstand ist vorliegend die Feststellung der Versicherungspflicht für die Tätigkeit der Beigeladenen sowie die Nachforderung von Beiträgen iHv 9.107,14 Euro. Soweit die Beklagte im Bescheid vom 10.06.2020 weitere Beiträge für die Tätigkeit von anderen Arbeitnehmern nachgefordert hat, hat die Klägerin hiergegen keinen Widerspruch erhoben.
Der Bescheid der Beklagten vom 10.06.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2020 ist formell rechtmäßig. Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, und sie sind nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV auch für den Erlass der entsprechenden Verwaltungsakte einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber dem Arbeitgeber zuständig. Die Prüfung umfasst u.a. nach § 28p Abs. 1 Satz 4 SGB IV auch die Prüfung der Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die keine Beiträge gezahlt wurden. Die vor Erlass des Bescheides vom 10.06.2020 nach § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erforderliche Anhörung hat die Beklagte mit Anhörungsschreiben vom 19.02.2020 vorgenommen. Die Stellungnahme der Klägerin ist im Bescheid vom 10.06.2020 berücksichtigt worden.
Der Bescheid der Beklagten vom 10.06.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2020 ist auch materiell rechtmäßig. Die Beigeladene ist in Bezug auf die Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.12.2018 als Beschäftigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV tätig gewesen und unterliegt damit, da die Beschäftigung auch gegen Entgelt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) erfolgte, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch), der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch), der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch) und der Arbeitslosenversicherung (§ 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch).
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis; gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 20.03.2013 – B 12 R 13/10 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 19) erfordert eine Beschäftigung, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeiten über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt ist oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.05.1996 – 1 BvR 21/96 –, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2007 – B 12 KR 31/06 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7).
Nach den genannten Grundsätzen überwiegen zur Überzeugung des Senats in der Zusammenschau aller Aspekte die Einzelaspekte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, so dass nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung eine abhängige Beschäftigung gegeben ist.
Ausgangspunkt für die Beurteilung ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.07.2013 – L 11 R 1083/12 –, juris). Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehungen geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 12 KR 25/10 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17).
Ein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit der Beigeladenen liegt nicht vor. Dies schließt eine Beschäftigung nicht aus, denn eine solche kann sowohl mündlich vereinbart werden als auch durch faktischen Vollzug entstehen. Vorliegend spricht die nur mündliche Vereinbarung allerdings gegen eine selbstständige Tätigkeit, denn üblicherweise wird außerhalb von Privathaushalten bei der Vergabe von Reinigungstätigkeiten an selbstständige Unternehmer wegen des fehlenden Weisungsrechts genau und schriftlich geregelt, welche Tätigkeiten in welchen Intervallen zu verrichten sind (Fenster putzen, feucht wischen, Staub wischen, Müll entsorgen etc.) und eine feste Vergütung für die auszuführenden Arbeiten vereinbart (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2015 – L 11 R 2083/15 – juris, Rdnr. 26 sowie Senatsurteil vom 12.05.2021 – L 8 BA 2409/20 –, n.v.).
Nach den Feststellungen des Senats auf der Grundlage der Akten und insbesondere des Vorbringens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG und dem Senat war die Hauptaufgabe der Beigeladenen die Reinigung der Büro- und Sozialräume der Klägerin. Die Beigeladene verfügte über einen eigenen Schlüssel zu diesen Räumen und konnte die Tätigkeit zu den ihr passenden Zeiten, jedoch grundsätzlich außerhalb der Bürozeiten erbringen. Die Putzmittel wurden von der Klägerin gestellt. Lediglich wenn Putzmittel nicht mehr ausreichend vorhanden waren, hat die Beigeladene aus eigenen Beständen Putzmittel verwendet, ohne dies der Klägerin jedoch in separat in Rechnung zu stellen. Die Beigeladene hat zudem ein Fensterputzgerät sowie einen Dampfreiniger mitgebracht. Zeitnachweise waren nicht zu erbringen. Die Rechnungsstellung erfolgte monatlich. Die Beigeladene hat hierbei die von ihr geleisteten Stunden mit einem Stundensatz von 13 Euro der Klägerin in Rechnung gestellt. Bezahlter Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurden nicht geleistet.
Ausgehen hiervon liegt eine im rechtlichen Sinne weisungsfreie Tätigkeit nach Überzeugung des Senats nicht vor (vgl. hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.03.2022 – L 1 BA 35/19 –, juris Rdnr. 33 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.12.2015 – L 11 R 2083/15 – juris, Rdnr. 29 sowie Senatsurteil vom 12.05.2021 – L 8 BA 2409/20 –, n.v.). Da sich die Tätigkeit der Beigeladenen auf die üblichen einfachen Reinigungsarbeiten beschränkte, bedurfte es keiner umfangreichen Einzelanweisungen. Bei Reinigungsarbeiten handelt es sich um einfache Arbeiten, für die umfangreiche praktische Weisungen nicht erforderlich sind. Eine Weisung erfolgte von Seiten der Klägerin jedoch dahingehend, dass die zu putzenden Räume festgelegt wurden und auch eine Kontrolle bezüglich der Qualität der Arbeit der Beigeladenen durchgeführt wurde. Hieran ändert der Vortrag der Klägerin im Klageverfahren nichts, wonach die Beigeladene jeweils selbst entschieden habe, wann sie welche Arbeiten durchführt und welche Räume säubert, solange die von der Klägerin erwartete Sauberkeit insgesamt mit der Vorgehensweise der Beigeladenen erreicht wurde. Bei Streit über die Qualität hätte die Klägerin eingreifen können und die Beigeladene zur Nachbesserung anhalten können. Auch war die Beigeladene zwar frei, wann sie die Reinigung durchführt, allerdings gingen beide Vertragsparteien davon aus, dass die Reinigung außerhalb der Bürozeiten zu erfolgen hat. Insofern lag eine Eingliederung in die Abläufe und Anpassung an die Vorgaben der Klägerin vor (vgl. hierzu auch LSG Baden - Württemberg, Urteil vom 10.06.2016 –, L 4 R 903/15 –, juris Rdnr. 38). Kein entscheidungserhebliches Kriterium für die Statusbeurteilung ist dagegen, dass der Ort der Tätigkeit vorgegeben war, da dies in der Natur der Sache liegt.
Zudem kann der Senat auch kein Unternehmerrisiko der Beigeladenen als wesentliches Merkmal für eine selbstständige Tätigkeit feststellen. Die Beigeladene setzte letztlich nur ihre Arbeitskraft und keine wesentlichen Arbeitsmittel mit der ungewissen Aussicht darauf, Einnahmen zu erzielen ein. Die Belastung mit Risiken gerade im Zusammenhang mit der - hier im Vordergrund stehenden - Verwertung der Arbeitskraft spricht jedoch nur dann für Selbstständigkeit, wenn ihr auch eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenübersteht (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.1978 – 12 RK 14/78 –, SozR 2200 § 1227 Nr. 17; BSG, Urteil vom 04.06.1998 – B 12 KR 5/97 R –, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13 m.w.N.). Dies war hier aber nicht der Fall. Da für die Tätigkeit der Beigeladenen ein pauschaler Stundensatz im Voraus vorgesehen war, war sie nicht der Gefahr eines finanziellen Verlusts ausgesetzt. Auch war keine begrenzte Stundenzahl vereinbart, innerhalb derer die Arbeiten zu verrichten waren. Insofern bestand nicht die Gefahr, dass infolge der Vielzahl der zu erledigenden Aufgaben die Beigeladene immer mehr Zeit bei begrenzter Gesamtstundenzahl benötigte und sich somit der Stundenlohn verschlechterte. Auch hat die Beigeladene für besonders aufwändige Reinigungstätigkeiten, wie das Putzen von Fenstern keine gesonderte oder erhöhte Vergütung verlangt. Dies ist jedoch bei selbstständigen Putzunternehmen durchaus üblich, um wirtschaftlich zu arbeiten. Soweit das Unternehmerrisiko darin gesehen werden könnte, keine Aufträge zu erhalten, ist das Risiko, nicht durchgehend und kontinuierlich arbeiten zu können, ein Risiko, das jeden Arbeitnehmer treffen kann, der nur auf Abruf beschäftigt ist. Ein Unternehmensrisiko kann nur dann angenommen werden, wenn eine Gefahr vorliegt, die über diejenige hinausgeht, kein Entgelt zu erzielen. Dies ist der Fall, wenn bei Auftragsmangel nicht nur kein Einkommen erzielt wird, sondern auch zusätzliche Kosten für betriebliche Investitionen brachliegen (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 04.03.2014 – L 5 R 425/12 –, juris). Hierfür bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. So entspricht die Stundenvergütung von 13 Euro der Höhe nach dem einem aus einer abhängigen Beschäftigung resultierenden Arbeitsentgelt. Die Höhe der Vergütung erlaubte der Beigeladenen keine eigenständige ausreichende sozialversicherungsrechtliche Absicherung. So hat die Beigeladene zwar zwei private Rentenversicherungen vorgelegt. Die Beitragszahlungen schwanken jedoch jährlich in der Höhe und reichen auch zur Existenzsicherung im Alter nicht aus. Zudem war die Beigeladene bis zum 30.06.2015 familienversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung und erst seit dem 01.07.2015 besteht eine freiwillige gesetzliche Krankenversicherung als nebenberufliche Selbstständige auf der Basis des Mindestbeitragssatzes. Es ist auch zu beachten, dass ist die Vergütungshöhe nach der Rechtsprechung des BSG nur eines von vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien ist, da dies Ausdruck des Parteiwillens ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24.11.2020 – B 12 KR 23/19 R –, juris Rdnr. 26 ff.). Wesentlich ist dagegen, dass die Beigeladene keine Betriebsmittel mit Amortisationsverpflichtung eingesetzt hat. Sie benutzte bei der Ausübung der Tätigkeit die Reinigungsmittel der Klägerin. Eigene Reinigungsmittel setzte sie nur ein, wenn nicht mehr ausreichend Reinigungsmittel bei der Klägerin vorhanden waren. Da sie diese der Klägerin nicht gesondert in Rechnung stellte, begründet dies ebenfalls kein Unternehmerrisiko. Auch die Anschaffung eines Fensterputzgeräts sowie eines Dampfreinigers ist nicht mit einem erhöhten Unternehmerrisiko verbunden. Die Beigeladene hat keine Rechnung über die Anschaffung vorgelegt. Zudem handelt es sich nicht um höherwertige und kostspielige Betriebsmittel, deren Anschaffung eine erhöhte Amortisationspflicht mit sich bringt, sondern vielmehr um Geräte, welche auch in Privathaushalten zur Erledigung der Putzarbeiten durchaus üblich sind. Die Anschaffung von kleineren Werkzeugen oder Arbeitsmitteln reicht nach der Rechtsprechung des Senats nicht zur Annahme eines Unternehmerrisikos aus (vgl. hierzu zuletzt Senatsurteil vom 12.05.2021 – L 8 BA 2409/20 –, n.v. sowie Senatsurteil vom 25.10.2019 – L 8 BA 2075/18 und vom 18.10.2020 – L 8 BA 1428/20; LSG Hamburg, Urteil vom 09.06.2009 – L 3 U 42/07 –, juris).
Auch der von der Beigeladenen angeführte Umstand, dass sie bei ihren Reinigungstätigkeiten einem Schadenersatzrisiko ausgesetzt gewesen sei, führt nicht zu einem relevanten Unternehmerrisiko. Grundsätzlich haftet auch ein Arbeitnehmer bei schuldhafter Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, das Eigentum des Arbeitgebers nicht zu verletzen (§ 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -, §§ 280 Abs. 1, 619a BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag, so bereits Urteil des Senats vom 30. Oktober 2009 - L 1 KR 315/08 – juris Rdnr. 45). Zudem ist ein solches Haftungsrisiko nicht zwischen den Beteiligten schriftlich fixiert worden, so dass im Streitfall bereits der Nachweis des Bestehens für die Klägerin schwierig zu führen gewesen wäre.
Ebenso wenig ist das Erstellen von Rechnungen durch die Beigeladene ein für Selbstständigkeit sprechendes Indiz. Vielmehr handelt es sich hierbei letztlich nur um eine Folge der rechtlich fehlerhaften Statuseinordnung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 30.10.2019 - L 8 R 838/16 - juris Rdnr. 79 sowie Beschluss vom 21.09.2022 – L 8 R 880/17 –, juris Rdnr. 54). Soweit das SG das selbstständige Aufschreiben der Stunden und die Rechnungsstellung als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit wertet, überzeugt dies den Senat nicht. Dies gilt umso mehr, als die Beigeladene die Tätigkeit nicht innerhalb einer bestimmten Stundenzahl zu verrichten hatte, sondern sämtliche geleistete Stunden abrechnen konnte. Insofern unterlag sie nicht dem Risiko bei aufwändigeren Arbeiten nicht die entsprechende Bezahlung zu erhalten.
Das Fehlen eines Anspruches auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bei Urlaub stellt gerade kein Indiz für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit dar. Insofern beruht die Nichtgewährung von arbeitnehmertypischen Leistungen wie Erholungsurlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf der sozialversicherungsrechtlichen Fehlbeurteilung des Sachverhaltes durch die Beteiligten, denn es ist typisch, dass bei Vertragsgestaltungen, bei denen von selbständiger Tätigkeit ausgegangen wird, solche den Arbeitnehmer schützenden Rechte nicht vereinbart werden. Allein die Belastung des Beschäftigten mit solchen zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbständigkeit (so auch Bayerisches LSG, Urteil vom 14.10.2020 – L 6 BA 113/19 –, juris, Rdnr. 30). Auch die Gewerbeanmeldung der Beigeladenen kann nicht als wesentliches Indiz für eine selbstständige Tätigkeit herangezogen werden, denn eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung findet nicht statt. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen aber für sich allein keine solche (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.02.2021 – L 11 BA 975/20 –, juris, Rdnr. 43).
Das Tätigwerden für mehrere Auftraggeber ist ebenfalls kein wesentliches Kriterium, da jedes Auftragsverhältnis einzeln zu beurteilen ist. Auch können Tätigkeiten für Dritte grundsätzlich nur dann überhaupt als Indiz für eine Dispositionsfreiheit und damit Selbstständigkeit in Betracht kommen, wenn sie in Bezug auf die zu beurteilende Tätigkeit in relevantem Umfang oder sogar schwerpunktmäßig stattfinden und die zeitliche Verfügbarkeit des Auftragnehmers erheblich einschränken. Eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber erhält darüber hinaus erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit Gewicht, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2019 – B 12 R 11/18 R –, juris, Rdnr. 35 m.w.N.). Insofern ist vorliegend nicht ersichtlich, dass die Beigeladene nur im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit für mehrere Auftraggeber organisatorisch hätte tätig werden können. Sofern das SG diesbezüglich anführt, dass dies infolge des Weisungsrechts der Arbeitgeber nicht leistbar sei, überzeugt dies nicht, da es eine Frage der Absprache und Vereinbarung zwischen den Beteiligten ist. Insofern kann nicht von vorneherein davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber immer den Zeitpunkt des Arbeitseinsatzes bestimmt.
Die Beklagte hat ausgehend von einer abhängigen Beschäftigung zu Recht als Gesamtsozialversicherungsbeitrag die Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und zur Arbeitslosenversicherung sowie die Umlagen U 1, U 2 und Umlagen für das Insolvenzgeld geltend gemacht. Die Höhe der nachgeforderten Beiträge ist nicht zu beanstanden und ergibt sich nach den tatsächlich gezahlten Entgelten und dem im jeweiligen Zweig der Sozialversicherung geltenden Beitragssatz. Einwendungen gegen die dem Bescheid in Anlage beigefügten Rechenwerke werden von den Beteiligten auch nicht vorgebracht. Die Beitragsforderung ist auch nicht verjährt.
In der Gesamtabwägung überwiegen daher bezüglich der Beigeladenen deutlich die Gesichtspunkte, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen. Der Senat misst dem fehlanden Unternehmerrisiko und der Weisungsabhängigkeit wesentliches Gewicht für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung mit der Folge der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladene trägt gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 162 Abs. 3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen selbst (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl. 2020, § 197a RdNr 28 mwN).
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren sowie das erstinstanzliche Verfahren jeweils gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3, § 47 GKG in Höhe der streitigen Beitragsnachforderung von 9.107,14 Euro endgültig festgesetzt.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 14 BA 3371/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 BA 1115/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
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Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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