L 3 U 136/20

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 36 U 274/16
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 3 U 136/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Bei einem Einbeinstand mit eingedrehtem Knie handelt es sich nicht um eine vergleichbare Kniebelastung iS der BK-Nr 2112.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 28. August 2020 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr 2112 der Anl 1 zur Berufs­krank­heitenverordnung (BKV) [Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Knie­belastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht; im Folgenden: BK 2112].

Der 1960 geborene Kläger hat eine Lehre zum Bauschlosser absolviert und war anschließend für die Dauer von zwei Jahren Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Von Februar 1983 bis Ende Mai 2006 war er als Schweißer und Härter beschäftigt. Seither war er nicht mehr berufstätig und bezieht seit November 2010 eine Rente wegen voller Erwerbs­minderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Im März 2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung einer beiderseitigen Gonarthrose als BK 2112 (Schreiben vom 30. März 2015). Die Beklagte zog Unterlagen aus einem vorangegangenen Verfahren zur Feststellung einer BK nach Nr 2102 der Anl 1 zur BKV (Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Knie­gelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten; BK 2102) bei, darunter ein Gutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. J. (vom 23. März 2012, erstattet im Berufungs­verfahren L 9 U 245/11 vor dem Landessozialgericht <LSG> Niedersachsen-Bremen) sowie eine Stellungnahme des Präventionsdienstes der Berufsgenossenschaft (BG) Metall Nord-Süd (vom 4. Juni 2007) zu den vom Kläger verrichteten Tätigkeiten als Schweißer und den hierbei aufgetretenen Einwirkungen iSd BK 2102 und einer weiteren BK. Der Präventions­dienst der Beklagten kam unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers zu dem Ergebnis, dass die erforderliche Mindest­einwirkungs­dauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht durch Tätig­keiten im Knien oder mit vergleichbarer Kniebelastung (Tätigkeiten im Hocken, Fersensitz oder Kriechen) nicht erreicht worden sei (Stellungnahmen vom 4. Februar 2016 und 21. März 2016).

Die als staatliche Gewerbeärztin beteiligte Fachärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. K. vertrat die Auffassung, dass eine BK 2112 nicht vorliege, weil der Kläger keine kniebelastenden Tätigkeiten mit einer kumulativen Gesamtdosis von 13.000 Stunden verrichtet habe (Stellungnahme vom 27. April 2016).

Mit Bescheid vom 13. Mai 2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 2112 ab. Nach dem Ergebnis ihrer Ermittlungen seien die Einwirkungen, denen der Kläger während seiner Berufstätigkeit ausgesetzt war, nicht geeignet, eine Verschleißerkrankung der Knie (Gon­arthrose) zu verursachen. Bei den von ihm beschriebenen Tätigkeiten werde eine tägliche Mindest­einwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht nicht erreicht. Die vor­liegen­den Einwirkungen seien daher nicht geeignet, eine BK zu verursachen.

Der Kläger erhob Widerspruch und wandte ein, dass er den angegebenen Umfang von Tätig­keiten im Knien (ca zwei bis vier Stunden in der Woche) nur geschätzt habe. Da seine Tätigkeit sehr abwechslungsreich gewesen sei, könnten es auch „doppelt oder sogar dreifach viele Stun­den in anderen Wochen“ gewesen sein. Ferner sei übersehen worden, dass eine Gon­arthrose nicht nur durch Knien, sondern auch durch eine vergleichbare Knie­belastung hervor­gerufen wer­den könne. Er habe bereits hinreichend dargestellt, dass er die Knie im Sitzen und beson­ders im Stehen „eingedreht“ habe. Bei dem sog „Einbeinstand mit Knieeindrehung auf unebener Fläche“ habe er das nicht eingedrehte Knie bzw den Fuß in den Drehtischantrieb gesteckt, um diesen zu regulieren. Der Umstand, dass genau seine einge­drehten Knie (meis­tens rechts, teils auch links) die Kniegelenke schwer schädigen könne, werde von der Beklagten aber nicht wahr­genommen. Zur Unterstützung seines Vorbringens hat er eine schrift­liche Stellungnahme sei­nes früheren Vorarbeiters vorgelegt (Schreiben des L. vom 21. August 2012).

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2016 (dem Kläger zugegangen am 1. Oktober 2016) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Auch durch das Vorbringen im Widerspruchs­verfahren, wonach eine kniende Tätigkeit bis zu zwölf Stunden pro Woche ausgemacht haben könne, lasse sich eine Mindesteinwirkungs­zeit von einer Stunde pro Schicht nicht nachweisen. Diese Angabe führe rechnerisch auch nicht zu einer ausreichenden Gesamteinwirkungsdauer (zwölf Stunden x 44 Arbeitswochen x 23 Jahre = 12.144 Stunden). Vergleichbare Knie­belas­tungen iSd BK 2112 seien nach den wissenschaft­lichen Erkenntnissen Tätigkeiten im Hocken, im Fersensitz oder beim Kriechen. Dies treffe auf die angeführten Tätigkeiten mit eingedrehtem Knie im Stehen oder Sitzen nicht zu, sodass solche Tätigkeiten keine Berück­sichtigung finden könnten.

Am 1. November 2016 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben und dort geltend gemacht, dass die Bescheide der Beklagten nicht wirksam seien, weil sie unleser­lich unterschrieben worden seien und ein Namenszug in Druckbuchstaben gänzlich fehle. Seine Knieerkrankung sei durch die Arbeiten im sog Einbeinstand mit eingedrehtem Knie ausgelöst worden. Diese unphysiologische Haltung habe sich nicht vermeiden lassen, um ein ruhiges und sicheres Standbein zu haben, während mit dem anderen Bein der Drehtisch bedient worden sei. Um dies zu verstehen, sei eine Inaugenscheinnahme dieser Bein­haltung erforderlich. Der Verordnungsgeber habe die Einwirkungen durch „ver­gleich­bare Knie­belastung“ im Tatbestand der BK 2112 nicht abschließend, sondern bewusst offen bzw nur exemplarisch formuliert. Auch dem Merkblatt zur BK lasse sich nicht entnehmen, dass darunter aus­schließ­lich Arbeiten im Hocken, Fersensitz oder Kriechen zu verstehen sind. Zudem sei der Beruf des Schweißers im IFA-Report 1/2010 „GonKatast - Ein Messwertkataster zu kniebelastenden Tätigkeiten“ explizit als besonders kniebelastende Tätigkeit aufgelistet. In der Zeit seiner Lehre von 1977 bis 1980 habe er täglich mindestens drei Stunden Arbeiten im Knien verrichtet. Bei der Bundeswehr sei er der Waffenabteilung zugewiesen gewesen und habe kniend Waffen zerlegt.

Zur Veranschaulichung seiner beschriebenen Arbeitshaltung und seines Arbeitsplatzes bei der M. N. hat der Kläger eine Fotodokumentation vorgelegt.

Das SG hat ein arbeitstechnisches Gutachten des Dipl.-Biologen und Gesund­heits­wissenschaftlers Dr. rer. medic. O. eingeholt. Der Sachverständige ist zur Ein­schät­zung gelangt, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK 2112 nicht vorlägen. Bei Zugrundelegung von Tätigkeiten im Knien oder Hocken in einem zeitlichen Umfang von ca zwei bis vier Stunden in der Woche und gleichmäßiger Verteilung auf die fünf Arbeitstage einer Woche ergebe sich eine tägliche Arbeitszeit im Knien und Hocken zwischen 24 und 48 Minuten und somit keine relevante Belastung iSd BK 2112. Nähme man dagegen an, dass diese Tätig­keiten im Umfang von zwei bis vier Stunden innerhalb einer Arbeitsschicht angefallen seien, ergäbe sich für den gesamten Zeitraum der Tätigkeit bei der P. Q. N. eine kumulierte Kniebelastungsdauer zwischen etwa 2.050 und 4.100 Stunden. Daneben sei anhand der Beschreibung der beim Schweißen eingenommenen Körper­haltung zwar nachvoll­zieh­bar, dass es sich hierbei um eine Dauerzwangshaltung im Stehen gehandelt habe. Auch sei nachvollziehbar, dass diese statische Haltung auf Dauer die Beinmuskulatur beanspruchen und ermüden könne. Zudem könne auch das Muskel-Skelett-System durch lang andauerndes Stehen in Mitleidenschaft gezogen werden. UU seien hierbei auch Beanspruchungen der Knie­gelenke möglich, wobei es sich insbesondere um Beanspruchungen der Bänder und Sehnen handele; vorstellbar sei dies auch im Hinblick auf das vom Kläger zusätzlich beschriebene „Eindrehen“ der Kniegelenke im Stehen. Jedoch gebe es keine wissenschaftlich basierten Hinweise, dass statische Dauerzwangshaltungen im Stehen im Kausal­zusammen­hang mit der Entwicklung einer Gonarthrose stehen. Auch in Bezug auf das beschriebene „Ein­drehen“ der Kniegelenke gebe es keine Hinweise aufgrund wissenschaftlicher Unter­suchungen, dass dies zu einer Beanspruchung oder gar Degeneration des Gelenk­knorpels im Knie führen könnte. Es handele sich dabei nicht um eine dem Knien vergleichbare Kniebelastung, wie sie im Merkblatt der BK 2112 eindeutig definiert sei (Gutachten vom 4. Juni 2018 mit ergänzenden Stellung­nahmen vom 22. Januar 2019 und 19. September 2019).

Mit Urteil vom 28. August 2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Anerkennung einer BK 2112 zu Recht abgelehnt, weil es an den arbeitstechnischen Voraus­setzungen fehle. Die Kammer stützte sich hierbei auf das Gutachten des Sach­verständigen Dr.  O., nach dessen Ergebnis sich eine kniebelastende Tätigkeit lediglich im Umfang von ca 4.100 Stunden feststellen lasse. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Kläger­seite seien nicht geeignet, die Feststellungen von Dr. O. infrage zu stellen. Insbesondere seien bei einem arbeitstechnischen Gutachten Schätzungen unvermeidbar, da Expositions­zei­ten über ein Arbeitsleben hinweg nie exakt erfasst werden könnten. Soweit der Kläger moniere, der Sachverständige habe sich nicht hinreichend mit der ein­ge­nommenen Zwangs­haltung aus­einandergesetzt, vermöge dies nicht zu überzeugen. Diese sei durch eingehende Beschreibungen und aktenkundige Fotografien hinreichend dargestellt gewesen und vom Gut­achter eingehend analysiert und zugrunde gelegt worden. Eine Vorführung der Haltung sei vor diesem Hinter­grund entbehrlich gewesen. Die Ausführungen des Sachverständigen würden auch durch das einschlägige Merkblatt zur BK 2112 gestützt. Der Einholung eines medi­zinischen Gutachtens zur Frage, ob die Dauerzwangshaltung des Klägers als vergleich­bare Kniebelastung anzusehen sei, habe es nicht bedurft, weil diese Frage bereits geklärt sei. Soweit der Kläger erst mit Schrift­satz vom 26. November 2019 konkretisierte Angaben zu Expositionen gemäß der BK 2112 während seiner Ausbildung und bei der Bundes­wehr gemacht habe, werde die erforderliche Summe von 13.000 Stunden auch unter Ein­beziehung der zuletzt gemachten Angaben nicht erreicht. Bei Zugrundelegung der Angaben des Klägers ergäben sich für die Ausbildungszeit ins­gesamt 1.656 Stunden kniebelastende Tätigkeiten (drei Stunden Arbeiten im Knien x 4 Ar­beits­tage pro Woche x 46 Arbeitswochen im Jahr x drei Jahre). Hinsichtlich der zwei Jahre bei der Bundeswehr summiere sich die kniebelastende Tätigkeit auf ca 3.680 Stunden, sofern man - was unrealistisch erscheine - acht Stunden kniende Tätigkeit beim Waffenzerlegen an fünf Tagen pro Woche in 46 Wochen im Jahr zugrunde lege. Über das gesamte Berufsleben des Klägers ergäben sich somit maximal 9.436 Stunden kniebelastender Tätigkeiten iSd BK 2112.

Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 11. September 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Oktober 2020 Berufung zum LSG Niedersachsen-Bremen eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er wiederholt und ergänzt sein bisheriges Vorbringen und rügt, dass der Sachverständige Dr. O. sein Gutachten nach Aktenlage ohne neutrale und aus­reichende Beurteilungsgrundlage erstellt habe. Bei der arbeitstechnischen Analyse hätten die Ermitt­lungen des Präventionsdienstes der Beklagten nicht zugrunde gelegt werden dürfen, da der Präventionsdienst eine softwarebasierte Analyse durchgeführt habe, die nur Arbeiten in der typischen Kniestellung auswerte. Die dauerhafte Arbeitshaltung des Klägers unterscheide sich aber deutlich von den Standardfällen kniender Tätigkeiten. Der Sachverständige habe sich nicht individuell mit der Körperhaltung und den konkret zu verrichtenden Tätigkeiten befasst. Seine Angaben zur Einwirkungsdauer seien nicht nachvollziehbar und beruhten auf nicht offen­geleg­ten Schätzungen. Der Sachverständige und das SG hätten die vom Kläger vorgebrachten Ein­wendungen nicht berücksichtigt. Hinsichtlich der Expositionen müsse eine mathematische Be­rechnung vorgenommen werden; eine Schätzung reiche nicht aus. Dem Gutachten sei nicht zu entnehmen, in welcher Weise Berechnungsgrundlagen durch Schätzungen auf Angaben des Klägers oder seines früheren Arbeitgebers durchgeführt wurden. Die kumulative Mindest­ein­wirkungs­dauer einer knienden Tätigkeit von einer Stunde pro Schicht sei stets erreicht ge­we­sen. Der Kläger sei hierzu schon im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend befragt worden. Aus dem vom Sachverständigen angeführten IFA-Report 1/2010 „GonKatast - ein Mess­wert­kataster zu kniebelastenden Tätigkeiten“ ließen sich nur Erkenntnisse für das Teil­berufsbild des Schweißers im Behälterbau ableiten. Daraus könne nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass nur dieses Teilberufsbild die Mindestvoraussetzungen der BK 2112 erfüllt. Der Sach­ver­ständige habe sich ferner nicht mit den vom Kläger vorgelegten technischen Schweiß­proto­kollen, Zeichnungen und Verdienstabrechnungen befasst. Zudem habe er ein­geräumt, für eine Beurteilung der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der BK nicht kompetent zu sein. Es habe aber die Notwendigkeit einer weitergehenden arbeitsmedizinischen Auswertung der be­schriebenen Dauerzwangshaltung bestanden, da sie von den typischen bekannten Hal­tungen deutlich abweiche. Der technische Sachverständige könne auch gar nicht einschätzen, welche organischen Strukturen die dauer­hafte Zwangshaltung beansprucht und inwieweit hierdurch degenerative Veränderungen entstehen können. Die gutachterlichen Ausführungen seien nicht wissenschaftlich begründet worden, nicht nachprüfbar und nicht nachvollziehbar. Für die Aus­wer­tung des komplexen bio­mechanischen Zusammenspiels von Knorpel, Gelenken, Knochen, Muskeln und Sehnen bei den hier beschriebenen außergewöhnlichen und un­natürlichen Be­wegungsabläufen bedürfe es einer medizinischen Expertise durch einen Fach­arzt für Ortho­pä­die und Arbeitsmedizin. Schließlich sei unberücksichtigt geblieben, dass der Kläger die ge­sam­te Zeit seiner Bauschlosserlehre damit verbracht habe, Zaunpfähle, Zäune, Tore und Tür­zargen einzubauen; dabei habe er die meiste Zeit einer Schicht im Knien oder hockend ver­bracht.

Der Kläger beantragt,

            1.  das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 11. September 2020 und den Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Sep­tember 2016 aufzuheben und

            2.  die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach der Nr 2112 der Anl 1 zur Berufs­krankheitenverordnung anzuerkennen.

 

Die Beklagte beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat seine Klage zu Recht abgewiesen.

A. Die Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Sozial­gerichts­gesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

B. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 2112.

I. Dabei hat der Senat keinerlei Bedenken an der formellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

Insbesondere begründet der Umstand, dass der Kläger die Unterschriften der Mit­glieder des Renten­aus­schusses (Ausgangsbescheid vom 13. Mai 2016) bzw des Wider­spruchs­aus­schusses der Beklagten (Widerspruchsbescheid vom 28. September 2016) nicht für lesbar hält, keinen Formmangel. Gemäß § 33 Abs 3 S 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) muss ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Dabei bestehen keine besonderen Anforderungen an die Les­bar­keit der Unterschrift. Dem Formerfordernis entspricht vielmehr bereits ein - hier jeweils ge­gebener - charakteristischer Schriftzug, der mit hinreichender Sicherheit auf die Urheberin oder den Urheber schließen lässt (vgl Pattar in: jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, Stand: 1. De­zem­ber 2017, § 33 Rn 96 mwN).

II. Die Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.

1. Gemäß § 9 Abs 1 S 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als BKen be­zeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Insoweit ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechts­ver­ordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personen­gruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs 1 S 2 SGB VII).

Aus diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestands­merk­male ableiten, die ggf bei einzelnen BKen einer Modifikation bedürfen: die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Ein­wir­kungen von Belastungen, Schadstoffen oä auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die „versicherte Tätigkeit“, die „Verrichtung“, die „Einwirkungen“ und die „Krank­heit“ iSd Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl Bundes­­sozialgericht <BSG>, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 33/07 R, SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5). Dafür ist zwar keine absolute Gewissheit erforderlich; verbliebene Restzweifel sind bei einem Vollbeweis jedoch nur so lange unschädlich, wie sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R, juris mwN). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachen­zusammen­hänge genügt demgegenüber die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings eine bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 2. April 2009 aaO).

Die vom Kläger geltend gemachte BK hat der Verordnungsgeber in Nr 2112 der Anl 1 zur BKV wie folgt bezeichnet: „Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Knie­belastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht“.

2. Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben liegt beim Kläger keine BK 2112 vor.

a) Der Kläger war während seiner Lehre zum Bauschlosser von 1977 bis 1980 (vgl dazu die im Gutachten des Sachverständigen Dr. J. vom 23. März 2012, S 2 wieder­gegebenen berufs­anamnestischen Angaben) und seiner Tätigkeit als Schweißer und Härter bei der R. S. vom 14. Februar 1983 bis 31. Mai 2006 (vgl dazu das vom früheren Arbeitgeber ausgestellte Zeugnis vom 10. Januar 2007) als Beschäftigter gemäß § 539 Abs 1 Nr 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII Versicherter der gesetz­lichen Unfallversicherung.

Demgegenüber war er während seines zweijährigen Dienstes als Zeitsoldat bei der Bundes­wehr in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherungsfrei, weil insoweit die besonderen Un­fallfürsorgevorschriften des § 27 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) gelten, die beamten­recht­lichen Unfallfürsorgevorschriften entsprechende Grundsätze enthalten (§ 4 Abs 1 Nr 1 SGB VII, vormals § 541 Abs 1 Nr 1 RVO). Für die Feststellung einer BK sind gemäß § 134 SGB VII jedoch auch Tätigkeiten zu berücksichtigen, die Versicherte im Rahmen einer Beschäf­tigung ausgeübt haben, für die nach § 4 Abs 1 Versicherungsfreiheit bestand, wenn die Tätig­keiten ihrer Art nach geeignet waren, die Krankheit zu verursachen und die schädigende Einwirkung überwiegend durch die nach diesem Buch versicherten gefährdenden Tätigkeiten ver­ur­sacht wurde.

b) Der Kläger erfüllt jedoch selbst unter Berücksichtigung von Tätigkeiten im Knien oder mit vergleichbarer Kniebelastung während seines Wehrdienstes nicht die arbeits­technischen Voraus­setzungen der BK 2112, weil sich eine kumulative Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden nicht feststellen lässt.

aa) Zur vollen Überzeugung des Senats lassen sich für den Zeitraum der Tätigkeit als Schweißer und Härter von Februar 1983 bis Ende Mai 2006 allenfalls Tätigkeiten im Knien mit einer kumulativen Einwirkungsdauer von maximal 4.100,8 Stunden feststellen.

(1) Dabei legt der Senat die eigenen Angaben des Klägers zugrunde, die seiner Stellungnahme zur Tätigkeitsbeschreibung des Präventionsdienstes in der Stellungnahme Arbeits­platz­expo­si­tion vom 4. Februar 2016 zu entnehmen sind. Entgegen der ursprünglichen Annahme des Prä­ventionsdienstes hat es danach Tätigkeiten im Knien gegeben. Diese sind nach der ein­deu­tigen und plausiblen Darstellung des Klägers im Schreiben vom 20. März 2016 aber eher selten gewesen und nur verrichtet worden, wenn die Schweiß­teile selbst für den Kran zu schwer zum Heben waren oder weil es technisch nicht anders möglich war. Der hierauf entfallende Zeitanteil belief sich nach der eigenen Schätzung des Klägers auf ca zwei bis vier Stunden in der Woche; haupt­sächlich hat er seine Tätigkeit aber im Stehen und im Sitzen ausgeübt.

Schon vor dem Hintergrund dieser Angaben ist der Einwand des Klägers, er sei im Verwaltungs­verfahren nicht ausreichend befragt worden, von vornherein nicht nachvollziehbar. Der Kläger übersieht hierbei auch, dass er bereits in einem Telefonat mit dem Präventionsdienst (am 3. Februar 2016) zu seinen Tätigkeiten befragt worden ist, wie sich aus der Stellungnahme des Prä­ven­tions­dienstes vom 4. Februar 2016 ergibt. Zuvor hatte die Beklagte ihm bereits mit Schreiben vom 8. April 2015 einen Fragebogen übersandt und unter Hinweis darauf, dass sie auf die Unterstützung des Klägers angewiesen sei, um Beant­wortung der Fragen gebeten. In dem Frage­bogen selbst wird ua um Angabe sämtlicher Beschäftigungen seit der Schul­ent­lassung (einschließlich Militärdienst) und den dabei auftretenden Belastungen durch Knien, Hocken, Fersen­sitz oder Kriechen gebeten. Der Kläger hat den Fragebogen aber nicht aus­ge­füllt und die Auffassung vertreten, dass alle notwendigen Daten bereits aufgrund des Ver­fah­rens zur BK 2102 bekannt seien (Schreiben vom 24. August 2015); ähnlich hat er sich bei dem Telefonat mit der Mitarbeiterin des Präventionsdienstes am 3. Februar 2016 geäußert. Wenn ihm danach die Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition mit der ausdrücklichen Bitte um Über­prüfung hinsichtlich notwendiger Ergänzungen übersandt worden ist (Schreiben vom 8. Februar 2016) und der Kläger hierzu inhaltlich klar und unmissverständlich Stellung genommen hat, ist nicht erkennbar, inwieweit noch eine weitergehende Befragung hätte erfolgen sollen und zu zusätzlichen Angaben hätte führen können. Insbesondere sind seine Angaben im Schreiben vom 20. März 2016 weder unklar noch erkennbar lückenhaft. Soweit er erstmals im Berufungs­verfahren behauptet, dass er im Februar 2007 eine Frage zur Exposition nicht verstanden haben will, ist schon nicht erkennbar, um welche genaue Frage es sich dabei handeln soll. Darauf kommt es im Ergebnis aber auch nicht an, weil hinsichtlich der im vorliegenden Rechts­streit allein maßgebenden Tätigkeiten im Knien oder mit vergleichbarer Knie­belastung jeden­falls aufgrund des dem Kläger mit Schreiben vom 8. April 2015 über­sandten Fragebogens über kniebelastende Tätigkeiten klar erkennbar war, welche Angaben benötigt werden. Dabei ist den im Fragebogen ab­ge­bildeten, den Darstellungen in der Abb 1 der Wissenschaftlichen Begrün­dung zur BK 2112 (BArbBl 10/2005, S 46 ff) ent­sprechen­den Piktogrammen anschaulich und für jeder­mann verständlich zu entnehmen, welche Körper­haltungen im Einzelnen für die Beur­tei­lung relevant sind. Soweit der inzwischen anwaltlich vertretene Kläger hierzu auch im gericht­lichen Ver­fahren keine weiteren Angaben hat machen können, ist nicht erkennbar, was eine noch­malige Befragung hieran ändern können sollte.

Der Umstand, dass schon seine eigenen Angaben keine exakte mathematische Berechnung, son­dern eine Schätzung des zeitlichen Anteils der Tätigkeiten im Knien beinhalten und auch der Senat diesen Anteil nur im Wege der Schätzung feststellen kann, liegt in der Natur der Sache. Insoweit hat schon das SG zutreffend ausgeführt, dass der Umfang der Exposition gegen­über bestimmten Einwirkungen über einen längeren Zeitraum hinweg in aller Regel nicht exakt erfasst werden kann (anders zB bei Tätigkeiten mit Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen, bei denen eine Erfassung der individuellen Belastung mittels Verwendung eines Dosimeters möglich ist). Das gilt auch für die hier maßgebenden Einwirkungen iSd BK 2112, deren zeit­lichen Umfang der Kläger selbst nicht durch Arbeitsprotokolle oÄ erfasst hat und zu denen er offenkundig auch sonst keine genaueren, über die bisherigen schriftlichen Aus­führun­gen hinausgehenden Angaben machen kann. Die von ihm vorgelegten technischen Unterlagen und Nachweise zu geleisteten Überstunden geben hierüber ersichtlich ebenfalls keinen weiter­gehenden Aufschluss, denn sie sind in Bezug auf die Häufigkeit und Dauer bestimmter Einzel­tätigkeiten erkennbar unergiebig. Der Kläger macht auch nicht geltend, dass dazu noch weiter­gehende Erkennt­nisse etwa durch eine Befragung von Zeugen oder Beiziehung von Auf­zeich­nungen des Arbeit­gebers erzielt werden könnten, und dafür ist auch von Amts wegen nichts ersichtlich. Bei dieser Sachlage sind Schätzungen im Rahmen der Feststellung von Einwir­kun­gen als tatbestandliche Voraussetzung einer BK nicht nur zulässig, sondern sogar notwendig, weil anderenfalls der Vollbeweis von Einwirkungen im Einzelfall kaum möglich wäre (vgl zur Zuläs­sig­keit von Schätzungen in Bezug auf den Umfang von Einwirkungen auch BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 25/10 R, SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3).

Soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren erneut Ausführungen zu seiner eigenen Schät­zung vom 20. März 2016 gemacht hat (Widerspruchsschreiben mit Begründung vom 29. Mai 2016), rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Dabei kann wiederum zu seinen Gunsten ohne weitere Beweisaufnahme unterstellt werden, dass einzelne Vorgänge wie zB die Bear­bei­tung eines sehr großen Gehäuses mit einer Wurzelschweißung in Einzelfällen Arbeiten im Knien von längerer Dauer (nach seinen Angaben sechs bis acht Stunden) erforderten. Der Kläger hat jedoch selbst darauf hingewiesen, dass seine Tätigkeit sehr abwechslungsreich gewesen ist, was nochmals die Notwendigkeit einer Schätzung des zeitlichen Um­fangs der Tätig­keiten im Knien bestätigt. Wenn er jedoch selbst angibt, dass der zeitliche Anteil in einigen Wochen auch das Doppelte oder Dreifache (von zwei bis vier Stunden) erreicht haben kann, zeigt er schon selbst nur die Möglichkeit eines höheren zeitlichen Anteils auf. Umso weniger kann dem - bezogen auf die kumulative Einwirkungszeit während der gesamten Dauer dieser Beschäfti­gung - mehr als nur die Möglichkeit eines durchschnittlich zwei bis vier Stunden pro Woche über­steigenden Zeitanteils der Tätigkeiten im Knien entnommen werden. Die bloße Möglich­keit höherer Einwirkungen reicht für den Vollbeweis aber nicht aus.

Der Annahme eines höheren durchschnittlichen wöchentlichen Umfangs der Tätigkeiten im Knien steht ferner entgegen, dass der Kläger im Zusammenhang mit den arbeits­technischen Ermittlungen zur BK 2102 erkennbar überhaupt keine Tätigkeiten im Knien behauptet hatte, obwohl solche auch für die BK 2102 von Bedeutung sein können. Nach der hierzu von der Beklagten beigezogenen Stellungnahme des Präven­tions­dienstes der BG Metall Nord-Süd vom 4. Juni 2007, denen neben Gesprächen mit Mit­arbeitern seines früheren Arbeitgebers (Sicher­heits­beauftragter, Betriebsratsmitglied, Fer­ti­gungs­­leiter und Schweißer) gerade auch eine per­sön­liche Befragung des Klägers zugrunde liegt, sind alle Tätigkeiten bei der M. T. teils im Sitzen und teils im Stehen verrichtet worden. Wenngleich der Schwer­punkt der Expositionsbeurteilung in dieser Stellungnahme auf der BK 4302 liegt, enthält die Be­schrei­bung der Arbeitshaltung keinerlei Hinweise auf Tätigkeiten im Knien. Dement­spre­chend ist zur BK 2102 ausgeführt worden, dass beim Kläger ua keine Dauerzwangshaltung im Knien vor­gelegen habe. Damit steht in Übereinstimmung, dass der Kläger auch gegenüber dem Sachverständigen Dr. H. seine Tätig­keit ausführlich geschildert und dabei lediglich Tätig­keiten im Sitzen und im Stehen mit leicht gebeugtem Knie angegeben hat, nicht jedoch Tätig­keiten im Knien. Das schließt zwar nicht aus, dass es solche Tätigkeiten gegeben hat; bei einem nennenswerten Umfang kniender Tätigkeiten wären jedoch entsprechende Darlegungen des Klägers bereits zum damaligen Zeitpunkt zu erwarten gewesen.

In diesem Zusammenhang weist der Sachverständige Dr. O. überzeugend darauf hin, dass Arbeits­schichten mit einem Anteil von zwei bis vier Stunden im Knien (oder Hocken) sicher deutlich in Erinnerung geblieben wären. Das leuchtet schon wegen der damit verbundenen, für jedermann nachvoll­ziehbaren körperlichen Belastung ein. Vor diesem Hintergrund ist eine nach­vollziehbare Erklärung dafür, warum solche Arbeiten nicht bereits im Jahr 2007 dargelegt worden sind und auch im Bericht des ehemaligen Vorarbeiters des Klägers vom 21. August 2012 keine Erwähnung gefunden haben, wenn sie denn tatsächlich sogar in noch größerem Umfang verrichtet worden sein sollen, nicht ersichtlich. Ein über Einzelfälle hinausgehender noch größerer Umfang sol­cher Tätigkeiten kann deshalb nicht angenommen werden. Vielmehr bestehen nach Aus­schöpfung aller erkennbaren Ermittlungsmöglichkeiten mindestens gewich­tige Zweifel daran, dass der zeitliche Anteil kniender Tätigkeiten einen Umfang von durch­schnitt­lich mehr als zwei bis vier Stunden pro Woche überstieg. Diese Zweifel stehen dem Voll­beweis einer darüber­hinausgehenden Dauer der Belastung entgegen.

Hiervon ausgehend liegt bei einer gleichmäßigen Verteilung dieser Tätigkeiten auf die fünf Arbeitstage einer Woche nach der zutreffenden Berechnung des Sachverständigen Dr.  O. schon die Mindestbelastung von einer Stunde pro Schicht nicht vor. Die tägliche Arbeitszeit im Knien würde sich bei dieser Annahme auf lediglich 24 bis 48 Minuten belaufen, sodass bei dieser Annahme überhaupt keine relevante Belastung feststellbar wäre.

Demgegenüber geht der Senat jedoch zugunsten des Klägers davon aus, dass die Tätigkeiten im Knien so verteilt waren, dass an einzelnen Arbeitstagen in der Woche jeweils mindestens eine Stunde erreicht wurde, insgesamt jedoch maximal vier Stunden pro Woche. Daraus ergibt sich bei durchschnittlich 44 Arbeitswochen à fünf Arbeitstagen (= 220 Arbeits­tage) pro Jahr und einer Tätigkeits­dauer von 23,3 Jahren (14. Februar 1983 bis 31. Mai 2006 ohne Berück­sich­tigung krankheitsbedingter Fehlzeiten) eine kumulative Einwirkungsdauer von 4.100,8 Stunden (44 Wochen x vier Stunden x 23,3 Jahre).

(2) Tätigkeiten mit „vergleichbarer Kniebelastung“ iSd BK 2112 hat der Kläger demgegenüber nicht verrichtet.

(a) Die Frage, welcher Einwirkungen es (mindestens) bedarf, um eine BK zu verursachen bzw die Anerkennung einer BK unter Einbeziehung weiterer Kriterien zu rechtfertigen, ist unter Zuhilfe­nahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungs­zeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallen­den Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (vgl BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R, SozR 4-2700 § 9 Nr 7, Rn 20; Urteil vom 15. September 2011 aaO, Rn 20). Zur Ermittlung des aktuellen Standes der wissen­schaftlichen Erkenntnisse können - ausgehend von der Begründung des Verordnungs­gebers zur Einführung des BK-Tatbestandes - einschlägige Publikationen, beispielsweise die Merk­blätter des zuständigen Bundesministeriums, die wissen­schaftliche Begründung des ärzt­lichen Sachverständigenbeirats - Sektion Berufs­krankheiten - zu der betreffenden BK oder Konsensus­empfehlungen der mit der Fragestellung befassten Fach­mediziner herangezogen werden (vgl BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 aaO, Rn 21).

(b) Bei Zugrundelegung dieser Maßgaben lag bei den vom Kläger überwiegend im Stehen und Sitzen ausgeübten Tätigkeiten keine vergleichbare Kniebelastung iSd BK 2112 vor. Das gilt ins­besondere für die dargelegten Tätigkeiten im sog „Einbeinstand mit eingedrehtem Knie“.

Der Senat stützt sich bei dieser Beurteilung auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.  U., der im Einklang mit der Wissenschaftlichen Begründung zur BK 2112 des Ärzt­lichen Sach­verständigenbeirats Sektion „Berufskrankheiten“ (aaO), dem Merk­blatt zur BK 2112 (GMBl 5/6/2010, S 98 ff) und der einschlägigen Begutachtungs­empfehlung (Bolm-Audorff ua, Begut­ach­tungsempfehlung für die Berufskrankheit Nummer 2112 <Gonarthrose>, Stand: 3. Juni 2014, im Internet abrufbar unter www.dguv.de) ausgeführt hat, dass als Tätigkeiten mit einer dem Knien vergleichbaren Kniebelastung ausschließlich einseitige oder beidseitige Ar­beiten im Hocken oder im Fersensitz sowie Kriechen (Vierfüßlergang) anzusehen sind. Dies entspricht auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats der einhelligen Auffassung im versicherungs­medizinischen Schrifttum und damit weiterhin dem aktuellen Stand der wissen­schaftlichen Erkenntnisse (vgl dazu Schön­berger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufs­krankheit, 9. Aufl 2017, S 676; Ludolph/Meyer-Clement, Begutachtung chirurgisch-ortho­pädischer Berufs­krankheiten durch mechanische Einwirkungen, 2019, S 357 ff; Thomann/Gros­ser/Schröter, Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, 3. Aufl 2020, S 389). Konkrete Anhalts­­punkte dafür, dass sich an diesen Erkenntnissen etwas geändert haben könnte und mittlerweile auch solche wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, nach denen die vom Kläger beschriebene Arbeitshaltung im Stehen mit leicht gebeugtem und einseitig „eingedrehtem“ Knie eine vergleichbare Kniebelastung iSd BK 2112 darstellt, sind weder vom Kläger dargelegt worden noch von Amts wegen ersichtlich. Es liegt nicht einmal ein Hinweis darauf vor, dass auch nur ein behandelnder Arzt des Klägers insoweit von einer für die Verursachung einer Gonarthrose geeigneten Einwirkung ausgehen würde; dementsprechend gibt es auch keine ärztliche Anzei­ge auf den Verdacht einer BK 2112. Fehlt es danach an jeglichen Anhaltspunkten für solche wissen­schaftlichen Erkennt­nisse, die die Auffassung des Klägers stützen könnten, müssen die Gerichte diesbezüglich keine Ermittlungen von Amts wegen ins Blaue hinein (etwa durch Ein­holung medizinischer Gut­achten) durchführen.

Die Einwände des Klägers gegen das Gutachten des Sachverständigen Dr. O. sind un­begründet. Das gilt zunächst in Bezug auf die Qualifikation des Sachverständigen, der Dipl.-Biologe und promovierter Gesundheits­wissenschaftler ist und an dessen technischem Sach­verstand in Bezug auf die hier maßgebenden mechanischen Einwirkungen auf die Kniegelenke kein Zweifel besteht. Der Sachverständige gehört zu den Autoren der Begutachtungs­em­pfeh­lung für die BK 2112 (Bolm-Audorff ua aaO) und ist darüber hinaus Mitautor des IFA-Reports 1/2010 „GonKatast - Ein Messwertkataster zu kniebelastenden Tätigkeiten“ (abrufbar unter www.dguv.de). Demzufolge hat er sich in seiner beruflichen Praxis besonders intensiv mit der Frage beschäftigt, welche Einwirkungen generell geeignet sind, eine BK 2112 zu verursachen. Dass der Sachverständige nach eigener Aussage nicht fach­kompetent für eine Beurteilung der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen der BK 2112 ist - insoweit enthält der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 21. September 2018 ein offen­sichtliches, mittler­weile allerdings richtig gestelltes Fehlzitat -, ist insoweit schon deshalb ohne Belang, weil es aufgrund des Fehlens der arbeitstechnischen Voraussetzungen gar nicht auf die arbeits­medi­zinischen Voraussetzungen ankommt. Im Übrigen hat auch die staatliche Gewerbe­ärztin Dr.  V., die ua Fachärztin für Arbeitsmedizin ist, in den Ausführungen des Klägers keine (ausreichenden) belastenden Tätigkeiten iSd BK 2112 erkennen können.

Der Einwand des Klägers, dass der Tatbestand der BK 2112 eine in Bezug auf „vergleichbare Kniebelastungen“ offene Formulierung enthält, vermag eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Zwar trifft es in der Sache zu, dass der Verordnungsgeber den Verordnungstext insoweit nicht auf Tätigkeiten im Hocken, Fersensitz und Kriechen konkretisiert hat, sodass dem Grunde nach denkbar ist, dass auch andere Arbeitshaltungen mit dem Knien vergleichbare Belastungen mit sich bringen können. Solange es dafür aber - wie oben ausgeführt - keine wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, können andere Haltungen bei der Beurteilung der arbeits­technischen Voraussetzungen der BK 2112 keine Berücksichtigung finden.

Soweit der Kläger beanstandet, dass sich der Sachverständige nicht mit den beschriebenen Arbeitshaltungen auseinandergesetzt habe, trifft dieser Einwand ebenfalls nicht zu. Den Aus­führungen von Dr. O. lässt sich insoweit vielmehr entnehmen, dass er die vom Kläger geschilderte - im Übrigen auch für den Senat ohne weiteres nachvollziehbare - Arbeitshaltung mit „eingedrehtem“ Kniegelenk verstanden und seiner Bewertung zugrunde gelegt hat (vgl dazu Gutachten vom 4. Juni 2018, S 7 ff sowie ergänzende Stellung­nahme vom 22. Januar 2019, S 2). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass eine Inaugenschein­nahme der vom Kläger vor­ge­führ­ten Haltung oder eine Befragung des Klägers daran irgend­etwas ändern könnte, zumal dem Sachverständigen bei Anfertigung seiner ergänzenden Stellung­nahme auch die zwischen­zeit­lich vom Kläger vorgelegte Fotodokumentation vor­gelegen hat.

Der Sachverständige Dr. O. hat ferner zu Recht nicht den konkreten Umfang der vom Klä­ger geleisteten Überstunden ermittelt. Eine Erhöhung der geschätzten Stundenzahl für Tätig­keiten im Knien kommt im Hinblick auf etwaige Überstunden schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger - wie vom Sachverständigen zutreffend dargelegt - den zeitlichen Umfang dieser Tätigkeiten in absoluten Zahlen (Stunden pro Woche), nicht aber in relativen Zeitanteilen (zB prozentualer Anteil der Arbeitszeit pro Woche) angegeben hat.

Ferner hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass sich auch aus dem IFA-Report 1/2010 „GonKatast - Ein Messwertkataster zu kniebelastenden Tätigkeiten“ keine abweichende Beurteilung der BK-relevanten Kniebelastung des Klägers herleiten lässt. Denn soweit der Beruf des Schweißers Gegenstand der dem Kataster zugrundeliegenden wissenschaftlichen Unter­suchungen war, beschränkte sich die Untersuchung auf Schweißer im Behälterbau, die ihrer Tätigkeit in engen Röhren nachgehen mussten, deren geringe Höhe nur ein Arbeiten im Knien oder Hocken zuließ. Solche Arbeitsplatzverhältnisse lagen beim Kläger aber nicht vor, und dementsprechend leuchtet es ohne weiteres ein, dass die Erkenntnisse aus der Untersuchung dieser besonderen Arbeitsplätze nicht auf die Tätigkeit des Klägers übertragen werden können. Daran ändern auch die vom Kläger dargelegten räumlich beengten Verhältnisse nichts, weil bei diesen Verhält­nissen die dargelegte und durch Fotos veranschaulichte Verrichtung der Arbeiten im Stehen und Sitzen dennoch möglich war und der Kläger über den oben dargelegten Umfang hinaus nicht gezwungen war, seine Tätigkeit im Knien, Hocken oder Fersensitz auszuüben.

Nach alledem kommt es auch nicht auf etwaige abweichende Angaben des Arbeitgebers des Klägers an, aus denen sich allerdings ausweislich der vorliegenden präventionsdienstlichen Stellungnahmen auch kein weitergehender Umfang relevanter Belastungen iSd BK 2112 ergibt. Der Beurteilung liegen auch keine nicht aufgedeckten Erfahrungswerte des Präventions­diens­tes oder des Sachverständigen, sondern im Wesentlichen allein die (ursprünglichen) An­gaben des Klägers zugrunde.

bb) Kann danach für die langjährige Tätigkeit des Klägers als Schweißer und Härter allenfalls von einer kumulativen Einwirkungsdauer von 4.100,8 Stunden ausgegangen werden, so bedarf es keiner weiteren Ermittlungen zu Art und Umfang von Belastungen während der Lehre und des Dienstes des Klägers als Zeitsoldat.

(1) Allerdings kann aus dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers, er habe während seiner Lehre von 1977 bis 1980 mindestens drei Stunden täglich Arbeiten im Knien verrichtet, ohne weiteres gefolgert werden, dass er jedenfalls nicht - wie nunmehr pauschal im Berufungs­verfahren behauptet wird - die meiste Zeit der Schicht im Knien oder Hocken verbracht hat. Denn wenn diese letzte Behauptung zuträfe, wäre nicht erklärbar, warum im erstinstanzlichen Verfahren noch lediglich mindestens drei Stunden täglich angegeben worden sind. Selbst wenn man aber zu seinen Gunsten davon ausginge, dass er ¾ seiner Arbeitszeit - mithin sechs Stun­den täglich an vier Tagen pro Woche - im Knien oder Hocken gearbeitet hat, wird damit unter Berück­sichtigung der vorstehend unter aa) und nachstehend unter (2) dargelegten Belastungs­dosen der weiteren Tätigkeitsabschnitte (4.100,8 Stunden und 3.520 Stunden) keine Einwir­kungs­­dauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden erreicht. Für die Zeit der Lehre wären dann 3.168 Stunden zu berücksichtigen (drei Jahre x 44 Arbeitswochen x vier Arbeits­tage x sechs Stunden), sodass sich insgesamt lediglich 10.788,8 Stunden ergäben.

(2) Zum zeitlichen Umfang von Tätigkeiten im Knien während des Dienstes als Zeitsoldat bei der Bundeswehr hat der Kläger überhaupt keine konkreten Angaben gemacht, sondern nur pauschal dar­gelegt, dass er kniend Waffen zerlegt und montiert sowie Gräben ausgehoben habe.

Wie bereits das SG zutreffend angenommen hat, ist es offenkundig unrealistisch, insoweit von einer vollschichtigen Tätigkeit im Knien auszugehen. Weitergehende Ermittlungen hierzu (etwa eine Befragung des Klä­gers) sind dennoch entbehrlich, weil selbst bei Zugrundelegung einer arbeitstäglich acht­stündigen Tätigkeit im Knien die notwendige (Mindest-)Gesamt­belastungs­dosis von 13.000 Stunden nicht erreicht wird. Vielmehr ergäbe sich für den Zeitraum des Dienstes bei der Bundes­wehr eine Einwirkungsdauer von insgesamt 3.520 Stunden (zwei Jahre x 44 Arbeitswochen x fünf Tage x acht Stunden) und damit eine kumulative Einwirkungs­zeit während des Arbeitslebens von insgesamt 10.788,8 Stunden.

c) Liegen danach schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2112 nicht vor, so kommt es auf die medizinischen Voraussetzungen der BK nicht an. Dementsprechend bedurfte es hierzu ebenfalls keiner Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich.

Rechtskraft
Aus
Saved