Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 Anlage 1 Berufskrankheitenverordnung [BKV] (Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung).
Der am 1974 geborene Kläger war seit August 1995 bei der Firma „R. GmbH“ in der Elektronik-Schrott-Bearbeitung beschäftigt gewesen. Von 2001 bis 2013 wurde er als LKW-Fahrer beschäftigt gewesen. Seit 2013 war der Kläger am Standort in Bochum als Baggerfahrer mit dem Einsatzort DSD-Hallen tätig.
Im Zeitraum von Oktober 2015 bis Februar 2016 arbeitete der Kläger mit einem Bagger Sennebogen 818M, Baujahr 2010, Fuchs 371 der über eine außenluftunabhängige Belüftung verfügt, welche die Außenluft über ein Filtersystem reinigt. Inwiefern durch dessen defekte Heizung das Kühlmittel EUROLUB D-30 in die Heizungslüftung eingeleitet worden ist, ist zwischen den Beteiligten umstritten. Der Hersteller des Kühlmittels gibt in seiner Produktbeschreibung insbesondere Gesundheitsgefahren bei Verschlucken des Kühlmittels an.
Der Kläger war in der Zeit vom 10.02.2016 bis zum 19.02.2016 krankgeschrieben worden.
Am 27.06.2016 ging bei der Beklagten durch Frau Dr. W. die Anzeige eines Verdachtes auf eine Berufskrankheit ein. Der Kläger habe EUROLUB D-30 eingeatmet. Der Kläger habe Asthma bronchiale und es sei zu einer Frostschutzmittelexposition gekommen. Er habe das Gefühl schlecht durchatmen zu können, Schmerzen in der Lunge sowie Husten mit Auswurf. Der Kläger werde mit Relvar 1-0-1 behandelt.
Mit Bericht vom 26.04.2016 teilte Herr Dr. T. mit, dass sich eine leichtgradige reversible obstruktive Ventilationsstörung bei dem Kläger finde. Anamnestisch komme ein Asthma bronchiale in Betracht. Mit Bericht vom 27.04.2016 teilte das Ambulante Lungenzentrums Essen mit, dass sich unter medikamentös antiobstruktiver Therapie kein Nachweis einer relevanten Obstruktion der Atemwege des Klägers finde. Der Kläger selbst gab gegenüber der Beklagten im Fragebogen vom 10.08.2017 an, dass er u.a. ununterbrochen an Atembeschwerden leide.
Aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers geht hervor, dass dieser seit 2008 u.a. wiederholt wegen Erkrankungen der oberen Atemwege / Bronchitis behandelt worden ist.
Auf Anfrage der Beklagten verneinte der Arbeitgeber durch Schreiben vom 13.12.2016, dass der Kläger verschiedenen Chemikalien ausgesetzt gewesen sei.
Der Präventionsdienst der Beklagten fasste in seinem Bericht vom 11.04.2017 die Ergebnisse einer Arbeitsplatzexploration vom 23.03.2017 auf dem Betriebsgelände in Herne, wo der Kläger befragt worden ist, sowie einer weiteren Arbeitsplatzexploration vom 27.03.2017 auf dem Betriebsgelände in Bochum zusammen, wo zusätzlich der Betriebsleiter der Firma „R. GmbH“, Herr J., befragt worden war. Hiernach ergebe sich keine Gefährdung i.S.e. Berufskrankheit nach Nr. 4302 BKV. Der Kläger sei während seiner beruflichen Tätigkeit zeitweise in geringem Umfang gegenüber unspezifischen Abfallstäuben exponiert gewesen. Die Arbeitszeit habe für den Kläger regelmäßig 8 Stunden betragen; zeitweise auch einmal 9 bis 10 Stunden. Der Einsatzort des Baggers sei eine Umschlaghalle, die nach vorne hin offen gewesen sei. Gelegentlich habe der Kläger in eine geschlossene Halle gemusst, die mit einer Zwangsbelüftung ausgestattet gewesen sei. Der Kläger selbst gebe an, dass er selbst seine Beschwerden auf den Betrieb des defekten Baggers ab Oktober 2015 zurückführe, wenn die Heizung eingeschaltet werde. Über einen porösen Luftschlauch seien Abgase mit angesaugt worden und über die Heizungsanlagen in die Kabine transportiert worden. Es hätten sich an den Kabinenscheiben dunkle Partikel gezeigt, bei denen er von Ruß ausginge. An den Scheiben habe sich auch gelblicher Schmutz gesammelt. Er habe häufig einen süßlichen Geschmack auf den Lippen gehabt. Er ginge davon aus, dass der Wärmetauscher defekt gewesen sei, die Kühlflüssigkeit darauf getropft sei und durch die warme Luft in die Kabine transportiert worden wäre. Er habe den Bagger grundsätzlich mit geschlossener Kabine betrieben. Diese Darstellung des Klägers zum Austritt der Kühlflüssigkeit im Bagger habe durch Herrn J. nicht bestätigt werden können. Bei der Reinigung des Baggers seien schwarze Staubpartikel in der Kabine festgestellt worden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kühlflüssigkeit über das Lüftungssystem in die Kabine gelangt sei, erscheine eher unwahrscheinlich, wegen der technischen Anordnung dieser Geräte außerhalb der Kabine. Zum Verdampfen der Kühlflüssigkeit müsse diese sehr stark erhitzt werden, um im dampfförmigen Aggregatszustand dann über das Lüftungssystem in die Kabine zu gelangen. Ein Beschlagen der Fahrerkabine müsse nicht zwangsläufig darauf zurückzuführen sein, dass Flüssigkeit verdampfe. Hierfür könnte auch Atemluft oder Transpiration verantwortlich sein. Der Bagger sei im März 2016 nach einem Defekt durch die Firma „S“ in Stand gesetzt worden. Der Kläger könne Einwirkungen maximal im Zeitraum von Oktober 2015 bis März 2016 ausgesetzt gewesen sein.
Mit dem angefochtenen Ablehnungsbescheid vom 25.07.2017 teilte die Beklagte – in Form des Rentenausschusses - dem Kläger mit, dass keine Berufskrankheit nach Nr. 4302 BKV bestehe. Ansprüche auf Leistungen bestünden daher nicht. Dies gelte auch für Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken. Der Kläger sei nach der arbeitstechnischen Prüfung während seiner Berufstätigkeit als Bagger- / Kraftfahrer seit 1995 keinen Stoffen ausgesetzt gewesen, welche nach Art, Dauer und Häufigkeit geeignet gewesen seien, eine obstruktive Atemwegserkrankung auszulösen. Die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nr. 4302 BKV seien damit nicht erfüllt gewesen.
Am 02.08.2017 erhob der Kläger Widerspruch. Er könne das Ergebnis der arbeitstechnischen Prüfung nicht nachvollziehen. Entgegen der Ankündigung der mit der Sache betrauten Aufsichtsperson, sei ihm der Bericht auch nicht vorab zur Ergänzung vorgelegt worden. Der Kläger sei nachwievor der Überzeugung, dass er bei seiner beruflichen Tätigkeit atemwegsgefährdenden Stoffen ausgesetzt gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.09.2017 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Ablehnungsbescheid beruhe auf den Ermittlungsergebnissen, die im Rahmen des Feststellungsverfahrens gewonnen worden seien. Es habe keine relevante Exposition gegenüber chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffen und damit mithin eine Gefährdung i.S.d. Nr. 4302 BKV nicht festgestellt werden können. Mangels Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen sei eine Berufskrankheit schon aus diesem Grund nicht anzuerkennen.
Mit Schriftsatz vom 24.10.2017, der am selben Tag beim SG Duisburg eingegangen ist, hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger trägt ergänzend zu seiner Widerspruchsbegründung vor, dass seine behandelnden Ärzte bestätigen würden, dass die Schädigung der Lunge auf das beschriebene Ereignis zurückgehen würde. Der Kläger mache gegen den Bericht des Präventionsdienstes geltend, dass
- in der Firma bekannt gewesen sei, dass der Bagger Frostschutzmittel verliere. Alle 2 Wochen habe man ca. 1-2 Liter Frostschutzmittel nachfüllen müssen.
- die undichte Stelle am Kühler, wo das Frostschutzmittel ausgetreten sei, nicht bekannt gewesen sei.
- er Herrn J. sofort in Kenntnis gesetzt habe, dass beim Bagger nach einer Reparatur weiter Frostschutzmittel ausgetreten sei, und Belüftungsproblem in der Baggerkabine bestehe.
- der Mitarbeiter der Firma „S.“ die Reparatur größtenteils in Gegenwart des Klägers vorgenommen habe. Der Mitarbeiter habe den Bagger Teil für Teil auseinandergenommen. Der Mitarbeiter sei an eine Wanne unter dem Fahrersitz gekommen, die mit Flüssigkeit gefüllt gewesen wäre. Dann habe sich herausgestellt, dass das Abflussloch durch Dreck verstopft gewesen sei, weshalb die Flüssigkeit nicht abgeflossen sei. Der Monteur habe sich dann entschieden selbst ein Loch zu öffnen, um die Flüssigkeit abzulassen, bevor er die Wanne ausbauen konnte. Den Namen dieses Mitarbeiters der Firma „S.“ kenne er nicht. Dieser sei ca. 40 Jahre alt, 175 bis 180 cm groß, blond mit gelockten Haaren gewesen.
- bei der Prüfung nicht die richtigen tatsächlichen Bedingungen der Vergangenheit zu Grunde gelegt worden seien. Erst nach einem Jahr sei eine Prüfung erfolgt, als in technischer Hinsicht alles wieder behoben worden gewesen sei.
Der Kläger habe in der Vergangenheit nur von 1993 bis Mai 1996 (Einzug in eine neue Wohnung) ca. 2 bis 3 Zigaretten täglich – am Wochenende ggf. etwas mehr – geraucht. Das Rauchen komme daher als Alternativursache nicht in Betracht. Die Atemwegsbeschwerden hätten ungefähr im Oktober 2015 begonnen, wie ein Telefonvermerk vom 25.07.2016 nahelege. Hinsichtlich der Frage nach Leistungen gemäß § 3 BKV werde der Beklagten im Ergebnis zugestimmt, nachdem der Bagger repariert und die Gefahrquelle beseitigt worden sei, ohne dass wirtschaftliche Schlechterstellung des Klägers eingetreten sei. Der fragliche Bagger sei inzwischen auch von der Firma „R.“ ausgesondert worden und nicht mehr vorhanden. Auch das letzte vergleichbare Baggermodell des Arbeitgebers sei zwischenzeitlich aussortiert worden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2017 zu verpflichten, bei dem Kläger das Bestehen einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 BKV für den Zeitraum ab Oktober 2015 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist ergänzend zu ihren Ausführungen im Widerspruchsbescheid darauf, dass weitere Stellungnahmen des Präventionsdienstes vom 03.08.2018 und vom 18.12.2018 eingeholt worden seien. Hiernach könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kontakt mit dem Frostschutzmittel EUROLUB D-30 überhaupt eine relevante Exposition i.S.d. BK Nr. 4302 BKV gewesen sei (aufgrund des geringen Dampfdruckes von Ethandiol als Bestandteil). Ein Vollbeweis der ausreichenden beruflichen Exposition sei hier nicht gegeben. Die Annahmen des Unternehmens würden dagegen sprechen, dass hier überhaupt eine Exposition über sechs Monate vorgelegen habe, was nun nachträglich nicht mehr nachvollziehbar sei. Eine nachträgliche Berechnung der Exposition sei nicht möglich. Da nicht einmal die arbeitstechnischen Voraussetzungen nachgewiesen worden sei, sei die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens entbehrlich gewesen. Bereits aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenversicherung seien ab 2008 immer wieder Erkrankungen der Atemwege des Klägers dokumentiert. Berufliche Expositionen könnten zu dieser Zeit ausgeschlossen werden. Hier sei außerdem zu beachten, dass die Beschwerden erstmalig im April 2016 ärztlich gesichert aufgetreten seien, also nach dem Ende der behaupteten – aber nicht gesicherten - beruflichen Exposition im März 2016. Sofern der Kläger selbst angebe, dass es bereits ab Oktober 2015 zu Beschwerden gekommen sei, könne dies medizinisch andere Hintergründe gehabt haben; eine entsprechende Diagnose liege jedenfalls nicht im Vollbeweis vor. Herzerkrankungen, wegen denen der Kläger in diesem Zeitraum behandelt worden sei, könnten bspw. das Gefühl von Luftnot auslösen. In einem Bericht des Katholischen Klinikums Essen vom 02.02.2016 werde eine Atemnot unter der Anamnese gerade nicht angegeben; vielmehr werde sie ausgeschlossen. Auch Leistungen nach § 3 BKV seien nicht zu erbringen, weil es streitig sei, welchen beruflichen Expositionen der K überhaupt ausgesetzt gewesen sei und jedenfalls mit der Reparatur des Baggers diese Expositionen beseitigt worden seien.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten vom 20.05.2020 durch Herrn Prof. Dr. K., welches nach Aktenlage erstellt worden ist. Das Kühlschutzmittel EUROLUB D-30 enthalte als wesentlichen Inhaltsstoff Ethylenglykol, der süßlich schmecke und werde hauptsächlich über den Atemtrakt und über die Haut aufgenommen. Die Atemwegsaufnahme könne nur bei Verdampfung erfolgen, was eine Erhitzung voraussetze. EUROLUB D-30 sei eine Substanz, die konzentrationsabhängig atemwegsreizend wirken könne. Eine Einwirkung auf den Kläger im Bagger sei theorethisch möglich, wenn die Substanz (1.) aufgrund der defekten Heizanlage ungewöhnlich heiß werden konnte und (2.) der Dampf – mit einer Konzentration von ca. 55 ppm - in die Kabine gelangen konnte. Der Kläger leide an einer obstruktiven Atemwegserkrankung. Er sei Raucher gewesen, ohne dass hierzu genauere Angaben vorliegen würden. Die Atemwegserkrankung könne auch auf dem Nikotinmissbrauch beruhen. Außerdem habe der Kläger in der Vergangenheit mehrere Atemwegserkrankungen gehabt. Es sei anzunehmen, dass er bereits durch den Nikotinabusus eine chronische Bronchitis entwickelt habe, welche ggf. durch Ethylenglykol über die Zeit von Oktober 2015 bis März 2016 verschlimmert worden ist, wenn eine entsprechende quantitative Einwirkung nachgewiesen werden könne.
Auf Anfrage des Gerichtes hat die Firma „R.“ mit Schreiben vom 21.11.2022 verschiedene technische Ausstattungsdaten zum Bagger übersandt, welchen der Kläger geführt hatte. Zudem war dem Schreiben eine Rechnung der Firma „S.“ vom 31.03.2016 über „Wartungs- und Reparaturkostenpauschale für Monat März 2016“ beigefügt. In dem Begleitschreiben führt die Firma „R.“ aus, dass der Kläger im Zeitraum von Oktober 2015 bis Februar 2016 auch auf Umschlagsbaggern eingesetzt worden sei. Diese Bagger würden von verschiedenen Mitarbeitern bedient, so dass nicht immer derselbe Mitarbeiter auf demselben Fahrzeug arbeite.
Auf weitere Anfragen des Gerichtes hat die Firma „S.“ mit Schreiben vom 16.12.2022 und 22.05.2023 mitgeteilt, dass bei der Firma „R.“ wechselnde Monteure im fraglichen Zeitraum im Einsatz gewesen seien, unter denen der konkrete Mitarbeiter nachträglich - auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers – nicht mehr ermittelt werden könnte, welcher die Reparatur im März 2016 durchgeführt hatte. Beiliegend übersandte die Firma „S.“ eine Auftragsbestätigung zur Wartung Schutzbelüftungsanlage mit dem Vermerk „Dieselpartikelfilter“ für den 10.03.2016 sowie eine Rechnung der Firma „A.“ vom 31.03.2016. Die Rechnung beschreibt einen Reparaturauftrag bei der Firma „R.“ in Bochum am 10.03., wofür u.a. eine Wartung der Filteranlage (einschließlich Funktionsprüfung der Schutzbelüftungsanlage, Sichtkontrolle der Gerätedichtung, Reinigung der Filteranlage, Filterkontrolle, kleine Nachdichtarbeiten) und die Wartung des Dieselpartikelfilters (einschließlich Reinigung des Filters, Prüfung des Überwachungssystems, Messung des Gegendrucks) in Rechnung gestellt werden. Ferner werden Auftragsbestätigungen eingereicht, die teilweise in nicht mehr lesbaren Handschriften ausgefüllt sind.
Der Kläger bestätigt die übersandten Angaben seines Arbeitgebers und trägt vor, dass aus der übersandten Rechnung an die Firma „R.“ Nr. 16044833 ersichtlich sei, dass dort am 22.03.2016 eine defekte Heizung komplett repariert worden sei.
Die Beklagte trägt zu den übersandten Unterlagen vor, dass sich hieraus keine Anhaltspunkte für eine mögliche Exposition ergeben würden. Hierzu wird ein Schreiben des Präventionsdienstes vom 31.01.2023 überreicht, auf dessen Inhalt verwiesen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist zulässig, aber unbegründet. Eine Aufhebung der Ablehnungsentscheidung, die durch den Rentenausschuss getroffen worden ist, kann mangels Rechtsschutzbedürfnis der Klägerseite – unter gleichzeitiger Abweisung des Verpflichtungsbegehrens – nicht erfolgreich geltend gemacht werden.
I. Die Klage auf behördliche Anerkennung der Atemwegserkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nr. 4302 BKV ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 SGG) statthaft und im Übrigen zulässig.
Hierbei richtet sich die Anfechtung nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG gegen die entsprechende Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 25.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2017, mit welcher das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 BKV für die Atemwegserkrankung des Klägers verneint worden ist.
Da allein die gerichtliche Beseitigung der belastenden Ablehnungsentscheidung der Klägerseite noch nicht weiterhilft - insbesondere ist die Aufhebung einer Ablehnung noch keine Bewilligung / Feststellung des Gegenteils -, ist diese Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes unmittelbar mit der Klage auf gerichtliche Feststellung nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zu verbinden, dass entgegen der Ansicht der Beklagten ein Versicherungsfall nach § 7 SGB VII vorliegt (vgl. für das Vorliegen von Berufskrankheiten etwa: BSG, Urt. v. 16.03.2021 – B 2 U 11/19 R, juris, Rn. 9 m.w.N.; BSG, Urt. v. 16.03.2021 – B 2 U 7/19 R, juris, Rn. 7 ff.; Hessisches LSG, Urt. v. 25.06.2021 – L 9 U 166/18, juris, Rn. 38 m.w.N.; LSG Hamburg, Urt. v. 07.07.2021 – L 2 U 47/19, juris, Rn. 44; Thüringer LSG, Urt. v. 01.07.2021 – L 1 U 976/18, juris, Rn. 21; so auch für Arbeitsunfälle: BSG, Urt. v. 08.05.2007 – B 2 U 3/06 R, juris, Rn. 23 m.w.N.; BSG, Urt. v. 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R, juris, Rn. 12; BSG, Urt. v. 27.04.2010 – B 2 U 23/09 R, juris, Rn. 9 m.w.N.; kritisch: Groß, in: Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, 6. Auflage 2021, § 55 SGG, Rn. 20). Alternativ kann die Anfechtungsklage aber auch mit einer Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGG (auf gerichtliche Verpflichtung zum behördlichen Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes) oder einem Leistungsbegehren nach § 54 Abs. 4 SGG (unmittelbar auf Leistungen nach dem SGB VII) verbunden werden, wenn auch bereits eine ablehnende Leistungsentscheidung vorliegen sollte. Insofern wird in diesen Konstellationen, in Einschränkung der allgemeinen Subsidiarität der Feststellungsklage, ein gleichrangiges Wahlrecht des Klägers anerkannt, ob dieser seine (Anfechtungs-) Klage gegen die Ablehnungsentscheidung des Unfallversicherungsträgers unmittelbar mit einer Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGG, einem Leistungsbegehren nach § 54 Abs. 4 SGG oder einem Feststellungsbegehren nach § 55 SGG verbindet (BSG, Urt. v. 08.05.2007 – B 2 U 3/06 R, juris, Rn. 23 m.w.N. – „Der Subsidiaritätsgrundsatz gilt allerdings bei Feststellungsklagen gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts nur eingeschränkt, weil angenommen werden kann, dass diese die Leistungsberechtigten angesichts ihrer in der Verfassung verankerten Bindung an Gesetz und Recht auch ohne Leistungsurteil mit Vollstreckungsdruck befriedigen werden […].“; BSG, Urt. v. 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R, juris, Rn. 12 m.w.N.; BSG, Urt. v. 27.04.2010 – B 2 U 23/09 R, juris, Rn. 9; Hessisches LSG, Urt. v. 25.06.2021 – L 9 U 166/18, juris, Rn. 38 m.w.N.; Böttiger, in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 55 SGG [Klagebegehren in Form der Feststellungsklage], Rn. 9; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 55 SGG, Rn. 13c m.w.N. – „Die Möglichkeit, auch eine (kombinierte Anfechtungs- und) Verpflichtungsklage […] auf Verpflichtung zur Feststellung einer Unfall- oder Berufskrankheitsfolge oder zur Feststellung eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit durch den Beklagten zu erheben, schließt nach der Rspr. eine (mit einer Anfechtungsklage kombinierte) Feststellungsklage nach Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 nicht aus […]. Der Kläger kann nach der Rspr. wählen, welche dieser in Betracht kommenden Klagen er erhebt […]. Bei beiden Varianten, auch nach einem klageabweisenden Urteil auf eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage, ist später die Rücknahme des ablehnenden VA, sofern dieser rechtswidrig ist, durch die Verwaltung nach § 44 SGB X möglich […].“; Senger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 55 SGG, Rn. 46 m.w.N.; Aubel, Zur Zulässigkeit der Leistungsklage bei Ablehnung des Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung, NZS 2021, 376, 376 m.w.N.; einschränkend hingegen zum Wahlrecht bei Leistungen nach dem SGB VII an Hinterbliebene: BSG, Urt. v. 29.11.2011 – B 2 U 26/10 R, juris, Rn. 19). Sofern keine Ablehnungsentscheidung zu konkreten Leistungen nach dem SGB VII vorliegt, sondern die vorausgehende Feststellung eines Versicherungsfalles i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB VII streitgegenständlich ist, beschränkt sich das prozessuale Wahlrecht des Versicherten auf eine Kombination aus Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 SGG oder Anfechtungs- und Feststellungklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG (Aubel, Zur Zulässigkeit der Leistungsklage bei Ablehnung des Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung, NZS 2021, 376, 376 m.w.N. – „Lehnt der zuständige Träger der Unfallversicherung die Anerkennung eines Versicherungsfalls ab, können diejenigen Versicherten, die einen Versicherungsfall geltend machen, nach erfolglosem Widerspruchsverfahren wählen, ob sie hiergegen mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG oder mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. und 3. Alt., 56 SGG vorgehen wollen.“).
Hier hat die Klägerseite dieses prozessuale Wahlrecht im Ergebnis in zulässiger Weise zugunsten der Kombination mit einer Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 SGG ausgeübt. Denn der Klägerseite begehrt die gerichtliche Verpflichtung der Beklagten zur behördlichen Feststellung einer entsprechenden Berufskrankheit durch Verwaltungsakt i.S.d. § 31 S. 1 SGB X.
Sofern teilweise die Auffassung vertreten wird, dass das Vorliegen eines Versicherungsfalls nach § 7 SGB VII allein mit einer Klage auf gerichtliche Feststellung durchsetzbar wäre, welche hierfür wegen der Sonderregelung des § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG - analog – vorrangig wäre (so wohl: Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 55 SGG, Rn. 13c), teilt das Gericht diese Auffassung nicht. Ausgehend von der allgemeinen Subsidiarität der Feststellungsklage, kann § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG nicht der Regelungsgehalt einer abschließenden Sonderregelung zur alleinigen Klageart in diesem Zusammenhang entnommen werden (so im Ergebnis auch: BSG, Urt. v. 30.01.2020 – B 2 U 2/18 R, juris, Rn. 9 m.w.N.).
II. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 SGG) ist unbegründet. Die Beklagte hat es mit der angefochtenen Entscheidung vom 25.07.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.2017 zu Recht abgelehnt, für eine Atemwegserkrankung des Klägers von einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Nr. 4302 BKV auszugehen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf gegenteilige Feststellungsentscheidung der Beklagten.
Ein Versicherter hat jedenfalls aus Gewohnheitsrecht einen Anspruch gegen den zuständigen Sozialversicherungsträger, dass durch feststellenden Verwaltungsakt über das Vorliegen bzw. die Reichweite eines Versicherungsfalles nach § 7 Abs. 1 SGB VII regelnd entschieden wird. Dieser Anspruch auf Feststellung des Versicherungsfalls durch Verwaltungsakt ist durch das Bundessozialgericht in der Vergangenheit vereinzelt aus der Regelungsgehalt des § 102 SGB VII abgeleitet worden (etwa: BSG, Urt. v. 24.07.2012 – B 2 U 23/11 R, juris, Rn. 16; BSG, Urt. v. 05.07.2011 – B 2 U 17/10 R, juris, Rn. 15 f. – „Anspruchsgrundlage für einen solchen Feststellungsanspruch eines Versicherten und Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des feststellenden Verwaltungsakts für den Unfallversicherungsträger ist § 102 SGB VII. Nach dieser Vorschrift wird in den Fällen des § 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV "die Entscheidung über einen Anspruch auf Leistung" schriftlich erlassen. Sie stellt nicht nur das Schriftformerfordernis für die in § 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV genannten Arten von Entscheidungen auf. Sie enthält zudem ausdrücklich die Erklärung, dass der Unfallversicherungsträger über einen Anspruch auf Leistung selbst "entscheiden" darf. Die Entscheidung eines Unfallversicherungsträgers über das Bestehen/Nichtbestehen oder über Inhalt und Umfang eines Sozialleistungsanspruchs aus dem SGB VII ist aber stets eine hoheitliche (= öffentlich-rechtliche) Maßnahme zur Regelung (dh gemäß § 31 SGB I: auch zur Feststellung eines Rechts) eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (hier: Leistungsrecht der gesetzlichen Unfallversicherung) mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (hier: gegenüber einem Versicherten). Diese Ermächtigungsnorm ist zugleich Anspruchsgrundlage für den Versicherten. Zwar ist § 38 SGB I nicht anwendbar, der speziell materiell-rechtliche Ansprüche auf Sozialleistungen, nicht Ansprüche auf den Erlass von Verwaltungsakten betrifft. § 102 SGB VII begründet aber einen solchen öffentlich-rechtlichen Anspruch, weil er nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen soll, sondern auch dem Interesse eines aus der Norm abgrenzbaren Kreises Privater; diesen Begünstigten verleiht er zudem die Rechtsmacht, vom Hoheitsträger die Befolgung seiner öffentlich-rechtlichen Pflicht rechtlich verlangen zu können […]. § 102 SGB VII soll als den Verwaltungsträger verpflichtende Befugnis auch den Interessen der durch einen Unfall gesundheitsbeschädigten Versicherten an einer raschen und rechtsverbindlichen Klärung dienen. Der Versicherte kann auch Klärung verlangen, ob ein Versicherungsfall vorliegt, welcher Träger dafür verbandszuständig ist (Aufgabenkreis des Trägers) und welche Gesundheitsschäden dem Versicherungsfall zuzurechnen sind.“). Diese konkrete Verortung in § 102 SGB VII fällt allerdings vor dem Regelungsgehalt der Vorschrift nicht überzeugend aus (ablehnend auch: Spellbrink/Karmanski, Die Gesetzliche Unfallversicherung in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Teil I), SGb 2021, 461, 465 m.w.N.; so ausführlich auch: Ricke, Zur Feststellung des Versicherungsfalls und seiner Folgen in der Unfallversicherung durch Verwaltungsakt, NZS 2016, 691, 692 ff. m.w.N.). Einigkeit besteht allerdings dahingehend, dass sich ein Anspruch des Versicherten auf Feststellung eines Versicherungsfalles durch Verwaltungsakt besteht, so dass die konkrete Ermächtigungsnorm dieser Feststellungsentscheidung im Ergebnis dahingestellt bleiben kann.
Vorliegend besteht jedoch kein Anspruch des Klägers auf behördliche Feststellung einer Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. Nr. 4302 BKV, da jedenfalls die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht im Sinne des notwendigen Vollbeweises nachgewiesen sind.
1. Ein Versicherungsfall im Sinne einer Berufskrankheit nach § 7 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Krankheiten, die [1.] entweder von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet ist (sog. Listenprinzip) oder für die Sondervoraussetzungen nach § 9 Abs. 2, Abs. 2a SGB VII erfüllt sind und die [2.] der Versicherte gerade infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erlitten hat.
Aus diesen normativen Grundlagen haben Rechtsprechung und Literatur – mit teilweise terminologischen Abweichungen - abgeleitet, dass eine Berufskrankheit nur dann vorliegt, wenn
- der Geschädigte, der eine nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherte Tätigkeit ausübte,
- gerade ein unfallbringendes Verhalten vornahm, das seinerseits zur Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit zurechenbar ist (sog. Zurechnungszusammenhang),
- welches seinerseits (anspruchs- / haftungsbegründend / einwirkungs-) kausal
- zu von außen kommenden Einwirkungen / Expositionen auf den Körper i.S.d. Sondervoraussetzungen der fraglichen Berufskrankheit geführt hat, welche nicht in einem einzigen zeitlich begrenzten, einwirkenden Ereignis i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII zusammengefasst werden können,
- die wiederum (anspruchs- / haftungsbegründend / haftungsausfüllend) kausal
- eine Krankheit - als regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand - hervorgerufen haben, welche ihrerseits in der Rechtsverordnung als Berufskrankheit gelistet (sog. Listenerkrankung) oder nach § 9 Abs. 2, Abs. 2a SGB VII einer solchen Erkrankung gleichzustellen ist.
(vgl. zum Ganzen: BSG, Urt. v. 20.03.2018 – B 2 U 5/16 R, juris, Rn. 12 - „Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist für die Feststellung einer Listen-BK (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). […] Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall).“; BSG, Urt. v. 02.04.2009 - B 2 U 7/08 R, juris, Rn. 15 – „Die Verrichtung einer – grundsätzlich – versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).“; Thüringer LSG, Urt. v. 05.11.2020 – L 1 U 1427/16, juris, Rn. 29; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15.12.2017 – L 4 U 641/17, juris, Rn. 52 f. – „Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die gegebenenfalls bei einzelnen Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). […] Diese Voraussetzungen entsprechen denen eines Unfalls nach § 8 Abs. 1 SGB VII: bei diesem Versicherungsfall, der nur während eines begrenzten Zeitraums eintreten kann, muss der versicherten Tätigkeit die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfallereignisses zuzurechnen sein (sachlicher Zusammenhang) und diese Verrichtung muss zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt haben (Unfallkausalität); das Unfallereignis muss einen Gesundheit(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Ausgehend von der versicherten Tätigkeit entsprechen die Einwirkungen bei der Listen-BK dem Unfallereignis beim Arbeitsunfall und die berufsbedingte Erkrankung dem Gesundheit(-erst-)schaden. Dabei ist zu betonen, dass auch im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheit(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann gegebenenfalls zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles (vergleiche Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - mit weiteren Nachweisen).“; Römer, in: Hauck/Noftz, SGB, 3. Ergänzungslieferung 2023, § 9 SGB VII, Rn. 67 ff., 69 – „Das BSG nimmt gegenüber seiner früheren Rechtsprechung […] den Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und der Einwirkung aus dem Begriff der haftungsbegründenden Kausalität heraus - wie bei der Prüfung des Arbeitsunfalls […] - und bezeichnet diesen als Einwirkungskausalität […]. Es begründet dies zutreffend mit der Feststellung, dass dieser Zusammenhang noch keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine „Haftung“. Weiterhin weist das Gericht zutreffend darauf hin, dass ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (BSG, 9. 5. 2006, B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196, SGb 2007, 242 mit Anm. von Keller) die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles, sondern ggf. die Voraussetzung für die Erbringung bestimmter Leistungen […] ist.“; Brandenburg, in: Becker/Franke/Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, 5. Auflage 2018, § 9 SGB VII, Rn. 10, 12 ff.; Scheer, in: Düsing/Martinez, Agrarrecht, 1. Auflage 2016, § 9 SGB VII, Rn. 2 ff. m.w.N.; Wietfeld, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Meßling/Udsching, 69. Edition, Stand: 01.06.2023, § 9 SGB VII, Rn. 27 ff. m.w.N.; Kunkel, in: Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar SRB, 3. Auflage 2023, § 9 SGB VII, Rn. 6 ff.; a.A. bzgl. der terminologischen Bestimmung der Glieder der haftungsbegründende und -ausfüllenden Kausalität unter Verzicht auf „Einwirkungskausalität“ hingegen: Schmidt, in: Schmitt, SGB VII, 4. Auflage 2009, § 9 SGB VII, Rn. 4 ff.; Ricke, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR (Kasseler Kommentar), GesamtHrsg: Körner/Krasney/Mutschler/Rolfs, Stand: 01.09.2021, § 9 SGB VII, Rn. 2, 6a ff.; Kokemoor, Sozialrecht, 2. Aufl. 2006, Rn. 264; Igl/Welti, Sozialrecht, 8. Auflage 2007, § 41, Rn. 13 ff. m.w.N.).
Zusätzlich sehen die jeweiligen Leistungsansprüche des SGB VII ihrerseits als weitere Anspruchsvoraussetzung regelmäßig vor, dass die Listenerkrankung kausal zu einem Gesundheitsschaden oder dem Tod des Geschädigten geführt hat, für den die fraglichen Leistungen erbracht werden sollen (Schmidt, in: Schmitt, SGB VII
4. Auflage 2009, § 9 SGB VII, Rn. 8 m.w.N.).
Die objektive Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer Berufskrankheit trägt regelmäßig der Versicherte, wenn er sich im Streitfall auf diesen für ihn günstigen Umstand berufen möchte, der anspruchsbegründend wirkt (BSG, Urt. v. 27.06.1991 – 2 RU 31/90, juris, Rn. 17; Hessisches LSG, Urt. v. 25.06.2021 – L 9 U 166/18, juris, Rn. 53; Sächsisches LSG, Urt. v. 23.06.2021 – L 6 U 234/16, juris, Rn. 18; ausführlich: Ricke, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR (Kasseler Kommentar), GesamtHrsg: Körner/Krasney/Mutschler/Rolfs, Stand: 01.09.2021, § 9 SGB VII, Rn. 27b m.w.N.). Denn nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der sich auf ein Recht beruft, gleichermaßen die materiell-rechtliche Beweislast für das Vorliegen von positiven Tatsachen wie für das Fehlen negativer Tatbestandsmerkmale, die das von ihm geltend gemachte Recht begründen würden (vgl. allgemein: Hessisches LSG, Urt. v. 25.06.2021 – L 9 U 166/18, juris, Rn. 53; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 13. Auflage 2020, § 103 SGG, Rn. 19a m.w.N. aus der Rechtsprechung). Hiervon ausgehend trägt im Zweifelsfall auch derjenige die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen, der ein Recht in Anspruch nimmt, während derjenige, der ein Recht leugnet, die Beweislast für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Tatsachen trägt (BSG, Urt. v. 26.11.1992 – 7 RAr 38/92, juris, Rn. 23 m.w.N.; Kühl, in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 103 SGG [Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen], Rn. 7 m.w.N.). Sofern das Gesetz keinen besonderen Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit oder Glaubhaftmachung anordnet, ist der sog. Vollbeweis einer Tatsache maßgeblich (BSG, Urt. v. 16.02.1971 – 1 RA 113/70, juris, Rn. 18; Haupt, in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 128 SGG [Entscheidung nach freier Überzeugung], Rn. 5 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 128 SGG, Rn. 3a ff.). Ein Vollbeweis ist erbracht, wenn für das Gericht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Umstand vorliegt. Eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist dabei gegeben, wenn eine Tatsache in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Gewisse Zweifel sind unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten. Beim Richter muss allerdings ein Maß an persönlicher Gewissheit erreicht sein, welches Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie andererseits völlig auszuschließen. Sind mehrere Tatbestandsvarianten möglich, ist der Anspruch hingegen nur dann zuzuerkennen, wenn er nach jedem der Geschehensabläufe zusteht (sog Wahlfeststellung; vgl. allgemein zu den Maßstäben des Vollbeweises jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung: Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 128 SGG, Rn. 3b; Haupt, in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 128 SGG [Entscheidung nach freier Überzeugung], Rn. 5).
Für die Annahme einer Berufskrankheit i.S.d. § 9 SGB VII muss nach Abschluss der gerichtlichen Amtsermittlungen insofern zweifelsfrei - im Vollbeweis zugunsten des Versicherten - feststehen, dass der Geschädigte der Versicherungspflicht nach §§ 2, 3 oder § 6 SGB VII unterfiel, eine zum Versicherungsschutz zurechenbare versicherte Tätigkeit vornahm, eine Listenkrankheit oder eine gleichgestellte Erkrankung bei ihm vorliegt und er gerade den dafür spezifischen belastenden Einwirkungen ausgesetzt gewesen ist. Wenn die arbeitstechnischen und / oder medizinischen Voraussetzungen der jeweiligen Berufskrankheit zweifelhaft bleiben, hat der Versicherte die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Feststellungsanspruch entfällt (vgl. Thüringer LSG, Urt. v. 05.11.2020 – L 1 U 1427/16, juris, Rn. 29 m.w.N.). Ein besonderer Beweismaßstab ist demgegenüber angezeigt, soweit es um den Nachweis der (haftungsbegründenden / haftungsausfüllenden) Kausalität geht. In diesem Zusammenhang ist es bereits ausreichend, wenn es wahrscheinlich ist, dass die Tätigkeit wesentliche Ursache der Einwirkungsaussetzung bzw. Einwirkungen wesentliche Ursache der Erkrankung war (vgl. zum Ganzen: BSG, Urt. v. 20.03.2018 – B 2 U 5/16 R, juris, Rn. 12 - „Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit […]. Der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht […] und ernste Zweifel ausscheiden […].; BSG, Urt. v. 02.04.2009 - B 2 U 7/08 R, juris, Rn. 15 m.w.N. – „Die Tatbestandsmerkmale „versicherte Tätigkeit”, „Verrichtung”, „Einwirkungen” und „Krankheit” müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit […].“; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15.12.2017 – L 4 U 641/17, juris, Rn. 52 f. – „Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit.“; Thüringer LSG, Urt. v. 01.07.2021 – L 1 U 976/18, juris, Rn. 23 - „Für die Feststellung einer Listen-BK ist erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (vgl. Bundessozialgericht < BSG >, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 11/14 R, nach juris). Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände diejenigen so stark überwiegen, die für den Ursachenzusammenhang sprechen, dass darauf eine richterliche Überzeugung gegründet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, nach juris). Sofern die notwendigen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht von demjenigen, der sie geltend macht, mit dem von der Rechtsprechung geforderten Grad nachgewiesen werden, hat er die Folgen der Beweislast dergestalt zu tragen, dass dann der entsprechende Anspruch entfällt.“; Ricke, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR (Kasseler Kommentar), GesamtHrsg: Körner/Krasney/Mutschler/Rolfs, Stand: 01.09.2021, § 9 SGB VII, Rn. 27 ff. m.w.N.).
Nach § 9 Abs. 3 SGB VII wird zugunsten des Versicherten bei Auftreten einer Listenkrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII gesetzlich vermutet, dass diese Erkrankung wesentlich kausal auf dessen berufsbedingten Einwirkungen beruht, wenn der Versicherte [1.] wegen den besonderen Bedingungen seiner Tätigkeit [2.] „in erhöhtem Maße“ der Gefahr dieser Erkrankung ausgesetzt war und [3.] keine Anhaltspunkte für eine anderweitige Verursachung festgestellt werden können (ausführlich: Wietfeld, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Meßling/Udsching, 69. Edition, Stand: 01.06.2023, § 9 SGB VII, Rn. 72 ff. m.w.N.; Ricke, in: beck-online.GROSSKOMMENTAR (Kasseler Kommentar), GesamtHrsg: Körner/Krasney/Mutschler/Rolfs, Stand: 01.09.2021, § 9 SGB VII, Rn. 28 f. m.w.N.). Die Reichweite der Vermutungsregelung des § 9 Abs. 3 SGB VII beschränkt sich allein auf die Vermutung der Kausalität zwischen berufsbedingten Einwirkungen und Listenerkrankung; die übrigen Tatbestandsmerkmale der Berufskrankheit unterliegen keiner gesetzlichen Beweisvermutung (BSG, Urt. v. 07.09.2004 – B 2 U 25/03 R, juris, Rn. 21 – „§ 9 Abs 3 SGB VII, dessen Verletzung durch das LSG der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, bezieht sich nicht auf den Nachweis der schädigenden Einwirkung, sondern lediglich auf den Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung; die Vermutung erfasst nicht die Tatsache, dass berufsbedingte Einwirkungen im Einzelfall stattgefunden haben […].“; Wietfeld, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Meßling/Udsching, 69. Edition, Stand: 01.06.2023, § 9 SGB VII, Rn. 75). Nach dem Willen des Gesetzgebers ist demgegenüber auf die allgemeinen Beweisregelungen zurückzugreifen, sobald konkrete Anhaltspunkte dafür feststellbar sind, dass auch andere Ursachen außerhalb der versicherten Tätigkeit für die Erkrankung von Bedeutung sein können, weil § 9 Abs. 3 SGB VII dann nicht anwendbar sei (BR- Drs. 263/95, S. 222). Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die konkrete Möglichkeit einer anderen Krankheitsursache besteht (Hessisches LSG, Urt. v. 31.08.2010 – L 3 U 162/05, juris, Rn. 63 ff.; Brandenburg, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 9 SGB VII, Rn. 157 m.w.N.).
2. Das Gericht sieht es im Rahmen seiner freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG nicht als erwiesen an, dass bei dem Kläger eine Berufserkrankung i.S.e. obstruktive Atemwegserkrankung nach Nr. 4302 BKV vorliegt, die gerade hinreichend kausal auf die fraglichen chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffeinwirkungen aus seiner früheren Tätigkeit als Baggerführer im Oktober 2015 zurückführbar wäre.
In Übereinstimmung mit den Ausführungen des arbeitsmedizinischen Gutachtens vom 20.05.2020 durch Herrn Prof. Dr. K. geht die Kammer davon aus, dass eine entsprechende Schädigung der Atemwege des Klägers durch das Kühlmittel EUROLUB D-30 theoretisch dann möglich ist, wenn das darin enthaltene Ethylenglykol infolge einer erhitzungsbedingten Verdampfung mit einer Konzentration von ca. 55 ppm in der Baggerkabine auf den Kläger eingewirkt hat. Unterhalb dieser Konzentration ist demgegenüber nicht von einer arbeitsbedingten Einwirkung mit Stoffen auszugehen, die chemisch-irritativ oder toxisch wirkend geeignet wäre, eine entsprechende betriebliche Expositionsgefahr i.S.d. Berufskrankheit nach Nr. 4302 BKV zu begründen.
Welche Konzentrationen von Oktober 2015 bis in den März 2016 in der Baggerkabine bei Fahrten des Klägers erreicht worden sind, kann aus Sicht der Kammer nicht mehr zweifelsfrei ermittelt werden. Selbst wenn zugunsten des Klägers angenommen wird, dass dieser – trotz der Beschreibung seines Arbeitgebers von wechselnden Baggerfahrern – gerade den Bagger in diesem Zeitraum geführt hat, der reparaturbedürftig gewesen wäre und die Tätigkeit über einen Zeitraum ausgeübt worden wäre, der zeitlich grundsätzlich auch atemwegsgefährend gewesen ist (wenn die Konzentration vorlag), und sich bei diesem Bagger auch während der Reparatur im März 2016 die von dem Kläger beschriebenen Flüssigkeitsansammlungen unterhalb der Führerkabine gezeigt hätten, ist dies nicht gleichbedeutend mit einem sicheren Nachweis, dass es deshalb zu einer Verdampfung von Ethylenglykol gekommen ist, die in der Baggerkabine des Klägers eine notwendige Konzentration von 55 ppm erreicht hätte. Das Gericht verkennt nicht, dass es Umstände gibt, die für die Annahmen der Klägerseite sprechen; insbesondere hatte der Kläger – in Unkenntnis der späteren Ausführungen des Gutachtens vom 20.05.2020 – bereits am 23.03.2017 gegenüber dem Mitarbeiter des Präventionsdienstes einen süßlichen Geschmack auf den Lippen beschrieben, wobei nach dem Gutachten für Ethylenglykol ein süßlicher Geschmack typisch sei. Um jedoch den hier notwendigen Nachweis der ausreichenden Expositionskonzentration zu führen, reichen diese Umstände nach Auffassung der Kammer nicht aus. Es verbleiben aus Sicht der Kammer zu viele ungeklärte Zweifel, um von mehr als nur einer Möglichkeit für den eigenen Tatsachenvortrag des Klägers ausgehen zu können. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
- Es steht überhaupt nicht fest, wie sich die von dem Kläger beschriebene Flüssigkeit in der Wanne unterhalb der Führerkabine anteilig zusammensetzte. Es ist nicht einmal gesichert, dass sich in der Flüssigkeitsansammlung unter der Fahrerkabine überhaupt Kühlmittel EUROLUB D-30 befunden hat. Es ist kein Defekt des Baggers nachgewiesen, der erklären würde, wie das Kühlmittel gerade an dieser Stelle in diese Wanne gelangt sein soll. Alternativ wäre die Flüssigkeit bspw. über eine Ansammlung von Kondenswasser erklärbar. Aber selbst wenn zugunsten der Klägerseite angenommen wird, dass sich dort auch EUROLUB D-30 angesammelt hätte, ist nicht bekannt, zu welchen Anteilen sich dieses dort dann mit Wasser und Kondenswasser vermischt hatte. Der Kläger hat selbst geschildert, dass er das Kühlmittel bereits mit Wasser vermischt in den Bagger eingefüllt hatte, wobei die Mischverhältnisse aus dem Handgelenk bei jeder Füllung variierten. Welcher Anteil an EUROLUB D-30 dabei genutzt worden ist, kann nicht mehr festgestellt worden.
- Ausgehend von einem Flüssigkeitsgemisch, das - auch - EUROLUB D-30 enthält, steht nicht fest, ob und wie es dort zu der notwendigen Verdampfung gekommen sein soll. Es muss dann davon ausgegangen werden, dass das Kühlmittel aus dem Motorenblock des Baggers an diese Stelle unterhalb der Führerkabine gelangt ist, wo es mangels weiterer technischer Hitzezufuhrmöglichkeiten nicht mehr weiter erwärmt werden konnte. Der heißeste Moment, in dem sich das Kühlmittel befand, muss – insofern zeitlich vorgelagert - schon im Motorenblock gewesen sein. Wie der Mitarbeiter des Präventionsdienstes der Beklagten im Verhandlungstermin vom 25.08.2023 aber für die Kammer überzeugend ausgeführt hat, ist das Kühlmittel gerade so ausgelegt, dass es bei den Temperaturen im Motorenblock (noch) nicht verdampft. Ab dem Austritt aus dem Motorenblock konnte insofern nur noch von einer weiteren Abkühlung ausgegangen werden. Sofern das Kühlmittel im noch flüssigen Aggregatszustand unterhalb der Fahrerkabine ausgetreten wäre, wäre nicht erklärbar, wie es von dort aus – ohne weitere Wärmezufuhr – durch Verdampfung in den gasförmigen Zustand hätte wechseln und in die Führerkabine gelangen können. Die einzige nachvollziehbare Variante eines Übergangs in den Gaszustand wegen Erhitzung wäre somit, dass das Kühlmittel bereits im Motorenblock verdampfte, von dort hoch in die Fahrerkabine und den Bereich unter der Fahrerkabine gezogen wäre, bevor es dann – ggf. bei der Abkühlung – wieder in den flüssigen Aggregatszustand übergangen wäre und sich unterhalb der Fahrerkabine sammelte. Ob dieser Verlauf überhaupt so innerhalb der Ausstattung und Aufteilung des Baggers chemisch und technisch möglich gewesen wäre, entzieht sich der Kenntnis der Kammer. Wie bereits dargestellt, erscheint es aber bereits äußerst unwahrscheinlich, dass das Kühlmittel in dieser Form überhaupt im Motorenblock verdampft wäre, auf dessen Temperaturen die Mischung schließlich ausgelegt war. Sofern dies dennoch der Fall gewesen wäre, wären bei einem Verdampfen des Kühlmittels auch Schäden am Motor zu erwarten gewesen, die nicht bekannt sind. Aus den übersandten Reparaturrechnungen ist auch nicht ersichtlich, dass in dem Zeitraum kühlungsbedingte Motorschäden hätten repariert werden müssen.
- Schließlich erscheint die Konzentration innerhalb der Fahrerkabine auch dann nicht mehr nachträglich zu ermitteln, wenn zu Gunsten des Klägers noch davon ausgegangen wird, dass es auf irgendeine Weise zum Eintritt von verdampften Ethylenglykol in die Führerkabine des Baggers gekommen wäre. Denn die konkrete Konzentration in der Fahrerkabine erscheint hier auch durch eine Vielzahl von (Umwelt-) Faktoren so beeinflussbar, dass die Konzentration nicht mehr anhand verbindlicher Ausgangsparameter zweifelsfrei ermittelt oder für ein weiteres Gutachten verbindlich vorgegeben werden kann. Sofern der Kläger die Türen der Führerkabine des Baggers geöffnet hätte, um bspw. eine Toiletten- / Mittagspause zu machen, mit seinen Kollegen zu kommunizieren, ausstieg um einen Gegenstand zu sichten, sichern oder den Bagger zu kontrollieren, ändert sich die Zusammensetzung innerhalb der Kabine. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass es auch einen Unterschied machen kann, ob der Bagger im vorderen (Freiluft-) Bereich der nach vorne hin geöffneten Halle betrieben worden ist oder über einen längeren Zeitraum in den eher weniger durchlüfteten hinteren Bereichen der Halle. Schließlich hat der Mitarbeiter des Präventionsdienstes der Beklagten im Verhandlungstermin vom 25.08.2023 auch für die Kammer nachvollziehbar darlegen können, dass eine ständige Zufuhr von Außenluft gegeben war, die in der Führerkabine neu zugeführt worden ist, um eine Sauerstoffunterversorgung des Baggerführers zu vermeiden. Es handelte sich eben nicht um ein geschlossenes System, in welchem derselbe Sauerstoffanteil dauerhaft erhalten und durch eine Zuführung von weiterem verdampften Ethylenglykol progressiv verringert worden sein kann / muss.
Die Kammer sieht hier keine Möglichkeit die so begründeten Zweifel an den damals vorliegenden Tatsachen noch abschließend aufzuklären. Es bestehen zu viele Variablen für die Veranlassung weiterer Begutachtungen, weil – ohne Bagger, ohne damaligen Defekt, ohne Möglichkeit der Nachprüfung der damaligen Flüssigkeitszusammensetzungen, etc. (s.o.) - von vorneherein feststeht, dass nicht mehr zweifelsfrei aufgeklärt werden kann, was damals im Zeitraum von Oktober 2015 bis Februar 2016 an verdampften Ethylenglykol (nicht) in die Fahrerkabine des Klägers gelangt sein könnte. Es verbleibt hier immer auch die realistische Möglichkeit, dass die notwendige Konzentration von ca. 55 ppm auch nicht erreicht werden konnte, wenn bspw. davon ausgegangen wird, dass es überhaupt nicht zu einer Verdampfung gekommen ist. Dass es überhaupt zu der erforderlichen Verdampfung gekommen ist, die in allen Sachverhaltsvarianten hier für die Annahme einer durch sie erst begründeten Expositionskonzentration notwendig ist, ist in keiner Weise gesichert und lässt damit auch alle weiteren Annahmen zur Fortentwicklung rein spekulativ erscheinen.
3. Hinsichtlich der anderen Tätigkeiten des Klägers, die dieser vor dem Baggerführen ausgeübt hat (insbesondere vor 2001 in der Elektronik-Schrott-Bearbeitung) hat der Präventionsdienst eine Exposition i.S.d. Nr. 4302 BKV verneint. Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der entsprechenden Einschätzung sind nicht ersichtlich und werden auch von der Klägerseite oder dei behandelnden Ärzte selbst nicht geltend gemacht, welche die Atemwegserkrankung allein auf eine Exposition gegenüber dem Kühlmittel Eurolub D-30 als Baggerfahrer zurückführen.
III. Eine im Klageverfahren korrigierbare Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheidung folgt auch nicht allein aus dem Umstand, dass hier nach der Rechtsprechung des BSG eine formelle Rechtswidrigkeit der Bescheidung vorliegt, da der Rentenausschuss der Beklagten über das Nichtvorliegen des Versicherungsfalls nach Nr. 4302 BKV entschieden hat.
Der 2. Senat des BSG hat erstmalig im Januar 2020 entschieden, dass der Rentenausschluss eines Unfallversicherungsträgers nach § 1569 Reichsversicherungsordnung [RVG] a.F. bzw. § 36a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV] nicht für die Feststellung eines Versicherungsfalles als solchem zuständig sei. Ein Bescheid, mit welchem das Nichtvorliegen eines Versicherungsfalls festgestellt werde, sei dann formell rechtswidrig, weil aufgrund der Kompetenzüberschreitung des Rentenausschusses dessen funktionelle Zuständigkeit für diese Entscheidung überhaupt nicht bestanden habe; auch wenn die rechtswidrige Entscheidung wirksam und für die Beteiligten rechtlich bindend sei:
„Zwar war der Rentenausschuss iS des § 40 Abs 1 SGB X "bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich" nicht befugt, durch Verwaltungsakt über die (Nicht-)Feststellung des Arbeitsunfalls oder über die Einstellung des Verletztengeldes und der unfallversicherungsrechtlichen Heilbehandlung zu beschließen. Denn nach der abschließenden Aufzählung in § 36a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB IV können in der Unfallversicherung durch Satzung […] nur die erstmalige Entscheidung über Renten, Entscheidungen über Rentenerhöhungen, Rentenherabsetzungen und Rentenentziehungen wegen Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse (Buchst a) sowie Entscheidungen über Abfindungen mit Gesamtvergütungen, Renten als vorläufige Entschädigungen, laufende Beihilfen und Leistungen bei Pflegebedürftigkeit (Buchst b) besonderen Ausschüssen übertragen werden. Dieser Kompetenzkatalog erfasst die isolierte Ablehnung eines Versicherungsfalls nicht, auch wenn sie im Einzelfall die Entscheidung über die (Nicht-)Gewährung einer Verletztenrente präjudizierend vorwegnimmt. Die Kompetenzüberschreitung durch den Rentenausschuss führt indes nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes. Die in § 40 Abs 3 Nr 1 und 3 SGB X enthaltenen Regelungen, wonach weder die örtliche Unzuständigkeit noch die Nichtbefassung eines zur Mitwirkung berufenen Ausschusses zur Nichtigkeit führen, rechtfertigt keinesfalls den Umkehrschluss, dass die sachliche Unzuständigkeit oder die Befassung eines zur Mitwirkung nicht berufenen Ausschusses ohne Weiteres zur Nichtigkeit führen. Derartige Gegenschlüsse lassen sich aus dem Negativkatalog des § 40 Abs 3 SGB X nicht ziehen. In Fällen der vorliegenden Art ist vielmehr auf die Grundregel des § 40 Abs 1 SGB X zurückzugreifen und die Frage der Nichtigkeit an den Kriterien des Gewichts und der Offenkundigkeit des Fehlers auszurichten. Die Voraussetzungen einer Nichtigkeit nach § 40 Abs 1 SGB X liegen nicht vor. Danach kommt eine Nichtigkeit nur im Falle sog absoluter Unzuständigkeit in Betracht, wobei die mit dem Verwaltungsakt geregelte Angelegenheit keinen sachlichen Bezug zum Aufgabenbereich der handelnden Behörde haben darf und dies offenkundig sein muss […]. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Denn die (Nicht-)Feststellung eines Versicherungsfalls (§ 7 Abs 1 SGB VII) ist Vorfrage für Entscheidungen über Renten und die (Nicht-)Gewährung von Verletztengeld und unfallversicherungsrechtlicher Heilbehandlung und gehört zum Aufgabenbereich des Unfallversicherungsträgers ("intra vires"), in dessen Hauptverwaltung und jeder Bezirksverwaltung ein Rentenausschuss zu bilden […], der aufgrund spezieller Rechtsvorschriften in Teilbereichen eigenverantwortlich für den Versicherungsträger handelt […].“.
(BSG, Urt. v. 30.01.2020 – B 2 U 2/18 R, juris, Rn. 13 f.)
Diese Rechtsprechung bricht – ohne nähere Erläuterung – mit der früheren ständigen Rechtsprechung des BSG, die sowohl nach dem SGB VII als auch der RVO gerade eine Feststellung des Versicherungsfalls durch den Rentenausschuss gefordert hatte, und sieht sich insofern Kritik ausgesetzt (etwa: Bayerisches LSG, Urt. v. 04.01.2023 – L 2 U 322/17, juris, Rn. 183 ff. m.w.N.; vgl. auch: Ricke, Zur Zuständigkeit des Rentenausschusses in der gesetzlichen Unfallversicherung – Kehrtwende des BSG und Verwaltungspraxis, NZS 2022, 132 ff.). Zudem erscheinen die dortigen Ausführungen zur Unzuständigkeit des Rentenausschusses auch verfehlt, da sie überhaupt nicht tragend für die damalige Entscheidung des BSG gewesen sind (dazu sogleich). Der 2. Senat des BSG hat seinen Willen zur Änderung seiner ständigen Rechtsprechung in der Folgezeit allerdings indirekt noch einmal bestätigt (BSG, Urt. v. 16.03.2021 – B 2 U 7/19 R, juris, Rn. 16).
Der 2. Senat des BSG hat indes noch nicht die sich an seine Annahme anschließende Folgefrage abschließend geklärt, ob allein aus dieser formellen Rechtswidrigkeit eines Bescheides, wenn der unzuständige Rentenausschuss über das Nichtvorliegen eines Versicherungsfalles nach § 7 SGB VII entschieden hat, eine Pflicht zur gerichtlichen Aufhebung der Bescheidung folgt, falls die eigentliche Sachentscheidung – wie hier (s. unter II.) - materiell-rechtlich zutreffend ist, Das BSG hatte diese Frage in seiner Entscheidung aus 2020 vielmehr ausdrücklich offengelassen, da dort auch von einer zusätzlichen materiellen Rechtswidrigkeit der Bescheidung ausgegangen worden war (BSG, Urt. v. 30.01.2020 – B 2 U 2/18 R, juris, Rn. 43 – „Da der Verwaltungsakt über die Nichtanerkennung des Unfalls vom 9.9.2004 als Arbeitsunfall in dem Beschluss vom 12.10.2005 somit materiell rechtswidrig war, kann offenbleiben, ob er auch wegen formeller Rechtswidrigkeit zurückzunehmen wäre, weil der Rentenausschuss bei der Beschlussfassung außerhalb seines Kompetenzrahmens handelte […].“).
Die in dieser Rechtsfrage wohl mehrheitlich vertretene Auffassung, welche von einem Teilerfolg der Klage in Form der Aufhebung der Ablehnungsbescheidung unter Abweisung der Klage im Übrigen ausgeht (1.), wird durch die Kammer nicht geteilt. Eine entsprechende Klage auf Aufhebung der durch den Rentenausschuss der Beklagten getroffenen Ablehnungsentscheidung ist unzulässig, weil kein erforderliches Rechtsschutzbedürfnis der Klägerseite für dieses Begehren besteht (2.)
1. Wenn die eingeklagte Anerkennung des Versicherungsfalles nach § 7 SGB VII im Ergebnis zu Recht abgelehnt worden ist, diese Ablehnungsentscheidung aber durch den unzuständigen Rentenausschuss ausgesprochen worden ist, wird die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungs- / Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) nach dem bisherigen Meinungsbild in zwei selbstständige Streitgegenstände aufgeteilt: einen erfolgreichen Anfechtungsteil hinsichtlich dieser angefochtenen Ablehnungsentscheidung und einen erfolglosen Verpflichtungs- / Feststellungsteil hinsichtlich der begehrten anderweitigen Verpflichtung bzw. Feststellung im Übrigen (etwa: LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 18.10.2022 – L 3 U 219/17, juris, Rn. 92):
- Diese Auffassung vermeidet, dass es zum gerichtlichen Ausspruch einer Feststellung zur Anerkennung eines Versicherungsfalls nach § 7 SGB VII kommt, welche im Widerspruch zu der materiellen Rechtslage steht. Dass das materiell-rechtlich richtige Ergebnis in der Sache dabei die falsche Stelle getroffen worden ist, begründet noch keinen von der materiellen Rechtslage abweichenden Erfolg in der Sache. Wenn materiell-rechtlich kein Anspruch auf Feststellung des Versicherungsfalles bestünde, soll die Klage daher in dieser Frage weiterhin unbegründet und diesbezüglich auch abzuweisen sein, falls der gerichtliche Ausspruch einer anderweitigen Feststellung eingeklagt werde.
- Gleichzeitig sei die formelle Rechtswidrigkeit der Ablehnungsentscheidung seitens des Rentenausschusses aber dennoch durch das Gericht so zu korrigieren, dass - allein - der fehlerhafte Ablehnungsbescheid zum Versicherungsfall aufgehoben werden müsse. Die Beklagte habe dann im Anschluss eine erneute Ablehnungsentscheidung zum Versicherungsfall durch die zuständige Stelle (den Geschäftsführer) zu treffen. Da mit der Klageabweisung hinsichtlich der begehrten Verpflichtung zur Anerkennung des Versicherungsfalles aber rechtsverbindlich festgestellt worden sei, dass keine Feststellung des Versicherungsfalles gefordert sei, stünde das Ablehnungsergebnis der späteren (Korrektur-) Bescheidung von vorneherein fest.
(vgl. zum Ganzen: LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 18.10.2022 – L 3 U 219/17, juris, Rn. 90 ff., 92 – „Die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Var. 1 SGG) hat somit auch dann Erfolg, wenn die mit ihr verbundene (§ 56 SGG) Verpflichtungs- oder Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Var. 3, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) abweisungsreif ist, weil materiell-rechtlich kein Versicherungsfall vorliegt. Der angefochtene Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) ist aufzuheben und die Klage im Übrigen abzuweisen.“; vgl. zum Ganzen: Spellbrink/Karmanski, Die Gesetzliche Unfallversicherung in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Teil I), SGb 2021, 461, 467 – „Unterbleibt die gebotene behördliche Fehlerkorrektur durch Neuerlass, so stellt sich im Gerichtsverfahren die Frage, ob der „nur“ formell rechtswidrige Verwaltungsakt in jedem Fall aufzuheben ist. Dafür spricht, dass rechtswidrige Verwaltungsakte den rechtschutzsuchenden Bürger beschweren (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG) und er deren Aufhebung deshalb „durch Klage“ verlangen kann (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG). Handelt die Behörde verfahrensfehlerhaft, wandelt sich der Anspruch auf ein gesetzmäßiges Verwaltungshandeln in einen Anspruch auf Beseitigung des fehlerhaften Akts, soweit der Verfahrensmangel – anders als hier – nicht unbeachtlich oder geheilt und deswegen ausnahmsweise hinzunehmen ist. Die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) hat somit auch dann Erfolg, wenn die mit ihr verbundene (§ 56 SGG) Verpflichtungs- oder Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 3, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) abweisungsreif ist, weil materiell-rechtlich kein Versicherungsfall vorliegt. Der angefochtene Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (§ 95 SGG) ist aufzuheben und die Klage im Übrigen abzuweisen. Die Klageabweisung kann aus Sachgründen erfolgen, weil eine behördliche Sachentscheidung vorliegt, auch wenn sie – uno actu – aus formellen Gründen aufgehoben worden ist. Es steht dann fest, dass der Versicherungsträger nicht verpflichtet ist, einen Versicherungsfall festzustellen bzw. kein Versicherungsfall eingetreten ist. Der zuständigen Behörde verbleibt nur noch die Aufgabe, dieses Ergebnis durch Erlass eines ablehnenden Verwaltungsakts in einem „Ausführungsbescheid“ umzusetzen.“; Köhler, in: Hauck/Noftz SGB VII, 3. Ergänzungslieferung 2023, § 102 SGB 7, Rn. 3c - „Unterbleibt die Fehlerkorrektur durch Neuerlass, so hat die gegen den formell rechtswidrigen Verwaltungsakt erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 SGG) auch dann Erfolg, wenn die mit ihr verbundene (§ 56 SGG) Verpflichtungs- oder Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 3, § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) abzuweisen ist, weil materiell-rechtlich kein Versicherungsfall vorliegt. Dieses Ergebnis ist anschließend von der funktional und sachlich zuständigen Behörde (Geschäftsführer) durch Erlass eines ablehnenden Verwaltungsakts in einem „Ausführungsbescheid“ umzusetzen, ohne dass dem der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden kann […].“; wohl auch: Ricke, Zur Zuständigkeit des Rentenausschusses in der gesetzlichen Unfallversicherung – Kehrtwende des BSG und Verwaltungspraxis, NZS 2022, 132, 134 f.; Reyels in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 102 SGB VII, Rn. 17.1 f.).
Begründet wird diese Auffassung insbesondere damit, dass es in der Rechtsprechung des BVerwG und des BSG anerkannt sei, dass auch die formelle Rechtswidrigkeit einer Bescheidung eine korrekturbedürftige Rechtswidrigkeit der Bescheidung begründen würde und die Aufhebung der formell-rechtswidrigen Entscheidung eine notwendige Mindestsanktion gegenüber der Behörde darstellen würde (Spellbrink/Karmanski, Die Gesetzliche Unfallversicherung in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Teil I), SGb 2021, 461, 467 f.; Köhler, in: Hauck/Noftz SGB VII, 3. Ergänzungslieferung 2023, § 102 SGB 7, Rn. 3c).
Bisher scheint lediglich das Bayerisches LSG in dieser Frage eine abweichende Auffassung zu vertreten, wonach der Fehler analog § 42 S. 1 SGB X unbeachtlich sei, wenn klar sei, dass er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe, was regelmäßig schon daraus folge, dass die eingeforderte anderweitige Sachentscheidung durch das Gericht verneint werde (Bayerisches LSG, Urteil vom 04.01.2023 – L 2 U 322/17, juris, Rn. 216 ff.). Die entsprechende Entscheidung ist wiederum in der Literatur kritisch beurteilt worden, weil § 42 S. 1 SGB X eine abschließende Sonderregelung darstelle, welche nur die örtliche Zuständigkeit erfasse (Reyels, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., § 102 SGB VII, Rn. 17.3 m.w.N.)
2. Die Kammer teilt die vorwiegend vertretene Auffassung nicht, soweit diese davon ausgeht, dass die isolierte Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung wegen funktioneller Unzuständigkeit des Rentenausschusses im Klageverfahren erfolgreich geltend gemacht werden soll und eine Verpflichtung zu einer anderen Sachentscheidung materiell-rechtlich ausgeschlossen ist.
Sofern die Gegenansicht - vorsorglich und im Ergebnis verneinend – diskutiert, inwiefern gegen die eigene Position unter dem Gesichtspunkt des Einwandes unzulässiger Rechtsausübung und der sog. dolo agit-Einwendung (dolo agit qui petit, quod statim rediturus est = Arglistig handelt, wer etwas verlangt, was er augenblicklich wieder zurückgeben muss) vorgebracht werden könnte, dass ein Anspruch auf gerichtliche Aufhebung der Ablehnungsentscheidung ausscheiden könnte, weil der Kläger im Ergebnis nur verlangen kann, „dass der Geschäftsführer sogleich einen neuen Ablehnungsbescheid gleichen Inhalts erlassen muss“ (Ricke, Zur Zuständigkeit des Rentenausschusses in der gesetzlichen Unfallversicherung – Kehrtwende des BSG und Verwaltungspraxis, NZS 2022, 132, 135; vgl. auch die Darstellung bei: Spellbrink/Karmanski, Die Gesetzliche Unfallversicherung in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Teil I), SGb 2021, 461, 467 m.w.N.), kann das Gericht diese Frage im Ergebnis dahingestellt lassen. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung führt zu einer materiell-rechtlichen Einwendung, die eine Unbegründetheit der Klage nach sich ziehen würde (vgl. etwa: Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 44. EL März 2023, § 113 VwGO, Rn. 47 ff., 61). Die Kammer geht vielmehr davon aus, dass eine auf dieses Begehren gerichtete Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis bereits aus prozessrechtlichen Erwägungen unzulässig ist, weil der Klägerseite dann das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Geltendmachung einer alleinigen Aufhebung der Ablehnungsentscheidung fehlt. Aus denselben Erwägungen kann auch die Frage dahingestellt bleiben, ob in diesen Fällen wegen einer analogen Anwendung des § 42 S. 1 SGB X nach einer Unbegründetheit des Rechtsbehelfes (vgl. Leopold, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 42 SGB X, Rn. 57 m.w.N.) auszugehen ist.
Ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis ist für den Rechtsbehelf eines Beteiligten gegeben, wenn die Inanspruchnahme des gerichtlichen Rechtsschutzes im Hinblick auf das jeweils verfolgten Ziel des Beteiligten zweckmäßig erscheint. Dies ist nicht der Fall, wenn eine Inanspruchnahme des gerichtlichen Rechtsschutzes zur Zielerreichung missbräuchlich, unnötig oder sinnlos ist (Böttiger, in: Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 54 SGG [Klagebegehren], Rn. 26 f. m.w.N. aus der Rechtsprechung). Eine Sinnlosigkeit des Rechtsschutzbegehrens ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der begehrte Rechtsbehelf – auch im Erfolgsfall - die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Rechtsschutzsuchenden nicht verbessern würde (Sächsisches LSG, Beschl. v. 12.07.2022 – L 3 AS 290/22 B ER, juris, Rn. 22 m.w.N - „Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine allgemeine Sachurteilsvoraussetzung, die bei jeder Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gegeben sein muss. Der Begriff des Rechtsschutzbedürfnisses bedeutet, dass nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 19. April 2018 – L 3 AL 71/16 – juris Rdnr. 42, m. w. N.; Sächs. LSG, Urteil vom 17. Oktober 2019 – L 3 AS 476/17 – juris Rdnr. 24, m. w. N.). Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt unter anderem dann, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung weder gegenwärtig noch zukünftig die Stellung des Klägers oder Antragsstellers verbessern würde (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 – b 8 SO 24/10 R – NZS 2012, 798 [799] = juris Rdnr. 10; Sächs. LSG, Urteil vom 17. Oktober 2019, a. a. O., m. w. N.; Keller, in: Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG [13. Aufl., 2020], Vor § 51 Rdnr. 16a). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Kläger oder Antragsteller bereits ohne die begehrte gerichtliche Entscheidung klaglos gestellt ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2015 – B 12 KR 7/14 R – SozR 4-2500 § 240 Nr. 28 = juris, jeweils Rdnr. 41; Keller, a. a. O.) oder sich seine Rechtsposition durch die begehrte gerichtliche Entscheidung nicht verbessern würde.“; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.02.2017 – L 3 R 542/14, juris, Rn. 19; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, Vorb. § 51 SGG, Rn. 16a).
Vorliegend erscheint eine Klage auf Aufhebung der bisherigen Ablehnungsentscheidung, auch auf Grundlage der Rechtsansichten der Gegenansicht für die Klägerseite, vollumfänglich sinnlos. Die streitgegenständliche Frage lässt nämlich im Ergebnis so zusammenfassen, ob die Klägerseite erfolgreich einfordern kann, dass der Geschäftsführer des Unfallversicherungsträgers anstelle des Rentenausschusses desselben Trägers einen inhaltlich identischen belastenden Verwaltungsakt für denselben Unfallversicherungsträger zu erlassen hat, welcher einen dann aufgehobenen Ablehnungsbescheid ersetzt, welchen der Kläger anficht (so auch: Köhler, in: Hauck/Noftz SGB VII, 3. Ergänzungslieferung 2023, § 102 SGB 7, Rn. 3c). Ein Rechtsschutzbedürfnis für diese Frage kann nicht gegeben sein:
- Anders als bei einer isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG) hilft allein die gerichtliche Aufhebung der behördlichen Feststellung, dass kein Versicherungsfall vorliegt, dem Kläger in seinem Begehren nach Anerkennung des Versicherungsfalls – dem Gegenteil - nicht weiter. Denn das Begehren der Klägerseite erschöpft sich nicht in der Beseitigung einer belastenden Entscheidung mit Eingriffscharakter, so dass ihm nicht bereits mit einer gerichtlichen Aufhebung dieser Belastung vollumfänglich entsprochen werde kann.
- Nach allen Ansichten steht mit der gleichzeitigen Klageabweisung durch das Gericht hinsichtlich der begehrten Feststellung / Anerkennung des Versicherungsfalls aber rechtsbindend fest, dass keine Pflicht der Behörde zur gleichzeitigen Anerkennung des Versicherungsfalls besteht. Auf die Aufhebung der formell-rechtswidrigen Entscheidung würde somit – nach allen Ansichten – nur der Erlass einer formell-rechtmäßigen Entscheidung mit demselben Inhalt folgen (müssen). Für die Anfechtung einer belastenden Entscheidung kann kein Rechtsschutzbedürfnis bestehen, wenn es nur darum gehen kann, dieselbe unveränderbare Entscheidung in der Sache noch einmal zu erhalten. Es ist nicht erkennbar, warum / wie sich die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Rechtsschutzsuchenden verbessern würde, wenn ihm gerade dieser Weg mit einer Aufhebung der angefochtenen Bescheidung eröffnet werden würde.
- Der Kläger selbst hat von der Ersetzung der ersten Ablehnungsentscheidung durch eine zweite Ablehnungsentscheidung auch keine Vorteile. Nicht einmal vorübergehend kommt es zu einer irgendwie gearteten rechtlichen Besserstellung des Klägers, da zeitgleich verbindlich durch das Gericht festgestellt wird, dass der Kläger keinen Anspruch auf begünstigende Feststellung / Bescheidung hat. Da bereits die formell-rechtswidrige Entscheidung – mangels Nichtigkeit – unstreitig für und gegen die Beteiligten formelle und materielle Bindungswirkung entfalten kann (vgl. zur Unterscheidung: Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 13. Auflage 2020, § 77 SGG, Rn. 2 m.w.N.), würde sich das Klageziel insofern darauf beschränken, einen gleichwohl wirksamer Verwaltungsakt mit dem Ziel aufzuheben, denselben Verwaltungsakt noch einmal von einer anderen zuständigen Stelle desselben Verwaltungsträgers zu erhalten, der dann dieselbe Regelung für dieselben Beteiligten trifft. Wo der Sinn dieses Vorgehens bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs- / Feststellungsklage liegen soll (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG), kann durch die Gegenansicht nicht überzeugend dargelegt werden, wenn sie gleichzeitig die inhaltliche Gebundenheit der Beteiligten für die zweite Ablehnungsentscheidung betont.
- Eine alleinige Aufhebung der Ablehnungsentscheidung entspricht dem prozessualen Ergebnis einer isolierten Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG gegen diese Ablehnungsentscheidung, die gerade nicht statthaft sein soll. Vielmehr wird ansonsten gerade umgekehrt davon ausgegangen, dass bei einer Ablehnungsentscheidung die isolierte Anfechtung der Ablehnung nicht statthaft sein kann, weil dies dem Betroffenen in seinem eigentlichen (Leistungs-) Begehren nicht weiterhilft (statt vieler: Söhngen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 54 SGG, Rn. 36 m.w.N. – „Dagegen kann die isolierte Aufhebung einer Leistungsablehnung in der Regel nicht zulässiger Gegenstand einer Anfechtungsklage sein, weil kein schützenswertes Interesse an einer solchen Aufhebung besteht. Die Anfechtung ist vielmehr zu verbinden mit dem Begehren, die Behörde zur Leistung zu verurteilen oder zu einer neuen Entscheidung zu verpflichten, was zur kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) oder Anfechtungs- und Verpflichtungsklage führt. Ausnahmsweise soll die Anfechtungsklage aber dann zulässig sein, wenn das Rechtsschutzziel allein durch die Anfechtung erreicht werden kann.“). Welches Rechtsschutzziel zugunsten der Klägerseite allein mit einer Aufhebung der Ablehnungsentscheidung zu den Rechtsfolgen der Gegenansicht erreicht werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Zum einen kann bereits nicht überzeugen, dass eine statthafte Kombination aus Anfechtungs- und Verpflichtungs- / Leistungs- / Feststellungklage immer dann in der Begründetheit zugunsten des Erfolges einer isolierten Anfechtungsklage i.S.d. § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG plötzlich als zwei Streitgegenstände getrennt betrachtet werden soll, sobald das kombinierte Verpflichtungs- / Leistungs- / Feststellungbegehren scheitert, wenn dieselbe isolierte Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG mit demselben Ziel als unstatthaft und unzulässig betrachtet worden wäre, wenn sie von vorneherein allein nur auf Aufhebung der Ablehnungsentscheidung gerichtet worden wäre. Zum anderen ist auch nicht erkennbar, warum gerade die Rechtslage bei der Aufhebung der Ablehnungsentscheidung zu einem Versicherungsfall nach § 7 SGB VII anders zu beurteilen wäre, als es die allgemeinen Grundsätze nahelegen. Wie bereits dargestellt (s. unter I.) ist auch die Rechtsprechung in der Vergangenheit gerade davon ausgegangen, dass die isolierte Anfechtung der Ablehnungsentscheidung zu einem Versicherungsfall nach § 7 SGB VII gerade nicht statthaft sein soll, sondern vielmehr mit einer Klage auf gerichtliche Feststellung bzw. Verpflichtung zur behördlichen Feststellung des Versicherungsfalls zu verbinden ist (BSG, Urt. v. 27.04.2010 – B 2 U 23/09 R, juris, Rn. 9; Aubel, Zur Zulässigkeit der Leistungsklage bei Ablehnung des Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung, NZS 2021, 376, 376 ff. m.w.N.; vgl. auch: BSG, Urt. v. 26.04.2016 – B 2 U 13/14 R, juris, Rn. 17 - „Wendet sich im Falle der Abtretung einer Sozialleistung der Sozialleistungsberechtigte gegen den die Höhe des (noch) auszuzahlenden Betrages regelnden Verwaltungsakt und die Einbehaltung durch den Sozialleistungsträger, so sind die Anfechtungs- und Leistungsklage die statthaften […]. Eine isolierte Anfechtungsklage ist bei einem Leistungsbegehren zwar grundsätzlich unzulässig. Wenn der Versicherte jedoch mit dieser Klageart sein Ziel allein erreichen kann, ist sie zulässig […].“). Warum nun gerade im Zusammenhang mit der Klage allein eine Anfechtung der Ablehnungsentscheidung erfolgreich sein sollte, die auf eine solche isolierte Anfechtung der Ablehnungsentscheidung zum Versicherungsfall i.S.d. § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG hinausläuft, überzeugt nicht.
Die von der Gegenseite ansonsten angeführten Argumente überzeugen die Kammer ebenfalls nicht:
- Bereits die Vorstellung, dass die Rechtsordnung auf jeden Rechtsverstoß mit einer „Mindestsanktion“ gegenüber der Behörde reagieren müsste, ist nicht überzeugend. Denn die Reaktion der Rechtsordnung kann weitaus differenzierter ausfallen. Die Rechtsordnung benennt sogar ausdrücklich Fälle, in denen ein unzweifelhaft vorliegender Rechtsverstoß gerade folgenlos bleiben soll oder zumindest nicht zur einer Aufhebung des fehlerhaften Verwaltungsaktes führt (bspw. § 42 SGB X). Der Gegenansicht ist zwar zugute zu halten, dass der Fall einer fehlenden funktionellen Zuständigkeit auch nicht ausdrücklich – bspw. in § 42 SGB X - für unbeachtlich erklärt wird (Spellbrink/Karmanski, Die Gesetzliche Unfallversicherung in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Teil I), SGb 2021, 461, 467). Der weitergehende Schluss, dass auf Verstöße gegen die funktionelle Zuständigkeit dann in jeder Konstellation gerade mit einer gerichtlichen Aufhebung der Bescheidung reagiert werden müsste, ist dem Gesetz aber auch nicht zu entnehmen. Zudem setzt die Argumentation der Kammer hier auf einer anderen - prozessualen - Ebene an, indem das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses verneint wird. In diesem Zusammenhang geht es weniger darum, ob ein Bescheid rechtmäßig ist oder nicht, sondern was der Bürger durch ein gerichtliches Vorgehen gegen diesen Bescheid im Erfolgsfalle überhaupt gewinnt. Unabhängig davon, ob eine behördliche Entscheidung rechtswidrig ist oder nicht, kann es daher an einem Bedürfnis für die Inanspruchnahme sozialgerichtlichen Rechtsschutzes fehlen, wenn ein Klageerfolg dem Betroffenen für seinen Einzelfall keinerlei ersichtlichen Vorsteile bietet. So liegt die hier streitgegenständliche Situation, wenn von vorneherein klar ist, dass sich die Situation des Betroffenen weder tatsächlich noch rechtlich durch die Aufhebung der Ablehnungsentscheidung verbessern würde. Denn der Kläger würde die Beseitigung der formell-rechtswidrigen Ablehnungsentscheidung, welche die Beteiligten bereits rechtlich bindet, mit dem Ziel einklagen, dieselbe für ihn nachteilige Entscheidung von einer anderen - zuständigen - Stelle desselben Leistungsträger zu erhalten, welche die Beteiligten in gleicher Weise rechtlich binden würde wie die aufgehobene Ablehnungsentscheidung, wenn diese nicht aufgehoben worden wäre. Dann kann aber auch kein erkennbarer Sinn / Vorteil in einer Aufhebung der formell-rechtswidrigen Bescheidung liegen. Das BSG hat auch in anderen Zusammenhängen allein die Rechtswidrigkeit einer Bescheidung nicht als Grund zur klageweisen Durchsetzung eines Korrekturbegehrens anerkannt, wenn nicht zeitgleich auch die begehrte Besserstellung ausgesprochen werden konnte. Im Zusammenhang mit Überprüfungsanträgen nach § 44 SGB X wird bspw. allgemein die Auffassung vertreten, dass kein berechtigtes (Rechtsschutz-) Interesse an der Korrektur eines rechtswidrigen Ablehnungsbescheides gegeben ist, wenn bereits infolge der Ausschlussfrist nach § 44 Abs. 4 SGB X die begehrten Leistungen nicht mehr zu erbringen sind, die sich aus einer Korrektur der Bescheidung ergeben würden (etwa: BSG, Urt. v. 20.10.2010 – B 13 R 90/09 R, juris, Rn. 25 f. – „Kann die Rücknahme eines bindenden Verwaltungsakts aber keine Auswirkung mehr haben, so besteht von vornherein kein Überprüfungsanspruch mehr […].“; BSG, Urt. v. 13.02.2014 – B 4 AS 19/13 R, juris, Rn. 16 m.w.N.; BSG, Urt. v. 28.02.2013 – B 8 SO 4/12 R, juris, Rn. 10 ff.; Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 40, Rn. 36). Allein die Rechtswidrigkeit einer Bescheidung kann daher nicht gleichbedeutend mit der Möglichkeit / Notwendigkeit ihrer (gerichtlichen) Abänderung sein. Wenn bereits ein Antragsteller, der über § 44 Abs. 4 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit erhalten darf, kein rechtliches Interesse an der Rücknahme und der zusprechenden Entscheidung haben soll, die dann nach § 44 Abs. 4 SGB X nicht vollzogen werden darf (BSG, Urt. v. 06.03.1991 – 9b RAr 7/90, juris, Rn. 13), besteht erst recht kein rechtliches Interesse an Rücknahme eines formell-rechtswidrigen Bescheides über die Ablehnung eines Versicherungsfalles, der zu den gleichen Rechtswirkungen durch dieselbe Sachentscheidung zum Versicherungsfall ersetzt werden soll; also noch nicht einmal eine Korrektur in Form einer zusprechenden Entscheidung notwendig werden würde.
- Schließlich ergibt sich nichts Gegenteiliges aus der Rechtsprechung des BVerwG und des BSG, welche die Gegenansicht als Nachweis dafür anführen will, dass Verstöße gegen die funktionelle Zuständigkeit immer mit einer gerichtlichen Aufhebung der formell-rechtswidrigen Entscheidung einhergehen würden (vgl. die angeführten Nachweise bei: Spellbrink/Karmanski, Die Gesetzliche Unfallversicherung in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Teil I), SGb 2021, 461, 467; Köhler, in: Hauck/Noftz SGB VII, 3. Ergänzungslieferung 2023, § 102 SGB 7, Rn. 3c).
Denn die dort zitierte Rechtsprechung des BVerwG betrifft ausschließlich Konstellationen einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], in denen mit einer gerichtlichen Aufhebung des belastenden Eingriffsaktes tatsächlich bereits dem Klagebegehren vollumfänglich entsprochen worden ist (etwa: BVerwG, Urt. v. 09.03.2005 – 6 C 3/04, juris; BVerwG, Urt. v. 22.03.1974 – IV C 42.73, juris; BVerwG, Urt. v. 03.11.1972 – IV C 106.68, juris; BVerwG, Urteil vom 16.07.1968 – I C 81.67, juris). Dass es in diesen Konstellationen – die einer sozialgerichtlichen isolierten Anfechtungssituation i.S.d. § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG vergleichbar erscheinen – für die Klägerseite vorteilhaft ist, wenn die durch die formell-rechtswidrige Bescheidung begründete Belastung (zumindest zeitweise) wieder beseitigt wird, falls das Gericht die Entscheidung aufhebt, ist unbestritten. Die vorliegende Kombination einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2 SGG) würde verfahrensrechtlich im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit jedoch weitaus eher einer Verpflichtungsklage in Form einer Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO entsprechen (vgl. etwa: Groß, in: Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, 6. Auflage 2021, § 54 SGG, Rn. 33). In diesen Zusammenhängen wird ein (Teil-) Erfolg der Verpflichtungsklage gerade nicht allein deshalb bejaht, weil die Ablehnungsentscheidung formell rechtswidrig gewesen wäre; vielmehr hängt der Erfolg der Klage allein davon ab, ob der materiell-rechtliche Anspruch gegenüber der Behörde bestand (Decker, in: BeckOK VwGO, Posser/Wolff/Decker, 66. Edition, Stand: 01.07.2023, § 113 VwGO, Rn. 69 f. - „Die Verpflichtungsklage ist begründet, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des (begehrten) Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 S. 1). Diese Formulierung ist ersichtlich an § 113 Abs. 1 S. 1 angelehnt und ungenau. Im Rahmen der Begründetheit der Verpflichtungsklage kommt es nicht entscheidend auf die Rechtswidrigkeit des versagenden oder unterlassenen Verwaltungsakts und eine hierdurch bedingte Rechtsverletzung an, sondern darauf, ob der Kläger einen Anspruch auf den abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakt hat. Streitgegenstand der Verpflichtungsklage ist mithin der vom Kläger geltend gemachte prozessuale Anspruch auf den von der Behörde abgelehnten oder (im Falle einer Untätigkeitsklage) unterlassenen Verwaltungsakt […].“; Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 1. Streitgegenstand; Verpflichtungsausspruch, Rn. 99 - „Die Verpflichtungsklage setzt eine versagende Entscheidung der Beh oder im Falle des § 75 ihre Untätigkeit auf einen Antrag hin voraus. Gleichwohl ist Streitgegenstand nicht die Rechtmäßigkeit dieser Ablehnung oder Unterlassung, sondern der geltend gemachte Anspruch […]. Der Gesetzeswortlaut ist zwar missverständlich, stellt aber durch die Verwendung der Gegenwartsform (soweit … ist) klar, dass der Erfolg der Kl vom Bestehen eines Anspruchs zu dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt abhängt und nicht von der Rechtswidrigkeit der Ablehnung […].“; Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 113 VwGO, Rn. 411 – „Der Normtext von § 113 Abs. 5 ist ersichtlich an § 113 Abs. 1 angelehnt. Er ist insofern ungenau, als nicht deutlich wird, dass auch in den Fällen, in denen ein ablehnender Verwaltungsakt vorangegangen ist, es nicht auf etwaige Mängel des Ablehnungsbescheids ankommt. Entscheidend für die Begründetheit der Verpflichtungsklage ist vielmehr allein, ob dem Kläger ein Anspruch auf den Verwaltungsakt bzw. auf (Neu-)Bescheidung seines Antrags zusteht.“; vgl. auch: Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 44. EL März 2023, § 113 VwGO, Rn. 209 m.w.N. – „Die Aufhebung des versagenden Verwaltungsaktes ist, auch wenn er – wie jeder Verwaltungsakt – bestandskräftig werden und damit dem begehrten Anspruch entgegenstehen kann, nicht Streitgegenstand der Verpflichtungsklage. […] Soweit das Gericht den ablehnenden Bescheid bzw. den Widerspruchsbescheid üblicherweise gleichzeitig mit der Verpflichtung der Behörde zum Erlass eines Verwaltungsaktes oder zur Neubescheidung aufhebt, geschieht dies unabhängig von einem entsprechenden Antrag des Klägers und dient allein der Klarstellung aus Gründen der Rechtssicherheit. Die Aufhebung des Ablehnungsbescheides ist deklaratorisch, nicht konstitutiv, und das Gericht ist nicht verpflichtet, dies im Tenor des stattgebenden Urteils ausdrücklich auszusprechen. Dementsprechend muss das Gericht grundsätzlich nicht deutlich machen, ab welchem Zeitpunkt der versagende Bescheid aufzuheben ist. Ein prozessualer Anspruch auf Aufhebung des Ablehnungsbescheides ist auch nicht im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG geboten.“). Nur in Ausnahmekonstellationen wird von der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Zusammenhang mit einer Verpflichtungskonstellation das Rechtsschutzbedürfnis an einer Aufhebung der Ablehnungsentscheidung bejaht, weil allein dies dem Betroffenen in seinem Verpflichtungsbegehren regelmäßig nicht weiterhilft (Bayerischer VGH, Beschl. v. 10.04.2017 – 15 ZB 16.673, juris, Rn. 31 - „Begrenzt sich ein Kläger in der Situation einer Verpflichtungsklage darauf, nur die Aufhebung des ablehnenden Verwaltungsakts zu beantragen, fehlt einer solchen sog. isolierten Anfechtungsklage grundsätzlich – abgesehen von besonderen Ausnahmefällen – das allgemeine Rechtsschutzinteresse (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 34). Es entspricht zwar allgemeiner Übung der Verwaltungsgerichte, bei einem stattgebenden Verpflichtungsurteil zur Klarstellung neben der Verpflichtung der Behörde, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, auch die entsprechende ablehnende Verwaltungsentscheidung aufzuheben. Dies macht die Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage aber nicht zu einer Verbindung von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage; vielmehr ist insoweit von einem „unselbständigen Anfechtungsannex“ der Verpflichtungsklage auszugehen (Schmidt a.a.O. Rn. 33). Bei einer Verpflichtungsklage ist die ablehnende behördliche Entscheidung im engeren Sinne grundsätzlich nicht selbständiger Gegenstand des Verfahrens (zum Ganzen auch NdsOVG, U.v. 24.11.2015 – 5 LB 59/15 – juris Rn. 62). Aus diesem Grund kann auch die Unzulässigkeit einer Verpflichtungsklage (Hauptantrag) bzw. einer Neubescheidungsklage (erster Hilfsantrag) nicht zur Folge haben, dass das Gericht jedenfalls über den Anfechtungsteil in der Sache entscheiden müsste.“; Decker, in: BeckOK VwGO, Posser/Wolff/Decker, 66. Edition, Stand: 01.07.2023, § 113 VwGO, Rn. 69.1 – „Nicht zum Streitgegenstand einer Verpflichtungsklage gehört hingegen die Aufhebung des/der ablehnenden Bescheide(s). Die ablehnende Entscheidung der Behörde ist im engeren Sinne überhaupt nicht Gegenstand des Verfahrens; ihre Aufhebung braucht weder beantragt noch vom Gericht ausgesprochen zu werden (BVerwGE 1, 291 (296)). Sie stellt einen unselbständigen Anfechtungsannex dar, der nur im Interesse der Rechtsklarheit bei einer stattgebenden Entscheidung mittenoriert wird.“; vgl. auch: Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 44. EL März 2023, § 113 VwGO, Rn. 198 m.w.N.). Das Ergebnis der Gegenansicht kann daher aus der zitierte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht überzeugend entwickelt werden.
Auch von den Entscheidungen des BSG, welche die Gegenansicht zur Begründung anführen will, betrifft ein nicht unwesentlicher Teil ebenfalls belastende Bescheidungen - teilweise von anderen unzuständigen Leistungsträgern -, von denen Eingriffswirkung ausgeht (etwa: BSG, Urt. v. 03.09.1998 – B 12 KR 23/97 R, juris; BSG, Urt. v. 20.03.2013 – B 5 R 16/12 R, juris; BSG, Urt. v. 23.06.1994 – 4 RK 3/93, juris), so dass auch sie auf die vorliegende Problematik von vorneherein nicht übertragbar erscheinen. Daneben existieren aber auch Entscheidungen des BSG, die tatsächlich in Verpflichtungs- / Leistungs- / Feststellungskonstellationen davon ausgegangen sind, dass der Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften zu Klageerfolgen geführt hat (BSG, Urt. v. 18.05.2006 – B 4 RA 40/05 R, juris; BSG, Urt. v. 30.03.2004 – B 4 RA 48/01 R, juris; BSG, Urt. v. 18.10.2005 – B 4 RA 21/05 R, juris; wohl: BSG, Urt. v. 26.09.1984 – 6 RKa 40/82, juris). Die entsprechenden Entscheidungen sind aber auch nicht zum Ergebnis der Gegenansicht auf die vorliegende Situation übertragbar. Wenn das BSG bspw. entschieden hat, dass eine (Ausgangs-) Bescheidung, an einem beachtlichen Rechtsfehler leidet, der zu ihrer gerichtlichen Aufhebung führt, wenn an Stelle der Ausgangsbehörde des Leistungsträgers über ein erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemachtes Recht, die dafür unzuständige Widerspruchsstelle entschieden hat (etwa: BSG, Urt. v. 18.05.2006 – B 4 RA 40/05 R, juris, Rn. 14 m.w.N.), betrifft dies keine Situation, in welcher der Leistungsträger durch das Gericht gleichzeitig schon inhaltlich gebunden sein soll, dass er in der Sache keine andere Entscheidung mehr treffen könnte als dieselbe Entscheidung, die bereits getroffen worden ist. Der nachteilige Inhalt einer zukünftigen Entscheidung der Ausgangsbehörde, welche die aktuelle Entscheidung der Widerspruchsstelle ersetzen würde, ist damit nicht bereits in derselben Weise inhaltlich verbindlich vorgegeben. Da die Ausgangsbehörde an das Ergebnis der aufgehobenen Entscheidung der Widerspruchsstelle rechtlich in keiner Weise gebunden sein kann, besteht auch die Möglichkeit einer anderweitigen / vorteilhafteren Regelung, sofern eine andere Stelle eine neue Sachprüfung vornimmt. Eine Klage auf isolierte Aufhebung der Entscheidung der Widerspruchsstelle, um eine neue Entscheidung der Ausgangsbehörde nach Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen zu erhalten, erscheint deshalb auch nicht derart unsinnig wie eine Klage auf Aufhebung einer Ablehnungsentscheidung des Rentenausschusses, die auf eine gerichtliche Durchsetzung der Ersetzung durch dieselbe nachteilhafte (Ablehnungs-) Entscheidung in der Sache abzielen soll, wenn deren Inhalt bereits mit einer für die Beteiligten verbindlichen Verneinung der Tatbestandsvoraussetzungen feststeht.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Duisburg, Mülheimer Straße 54, 47057 Duisburg
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Duisburg schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches _ Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).