Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.06.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 16.11.2015 sowie die Erstattung von überzahltem Arbeitslosengeld sowie überzahlten Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 6.357,22 € für den Zeitraum vom 16.11.2015 bis zum 31.03.2016.
Die im Jahr 1955 geborene Klägerin war seit dem 11.06.2007 bei der G1 GmbH in R1 als Personalberaterin und Coach beschäftigt. Die Klägerin kündigte mit Schreiben vom 13.03.2014 das Beschäftigungsverhältnis zum 15.06.2014, da sie auf K1 ein internationales Kunst- und Kulturzentrum gründen und Steinbildhauerkurse anbieten wollte.
Die Klägerin meldete sich zum 20.11.2014 arbeitslos und gab im Antrag vom 18.12.2014 an, dass sie seit dem 01.12.2014 eine Nebentätigkeit als Spülhilfe bei der R2 GmbH & Co. KG in M1 E1 im zeitlichen Umfang von 3 bis 7 Wochenstunden mit einem monatlichen Entgelt von 160 € ausübe.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 30.12.2014 Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 01.12.2014 bis zum 24.05.2015. Am 25.05.2015 meldete sich die Klägerin aus dem Arbeitslosengeldbezug ab. Die Beklagte hob mit Bescheid vom 27.05.2015 die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 25.05.2015 auf.
Die Klägerin meldete sich am 09.11.2015 erneut bei der Beklagten arbeitslos.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 10.11.2015 Arbeitslosengeld vom 09.11.2015 bis 26.10.2016 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 35,64 €.
Die Klägerin teilte am 19.11.2015 mit, dass sie ab dem 19.11.2015 wieder als Aushilfe in der Lebensmittelherstellung bei der R2 GmbH & Co. KG E1 (nachfolgend Arbeitgeber) in der Bäckerei S1 tätig sei.
Mit Änderungsbescheid vom 20.11.2015 ändere die Beklagte den Leistungsbetrag infolge von Anrechnung von Nebeneinkommen ab dem 01.12.2015 auf einen täglichen Zahlbetrag von 32,81 € ab.
Die Klägerin teilte daraufhin mit Schreiben vom 23.11.2015 mit, dass das monatliche Einkommen aus der Nebentätigkeit unter 165 € bleibe und daher keine Anrechnung zu erfolgen habe. Sie legte eine Bescheinigung über Nebeneinkommen nach § 313 SGB III des Arbeitgebers vor, wonach die Klägerin seit dem 19.11.2015 mit einer vereinbarten Wochenstundenzeit von 10 Stunden und einem monatlichen Einkommen von ca. 160 € beschäftigt sei.
Mit Änderungsbescheid vom 24.11.2015 bewilligte die Beklagte daraufhin Arbeitslosengeld in der ursprünglichen Leistungshöhe mit einem täglichen Zahlbetrag von 35,64 € ohne Anrechnung des Nebeneinkommens ab dem 01.12.2015.
Am 31.03.2016 führte das Hauptzollamt S2 (HZA) eine Prüfung gemäß § 2 SchwarzArbG in der Bäckerei S1 durch. Am 04.04.2016 teilte das Hauptzollamt der Beklagten telefonisch mit, dass die Klägerin die ganze Zeit des Leistungsbezuges über 15 Stunden gearbeitet habe, auch schon 2014. Entsprechende Nachweise würden übersandt werden. Die Beklagte stellte daraufhin die Leistungsgewährung vorläufig zum 04.04.2016 ein.
Ebenfalls am 04.04.2016 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass sie seit Dezember 2015 bis einschließlich der 12. Kalenderwoche (KW) 2016 über 15 Stunden wöchentlich gearbeitet habe. Dies sei nicht vorsätzlich gewesen. Sie habe Krankheitsvertretung gemacht und die Arbeitszeit sei auf ein Arbeitszeitkonto automatisch mittels Chip geschrieben worden.
Die Klägerin meldete sich am 04.04.2016 bei der Beklagten nochmals arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Sie teilte im Antrag mit, dass sie seit November 2015 eine Nebentätigkeit als Aushilfe bei der G2 GmbH mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 10 Stunden mit einem monatlichen Nettoentgelt von 153 € ausübe.
Mit Schreiben vom 07.04.2016 teilte das Hauptzollamt S2 der Beklagten mit, dass die Klägerin mehr Stunden in der Woche gearbeitet habe, als gegenüber der Beklagten angegeben worden sei. Das HZA übermittelte einen Bogen über eine Personenbefragung der Klägerin, welchen diese am 31.03.2016 unterschrieben hatte. Darin gab die Klägerin an, dass ihre Arbeitszeit mit 18 Stunden im Monat berechnet worden sei. Wenn mehr Stunden angefallen seien, dann würden die Überstunden auf ein Arbeitszeitkonto übertragen und dann ausgezahlt, wenn die Klägerin auf K1 sei. Von Mai 2016 bis ca. November 2016 übe sie eine selbstständige Tätigkeit als Bildhauerin und Kursleiterin auf K1 aus. Das Hauptzollamt legte zudem einen Auszug der Stundenkonten der Klägerin von November 2015 bis April 2016 sowie eine kalenderwöchentliche Zusammenstellung der Arbeitszeit vor.
Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 25.04.2016 zur beabsichtigten Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld ab dem 16.11.2015 an.
Zugleich forderte die Beklagte mit Schreiben vom 25.04.2016 bezüglich des Antrages auf Arbeitslosengeld vom 04.04.2016 eine Bescheinigung des Arbeitgebers über die wöchentliche Arbeitszeit und das erzielte Einkommen von der Klägerin an.
Die Klägerin meldete sich zum 01.05.2016 aus dem Leistungsbezug ab und teilte als Grund einen längeren privaten Auslandsaufenthalt mit.
Mit Bescheid vom 06.07.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 04.04.2016 wegen fehlender Mitwirkung versagt werde. Die Klägerin habe die Bescheinigung über die wöchentliche Arbeitszeit und das erzielte Nebeneinkommen nicht vorgelegt.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 06.07.2016 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach § 48 SGB X ab dem 16.11.2015 ganz auf und forderte überzahltes Arbeitslosengeld in Höhe von 4.811,40 € sowie überzahlte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.345,67 € zurück. Die Klägerin sei ab dem 16.11.2015 mindestens 15 Stunden wöchentlich tätig und damit nicht arbeitslos im Sinne des § 138 SGB III gewesen. Die Arbeitslosmeldung sei gemäß § 141 SGB III unwirksam geworden. Die Gesamtforderung betrage 6.357,22 €.
Mit Schreiben vom 18.07.2016 teilte das HZA mit, dass weitere Unregelmäßigkeit festgestellt worden seien. Nach Lage der Akten seien in den Monaten Mai bis September 2015 für die Klägerin Stunden abgerechnet worden, obwohl sie sich in dieser Zeit in Griechenland aufgehalten habe. Diese Stunden seien nach Angaben von B1 von der G2 GmbH im Februar, März und Anfang April erarbeitet worden. Zudem habe die Klägerin auf ihrem Stundenkonto per Saldo 19.05.2015 ein Plus von 51,59 Stunden. Das Hauptzollamt reichte die Lohnabrechnungen ab Dezember 2014 bis einschließlich März 2016 sowie weitere Prüfunterlagen ein.
Mit Bescheid vom 26.08.2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 04.04.2016 bis zum 26.04.2016 mit einem täglichen Leistungssatz von 25,70 €. Mit Änderungsbescheid vom 09.11.2016 wurde der Klägerin infolge einer Steuerklassenänderung ein täglicher Leistungsbetrag von 31,13 € für den Zeitraum vom 04.04.2016 bis zum 26.04.2016 bewilligt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin legte am 14.09.2026 Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 06.07.2019 ein und beantragte zugleich vorsorglich die Widereinsetzung in den vorigen Stand.
Die Klägerin meldete sich am 01.12.2016 erneut bei der Beklagten arbeitslos.
Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 08.12.2016 erneut Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 01.12.2016 bis zum 18.10.2017 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 31,13 €.
Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.07.2016 mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2017 nach einer Prüfung in der Sache als unbegründet zurück.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 01.03.2017 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben (S 16 AL 1014/17).
Mit Beschluss vom 26.05.2017 hat das SG das Verfahren S 16 AL 1014/17 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit einem parallel anhängigen Verfahren S 16 AL 6868/16 betreffend die Gewährung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 27.04.2016 bis zum 30.04.2016 unter dem Aktenzeichen S 16 AL 6868/16 verbunden.
Mit Beschluss vom 10.02.2020 wurde die Klage gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 06.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2017 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen S 16 AL 489/20 fortgeführt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat zur Klagebegründung vorgetragen, dass es möglicherweise zutreffe, dass die Klägerin im Zuge der geringfügigen Beschäftigung und vor allem aufgrund der Krankheitsvertretung ab dem 16.11.2015 mehr Stunden gearbeitet habe. Allerdings sei eine geringfügige Überschreitung der wöchentlich zulässigen Arbeitszeit nicht rechtswidrig. Die Beschäftigungswochen dürften nicht einzeln betrachtet werden. Die Klägerin habe im Monat November 2015 insgesamt nur 58,05 Stunden gearbeitet, also nicht mehr als 15 Stunden pro Woche. Zudem sei die Beschäftigung nach vorausschauender Betrachtungsweise zu bewerten, wobei es auf die Umstände zu Beginn der Beschäftigung ankäme. Zu Beginn der Tätigkeit sei eine monatliche Arbeitszeit von 18 Stunden vereinbart worden.
Die Beklagte hat zur Klageerwiderung angeführt, dass die Klägerin nach den Feststellungen des Hauptzollamtes vom 16.11.2015 bis zumindest 27.03.2016 nahezu durchgehend wöchentlich 15 Stunden und mehr beschäftigt gewesen sei. Es handele sich auch nicht um eine nur gelegentliche Überschreitung, da die Klägerin in den Kalenderwochen vom 17.11.2015 bis zum 27.03.2016 lediglich in einer Woche weniger als 15 Stunden wöchentlich gearbeitet habe und ein so langer Zeitraum vorhersehbar und wohl auch geplant war, zumal der erwirtschaftete Betrag, der in die Anrechnungsgrenze von 165 € monatlich überstiegen habe, in der Zeit ausgezahlt worden sei, in der die Klägerin kein Arbeitslosengeld bezogen und beim Arbeitgeber auch nicht gearbeitet habe. Auch liege keine Abweichung von geringer Dauer vor, denn die mögliche Überschreitung von einem Viertel sei nur auf die tatsächliche Beschäftigungsdauer bezogen und 2016 sei die Klägerin aufgrund ihres Aufenthalts auf K1 von Mai bis November nicht beschäftigt gewesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13.06.2022 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 16.11.2015 nach § 48 SGB X aufgehoben, da die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nicht mehr erfüllt gewesen seien, weil die Wirkung der Arbeitslosmeldung durch die Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit von mindestens 15 Stunden in der Beschäftigungswoche ab dem 16.11.2015 erloschen war. Die Geringfügigkeitsgrenze des § 138 Abs. 3 SGB III sei ab dem 16.11.2015 überschritten gewesen. Das Beschäftigungsverhältnis dürfte zwar von Beginn an auf eine Arbeitszeit von weniger als 15 Stunden angelegt gewesen sein. Allerdings dürfte die ab dem 16.11.2015 eingetretene Änderung in den tatsächlichen Arbeitszeiten nicht von geringer Dauer gewesen sein. Ab dem 16.11.2015 sei die Zeitgrenze an 10 aufeinanderfolgenden Wochen überschritten worden. Selbst wenn man dem klägerischen Vortrag entsprechend annehme, die Klägerin habe am 25.12.2015 und 26.12.2015 nicht gearbeitet, ergebe sich aus der Gesamtschau bis zum 26.03.2016, dass die Überschreitung weder von geringer Dauer noch gelegentlich erfolgt sei. Die Tatsache, dass die Stunden auf ein Arbeitszeitkonto geschrieben und monatlich kein höheres Einkommen erzielt worden sei, müsse außer Betracht bleiben. Das Gesetz postuliere allein die Stundenzahl als maßgebliches Kriterium. Soweit der Klägervertreter vortrage, die Klägerin habe im November 2016 insgesamt nicht mehr als die zulässigen 60 Stunden gearbeitet, sodass im Monat November keine Überschreitung vorliege, sei dieser Auffassung nicht zuzustimmen. Der maßgebliche Bezugsfaktor sei die Woche und nicht der Monat. Anderenfalls hätte § 138 Abs. 3 SGB III nicht explizit die wöchentliche Arbeitszeit als Bezugsfaktor aufgestellt. Die Klägerin habe insoweit auch grob fahrlässig i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X gehandelt. Die Klägerin habe am 09.11.2015 bestätigt, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten zu haben, in welchem Ausführungen zur Arbeitslosigkeit und Mitwirkungspflicht enthalten gewesen seien. Die Nichtbeachtung eines nachweislich ausgehändigten Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand begründe im Allgemeinen grobe Fahrlässigkeit, wenn dieses so abgefasst sei, dass der Begünstigte seinen Inhalt erkannt hat oder ohne Weiteres erkennen konnte. Aus dem ausgehändigten sog. Merkblatt 1 für Arbeitslose (Ihre Rechte - Ihre Pflichten), dessen Erhalt die Klägerin unterschriftlich in ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld bestätigt habe, sei für jeden erkennbar, wo die Grenzen der Arbeitslosigkeit lägen. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei ebenfalls eingehalten. Eine Ermessensentscheidung sei von der Beklagten wegen § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht zu treffen gewesen. Die Höhe des Erstattungsbetrags sei zutreffend berechnet worden.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat gegen das ihm 30.06.2022 zugestellte Urteil am 27.07.2022 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) einlegt. Er hat zur Berufungsbegründung vorgetragen, dass die Auffassung des SG, wonach die Arbeitslosmeldung durch die Aufnahme der unselbstständigen Tätigkeit erloschen sei, bereits deshalb nicht zutreffe, weil die Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit in der Form einer geringfügigen Beschäftigung von der Klägerin mitgeteilt worden sei. Nachdem die Mitteilung über das Erzielen eines Nebeneinkommens angezeigt worden sei, könne ein Erlöschen der Wirkung der Arbeitslosmeldung nicht auf § 141 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a. F. gestützt werden. Die Annahme in der angefochtenen Entscheidung des SG, dass bereits die ab dem 16.11.2015 eingetretene Änderung in den tatsächlichen Arbeitszeiten nicht von geringer Dauer gewesen sein soll, sei durch nichts belegt. Unabhängig von der Frage, wie die Wochenfrist nach der nach wie vor offenen Rechtsfrage (die Beschäftigungswoche beginne entgegen der Ausführungen im Urteil mit dem Tag der Arbeitsaufnahme) – zu berechnen sei – könne nicht davon ausgegangen werden, dass mit dem 16.11.2015 bei einer Arbeitszeit von 5,68 Stunden bereits die Arbeitszeit von weniger als 15 Stunden überschritten worden sein kann. Die nicht vorhersehbaren Umstände einer Krankheitsvertretung für eine Mitarbeiterin der E1 hätten sich unstreitig erst nach Aufnahme der Beschäftigung der Klägerin ergeben, weshalb die Unterstellung des Beklagten, dass die gelegentliche Überschreitung von der Klägerin bereits bei Aufnahme hätte vorhergesehen werden können, unzutreffend sei. Auch genüge der Erhalt eines Merkblatts allein insoweit zur Bejahung einer groben Fahrlässigkeit nach diesseits vertretener Auffassung nicht. Aktuell enthalte das Merkblatt nur lapidar den Hinweis, wonach der Anspruch entfalle, wenn die aufgenommene Beschäftigung mindestens 15 Stunden in der Kalenderwoche erfordere. Da dieser Hinweis zum einen bei einer geringfügigen Beschäftigung überlesen werden könne und angesichts der vom Gericht selbst getroffenen Annahme, dass bei Beginn der Aufnahme der Beschäftigung von einer Tätigkeit ausgegangen worden sei, die 18 Stunden im Monat nicht überschreiten werde, begründe und rechtfertige dies keine grobe Fahrlässigkeit. Zu beachten sei insoweit, dass das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Auch komme es für die Beurteilung bei der Bestimmung der Arbeitszeit vorrangig auf die getroffene Vereinbarung und eine vorausschauende Betrachtungsweise an, welche stets und regelmäßig an die Verhältnisse zu Beginn der Beschäftigung anknüpfe.
Zudem verkenne das SG im Rahmen seiner Entscheidung, dass die E1 am 25.12.2015 und 26.12.2015 geschlossen gewesen sei und die der Klägerin an diesen Tagen zugestandene Vergütung keine Beschäftigung von jeweils 4 Stunden dargestellt habe, sondern für die Feiertage bezahlt worden sei. Folge man der Auffassung, dass nicht auf die Kalenderwoche, sondern auf die Beschäftigungswoche abzustellen sei, so ergebe sich entgegen der Annahme des SG, dass die Klägerin im gegenständlichen Zeitraum die 15-Stunden-Grenze in der Woche vom 25.12.2015 bis 31.12.2015 (0 Stunden), in der Woche vom 01.01. bis 06.01.2016 (5,68 Std.), in der Woche vom 28.01.bis 03.02.2016 (14,31 Std.), in der Woche vom 04.02. bis 10.02.2016 (5,03 Std.), in der Woche vom 11.02. bis 17.02.2016 (13,56 Std.), in der Woche vom 18.02. bis 24.02.2016 (13,6 Std.), in der Woche vom 25.02. bis 02.03.2016 (0 Std., 4 Std. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall), in der Woche vom 03.03.2016 bis 09.03.2016 (6,61 Std.), und in der Woche vom 31.03. (6,03 Std.) unterschritten hatte. Berücksichtige man in diesem Kontext sodann, dass in der Woche vom 07.01.2016 bis 13.01.2016 (16,15 Std.), in der Woche vom 14.01. bis 20.01.2016 (15,07 Std.) sowie in der Woche vom 24.03. bis 30.03.2016 (15,95 Std.) sehr geringfügige Überschreitungen festzustellen seien, so ergebe sich, dass entgegen der Darstellung des SG eine Unterschreitung der 15 Stunden durch die Klägerin an 9 Beschäftigungswochen festzustellen sei, wobei an weiteren 3 Wochen sehr geringfügige Überschreitungen vorgelegen hätten. Zudem verkenne und missachte das angefochtene Urteil, dass das Beschäftigungsverhältnis von November 2015 bis April 2016 bestanden habe. Dieser Zeitraum umfasse 25 Wochen. Es sei unter Berücksichtigung der 4 Wochen im April keine Überschreitung in einem Zeitraum von 13 Wochen und lediglich eine geringe Überschreitung an 3 Wochen festzustellen. Da gerade die Tatsache der Krankheitsvertretung per se zunächst die Annahme einer Überschreitung von geringer Dauer rechtfertige, finde dieser Aspekt nicht einmal mehr Erwähnung in der angefochtenen Entscheidung.
Die Klägerin habe die ihr obliegenden Pflichten nicht grob fahrlässig verletzt. Die Klägerin habe wie der Arbeitgeber den tatsächlichen Arbeitsumfang zu Beginn des Arbeitsverhältnisses mit 18 Stunden/Monat angenommen, habe aber zu Beginn der Beschäftigung den Arbeitsausfall nicht vorhersehen können. Bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses sei eine längere Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit weder erkennbar noch vorhersehbar gewesen, und nur eine solche erkennbare Überschreitung könne der Klägerin angelastet werden. Schlussendlich sei noch darauf hingewiesen, dass die rechtswidrige Verfahrensverzögerung durch das Gericht 1. Instanz unter Berücksichtigung der Klageerhebung am 01.03.2017 zudem bereits am 29.06.2020 explizit gerügt worden sei. Die Klägerin habe angesichts der vom Gericht erster Instanz verschuldeten Verfahrensverzögerung keine Möglichkeit mehr, den versicherungsrechtlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 im Nachgang geltend zu machen, wie dies bei zeitnaher Entscheidung über die Klage vom 01.03.2017 noch möglich gewesen wäre.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.06.2022 abzuändern und den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 06.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf den Inhalt des Merkblatts hingewiesen. Die Klägerin habe zunächst die Pflicht mitzuteilen, wenn sie eine Nebentätigkeit aufnehme und welchen Verdienst sie dabei erziele (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.02.2012 – L 2 AL 21/09 –, Rdnr. 35, juris). Die Klägerin müsse zudem mitteilen, wenn sich die Verhältnisse geändert hätten und die Nebentätigkeit die 15 Stunden-Grenze pro Woche erreiche bzw. überschreite. So sei sie nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) verpflichtet, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden seien, unverzüglich mitzuteilen. Die Klägerin habe bei einer persönlichen Vorsprache am 19.11.2015, bei der sie über die Stundengrenze und Freibeträge informiert sowie auf das regelmäßige Einreichen einer Nebenverdienstbescheinigung hingewiesen worden sei, die Aufnahme einer Nebentätigkeit als Helferin Lebensmittelherstellung bei der E1 ab dem 19.11.2015 mitgeteilt. Trotz der Belehrung über die Stundengrenze habe sie ausgeführt, dass die Arbeitszeit immer unter 15 Wochenstunden liege. Die Klägerin habe nach den Ermittlungen des HZA die Nebentätigkeit hingegen bereits am 12.11.2015 aufgenommen und bereits in der ersten Beschäftigungswoche die Grenze von weniger als 15 Wochenstunden deutlich überschritten. Sie habe somit mindestens grob fahrlässig unrichtige und unvollständige Angaben hinsichtlich des Beginns der Nebentätigkeit sowie des Überschreitens der Stundengrenze bereits in der ersten Beschäftigungswoche gemacht und sei ihrer Mitteilungspflicht insofern nicht nachgekommen. Die Klägerin sei als Personalberaterin und Projektleiterin von Integrationsprojekten der Arbeitsagentur im Raum S2, R3-Kreis, E2, U1 und D1 im Zeitraum 2007 bis 2014 tätig gewesen. Es sei daher nach dem subjektiven Maßstab nicht anzunehmen, dass sie die eindeutigen und verständlichen Hinweise im Merkblatt sowie die mündliche Belehrung nicht verstanden habe, zumal sie auch am 19.11.2015 nach nochmaliger Belehrung betont habe, dass die Nebentätigkeit immer unter 15 Wochenstunden liege. Auch seien ihr die Regelungen aus dem Vorbezug und der Nebentätigkeit 2014/2015 bereits bekannt gewesen.
Nach den Ermittlungen des HZA habe die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber jedoch bereits im Zeitraum 2014/Anfang 2015 sowie im strittigen Zeitraum Ende 2015/2016 eine Vereinbarung getroffen, die von Anfang an ein Überschreiten der Grenze von unter 15 Wochenstunden vorgesehen habe, wobei in diesem Fall die Stunden auf ein Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden und in der Zeit ihres anschließenden Auslandsaufenthalts ausbezahlt werden sollten. Tatsächlich seien gegenüber der Beklagten jedoch weder von der Klägerin noch von der Arbeitgeberin die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern wesentlich geringere Arbeitszeiten angegeben bzw. bescheinigt worden. Auch die Angaben in den jeweiligen Nebenverdienstbescheinigungen hätten nicht der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit entsprochen. Dabei obliege es der Klägerin zusätzlich, die Angaben des Arbeitgebers in der Nebenverdienstbescheinigung zu prüfen, da sie nicht „sehenden Auges" eine falsche Bescheinigung beim Leistungsträger abgeben dürfe, um eine nicht zustehende Leistung zu erhalten (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.07.2012 – L 2 AL 21/09 –, Rdnr. 38, juris). Die Ausführungen der Klägerin vom 31.03.2016 und vom 04.04.2016 nach Prüfung durch das HZA, wonach sie in dem guten Glauben gehandelt habe, dass das Überschreiten der Stundengrenze durch das Arbeitszeitkonto irrelevant sei, seien vor diesem Hintergrund als Schutzbehauptung zu werten. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Betruges gem. § 170 Abs. 2 StPO führe im vorliegenden Verfahren insoweit zu keinem anderen Ergebnis.
Da davon auszugehen sei, dass der Arbeitseinsatz von vorneherein - wie zuvor im Zeitraum 2014/Anfang 2015 - darauf angelegt gewesen sei, dass die wöchentliche Arbeitszeit die Grenze von unter 15 Stunden überschreiten konnte und im Bedarfsfall sollte und bereits in der ersten Beschäftigungswoche - gerade auch zum Zeitpunkt der persönlichen Vorsprache am 19.11.2015 - bereits deutlich überschritten wurde, könne nicht prognostisch von einer kurzzeitigen Beschäftigung bzw. einer nur gelegentlichen Überschreitung der Grenze von unter 15 Wochenstunden ausgegangen werden. Zur Berufungsbegründung sei noch ergänzend anzumerken, dass auch eine geringfügige Überschreitung der Stundengrenze in einzelnen Wochen zum gleichen Ergebnis führe. In den meisten Wochen sei die Stundengrenze jedoch deutlich überschritten worden. Nach den zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil lägen unabhängig vom jeweiligen Berechnungsansatz weder Gelegentlichkeit noch eine geringe Dauer vor. Da die Klägerin eine Beschäftigung von mindestens 15 Wochenstunden aufgenommen und den tatsächlichen Arbeitsumfang nicht unverzüglich mitgeteilt habe, sondern vielmehr trotz Belehrung über die Stundengrenze bei der persönlichen Vorsprache am 19.11.2015 lediglich eine - nicht zutreffende - Beschäftigung unter 15 Wochenstunden und einen nicht zutreffenden Beschäftigungsbeginn mitgeteilt habe, sei die Wirkung der Arbeitslosmeldung erloschen.
Die Berichterstatterin hat das Verfahren mit den Beteiligten am 27.03.2023 nichtöffentlich erörtert und mit Schreiben vom 29.03.2023 darauf hingewiesen, dass bezüglich der Beschäftigungslosigkeit nach § 138 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III nur auf die Anzahl der Stunden und nicht die Höhe des ausgezahlten Entgelts abzustellen sei. Die Klägerin habe gerechnet ab dem 12.11.2015, dem tatsächlichen Beginn der Tätigkeit, bis zum 30.03.2016 bei insgesamt 20 Beschäftigungswochen 1 Woche nicht gearbeitet und in 6 Wochen die 15 Stunden- Grenze nach § 138 Abs. 3 Satz 1 SGB III eingehalten. Die restlichen 13 Wochen habe die Wochenarbeitszeit jeweils 15 Stunden überstiegen. Es dürfte insofern ein nicht nur vorübergehendes Überschreiten vorliegen. Auch wenn man den Vortrag der Klägerin berücksichtige, dass die Überschreitung nicht geplant gewesen und durch den längerfristigen Ausfall von Stamm-Mitarbeitern zustande gekommen sei, sei die Wochenzahl von Anfang an überschritten worden. Auch die Vereinbarung, dass der die Stundenzahl von 15 Stunden übersteigende Lohn nachträglich während des Aufenthalts der Klägerin auf K1 ausgezahlt werden sollte, zeige, dass der Klägerin sowie dem Arbeitgeber die Problematik bewusst gewesen seien .
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 06.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2017 ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin wird nicht in ihren Rechten verletzt. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.
Streitgegenstand des Verfahrens ist die Rücknahme der Arbeitslosengeldbewilligung ab dem 16.11.2015 nach § 48 SGB X durch den Bescheid vom 06.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2017, gegen welche die Klägerin sich zulässig mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG wendet.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Maßgebend für den Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach sind vorliegend – soweit nichts Anderes angegeben ist – die §§ 136 ff. SGB III in der vom 1. April 2012 bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung (vgl. Artikel 2 Nr. 18 des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 [BGBl I S. 2854]). Nach § 137 Abs. 1 SGB III hat die Klägerin Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 1 SGB III), wenn sie im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 138 SGB III arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 141 SGB III) und durch ihre vorangegangene Beschäftigung bei der Arbeitgeberin die Anwartschaftszeit erfüllt hat (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 142 SGB III). Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit von 15 Stunden und mehr wöchentlich schließt die Beschäftigungslosigkeit aus, wobei gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt bleiben (vgl. § 138 Abs. 3 Satz 1 SGB III).
Der Senat stellt unter Bezugnahme auf die Ermittlungen des HZA vorliegend fest, dass die Klägerin ab dem 19.11.2015 eine Erwerbstätigkeit von 15 Stunden und mehr wöchentlich als Aushilfe bei der R2 GmbH in S1 ausgeübt hat und in der Folge eine wesentliche Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Mit der Ausübung einer Beschäftigung in diesem Umfang entfällt mangels tatsächlich bestehender Arbeitslosigkeit der Anspruch auf Arbeitslosengeld (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, § 138 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III).
Das SG führt im Urteil vom 13.06.2022 zutreffend aus, dass die Klägerin ab dem 16.11.2015 die Zeitgrenze nicht nur gelegentlich und auch nicht nur in geringer Dauer kontinuierlich überschritten hat. Der insoweit maßgebende Bezugsfaktor ist die tatsächlich geleistete Arbeitszeit, insofern ist es unbeachtlich, dass die die 15-Stunden-Grenze überschreitenden Stunden auf ein Arbeitszeitkonto gutgeschrieben wurden und der Klägerin nachträglich während ihres Aufenthalts auf K1 ausbezahlt werden sollten (vgl. Öndül in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 3. Aufl., § 138 SGB III Rdnr. 65 ff). Maßgeblich ist insofern die Wochenarbeitszeit, wobei insofern nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 13.07.2006 – B 7a AL 16/05 R –, juris Rdnr. 10) auf die Beschäftigungswoche, beginnend ab dem Tag der Arbeitsaufnahme abzustellen ist. Der Senat stellt nach Prüfung und Auswertung der vom HZA im Rahmen der Ermittlungen beigezogenen Stundenkonten und Zusammenstellungen der Arbeitszeit fest, dass die Klägerin bereits ab dem Beginn der Beschäftigung, das heißt in der Beschäftigungswoche vom 12.11.2015 bis zum 18.11.2015 die 15-Stunden-Grenze mit einer Wochenarbeitszeit von 24,01 Stunden weit überschritten hat. Insofern ist es unbeachtlich, dass die Beklagte im Rahmen der Rückforderung nicht auf die Beschäftigungswoche, sondern die Kalenderwoche abgestellt hat, da nach beiden Berechnungsarten eine nicht nur unwesentliche und nicht nur gelegentliche Überschreitung vorlag. Die Klägerin hat im Zeitraum vom 12.11.2015 bis zum 30.03.2016 von 20 Wochen eine Woche vom 25.02.2016 bis zum 02.03.2016 nicht gearbeitet. Im Übrigen hat sie lediglich in 6 Wochen, vom 03.12.2015 bis zum 09.12.2015, vom 24.12.2015 bis zum 30.12.2015, vom 31.12.2015 bis zum 06.01.2016, vom 04.02.2016 bis zum 10.02.2016, vom 18.02.2016 bis zum 24.02.2016 sowie vom 03.03.2016 bis zum 09.03.2016 die 15-Stunden-Grenze eingehalten und ansonsten in 13 Wochen die 15- Stunden-Grenze oftmals erheblich überschritten. Der Senat stellt des Weiteren fest, dass kein nur gelegentliches und auch kein jeweils nur geringfügiges Überschreiten vorliegt. Gelegentlich ist eine Überschreitung nur, wenn sie nicht vorhersehbar ist und sich innerhalb des Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht wiederholt (BSG, Urteil vom 29.10.2008 – B 11 AL 52/07 R –, juris Rdnr. 16).
Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Überschreitung durch die Erkrankung einer Kollegin zustande gekommen sei, ist dies im vorliegenden Fall nicht geeignet, eine gelegentliche, arbeitslosengeldunschädliche Überschreitung zu begründen. Die Klägerin hat von Anfang an und in mehr als der Hälfte der Beschäftigungswochen die 15-Stunden-Grenze überschritten. Insofern kann dies - selbst wenn es durch einen Personalengpass im Betrieb zustanden gekommen sein sollte - nicht mehr als nur gelegentlich nach Maßgabe der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze angesehen werden. Hinzu kommt, dass die Klägerin und der Arbeitgeber bereits mit der Möglichkeit der Stundenüberschreitung gerechnet haben und insofern einvernehmlich ein Arbeitszeitkonto eingerichtet haben, um die überschreitenden Stunden im Nachhinein auszuzahlen. Diese Vorgehensweise wurde bereits bei der vorangegangenen Beschäftigung der Klägerin von Dezember 2014 bis April 2015 praktiziert. Dies belegt, dass selbst wenn der Ausfall der Mitarbeiterin nicht vorhersehbar war, die Klägerin und der Arbeitgeber bereits Vorkehrungen für den Fall des Überschreitens getroffen und dies damit einkalkuliert hatten. In einem solchen Fall handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, a.a.O., juris Rdnr. 15) um keine kurzzeitige Beschäftigung. Die Klägerin war daher ab dem 16.11.2015 nicht mehr arbeitslos gemäß § 138 Abs. 1 SGB III und hatte in der Folge keinen Anspruch mehr auf die Gewährung von Arbeitslosengeld nach § 137 Abs. 1 SGB III. Der Senat nimmt insofern auch auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das SG hat im Urteil vom 13.06.2022 auch zutreffend festgestellt, dass die übrigen Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 SGB X erfüllt sind. Dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid stehen keine Vertrauenstatbestände entgegen.
Vorliegend liegen die das Vertrauen ausschließenden Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X vor. Die Klägerin kam zumindest grob fahrlässig ihrer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung der Überschreitung der 15-Stunden-Grenze und somit einer wesentlichen für sie nachteiligen Änderung der Verhältnisse nicht nach (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) hat, wer Sozialleistungen erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Die Klägerin hat der Beklagten erst am 04.04.2016 mitgeteilt, dass sie die Wochenarbeitszeit von 15 Stunden überschritten hatte.
Die Klägerin hat ihre Mitteilungspflicht auch grob fahrlässig verletzt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X). Es ist ein subjektiver Maßstab anzulegen. Danach handelt grob fahrlässig, wer unter Berücksichtigung seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, seines Einsichtsvermögens und der besonderen Umstände des Falles schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSG, Urteil vom 11.06.1987 – 7 RAr 105/85 –, juris Rdnr. 18, m. w. N.; BSG, Urteil vom 08.02.2001 – B 11 AL 21/00 R – juris Rdnr. 23, m. w. N.; BSG, Urteil vom 30.10.2013 – B 12 R 14/11 R – juris Rdnr. 25). Die Verletzung von Mitteilungspflichten auf Grund Unkenntnis der Pflichten ist dann durch eigenes Verhalten grob fahrlässig verursacht, wenn der Adressat eines nachweislich übergebenen Hinweisblattes, hier das Merkblatt 1 für Arbeitslose, hätte er den Hinweis gelesen und zur Kenntnis genommen, auf Grund einfachster und naheliegender Überlegungen hätte erkennen können, dass er eine Mitteilungspflicht hat oder der zuerkannte Anspruch nicht oder jedenfalls so nicht besteht (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 19.09.2014 – L 5 R 315/13 – juris Rdnr. 43; LSG für das Saarland, Urteil vom 21.08.2018 – L 6 AL 6/17 –, juris Rdnr. 65; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 06.05.2021 – L 1 R 361/18 – juris Rdnr. 64).
Dass die Überschreitung der 15-Stunden-Grenze für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, welcher jedenfalls Beschäftigungslosigkeit voraussetzt, erheblich sein kann, ist offensichtlich. Die Klägerin wusste auch um die Mitteilungspflicht. Dies zeigt bereits die Tatsache, dass die Klägerin die Beschäftigung bei der Arbeitslosmeldung am 09.11.2015 mitgeteilt und zudem am 19.11.2015 angegeben hatte, dass die Anzahl der Stunden immer unter 15 Stunden pro Woche liegen werde. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin jedoch bereits in der ersten Beschäftigungswoche vom 12.11.2015 bis zum 18.11.2015 mehr als 15 Stunden, tatsächlich 24,01 Stunden gearbeitet. Ihr war daher die Bedeutung der Einhaltung der 15- Stunden-Grenze für den Anspruch auf Arbeitslosengeld bewusst. Aus diesem Grund hatte sie nach ihren Angaben bei der telefonischen Vorsprache am 04.04.2016 sich die - nach ihren Angaben seit Dezember 2015 die 15 Stunden überschreitende Arbeitszeit - auf das Arbeitszeitkonto gutschreiben lassen; eine Vorgehensweise, welche sie mit dem Arbeitgeber bereits in der Vergangenheit praktiziert hatte. Sofern die Klägerin zur Berufungsbegründung vorträgt, dass sie die Überschreitung nicht erkennen konnte, dies erst durch betriebliche Erfordernisse zustande gekommen sei und die Klägerin durch die Mitteilung der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses bei Antragstellung ihren Mitteilungspflichten genügt habe, überzeugt dies daher nicht.
Die Klägerin hat auch den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblattes 1 für Arbeitslose mit ihrer Unterschrift am 09.11.2015 bestätigt. Die Beklagte verweist in ihrer Berufungsbegründung zutreffend darauf, dass im Merkblatt aufgeführt wird, dass eine Erhöhung des zeitlichen Umfangs der Nebentätigkeit sofort mitzuteilen ist. Insofern ist dem Merkblatt eindeutig zu entnehmen, dass allein die Mitteilung der Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses an sich nicht von der Pflicht zur Mitteilung der Erhöhung des zeitlichen Umfangs der Beschäftigung enthebt. Die Bedeutung dieser Tatsache war der Klägerin zudem aus dem Vorbezugszeitraum bekannt. Auch war sie nach ihrem Bildungsstand und ihrer beruflichen Laufbahn in der Lage, die Erläuterungen im Merkblatt zu verstehen. Selbst wenn die Klägerin auf die Unschädlichkeit der Verbuchung der zuviel geleisteten Stunden auf ein Arbeitszeitkonto für den Anspruch auf Arbeitslosengeld vertraut hätte, würde dies im Übrigen nichts an der rechtlichen Beurteilung ändern. Denn die Prüfung und Bewertung, wann ein Arbeitsverhältnis mit 15 Stunden wöchentlich oder mehr vorliegt, obliegt nicht dem Empfänger von Arbeitslosengeld (vgl. hierzu auch Sächsisches LSG, Urteil vom 16.03.2023 – L 3 AL 21/21 –, juris Rdnr. 39). Dies war für die Klägerin unter anderem auch aus dem Merkblatt 1 betreffend ihre Mitteilungspflichten zu entnehmen. Soweit ein Empfänger von Arbeitslosengeld gleichwohl diesbezügliche Überlegungen anstellt und rechtsirrig davon ausgeht, dass er keiner Mitteilungspflicht unterliegt, geht ein solcher Rechtsirrtum zu seinen Lasten und lässt den Verschuldensvorwurf nicht entfallen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15.02.2019 – L 4 AS 165/12 – juris Rdnr. 44). Etwas Anderes würde nur dann gelten, wenn der Rechtsirrtum unvermeidbar war. Dies kann jedoch vorliegend nicht festgestellt werden.
Da der Vertrauensausschlusstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X gegeben ist, bedarf es keiner Prüfung, ob auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vorliegen.
Die Aufhebung erfolgte innerhalb der maßgeblichen Frist von einem Jahr nach Bekanntwerden der die Aufhebung der Bewilligung rechtfertigenden Tatsachen (vgl. § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i. V. m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X).
Die Pflicht zur Erstattung des Arbeitslosengeldes folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Zugleich hat die Klägerin nach § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten. Der Erstattungsbetrag ist rechnerisch korrekt; Einwände diesbezüglich wurden von Klägerseite nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Damit war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.