L 7 R 113/23 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 4 R 864/18 ZV
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 113/23 ZV
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV und damit iS des § 6 Abs 1 S 1 AAÜG stellen auch die in der DDR vom Betrieb an den Arbeitnehmer gezahlten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen erbrachte Arbeitsleistung in Form der erbrachten ununterbrochenen Tätigkeit in einem Bergbaubetrieb, damit also in Form von erbrachter Berufstreue und Pflichterfüllung, handelte.

Bemerkung

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Arbeitsentgelt - Glaubhaftmachung des Zuflusses und der Höhe von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau

  1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 3. März 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten auch im Berufungsverfahren.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines, im Klageverfahren von der Beklagten eröffneten, Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in Form von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau für die Zuflussjahre 1977 bis 1989 festzustellen.

 

Der 1941 geborene Kläger ist, nach erfolgreichem Abschluss eines berufsbegleitend bis Dezember 1976 absolvierten Fachschulstudiums in der Fachrichtung "Technologie der metallverarbeitenden Industrie" an der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik Z...., seit 9. Dezember 1976 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Er war vom 12. April 1965 bis 31. Dezember 1975 als Raupenfahrer und Schichtleiter im volkseigenen Betrieb (VEB) Kombinat Y.... bzw. VEB Gaskombinat Y.... sowie vom 1. Januar 1976 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Leiter für Gleisanlagen und Hauptingenieur im VEB Braunkohlenwerk X.... beschäftigt. Er erhielt zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) keine Versorgungszusage und war nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

 

Am 22. Mai 2001 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften und legte (unter anderem) eine Entgeltbescheinigung der Lausitzer- und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) vom 15. Mai 2001 (für den Beschäftigungszeitraum vom 12. April 1965 bis 30. Juni 1990) vor. Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 21. November 2002 die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Dezember 1976 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, auf der Grundlage der Entgeltbescheinigung der LMBV vom 15. Mai 2001, fest.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 3. September 2007 (Eingang bei der Beklagten am 5. September 2007) begehrte der Kläger die Berücksichtigung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau sowie von Jahresendprämien bei den festgestellten Arbeitsentgelten und legte arbeitsvertragliche Unterlagen sowie eigene Jahresendprämiennachweise für die Zuflussjahre 1977 (in Höhe von 1.150,00 Mark), 1986 (in Höhe von 1.550,00 Mark), 1987 (in Höhe von 1.600,00 Mark) und 1989 (in Höhe von 1.700,00 Mark) vor. Mit Schreiben vom 19. März 2008 fragte die Beklagte bei der Rhenus Office Systems GmbH nach dem Vorliegen von Prämiennachweisen zum Kläger an. Die Rhenus Office Systems GmbH teilte mit Schreiben vom 15. Mai 2008 mit, dass sich in den Archivunterlagen keine Prämiennachweise zum Kläger befinden. Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Mai 2008 die Ergebnisse ihrer Recherche bei der Rhenus Office Systems GmbH mitteilte, nahm dieser mit Schreiben vom 24. September 2008 seinen Überprüfungsantrag zurück. Gleichwohl stellte die Beklagte (von Amts wegen) mit Bescheid vom 18. Dezember 2008, die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Dezember 1976 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Dabei stellte sie höhere Arbeitsentgelte für die Jahre 1977 (in Höhe von 1.150,00 Mark), 1986 (in Höhe von 1.550,00 Mark), 1987 (in Höhe von 1.600,00 Mark) und 1989 (in Höhe von 1.700,00 Mark) auf der Grundlage der vom Kläger nachgewiesenen Jahresendprämien fest.

 

Mit Überprüfungsantrag vom 5. Dezember 2017, gerichtet an die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Knappschaft-Bahn-See (KBS), begehrte der Kläger erneut die Berücksichtigung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau (bezeichnet als "Bergmannsgeld") bei den festgestellten Arbeitsentgelten. Den Überprüfungsantrag leitete die DRV KBS am 6. Februar 2018 an die Beklagte weiter.

 

Den Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. März 2018 ab.

 

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 5. April 2018 (Eingang bei der Beklagten am 6. April 2018) Widerspruch ein und begehrte weiterhin die Anerkennung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau.

 

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2018 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Zufluss und die Höhe der begehrten weiteren Arbeitsentgelte in Form von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Zufluss und Höhe der zusätzlichen Belohnungen des Einzelnen seien von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute ohne entsprechende Unterlagen nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Eine pauschale Berücksichtigung der zusätzlichen Belohnungen könne nicht erfolgen.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 13. Juni 2018 Klage zum Sozialgericht Dresden, begehrte weiterhin die Berücksichtigung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau (diesmal bezeichnet als "Bergmannsprämien") und legte, im Laufe des Verfahrens,

  • die (gerichtsbekannte) notariell beglaubigte Erklärung des ehemaligen Generaldirektors Dr. W...., des ehemaligen ökonomischen Direktors Dr. V...., des ehemaligen stellvertretenden Hauptbuchhalters U.... und des ehemaligen Direktors für Arbeiterversorgung und Sozialökonomie T.... des ehemaligen VEB Gaskombinat Y.... vom 26. Januar 2009, wonach in den Jahren von 1969 bis 1989 in allen Kombinatsbetrieben des VEB Gaskombinat Y.... zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau entsprechend den damaligen Vorschriften gezahlt wurden,
  • Auszüge aus dem Rahmenkollektivvertrag Kohle,
  • Unterlagen aus seinen Arbeitsverhältnissen, wie Leistungseinschätzungen, Auszeichnungsvorschläge und Beurteilungen sowie
  • einen Nachweis über eine am 21. Dezember 1987 (in Höhe von 400,00 Mark) bezogene Leistungsprämie

vor.

 

Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2018 erkannte die Beklagte daraufhin ein höheres Arbeitsentgelt für das Jahr 1987 (in Höhe von 400,00 Mark) wegen des nachgewiesenen Bezugs der Leistungsprämie an. Das Teilanerkenntnis nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2018 an. Mit Neufeststellungsbescheid vom (bereits) 6. Dezember 2018 stellte die Beklagte abermals die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Dezember 1976 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Dabei stellte sie ein höheres Arbeitsentgelt für das Jahr 1987 (in Höhe von 400,00 Mark) wegen des nachgewiesenen Bezugs der Leistungsprämie fest. Den Bescheid vom 18. Dezember 2008 hob sie, soweit er entgegenstand, auf.

 

Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens legte der Kläger zudem

  • einen Nachweis vom 15. Juni 1990 über eine (erst) am 27. Juli 1990 (also nach Schließung der Zusatzversorgungssysteme) zugeflossene zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau (in Höhe von 1.164,50 Mark) für das Zuflussjahr 1990 sowie
  • einen Nachweis über eine (ebenfalls erst nach Schließung der Zusatzversorgungssysteme) zugeflossene Jahresendprämie (in Höhe von 1.528,00 DM) für das Zuflussjahr 1990

vor.

 

Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2019 erkannte die Beklagte daraufhin ein höheres Arbeitsentgelt für das Jahr 1990 (in Höhe von 1.164,50 Mark) wegen des nachgewiesenen Bezugs einer zusätzlichen Belohnung für Werktätige im Bergbau an. Das Teilanerkenntnis nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 23. Januar 2019 an. Mit Neufeststellungsbescheid vom (bereits) 14. Januar 2019 stellte die Beklagte abermals die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Dezember 1976 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (= Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest. Dabei stellte sie ein höheres Arbeitsentgelt für das Jahr 1990 (in Höhe von 1.164,50 Mark) wegen des nachgewiesenen Bezugs einer zusätzlichen Belohnung für Werktätige im Bergbau fest. Den Bescheid vom 6. Dezember 2018 hob sie, soweit er entgegenstand, auf.

 

Das Sozialgericht Dresden hat – nach Anhörung der Beteiligten mit gerichtlichen Schreiben vom 19. Juli 2022 – mit Gerichtsbescheid vom 3. März 2023 die Beklagte, unter Aufhebung des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 14. März 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2018, verurteilt, den Feststellungsbescheid vom 21. November 2002 in der Fassung der Neufeststellungsbescheide vom 18. Dezember 2008, vom 6. Dezember 2018 und vom 14. Januar 2019 dahingehend abzuändern, dass weitere Arbeitsentgelte des Klägers für die Jahre 1977 bis 1989 wegen zu berücksichtigender zusätzlicher Belohnungen für Werktätige im Bergbau im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt festzustellen sind:

Für das Zuflussjahr:

1977

1.228,03 Mark

1978

1.323,11 Mark

1979

1.440,80 Mark

1980

1.532,43 Mark

1981

1.671,67 Mark

1982

1.700,57 Mark

1983

1.656,27 Mark

1984

1.744,43 Mark

1985

1.521,54 Mark

1986

1.819,84 Mark

1987

1.844,61 Mark

1988

2.119,16 Mark

1989

1.813,57 Mark

Zur Begründung hat es ausgeführt: Den Zufluss der begehrten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau habe der Kläger durch die vorgelegten arbeitsvertraglichen Unterlagen (Beurteilungen, Belobigungen, Auszeichnungen) sowie die Angaben der Betriebsverantwortlichen in der notariell beglaubigten Erklärung des ehemaligen VEB Gaskombinat Y.... vom 26. Januar 2009 dem Grunde nach glaubhaft gemacht. Die Höhe der zusätzlichen Belohnungen sei – entsprechend der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts, die ausführlich dargelegt und einbezogen wurde – berechenbar.

 

Gegen den am 6. März 2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 9. März 2023 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren nach Klageabweisung weiterverfolgt. Das Sozialgericht verletze mit seiner Entscheidung, zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau als weiteren Arbeitsverdienst zusätzlich festzustellen, die Vorschriften von §§ 6 Abs. 1, 8 Abs. 1 AAÜG. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht, in welcher Höhe dem Kläger in den Jahren 1977 bis 1989 zusätzlich "Bergmannsgeld" zugeflossen sei. Die Bestimmungen der Fünften Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau vom 9. April 1964 hierzu seien alles andere als unmissverständlich gewesen. So sei zum Beispiel nicht eindeutig geregelt, ob Zeiten der Arbeitsunfähigkeit der Annahme einer "ununterbrochenen Beschäftigung" entgegengestanden hätten und welche Personen "ingenieurtechnisches Personal", "Wirtschaftler'' oder "Angestellte mit verantwortlicher Tätigkeit" gewesen seien. Auch stelle sich die Frage, ob Ingenieure, die unter Tage beschäftigt gewesen seien, die zusätzliche Belohnung gemäß § 3 Abs. 3 a) der 5. VO oder die zusätzliche Belohnung nach § 3 Abs. 4 b) Satz 1 der 5. VO erhalten hätten. Nicht geregelt sei zudem, wann eine Fehlschicht entschuldigt gewesen sei. § 3 Abs. 8 der 5. VO zeige überdies, dass die zusätzliche Belohnung nur denjenigen zuteilgeworden sei, die einer solchen Belohnung für "wert erachtet" worden seien (wer unentschuldigte Fehlschichten gefahren habe, wer fristlos entlassen oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, wer einmal in Untersuchungshaft gewesen sei und nicht nachweisen habe können, dass er freigesprochen oder das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei, sei der zusätzlichen Belohnung nicht für wert erachtet worden). Wie die Betriebe, für die die zitierten Vorschriften galten, diese angewendet hätten und welche Spielräume sie bei der Anwendung dieser Vorschriften gehabt hätten, lasse sich nicht mehr feststellen. Selbst wenn sich jedoch erweisen ließe oder glaubhaft wäre, dass der Kläger in den Jahren 1977 bis 1989 die Voraussetzungen für eine Zahlung der "zusätzlichen Belohnung" jeweils erfüllt gehabt habe, wäre allein dadurch noch nicht glaubhaft, dass er in den Jahren 1977 bis 1989 "zusätzliche Belohnungen" auch tatsächlich erhalten habe. Denn es gebe keinen Rechtssatz, dass die erwiesene Pflicht eines Arbeitgebers zu einer Geldzahlung die tatsächliche Zahlung dieser Gelder glaubhaft werden lasse. Es gebe auch keinen Grundsatz der "Beitrags- oder Zahlungstreue" von Arbeitgebern, selbst dann nicht, wenn Arbeitgeber eine Behörde sei. Die Beklagte bezweifele ferner grundsätzlich, dass für eine prozentuale Bestimmung der Höhe von "Bergmannsgeld" auf die bescheidmäßig festgestellten Arbeitsverdienste als Bezugsgröße zurückgegriffen werden könne. § 3 Abs. 14 der 5. VO regele zwar, was unter "Bruttoverdienst" zu verstehen sei. Es lasse sich jedoch nicht mehr feststellen, ob/inwieweit der Kläger in den Jahren 1977 bis 1989 Lohnausgleich für Unfalltage, Lohnausgleich für anerkannte Berufskrankheiten, Vergütung für Überstunden, Vergütung für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, Vergütung für Erschwernisse, Mehrleistungslohn/Zeitlohnprämien, Brigadierzuschläge, Vergütungen für Neuerervorschläge und Prämien nach der Prämienverordnung sowie Deputate erhalten habe.

 

Die Beklagte beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 3. März 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

 

Der Senat hat

  • arbeitsvertragliche Unterlagen vom Kläger angefordert,
  • die, gerichtsbekannte, schriftliche Erklärung der Zeugen S.... (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats R....) und Dr. Q.... (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats R....) vom 11. und 26. April 2010 zu in den Kombinatsbetrieben des VE Braunkohlenkombinats R.... gezahlten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau beigezogen sowie
  • schriftliche Auskünfte der Zeugen E.... vom 19. Juni 2023, F.... vom 29. Juni 2023, H.... vom 3. Juli 2023, Dr. D.... vom 17. Juli 2023 und G.... vom 25. Juli 2023 eingeholt.

 

Mit Schriftsätzen vom 31. Juli 2023 (Kläger) sowie vom 23. August 2023 (Beklagte) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte und zulässige Berufung der Beklagte ist unbegründet, weil das Sozialgericht Dresden die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 3. März 2023 zu Recht verurteilt hat, die dem Kläger in den Jahren 1977 bis 1989 zugeflossenen zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe in den austenorierten Höhen festzustellen. Insoweit schließt sich der Senat nach Überprüfung, den Gründen im angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 3. März 2023 an und nimmt darauf zur Vermeidung von überflüssigen Wiederholungen zunächst vollständig Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

 

Ergänzend ist lediglich Folgendes auszuführen:

 

1.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 3. März 2023 entspricht der – den Beteiligten hinlänglich bekannten – ständigen Rechtsprechung des 5. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts, der sich der 7. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts vollinhaltlich angeschlossen hat. Auf die den Beteiligten bekannten und jeweils (insoweit) rechtskräftigen Entscheidungen des 5. und des 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts wird lediglich der Vollständigkeit halber hingewiesen:

 

Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 3. März 2023 entspricht dabei – im Gegensatz zu anderen erstinstanzlichen Entscheidungen – nicht nur im Abstrakten dieser ständigen Rechtsprechung des 5. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts, der sich der 7. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts vollinhaltlich angeschlossen hat, sondern – wenngleich in den Urteilsgründen nur knapp erwähnt – auch im Konkreten. Denn der konkrete Einzelfall – und nur um diesen geht es jeweils – wurde vom Sozialgericht Dresden dabei konkret in den Blick genommen. Im vorliegenden Fall liegen

  1. konkrete arbeitsvertragliche Unterlagen des Klägers vor (Gehaltsvereinbarung vom 15. Oktober 1975, Änderungsvertrag vom 1. Mai 1980), aus denen sich ergibt, dass der Kläger anspruchsberechtigt im Hinblick auf die streitgegenständlichen zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau war, weil sich seine Entlohnung nach den Bestimmungen des Rahmenkollektivvertrages Kohle richtete, sowie
  2. arbeitsvertragliche Unterlagen des Klägers vor (Leistungseinschätzung vom 3. September 1973, Auszeichnungsvorschlagsschreiben von Oktober 1982, Kadergesprächsprotokoll vom 27. Februar 1986, Leistungsbeurteilung vom 12. März 1986, Leistungsprämienanerkennungsschreiben vom 21. Dezember 1987, Arbeitszeugnis vom 17. Dezember 1997), die Auskunft über dessen individuelle Arbeitsleistungen geben und plausibel bestätigen, dass der Kläger die ihm übertragenen Aufgaben stets hervorragend erledigte, sodass sich keinerlei berechtigte Zweifel an der Erfüllung der vorgegebenen Leistungskriterien aufdrängen und daher Nichtauszahlungen der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau wegen des Aufweisens von unentschuldigten Fehlschichten oder wegen unerträglich schlechter Arbeitsleistungen des Klägers ausgeschlossen sind.

 

Soweit das Sozialgericht Dresden zudem auf den Inhalt der (gerichtsbekannten) notariell beglaubigten Erklärung des ehemaligen Generaldirektors Dr. W...., des ehemaligen ökonomischen Direktors Dr. V...., des ehemaligen stellvertretenden Hauptbuchhalters U.... und des ehemaligen Direktors für Arbeiterversorgung und Sozialökonomie T.... des ehemaligen VEB Gaskombinat Y.... vom 26. Januar 2009 zu in den Kombinatsbetrieben des VEB Gaskombinat Y.... gezahlten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau abgestellt hat, war dies im konkreten Fall des Klägers lediglich bis September 1980 zutreffend. Denn der konkrete Beschäftigungsbetrieb des Klägers (VEB Braunkohlenwerk X....) gehörte mindestens seit Oktober 1980 nicht mehr zum Verantwortungsbereich des VEB Gaskombinat Y...., sondern vielmehr zum Verantwortungsbereich des VE Braunkohlenkombinat R..... Deshalb kann mindestens ab diesem Zeitpunkt nur auf die – vom Sozialgericht Dresden nicht beigezogene und daher nicht im Gerichtsbescheid verwertete – vom Senat beigezogene und den Beteiligten mit gerichtlichen Schreiben vom 8. Mai 2023 (Kläger) bzw. vom 5. Juni 2023 (Beklagte) übersandte (gerichtsbekannte) Generalerklärung der Kombinatsverantwortlichen (des VE Braunkohlenkombinat R....) S.... und Dr. Q.... vom 11. und 26. April 2010 abgestellt werden. Die Betriebsverantwortlichen S.... und Dr. Q.... erklärten unter anderem, dass im ehemaligen VE Braunkohlenkombinat R.... in allen Kombinatsbetrieben, wobei der VEB Braunkohlenwerk X.... als solcher Kombinatsbetrieb explizit benannt wurde, entsprechend dem RKV Kohle jährlich zusätzliche Belohnungen für ununterbrochene Beschäftigung im Bergbau gemäß der 5. Bergbau-VO an alle Mitarbeiter im Verantwortungsbereich des ehemaligen Braunkohlenkombinats gezahlt worden sind. Sie führten weiterhin aus: Der Anspruch der Beschäftigten auf die Höhe der jährlichen Zahlung der zusätzlichen Belohnung entstand in Abhängigkeit von der ununterbrochenen Tätigkeit im Bergbau. Als Bruttoverdienst zählte stets der Verdienst des Vorjahres. Die Ermittlung des jeweiligen jährlichen Auszahlungsbetrages war relativ einfach. Vom Jahresbruttoverdienst des Beschäftigten war der Prozentteil, abgeleitet von der Beschäftigungszeit, zu ermitteln, der dann den Auszahlungsbetrag ergab. Unentschuldigte Fehlschichten, bei denen es sich um Disziplinarvergehen handelte, waren meldepflichtig, insbesondere, wenn diese von Hoch- und Fachschulkadern verfahren wurden. Aus dem betroffenen Personenkreis der Hoch- und Fachschulkader hatte keiner eine unentschuldigte Fehlschicht verfahren, ansonsten wäre dies als Nachweis einer oder mehrerer unentschuldigten Fehlschichten – infolge der außerordentlichen Gehaltsminderung – aus dem entsprechend vorgeschriebenen Eintrag im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung eindeutig ersichtlich gewesen.

 

Die ergänzend im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen bestätigten diese Fakten:

 

Zwar vermochten die schriftlich befragten Zeugen E.... in ihrer Auskunft vom 19. Juni 2023 sowie Dr. D.... in seiner Auskunft vom 17. Juli 2023 keine konkreten Tatsachen im Zusammenhang mit der Gewährung der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau mehr zu erinnern. Jedoch konnten die weiteren schriftlich befragten Zeugen noch einige Details zur Gewährung der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau angeben. So gab zum Beispiel die Zeugin F...., die den Kläger aus der betrieblichen Zusammenarbeit seit 1986 kannte, in ihrer Auskunft vom 29. Juni 2023 an, dass das Bergmannsgeld regelmäßig im Juli an alle im Bergbau beschäftigten Werktätigen vom Betrieb per Überweisung gezahlt wurde und der Kläger im Betrieb keine unentschuldigten Fehlschichten verfahren hatte. Der Zeuge H...., der den Kläger aus der betrieblichen Zusammenarbeit seit 1984 kannte, gab in seiner Auskunft vom 3. Juli 2023 konkret an, dass der Kläger die zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau regelmäßig, wie jeder andere Werktätige auch, vom Betrieb ausgezahlt erhielt. Auch er äußerte sich dahingehend, dass der Kläger im Betrieb keine unentschuldigten Fehlschichten verfahren hatte. Der Zeuge G...., der den Kläger aus der betrieblichen Zusammenarbeit bereits seit "vor 1979" kannte, konnte überdies bestätigen, dass der Kläger im Betrieb stets hervorragende Arbeit leistete.

 

Bestätigung finden diese Angaben der hervorragenden Arbeitsleistungen in den weiteren, vom Kläger im Berufungsverfahren eingereichten Unterlagen. Für "hervorragende Leistungen im sozialistischen Wettbewerb" wurde er mit Urkunden von 1969, 1976 und 1977 mit dem Ehrentitel als Mitglied eines "Kollektivs der sozialistischen Arbeit" ausgezeichnet. "In Würdigung vorbildlicher Leistungen und hoher Einsatzbereitschaft zur Sicherung der Kohle- und Energieversorgung im B.... 1978/79" wurde ihm mit einer Ehrenurkunde Dank und Anerkennung ausgesprochen. Im September 1981 wurde ihm als "Bester seines Faches im sozialistischen Wettbewerb" eine Urkunde überreicht. Für seinen "vorbildlichen Einsatz bei der Versorgung von Bevölkerung und Volkswirtschaft mit festen Brennstoffen im B.... 1986/87" wurde ihm mit einer Urkunde Dank und Anerkennung ausgesprochen und wurde er zu einer "Bestenveranstaltung" in die Stadthalle P.... eingeladen. Für "vorbildliche sozialistische Arbeit" wurde dem Kläger zudem mit Urkunden vom 11. Juni 1970, vom 30. April 1975, vom 7. Oktober 1982, vom 7. Oktober 1984 sowie vom 3. Juli 1988 jeweils der Ehrentitel als "Aktivist der sozialistischen Arbeit" verliehen. Als Dank und Anerkennung für 25jährige treue Arbeit im Bergbau wurde dem Kläger am 5. April 1987 eine Ehrenurkunde überreicht. "In Anerkennung und Würdigung langjähriger Zugehörigkeit sowie hervorragender Leistungen in der Kohleindustrie" wurden dem Kläger am 3. Juli 1981 die "Medaille für Verdienste in der Kohleindustrie der DDR" in Bronze und am 22. Juni 1990 die "Medaille für Verdienste in der Kohleindustrie der DDR" in Silber verliehen.

 

Von diesen konkreten Tatsachen ausgehend, hat das Sozialgericht Dresden zu Recht den Bezug von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau durch den Kläger in den streitgegenständlichen Jahren als glaubhaft gemacht bewertet. Denn gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen (vgl. dazu auch: BSG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RS 4/16 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 7 = JURIS-Dokument, RdNr. 14), überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

 

2.

Zu den zahlreichen, ganz überwiegend den konkreten Sachverhalt nicht in den Blick nehmenden, Einwendungen der Beklagten im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 20. April 2023 wird auf Folgendes hingewiesen:

 

a)

Soweit die Beklagte ausführt, die Bestimmungen der Fünften Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau vom 9. April 1964 seien alles andere als unmissverständlich gewesen, trifft dies nicht zu. Die Vorschriften regelten detailliert die Voraussetzungen der Gewährung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau:

 

Nach § 3 der "Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR" (nachfolgend: Bergbau-VO) vom 10. August 1950 (DDR-GBl. 1950, Nr. 91, S. 832) in der Fassung von § 1 der "Fünften Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR" (nachfolgend: 5. Bergbau-VO) vom 9. April 1964 (DDR-GBl. II 1964, Nr. 43, S. 313) war, entsprechend der Bedeutung des Bergmannsberufes, in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Bergbaubetrieben eine zusätzliche Belohnung für ununterbrochene Beschäftigung zu zahlen (§ 3 Abs. 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Bergbaubetriebe im Sinne des § 3 Abs. 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO waren Betriebe des Steinkohlen- und Braunkohlenbergbaus, des Erz- und Kalibergbaus, des Steinsalz- und Nichteisenerzbergbaus sowie des Baustoff-, Kaolin- und Schieferbergbaus, des Tonbergbaus (unter Tage), der VVB Erdöl und Erdgas und der VVB Feste Minerale, die in den Betriebsverzeichnissen für die einzelnen Bergbauzweige enthalten waren (§ 3 Abs. 2 Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Die zusätzliche Belohnung betrug für Beschäftigte unter Tage

  • nach einjähriger Beschäftigungszeit             vier Prozent,
  • nach zweijähriger Beschäftigungszeit          acht Prozent,
  • nach fünfjähriger Beschäftigungszeit            zwölf Prozent und
  • nach zwölfjähriger Beschäftigungszeit          16 Prozent

sowie für Beschäftigte über Tage

  • nach zweijähriger Beschäftigungszeit          fünf Prozent,
  • nach fünfjähriger Beschäftigungszeit            acht Prozent und
  • nach zwölfjähriger Beschäftigungszeit          zehn Prozent

des jährlichen Bruttoverdienstes (§ 3 Abs. 3 Buchstaben a) und c) der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Die zusätzliche Belohnung wurde in bestimmten Fällen des Ausscheidens aus dem Bergbaubetrieb anteilig für die Beschäftigungszeit vom "Tag des deutschen Bergmanns" bis zum Ausscheiden gezahlt (§ 3 Abs. 6 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Der Tag des Bergmanns und des Energiearbeiters wurde in der DDR, gemäß § 1 Abs. 1 der "Verordnung über Ehrentage für Werktätige in weiteren Bereichen der Volkswirtschaft und die Verleihung staatlicher Auszeichnungen" vom 30. Januar 1975 (DDR-GBl. I 1975, Nr. 11, S. 197), jährlich am ersten Sonntag des Monats Juli begangen. Die in Ehren aus der NVA Entlassenen erhielten die zusätzliche Belohnung entsprechend der "Verordnung über die Förderung der aus dem aktiven Wehrdienst entlassenen Angehörigen der Nationalen Volksarmee – Förderungsverordnung –" vom 24. Januar 1962 (DDR-GBl. II 1962, Nr. 7, S. 53) (§ 3 Abs. 7 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Lehrlinge erhielten keine zusätzliche Belohnung; die Lehrzeit im Bergbau wurde jedoch auf die Dauer der Anwartschaft im Bergbau angerechnet (§ 3 Abs. 12 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Die zusätzliche Belohnung wurde für jede unentschuldigte Fehlschicht im Anspruchszeitraum (vom "Tag des deutschen Bergmanns" des Vorjahres bis zum "Tag des deutschen Bergmanns" des laufenden Jahres) wie folgt gekürzt:

  • bei einer Fehlschicht um 25 Prozent,
  • bei zwei Fehlschichten um 50 Prozent,
  • bei drei Fehlschichten um 75 Prozent

(§ 3 Abs. 8 Buchstabe b) Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO); bei mehr als drei Fehlschichten entfiel sie vollständig (§ 3 Abs. 8 Buchstabe b) Satz 2 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO); für die Feststellung der unentschuldigten Fehlschichten war der Werkdirektor verantwortlich (§ 3 Abs. 8 Buchstabe b) Satz 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Die ununterbrochene Beschäftigungszeit im Bergbau wurde vom 1. Januar 1949, bei später eingetretenen Beschäftigten vom Tag der Arbeitsaufnahme an, gerechnet (§ 3 Abs. 13 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Der Bruttoverdienst war der Tariflohn oder das Tarifgehalt des vorangegangenen Kalenderjahres (§ 3 Abs. 14 Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Zum Bruttoverdienst gehörten außer dem Tariflohn oder Grundgehalt auch der Lohnausgleich für Unfalltage und für anerkannte Berufskrankheiten, die Vergütung für Überstunden, für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit und für Erschwernisse, Mehrleistungslohn und Zeitlohnprämien, Brigadierzuschläge, Entgelt für Schwangeren- und Wöchnerinnenurlaub, sowie 80 Prozent des Nettolohnes bei der Reservistenausbildung (§ 3 Abs. 14 Satz 2 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Die Auszahlung der zusätzlichen Belohnung erfolgte am "Tag des deutschen Bergmanns" (erster Sonntag im Monat Juli) an die Belegschaftsmitglieder, die an diesem Tag im Arbeitsrechtsverhältnis zum Bergbaubetrieb standen (§ 3 Abs. 17 Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Die zusätzliche Belohnung war lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei (§ 3 Abs. 17 Satz 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Bei der Auszahlung der zusätzlichen Belohnung war den Beschäftigten ein Anerkennungsschreiben auszuhändigen (§ 3 Abs. 18 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). § 3 der Bergbau-VO in der Fassung der 5. Bergbau-VO war zudem normtextidentisch als Anlage 3 Bestandteil des "Rahmenkollektivvertrages über die Arbeits- und Lohnbedingungen der Werktätigen in den sozialistischen Betrieben der Kohleindustrie" (nachfolgend: RKV Kohle) vom 1./27. Februar 1967 in der Fassung des 1. bis 7. Nachtrages. Darüber hinaus wurden die Regelungen des § 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO mit der "Vereinbarung zur einheitlichen Anwendung der zusätzlichen Belohnung im Bergbau" vom 25. März 1974 (registriert im Bundesarchiv unter der Signatur: D934 FDGB 16039) sowie der als Anlage 9 des ab 1. Januar 1979 geltenden RKV Kohle vereinbarten "Einheitliche[n] Anwendung der Rechtsvorschriften über zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau" (registriert beim Staatssekretariat für Arbeit und Löhne unter Nr. 103/78) fortgeführt. Die Vorschriften galten unverändert auch im Jahr 1990 weiter, wie sich aus § 15 des "Manteltarifvertrages (MTV/BG) Kohle – Gas für die Arbeitnehmer des Tarifbereichs Braunkohlen- und Gasindustrie" vom 31. Mai 1990 ergibt, der vollständig auf die 5. Bergbau-VO verweist.

 

b)

Soweit die Beklagte meint, es sei nicht eindeutig geregelt, ob Zeiten der Arbeitsunfähigkeit der Annahme einer "ununterbrochenen Beschäftigung" entgegengestanden hätten, verkennt sie das spezifische gesetzliche DDR-Regelungssystem. Zeiten der Arbeitsunfähigkeiten unterbrachen das Arbeitsrechtsverhältnis und damit die Beschäftigungsdauer nicht.

Zum einen ergibt sich aus den (abschließend geregelten) Ausscheidenstatbeständen des § 3 Abs. 6 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO (Delegierung; Schul-, Fachschul- oder Hochschulbesuch; Abordnungen in Investitionsvorhaben in der Grundstoffindustrie; Ausscheiden aus dem Bergbau infolge Betriebsstilllegung oder Eingliederung in einen anderen Industriezweig; Berufsunfähigkeit, Invalidität oder Eintritt in die Vollrente; unbezahlte Freistellung bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes; Einberufung in einen Wehrdienst oder Reservistenwehrdienst; Tod), dass lediglich diese zu einer – teilweise lediglich vorübergehenden – Unterbrechung der ununterbrochenen Beschäftigung im Bergbau (noch dazu mit einem anteiligen Anspruch auf die zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau) führten. Zum anderen ergibt sich aus der "Vereinbarung zur einheitlichen Anwendung der zusätzlichen Belohnung im Bergbau" vom 25. März 1974 (registriert im Bundesarchiv unter der Signatur: D934 FDGB 16039), dass im Berechnungszeitraum der zusätzlichen Belohnung liegende Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge von Arbeitsunfall, Berufskrankheit, Quarantäne oder Kuraufenthalt lediglich dazu führen, dass bei der Berechnung des Durchschnittsverdienstes (gemäß § 3 Abs. 14 Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO) der Durchschnittsverdienst zugrunde zu legen war, den der Werktätige erzielt hätte, wenn er in dieser Zeit tätig gewesen wäre.  

 

Soweit die Beklagte meint, es sei nicht eindeutig geregelt gewesen, welche Personen "ingenieurtechnisches Personal", "Wirtschaftler'' oder "Angestellte mit verantwortlicher Tätigkeit" gewesen seien, verkennt sie, dass diese Fragestellung für den konkreten Sachverhalt keinerlei Relevanz hat. Denn zum einen erhielten ingenieurtechnisches Personal, Wirtschaftler und Angestellte mit verantwortlicher Tätigkeit in übergeordneten staatlichen Organen, die nur für den Bergbau tätig waren, die zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau gemäß § 3 Abs. 4 Buchst. b) der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO ohnehin nach § 3 Abs. 3 Buchst. c) der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO, also, so wie der Kläger, wie Beschäftigte über Tage. Und zum anderen war der Kläger ohnehin nicht "in übergeordneten staatlichen Organen, die nur für den Bergbau tätig waren" beschäftigt. Im Übrigen fand § 3 Abs. 4 Buchst. b) der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO ohnehin nur Anwendung für Arbeitsrechtsverhältnisse, die bis zum 31. Juli 1968 eingegangen wurden; für nach dem 31. Juli 1968 eingegangene Arbeitsrechtsverhältnisse war die Regelung gemäß des "Beschluss[es] über die Aufhebung gesetzlicher Bestimmungen" vom 17. Juli 1968 (DDR-GBl. II 1968, Nr. 83, S. 661 in der Fassung der Berichtung DDR-GBl. II 1968, Nr. 89, S. 697) nicht mehr anzuwenden.

 

Soweit die Beklagte meint, es stelle sich auch die Frage, ob Ingenieure, die unter Tage beschäftigt gewesen seien, die zusätzliche Belohnung gemäß § 3 Abs. 3 a) der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO oder die zusätzliche Belohnung nach § 3 Abs. 4 b) Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO erhalten hätten, verkennt sie, dass diese Fragestellung für den konkreten Sachverhalt gleichfalls keinerlei Relevanz hat, weil der Kläger nicht unter Tage beschäftigt war.

 

Soweit die Beklagte meint, es sei nicht geregelt, wann eine Fehlschicht entschuldigt gewesen sei, verkennt sie, dass im konkreten Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte für das Verfahren von Fehlschichten durch den Kläger gegeben sind. Zum einen gaben die schriftlich befragten Zeugen F.... und H.... explizit an, dass der Kläger keine unentschuldigten Fehlschichten verfahren hatte. Zum anderen ergibt sich sowohl aus den Angaben des Zeugen G...., als auch aus den schriftlichen Unterlagen des Klägers (Leistungseinschätzung vom 3. September 1973, Auszeichnungsvorschlagsschreiben von Oktober 1982, Kadergesprächsprotokoll vom 27. Februar 1986, Leistungsbeurteilung vom 12. März 1986, Leistungsprämienanerkennungsschreiben vom 21. Dezember 1987, Arbeitszeugnis vom 17. Dezember 1997, Urkunden von 1969, 1976 und 1977 über den Ehrentitel als Mitglied eines "Kollektivs der sozialistischen Arbeit", Ehrenurkunden über die Wintereinsätze 1978/79 und 1986/87, Urkunde von September 1981 über den Ehrentitel als "Bester seines Faches im sozialistischen Wettbewerb", Urkunden vom 11. Juni 1970, vom 30. April 1975, vom 7. Oktober 1982, vom 7. Oktober 1984 sowie vom 3. Juli 1988 über den Ehrentitel als "Aktivist der sozialistischen Arbeit", Anerkennungsurkunde vom 5. April 1987, Urkunden über die Verleihung der "Medaillen für Verdienste in der Kohleindustrie der DDR" in Bronze und Silber vom 3. Juli 1981 und vom 22. Juni 1990), dass der Kläger stets hervorragende Arbeitsleistungen erbrachte, sodass sich das Aufweisen unentschuldigter Fehlschichten des Klägers als ausgeschossen darstellt.

 

Soweit die Beklagte meint, § 3 Abs. 8 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO zeige überdies, dass die zusätzliche Belohnung nur denjenigen zuteilgeworden sei, die einer solchen Belohnung für "wert erachtet" worden seien (wer unentschuldigte Fehlschichten gefahren habe, wer fristlos entlassen oder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, wer einmal in Untersuchungshaft gewesen sei und nicht nachweisen habe können, dass er freigesprochen oder das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei, sei der zusätzlichen Belohnung nicht für wert erachtet worden), verkennt sie gleichfalls, dass im konkreten Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger der zusätzlichen Belohnung nicht für "wert erachtet" worden sein könnte, zumal der Kläger weder unentschuldigte Fehlschichten verfahren hat, noch fristlos entlassen wurde, noch zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, noch sich in Untersuchungshaft befand.

 

c)

Soweit die Beklagte meint, es lasse sich nicht mehr feststellen, wie die Betriebe, für die die zitierten Vorschriften galten, diese angewendet hätten und welche Spielräume sie bei der Anwendung dieser Vorschriften gehabt hätten, verkennt sie zunächst, dass von den gesetzlichen Regelungen abweichende betriebliche Ermessenshandhabungen nicht den Beurteilungsmaßstab einer, auf der Grundlage von DDR-rechtlichen Regelungen, gewährten Zahlung von Arbeitsentgelt bilden. Beurteilungsrelevant sind lediglich die maßgeblichen DDR-rechtlichen Regelungen selbst, die als "generelle Anknüpfungstatsachen" bzw. als "generelle Tatsachen" heranzuziehen sind (vgl. zu diesem Aspekt beispielsweise deutlich: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 19; BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 14 ff.; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 3/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25 ff.; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 1/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25 ff.). Die Beurteilung einer (betrieblich) gewährten Arbeitsentgeltzahlung erfolgt allein unter Zugrundelegung der insoweit maßgeblichen abstrakt-generellen Vorgaben des die Zahlung regelnden DDR-Rechts (BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 46; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 3/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25; BSG, Urteil vom 9. Dezember 2020 - B 5 RS 1/20 R - JURIS-Dokument, RdNr. 25). Im Übrigen belegen sowohl die "Vereinbarung zur einheitlichen Anwendung der zusätzlichen Belohnung im Bergbau" vom 25. März 1974 (registriert im Bundesarchiv unter der Signatur: D934 FDGB 16039) als auch die als Anlage 9 des ab 1. Januar 1979 geltenden RKV Kohle vereinbarte "Einheitliche Anwendung der Rechtsvorschriften über zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau" (registriert beim Staatssekretariat für Arbeit und Löhne unter Nr. 103/78), dass die Regelungen des § 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO von den Betrieben sowohl zwingend als auch "einheitlich" anzuwenden waren, was sich überdies auch daraus ergibt, dass es sich um verbindliche rahmentarifvertragliche Normen (RKV Kohle) handelte.

 

Darüber hinaus ergibt sich im konkreten Fall sowohl (den streitgegenständlichen Zeitraum von 1977 bis September 1980 betreffend) aus der gerichtbekannten, notariell beglaubigten Erklärung des ehemaligen Generaldirektors Dr. W...., des ehemaligen ökonomischen Direktors Dr. V...., des ehemaligen stellvertretenden Hauptbuchhalters U.... und des ehemaligen Direktors für Arbeiterversorgung und Sozialökonomie T.... des ehemaligen VEB Gaskombinat Y.... vom 26. Januar 2009, als auch (den streitgegenständlichen Zeitraum ab Oktober 1980 betreffend) aus der gerichtsbekannten, schriftlichen Erklärung der Zeugen S.... (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats R....) und Dr. Q.... (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats R....) vom 11. und 26. April 2010 eindeutig, dass der konkrete Beschäftigungsbetrieb des Klägers (VEB Braunkohlenwerk X....) im konkreten streitgegenständlichen Beschäftigungszeitraum (1977 bis 1989) die gesetzlichen Maßgaben zur Gewährung von zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau strikt angewendet hat:

  • Die Betriebsverantwortlichen Dr. W...., Dr. V...., U.... und T.... des ehemaligen VEB Gaskombinat Y.... gaben an, dass im ehemaligen VEB Gaskombinat Y.... in allen Kombinatsbetrieben entsprechend dem RKV Kohle jährlich individuelle zusätzliche Belohnungen (das sog. Bergmannsgeld) gemäß der 5. Bergbau-VO an alle Mitarbeiter im Verantwortungsbereich des ehemaligen Gaskombinats gezahlt worden sind.
  • Die Betriebsverantwortlichen S.... und Dr. Q.... des ehemaligen VE Braunkohlenkombinats R.... gaben an, dass im ehemaligen VE Braunkohlenkombinat R.... in allen Kombinatsbetrieben, wobei der VEB Braunkohlenwerk X.... als solcher Kombinatsbetrieb explizit benannt wurde, entsprechend dem RKV Kohle jährlich zusätzliche Belohnungen für ununterbrochene Beschäftigung im Bergbau gemäß der 5. Bergbau-VO an alle Mitarbeiter im Verantwortungsbereich des ehemaligen Braunkohlenkombinats gezahlt worden sind. Sie führten weiterhin aus: Der Anspruch der Beschäftigten auf die Höhe der jährlichen Zahlung der zusätzlichen Belohnung entstand in Abhängigkeit von der ununterbrochenen Tätigkeit im Bergbau. Als Bruttoverdienst zählte stets der Verdienst des Vorjahres. Die Ermittlung des jeweiligen jährlichen Auszahlungsbetrages war relativ einfach. Vom Jahresbruttoverdienst des Beschäftigten war der Prozentteil, abgeleitet von der Beschäftigungszeit, zu ermitteln, der dann den Auszahlungsbetrag ergab. Unentschuldigte Fehlschichten, bei denen es sich um Disziplinarvergehen handelte, waren meldepflichtig, insbesondere, wenn diese von Hoch- und Fachschulkadern verfahren wurden. Aus dem betroffenen Personenkreis der Hoch- und Fachschulkader hatte keiner eine unentschuldigte Fehlschicht verfahren, ansonsten wäre dies als Nachweis einer oder mehrerer unentschuldigten Fehlschichten – infolge der außerordentlichen Gehaltsminderung – aus dem entsprechend vorgeschriebenen Eintrag im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung eindeutig ersichtlich gewesen.

 

In Anbetracht dieser eindeutigen, den konkreten Sachverhalt betreffenden Ausführungen der jeweiligen Betriebsverantwortlichen, liegen auch die weiteren (abstrakten) Einwendungen der Beklagten,

  • es gäbe keinen Rechtssatz, dass die erwiesene Pflicht eines Arbeitgebers zu einer Geldzahlung die tatsächliche Zahlung dieser Gelder glaubhaft werden lasse sowie
  • es gäbe auch keinen Grundsatz der "Beitrags- oder Zahlungstreue" von Arbeitgebern, selbst dann nicht, wenn Arbeitgeber eine Behörde sei,

neben der Sache, weil sie den konkreten Sachverhalt gerade nicht in den Blick nehmen, sondern außer Acht lassen.

 

d)

Soweit die Beklagte des Weiteren ausführte, sie bezweifele ferner grundsätzlich, dass für eine prozentuale Bestimmung der Höhe von "Bergmannsgeld" auf die bescheidmäßig festgestellten Arbeitsverdienste als Bezugsgröße zurückgegriffen werden könne, weil § 3 Abs. 14 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO zwar regele, was unter "Bruttoverdienst" zu verstehen sei, sich jedoch nicht mehr feststellen ließe, ob/inwieweit der Kläger in den Jahren 1977 bis 1989 Lohnausgleich für Unfalltage, Lohnausgleich für anerkannte Berufskrankheiten, Vergütung für Überstunden, Vergütung für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, Vergütung für Erschwernisse, Mehrleistungslohn/Zeitlohnprämien, Brigadierzuschläge, Vergütungen für Neuerervorschläge und Prämien nach der Prämienverordnung sowie Deputate erhalten habe, verkennt sie den Maßstab der Glaubhaftmachung, wie im vorliegenden Fall nach § 6 Abs. 6 AAÜG.

 

§ 3 Abs. 13 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO legte explizit fest, dass die ununterbrochene Beschäftigungszeit im Bergbau vom Tag der Arbeitsaufnahme an berechnet wurde. Entgegen der Behauptungen der Beklagten ist auch nicht unklar, welcher Entgeltzeitraum der Berechnung der zusätzlichen Belohnungen zu Grunde lag. Denn § 3 Abs. 14 Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO bestimmte ausdrücklich, dass der Bruttoverdienst des vorangegangenen Kalenderjahres zu Grunde zu legen ist, sodass Verdienstteilbeträge für verschiedene Kalenderjahre nicht zu ermitteln sind. Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen Regelung geht der Einwand der Beklagten, der prozentuale Maßstab des Durchschnittslohns sei nicht errechenbar, völlig an den zu Grunde zu legenden Realitäten vorbei. Berechnungsbasis der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau war nicht ein – wie auch immer zu bestimmender – Durchschnittslohn, sondern der kalenderjährliche Bruttoverdienst (§ 3 Abs. 3 und 14 Satz 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass die jeweiligen – insoweit maßgeblichen – konkreten Bruttoverdienste im Sinne des § 3 Abs. 14 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO nicht bekannt sind, weil zum Bruttoverdienst außer dem Tariflohn oder Grundgehalt auch bestimmte steuer- und sozialversicherungsfreie Lohnzuschläge (Lohnausgleich für Unfalltage und für anerkannte Berufskrankheiten, Vergütung für Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit und Erschwernisse, Mehrleistungslohn und Zeitlohnprämien, Brigadierzuschläge, Entgelt für Schwangeren- und Wöchnerinnenurlaub, 80 Prozent des Nettolohnes bei Reservistenausbildung) zählten. Dass diese Zuschläge allerdings nicht bekannt und nachträglich oftmals auch nicht mehr bestimmbar sind, spricht aber nicht dagegen, den, den Lohnbescheinigungen zu entnehmenden, bekannten Jahresbruttoverdienst als Mindestberechnungsbasis für die Glaubhaftmachung der Höhe der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau zu Grunde zu legen. Jeder Glaubhaftmachung mag ein gewisses Maß an Ungenauigkeit innewohnen. Dem trägt indessen die gesetzliche Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG hinreichend Rechnung, nach der glaubhaft gemachte Entgelte nur zu fünf Sechsteln zu berücksichtigen sind. Insbesondere auf diesem Wege werden etwaige Ungenauigkeiten pauschal ausgeglichen.

 

Soweit die Beklagte zudem auf die Nichtmehrfeststellbarkeit bzw. Nichtmehrbestimmbarkeit von Vergütungen für Neuerervorschläge und Prämien nach der Prämienverordnung sowie Deputate hinweist, führt dies von vornherein zu keiner anderen Bewertung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage. Denn gemäß § 3 Abs. 14 Satz 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO blieben Vergütungen für Neuerervorschläge und Prämien nach der Prämienverordnung sowie Deputate bei der Berechnung des Durchschnittsverdienstes, also des Bruttoverdienstes nach § 3 Abs. 14 Satz 1 und 2 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO, ohnehin außer Betracht.

 

Vor diesem Hintergrund hat das Sozialgericht Dresden im konkreten Sachverhalt zutreffend auf die Entgeltbescheinigung der LMBV vom 15. Mai 2001 abgestellt und die dort ausgewiesenen "Jahresbruttoverdienste" als Berechnungsbasis im Rahmen der Glaubhaftmachung nach § 6 Abs. 6 AAÜG zugrunde gelegt.

 

3.

Die zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren – entgegen der von der Beklagten in zahlreichen anderen Verfahren vorgetragenen Einwendungen – auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV. Ein bundesrepublikanischer Tatbestand des Steuerrechts, der die Steuerfreiheit der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau regeln würde, liegt nicht vor.

 

Der Steuerbefreiungstatbestand des § 3 Nr. 46 EStG, der am 1. August 1991 galt, greift im konkreten Fall nicht; und zwar weder direkt noch analog (vgl. dazu bereits insgesamt und ausführlich: Sächsisches LSG, Urteil vom 5. Juli 2016 - L 5 RS 166/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 87-92; Sächsisches LSG, Urteil vom 16. August 2016 - L 5 RS 85/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 50-55; Sächsisches LSG, Urteil vom 30. August 2016 - L 5 RS 590/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 49-54; Sächsisches LSG, Urteil vom 14. Februar 2017 - L 5 RS 230/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 57-62; Sächsisches LSG, Urteil vom 28. März 2017 - L 5 RS 216/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 68-73; Sächsisches LSG, Urteil vom 16. Januar 2018 – L 5 RS 400/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 55-60; Sächsisches LSG, Urteil vom 24. April 2018 - L 5 RS 895/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 147-152; Sächsisches LSG, Urteil vom 12. März 2019 - L 5 R 98/18 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 130-135; Sächsisches LSG, Urteil vom 9. Juli 2020 - L 7 R 558/19 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 95-100; Sächsisches LSG, Urteil vom 26. Januar 2023 - L 7 R 264/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 138-143; Sächsisches LSG, Urteil vom 9. März 2023 - L 7 R 498/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 149-154; Sächsisches LSG, Urteil vom 6. April 2023 - L 7 R 486/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 164-169; Sächsisches LSG, Urteil vom 6. April 2023 - L 7 R 527/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 140-145; Sächsisches LSG, Urteil vom 22. Mai 2023 - L 7 R 499/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 167-172; Sächsisches LSG, Urteil vom 22. Mai 2023 - L 7 R 509/22 ZV - JURIS-Dokument, RdNr. 159-164).

 

Nach § 3 Nr. 46 EStG waren steuerfrei, Bergmannsprämien nach dem (bundesrepublikanischen) Gesetz über Bergmannsprämien. Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Bergmannsprämien (BergPG) vom 20. Dezember 1956 (BGBl. I S. 927) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Mai 1969 (BGBl. I S. 434), geändert durch Art. 82 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) vom 14. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3341) und zuletzt – auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt 1. August 1991 bezogen – geändert durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Bergmannsprämien (BergPG-ÄndG) vom 7. Mai 1980 (BGBl. I S. 532), erhielten Arbeitnehmer, die unter Tage beschäftigt waren, Bergmannsprämien nach den Vorschriften des BergPG. Die Bergmannsprämie betrug ab Mai 1980 zehn DM (Art. 1 Nr. 1 BergPG-ÄndG), wurde für jede unter Tage verfahrene volle Schicht gewährt (§ 2 BergPG), galt weder als steuerpflichtige Einnahme im Sinne des EStG noch als Einkommen, Verdienst oder Entgelt im Sinne der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe und galt arbeitsrechtlich nicht als Bestandteil des Lohns oder Gehalts (§ 4 BergPG). Bereits daraus wird deutlich, dass es sich bei den Bergmannsprämien um eine öffentlich-rechtliche Leistung des Staates und nicht um einen Bestandteil des Arbeitsentgelts handelte. Zwar wurden die Bergmannsprämien vom Arbeitgeber ausgezahlt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BergPG). Der Arbeitgeber haftete jedoch (gegenüber dem Finanzamt) für zu Unrecht gezahlte Bergmannsprämien (§ 3 Abs. 3 Satz 1 BergPG; § 3 Abs. 2 Satz 1 BergPG in der Fassung von Art. 82 Nr. 1 EGAO 1977). Das Finanzamt prüfte nämlich die Voraussetzungen für die Gewährung der Bergmannsprämien; dabei fanden die Vorschriften der Reichsabgabenordnung entsprechende Anwendung (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BergPG) bzw. waren auf die Bergmannsprämie die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden (§ 5a Abs. 1 Satz 1 BergPG in der Fassung des Art. 82 Nr. 2 EGAO 1977). Der Arbeitnehmer konnte beantragen, dass das Finanzamt, an das der Arbeitgeber die Lohnsteuer abzuführen hatte, die Bergmannsprämie durch einen schriftlichen Bescheid feststellte (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BergPG; § 3 Abs. 1 Satz 5 BergPG in der Fassung des Art. 82 Nr. 1 Buchstabe a) EGAO 1977). In öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die auf Grund des BergPG ergehenden Verwaltungsakte der Finanzbehörden war der Finanzrechtsweg gegeben (§ 3 Abs. 4 Satz 1 BergPG; § 3 Abs. 3 BergPG in der Fassung des Art. 82 Nr. 1 Buchstabe d) EGAO 1977).

 

Die (bundesrepublikanische) Bergmannsprämie war deshalb eine (steuerrechtliche) Subvention, die als Anspruch dem Arbeitnehmer gegenüber der Finanzverwaltung zustand (so zu Recht: LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 60 unter Bezugnahme auf: Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 17. Juni 2010 - VI R 18/08 - JURIS-Dokument, RdNr. 17 und BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 - 8 RKn 21/95 - JURIS-Dokument, RdNr. 17). Dies ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des BergPG und den Motiven des historischen Gesetzgebers. Die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über Bergmannsprämien zeigt, dass Anlass für das Handeln des Gesetzgebers die besorgniserregende Abwanderung von Bergleuten aus der Untertagearbeit, der unzureichende Nachwuchs und eine starke Fluktuation innerhalb der bergmännischen Belegschaft waren, was daraus erklärt wurde, dass das angestammte ausgeprägte Berufsgefühl der Bergleute dem Anreiz, den andere Berufe mit leichterer Arbeit und hoher Entlohnung boten, nicht standzuhalten vermochte (BT-Drs. II/2351, S. 4). Dieser auch aus energiepolitischen Gründen unerwünschten Erscheinung dadurch abzuhelfen, dass der Zugang zum Bergmannsberuf – insbesondere der Untertagearbeit – begehrenswerter gemacht wurde, war Ziel des Gesetzes über Bergmannsprämien (BT-Drs. II/2351, S. 4). Dem Gesetz wohnte eine energie- und eine arbeitsmarktpolitische Tendenz inne. Sein Ziel war nicht die Gewährung einer allgemeinen Erschwerniszulage als Ausgleich für die psychische und physische Belastung der Untertagearbeit. Das BergPG knüpfte zwar – wie sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs ergibt – die Gewährung einer Prämie an die Erschwernisse der Untertagearbeit. Die Anknüpfung an diese Erschwernisse war jedoch erforderlich, weil sie als ursächlich für die unerwünschte Abwanderung angesehen wurde. Anlass und Zweck einer gesetzlichen Förderungsmaßnahme einerseits und ihr Anknüpfungspunkt andererseits sind jedoch nicht gleichzusetzen (BFH, Urteil vom 15. Mai 1981 - VI R 23/77 - JURIS-Dokument, RdNr. 16 und 17). Die Bergmannsprämien sollten in Anerkennung der besonderen Leistungen gewährt werden, die der unter Tage tätige Bergmann für die Allgemeinheit erbrachte und insbesondere die Steuerlast erleichtern, die er zu tragen hatte (BT-Drs. II/2351, S. 4). Der steuerrechtliche Subventionscharakter der Bergmannsprämien wurde rechtstechnisch dadurch hergestellt, dass der Arbeitgeber lediglich als Zahlstelle einer vom Staat im öffentlichen Interesse eingeräumten Steuerminderung fungierte. Denn der Arbeitgeber, der die Bergmannsprämie an den einzelnen Arbeitnehmer zahlte, entnahm den Gesamtbetrag der ausgezahlten Bergmannsprämien dem Betrag, den er für seine Arbeitnehmer insgesamt an Lohnsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen hatte (bzw. erhielt ihn, in den Ausnahmefällen, in denen in einem Betrieb ausnahmsweise die insgesamt einbehaltene Lohnsteuer zur Deckung der Bergmannsprämien nicht ausreichte, vom Finanzamt aus den Einnahmen aus Lohnsteuer erstattet). Mit dem Einbehalt wurde nämlich erreicht, dass sich bei dem für die Abführung der Lohnsteuer zuständigen Finanzamt die Einnahmen an Lohnsteuer um den vom Arbeitgeber für Bergmannsprämien entnommenen Betrag vermindern und dass die Kosten der Bergmannsprämien von Bund und Ländern entsprechend ihrer Beteiligung an den Einnahmen an Lohnsteuern getragen wurden. Die Kosten der Bergmannsprämien wurden daher in voller Höhe von Bund und Ländern, also der öffentlichen Hand, gemeinsam getragen (BT-Drs. II/2351, S. 5).

 

Eine direkte Anwendung des § 3 Nr. 46 EStG auf die zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau scheidet nach alledem bereits deshalb aus, weil es sich bei den zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau nicht um Bergmannsprämien nach dem bundesrepublikanischen Bergmannsprämiengesetz handelte. Als steuerrechtliche Subvention unterscheidet sich die Bergmannsprämie nach dem zuvor Ausgeführten auch deutlich von der zusätzlichen Belohnung für Werktätige im Bergbau, die vom Arbeitgeber als Bestandteil des Arbeitsverdienstes für ununterbrochene langjährige Beschäftigungsdauer in Bergbaubetrieben dem Arbeitnehmer zu zahlen war. Mangels Vergleichbarkeit der zusätzlichen Belohnung für Werktätige im Bergbau mit der Bergmannsprämie in Folge der grundsätzlich anderen Art der Einnahme scheidet auch die entsprechende Anwendung des § 3 Nr. 46 EStG auf die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau aus (zutreffend so bereits: LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 62). Die anderslautende, vom LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 27. August 2015 - L 1 RS 23/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 20-22; Urteil vom 29. Juni 2016 - L 3 RS 12/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 18-25; Urteil vom 27. Oktober 2016 - L 3 RS 29/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 54-58; Urteil vom 15. März 2017 - L 3 RS 27/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 17-23; Urteil vom 26. April 2017 - L 3 RS 13/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 23; Urteil vom 17. Juli 2017 - L 3 RS 8/16 - JURIS-Dokument, RdNr. 23-27) vertretene Sichtweise, wonach auf die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau § 3 Nr. 46 EStG entsprechend anzuwenden sei, vermag nicht zu überzeugen. Soweit zur Begründung ausgeführt wird, die Zielstellung der Bergmannsprämien sowohl in der alten Bundesrepublik wie auch in der ehemaligen DDR, nämlich die Kohleindustrie als Motor für einen Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg zu fördern, seien im Wesentlichen gleich gewesen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. August 2015 - L 1 RS 23/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 20), wird verkannt, dass eine übergeordnete Zielstellung weder allein noch ausschließlich die Frage der Vergleichbarkeit zweier völlig unterschiedlich sozialpolitisch und rechtstechnisch ausgestalteter Leistungen determinieren kann. Soweit zur Begründung darüber hinaus auf eine weitgehende Identität der beiden Leistungen abgestellt wird, die aus vergleichbaren äußeren Umständen und einer ähnlichen Konzeption zur Arbeitsmoral abgeleitet werden (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. August 2015 - L 1 RS 23/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 21 und 22), ist dem deutlich entgegenzuhalten, dass eine solchermaßen behauptete "weitgehende Identität" gerade nicht besteht. Der entscheidende Unterschied, der darin besteht, dass einerseits die Bergmannsprämie eine staatliche (steuerrechtliche) Subvention darstellte und andererseits die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau ein Bestandteil des Arbeitsverdienstes war, wird dabei völlig unberücksichtigt gelassen (zutreffend insoweit bereits: LSG Berlin/Brandenburg, Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 66). Auch die äußeren Umstände der Prämiengewährung sind nicht im Ansatz vergleichbar: Während Bergmannsprämien nur für unter Tage beschäftigte Arbeitnehmer des Bergbaus gezahlt wurden (§ 1 Abs. 1 BergPG), partizipierten von den zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau sämtliche in Bergbaubetrieben Beschäftigten (§ 3 Abs. 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Während anspruchsbegründender Anknüpfungspunkt der zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau die ununterbrochene Beschäftigung in einem Bergbaubetrieb war (§ 3 Abs. 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO), wurden die Bergmannsprämien für jede einzelne unter Tage verfahrene volle Schicht gewährt (§ 2 BergPG). Während die Bergmannsprämien wegen ihres steuerrechtlichen Subventionscharakters nicht übertragbar, also weder verpfändbar noch abtretbar, waren (§ 5 BergPG), konnte über zusätzliche Belohnungen für Werktätige im Bergbau als Arbeitsentgelt jede Art von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften geschlossen werden (§§ 436, 449 des Zivilgesetzbuches der DDR).

 

Soweit die Beklagte schließlich meint, nach den Vorschriften des § 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 5 der 5. Bergbau-VO habe die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau nicht zum Arbeitsverdienst gezählt, da sie, wie die westdeutsche Bergmannsprämie, aus öffentlichen Mitteln finanziert worden sei, "Schirmgeber" die Regierung der DDR gewesen sei und daher die Regelungskompetenz für und Hoheit über die zusätzliche Belohnung im Bergbau nie bei den volkseigenen Bergbaubetrieben oder in den Händen der Kollektivvertragsparteien, sondern immer bei der Regierung der DDR gelegen habe, trifft dieser Einwand nicht zu. Um Arbeitsentgelt handelte es sich bei den zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau bereits deshalb, weil sie eine Gegenleistung des Bergbaubetriebes für die vom Werktätigen erbrachte Arbeitsleistung in Form der erbrachten "ununterbrochenen Beschäftigung" (§ 3 Abs. 1 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO), damit also in Form von erbrachter Berufstreue und Pflichterfüllung, darstellte, die bei der "Auszahlung der zusätzlichen Belohnung" mit einem dem Beschäftigten auszuhändigenden "Anerkennungsschreiben" honoriert wurde (§ 3 Abs. 18 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO). Ausweislich von Absatz 3 der Präambel der Bergbau-VO war es auch deren Ziel zur "Verbesserung der Entlohnung … für die im Bergbau Beschäftigten" beizutragen, weshalb der Arbeitsentgeltcharakter nicht in Zweifel steht. Zwar war die Gewährung der zusätzlichen Belohnung für Werktätige im Bergbau staatlich vorgegeben, es handelte sich aber deshalb nicht um eine – der bundesrepublikanischen Bergmannsprämie vergleichbare – staatliche Subventionierung, weil die zur Zahlung erforderlichen Mittel nicht aus dem Staatshaushalt, sondern aus den Prämien- bzw. Lohnfonds der Bergbaubetriebe aufzubringen waren. Dies ergibt sich deutlich aus § 3 Abs. 6 der Bergbau-VO, wonach die Bezahlung der zusätzlichen Belohnung aus einem in den Finanzplänen der Vereinigungen des Bergbaus einzusetzenden gesonderten Fonds, über den jährlich abzurechnen war, erfolgte. Ebenso bestimmte § 3 Abs. 10 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der "Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau" (2. Bergbau-VO) vom 25. Juni 1953 (DDR-GBl. 1953, Nr. 81, S. 825), dass die Bezahlung der zusätzlichen Belohnung aus einem in den Finanzplänen der Werke einzusetzenden gesonderten Fonds, über den jährlich abgerechnet werden musste, erfolgte. Entgegen der Ansicht der Beklagten war auch nicht die Regierung der DDR der einzige oder ausschließliche "Schirmgeber" der zusätzlichen Belohnung, denn die Kollektivvertragsparteien hatten die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau bereits mit dem RKV Kohle vollständig in das Entlohnungssystem inkorporiert: § 3 der Bergbau-VO in der Fassung der 5. Bergbau-VO war normtextidentisch als Anlage 3 Bestandteil des RKV Kohle vom 1./27. Februar 1967 in der Fassung des 1. bis 7. Nachtrages. Darüber hinaus wurden die Regelungen des § 3 der Bergbau-VO in der Fassung von § 1 der 5. Bergbau-VO mit der "Vereinbarung zur einheitlichen Anwendung der zusätzlichen Belohnung im Bergbau" vom 25. März 1974 (registriert im Bundesarchiv unter der Signatur: D934 / DGB 16039) sowie der als Anlage 9 des ab 1. Januar 1979 geltenden RKV Kohle vereinbarten „Einheitliche[n] Anwendung der Rechtsvorschriften über zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau“ (registriert beim Staatssekretariat für Arbeit und Löhne unter Nr. 103/78) fortgeführt. Die Vorschriften galten unverändert auch im Jahr 1990 weiter, wie sich aus § 15 des "Manteltarifvertrages (MTV/BG) Kohle – Gas für die Arbeitnehmer des Tarifbereichs Braunkohlen- und Gasindustrie" vom 31. Mai 1990 ergibt, der vollständig auf die 5. Bergbau-VO verweist. Vor diesem Hintergrund vermag der Einwand der Beklagten, die Regelungskompetenz für und die Hoheit über die zusätzliche Belohnung für Werktätige im Bergbau habe zu keinem Zeitpunkt bei den volkseigenen Bergbaubetrieben oder in den Händen der Kollektivvertragsparteien gelegen, nicht zu überzeugen.

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt Anlass, Verlauf und Ergebnis des Rechtsstreits.

 

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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