Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Juni 2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenrente wegen eines anerkannten Arbeitsunfalls.
Er ist 1984 geboren und wohnt im Inland. Er war bzw. ist als Eishockeyspieler beschäftigt und in dieser Eigenschaft bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert.
Am 5. Dezember 2008 wurde er während seiner Berufstätigkeit an der linken Schulter gerammt. Im Durchgangsarztbericht vom selben Tage wurde eine Sprengung des AC-Gelenks (Schultereckgelenk) im Stadium Rockwood IV diagnostiziert. Eine Kernspintomographie (CT) am 8. Dezember 2008 zeigte eine komplette Ruptur des Ligamentum acromioclaviculare superior inferior und eine hämatome Schädigung des Ligamentum coracoacromiale. Ferner bestanden ein konsekutiver Humeruskopfhochstand mit absoluter Enge des Subacromialraums (5 bis 6 mm). Eine Rotatorenmanschettenruptur wurde ausgeschlossen, insbesondere inserierten die lnfraspinatus- (IFS) und die Supraspinatussehne (SSP) regelrecht. Bei dem Aufenthalt in der I1-Klinik in M2 vom 10. bis zum 14. Dezember 2008 wurde der Kläger durch Bandplastik operativ versorgt. Danach war er ohne aktenkundige Einschränkungen wieder als Eishockeyspieler berufstätig.
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2019 beantragte der Kläger die Gewährung einer Verletztenrente. Es bestehe ein Druckschmerz im Bereich des AC-Gelenks. Ein Impingement-Test nach Neer am 29. April 2019 sei im Seitenvergleich positiv ausgefallen. Bei 90-Grad-Abduktionsstellung sei die Außenrotation eingeschränkt. Vorgelegt wurden Befundberichte von M1 vom 25. April 2019 und von V1 vom 20. Oktober 2019.
Im Auftrag der Beklagten erstattete R1 das Gutachten vom 17. März 2020. Bei dem Kläger bestehe eine Fehlhaltung mit Hochstand der linken Schulter. Die Armhebungen seien seit- und rückwärts aktiv bis 120° möglich (Messblatt), allerdings beständen ab 90° vor- und 95° seitwärts schmerzhafte Einschränkungen. Die Innen- und Außenrotation sei nicht eingeschränkt (Oberarm angelegt 40/0/80°, abgespreizt 30/0/40°). Es lägen keine Instabilität und keine Hyperlaxizitätszeichen vor. Es gebe Hinweis auf ein subacromiales Impingement. Unfallfolge sei die schmerzhafte Bewegungseinschränkung. Die MdE liege ab dem 16. März 2010 bei 10 vH.
Mit Bescheid vom 31. März 2020 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 5. Dezember 2008 als Arbeitsunfall an, lehnte aber die Gewährung einer Rente ab. Entgegen der Einschätzung R2 liege nicht einmal eine MdE um 10 vH vor. Die von R1 erhobenen Befunde widersprächen den Befunden von M1 vom 25. April 2019. Dort seien die Schultern seitengleich vollständig beweglich gewesen, es habe keine Kraftminderung bei der Abduktion und Anteversion vorgelegen, Nacken- und Schürzengriff seien vollständig durchgeführt worden. Hinweise für eine Verschlimmerung bis zu der Untersuchung bei R1 lägen nicht vor, da in der Zwischenzeit keine ärztliche Behandlung stattgefunden habe. Generell sei eine Verschlimmerung unwahrscheinlich, da der Unfall bereits über zwölf Jahre her sei.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2020 zurück. Sie führte ergänzend aus, selbst eine MdE von 10 vH bedinge hier keinen Rentenanspruch, da eine weitere sozialrechtlich bedeutsame MdE („Stütz-MdE“) nicht vorliege.
Am 23. September 2020 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben. Nach mehreren Fristsetzungen und der Ankündigung eines Gerichtsbescheids hat er am 15. April 2021 die Anerkennung weiterer Unfallfolgen beantragt und zur Begründung unter anderem ausgeführt, R2 klinische Befunde seien nicht mit seinen Messergebnissen vereinbar. Möglicherweise habe er bei seiner MdE-Einschätzung die passiven Bewegungsmaße berücksichtigt, maßgeblich seien aber die aktiven.
Während des Klageverfahrens, am 28. März 2021, erlitt der Kläger während der Arbeit erneut einen Schlag auf die linke Schulter. Der Unfallchirurg G1 diagnostizierte in seinem Bericht vom 13. April 2021 eine Schultereckgelenksprengung links nach Rockwood I. Die Beschwerden beschrieb der Arzt nahezu wortgleich wie R1 in seinem Gutachten vom 17. März 2020. Eine CT der linken Schulter bei S1 am 1. April 2021 ergab eine Tendinopathie und eine gelenkseitige, sich nach intratendinös fortsetzende Partialruptur (Ausdünnung) der SSP ohne Retraktion, eine fissurale Rissbildung im apikalen Drittel der SSC-Sehne (Subscapularissehne) und Suszeptibilitätsartefakte im Verlauf der coracoclaviculären Bänder.
Mit Bescheid vom 8. September 2021 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 28. März 2021 als
Arbeitsunfall an. Ansprüche auf Heilbehandlung über den 1. April 2021 hinaus sowie auf Verletztengeld beständen nicht. Unfallfolge sei eine folgenlos verheilte Prellung der linken Schulter. Die CT-Untersuchung am 1. April 2021 zeige degenerative Veränderungen sowie Verschleißerscheinungen in der linken Schulter. Die Verletzungen sprächen für vorbestehende Texturstörungen an der Rotatorenmanschette als Ausdruck einer repetitiven Schädigung im Sinne eines Überlastungsschadens. Hiergegen legte der Kläger am 19. September 2021 Widerspruch ein.
Von Amts wegen hat das SG bei C1 das Gutachten vom 22. November 2021 erhoben. Der Sachverständige hat ausgeführt, auf den Arbeitsunfall vom 5. Dezember 2008 zurückzuführen seien die Narben, eine massive Deformierung des Schultereckgelenkes sowie die Verknöcherungen im Verlauf der ehemaligen Bandplastik zwischen Schlüsselbein und Rabenfortsatz. Die hierfür angemessene MdE sei auf unter 10 vH zu schätzen. Zwar beständen eine Bewegungseinschränkung und eine Belastungsminderung der linken Schulter (Abduktion/Adduktion links 90/0/30° gegenüber rechts 100/0/40°, Vor-/Rückhebung 80/0/60° gegenüber rechts 100/0/60°, dagegen bei den Rotationen links bessere Werte als rechts, vgl. S. 4 GA). Diese Einschränkungen seien jedoch das Resultat degenerativer Veränderungen auf Grundlage einer anlagebedingten Deformierung des äußeren Schulterblattes. Es handle sich um ein hakenförmiges, herabhängendes äußeres knöchernes Schulterdach (Acromion), das nach der Einteilung nach Bigliani als Typ 3 zu bezeichnen sei. Bei leichtem Hochstand des Oberarmkopfes werde die acromiohumerale Distanz mit 8 mm angegeben (an der rechten Schulter ohne Hochstand 10 mm). Diese anlagebedingte Veränderung links habe ohne vernünftigen Zweifel schon bei dem Unfall 2008 vorgelegen. Sie führe zu einer Einengung des Sehnengleitraums und werde als disponierend für ein Outlet-Impingement, also für eine degenerative Schädigung der hier verlaufenden Sehnen, angesehen. Die daraus folgenden Verschleißerscheinungen seien kernspintomographisch am 1. April 2021 in Form von Signalanhebungen und Ausdünnungen beschrieben worden. Zu dem weiteren Unfall vom 28. März 2021 hat C1 ausgeführt, er habe nicht zu einem strukturellen, morphologisch fassbaren Schaden der linken Schulter geführt. Die CT-Untersuchung vom 1. April 2021 zeige keine unfallbedingten Befunde, sondern ausschließlich unfallunabhängige, vorbestehende degenerative Veränderungen.
Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Auch wenn der Kläger insoweit keinen konkreten Antrag gestellt habe, sei davon auszugehen, dass er Verletztenrente begehre. Der Unfall vom 5. Dezember 2008 habe jedoch keine MdE von wenigstens 10 vH hinterlassen, sodass kein Rentenanspruch bestehe, unabhängig davon, welche Folgen der - nicht streitgegenständliche - weitere Unfall vom 28. März 2021 gehabt habe.
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. Juli 2022 Berufung erhoben. Nach mehrfachen Fristsetzungen und Anberaumung eines Erörterungstermins hat er mit Schriftsatz vom 3. November 2021 ausgeführt, er sei seit 2009 regelmäßig in physiotherapeutischer Behandlung wegen Beschwerden der linken Schulter gewesen. Die Einschränkungen auf Grund der Unfallfolgen, insbesondere in der Beweglichkeit, bedingten eine rentenberechtigende MdE. Dies habe auch der Verwaltungsgutachter R1 so gesehen.
Gemäß dem genannten Schriftsatz beantragt der Kläger, z.T. sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Juni 2022 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 31. März 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2020 zu verpflichten, „weitere verbliebene Unfallfolgen des Arbeitsunfalls vom 5. Dezember 2008 (rechte Schulter [gemeint: linke Schulter]), insbesondere eine beginnende AC-Gelenkarthrose bei Zustand nach AC-Gelenksprengung Rockwood IV 12/2008, eine Fehlhaltung mit Hochstand der linken Schulter und ein subacromiales Impingement (Painful-Arc-Test pos.)“ anzuerkennen, und zu verurteilen, ihm insoweit eine Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In dem Erörterungstermin hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass die der zur Anerkennung gestellten Unfallfolgen recht unbestimmt formuliert seien und dass die Darlegungs- und Beweislast für andere Versicherungsfälle (oder Schädigungen nach dem Versorgungsrecht), die als Stütztatbestände dienen sollten, beim Kläger liege. Im Nachgang hierzu hat die Beklagte auf Nachfrage des Klägers mitgeteilt, ihr seien keine weiteren Versicherungsfälle bekannt. Weitere Ausführungen von Klägerseite sind nicht erfolgt, auch nicht auf die weiteren Hinweise des Senats vom 12. Dezember 2022 hin. Die letzte Frist für einen Antrag auf ein Wahlgutachten ist am 23. Januar 2023 verstrichen. Mit Beschluss vom 14. Februar 2023 hat der Senat die Entscheidung über die Berufung dem Berichterstatter und den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Die Beteiligten sind am 8. März 2023 zur mündlichen Verhandlung auf den 24. April 2023, 9.15 Uhr, geladen worden. Am Morgen des Sitzungstags hat die Klägervertreterin Verlegung beantragt. Sie sei erkrankt. Sie hat eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne Ausführungen zur Art der Erkrankung vorgelegt, die am 14. April 2023 ausgestellt worden war und bis zum 30. April 2023 gilt. Eine Vertretung durch einen der anderen Anwälte in ihrer Kanzlei sei nicht möglich: Ein Kollege befinde sich am 24. April auf einer Fortbildungsveranstaltung, die beiden Kolleginnen verfügten über keine ausreichenden Fachkenntnisse im Sozialrecht. Der Berichterstatter hat vor Sitzungsbeginn telefonisch der Kanzlei unter anderem mitgeteilt, dass die Begründung des Verlegungsantrags nicht ausreichend erscheine. Auf den Aktenvermerk vom 24. April 2023 wird verwiesen. In der mündlichen Verhandlung hat der Senat den Verlegungsantrag durch verkündeten Beschluss abgelehnt und zur Sache verhandelt. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2023 durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter über die Berufung des Klägers entscheiden.
Die Zuständigkeit für diese Entscheidung folgt aus dem gemäß § 153 Abs. 5 SGG ergangenen Beschluss des Senats vom 14. Februar 2023.
Den Verlegungsantrag der Klägervertreterin vom Morgen des Sitzungstags, der so kurzfristig gestellt war, dass er einem Vertagungsantrag (vgl. § 220 Abs. 1 ZPO) nahekam, konnte der Senat in der mündlichen Verhandlung ablehnen (§ 202 SGG i.V.m. § 227 Abs. 1, 2 ZPO).
Wird eine Verlegung äußerst kurzfristig vor der anberaumten Verhandlung beantragt - hier sogar erst am Terminstag selbst - und mit einer Erkrankung begründet, so muss dieser Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert werden, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- und/oder Reiseunfähigkeit besteht (BSG, Beschluss vom 7. November 2017 - B 13 R 153/17 B - Juris Rn. 9). Dies erfordert grundsätzlich die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, aus der das Gericht Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung entnehmen kann (BSG, Beschluss vom 13. Oktober 2010 - B 6 KA 2/10 B - Juris Rn. 12). Dies gilt auch dann, wenn eine Erkrankung des Prozessbevollmächtigten in Rede steht (BSG, Beschluss vom 16. April 2018 - B 9 V 66/17 B -, Juris Rn. 5). Dieser Darlegungsobliegenheit ist die Klägervertreterin in ihrem Antrag vom 24. April 2023 nicht nachgekommen. Die vorgelegte AU-Bescheidung ergab nicht hinreichend deutlich, aus welchen medizinischen Gründen im Einzelnen Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit bestehen und auch die Teilnahme nach § 110a Abs. 1 SGG ausgeschlossen sein sollte.
Ferner war der Verlegungsantrag deshalb abzulehnen, weil die Ausführungen der Klägervertreterin, warum keine Vertretung durch eines der anderen drei Kanzleimitglieder nicht möglich sei, nicht ausreichten bzw. nicht ausreichend glaubhaft gemacht waren. Bei einer länger andauernden Erkrankung obliegt es einem anwaltlichen Vertreter, Vorsorge für einen anstehenden Termin zu treffen (Feskorn in: Zöller, ZPO, § 227 Terminsänderung, Rn. 6a). Dazu gehört auch, andere Kanzleimitglieder in Stand zu setzen, die Vertretung wahrnehmen zu können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2001 - 8 B 69/01 -, Rn. 5, juris). Dies gilt auch hier. Die primär beauftragte Klägervertreterin war seit dem 14. April 2023 erkrankt. Ihre AU-Bescheinigung war auf den 30. April befristet. Sie wusste daher seit Beginn ihrer Erkrankung, dass sie den Termin womöglich nicht wahrnehmen konnte. Diese zehn Tage hätten ausgereicht, eines der anderen Kanzleimitglieder zu instruieren. Immerhin war am Morgen des Terminstags mindestens eine anwaltliche Kollegin der Klägervertreterin in der Kanzlei erreichbar, die Verhandlung hätte wahrnehmen können, ggfs. kurzfristig im Wege des § 110a Abs. 1 SGG.
Unabhängig davon, ob bei so kurzfristig gestellten Anträgen ein Gericht verpflichtet ist, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben und ihn ggfs. zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern (BSG, Beschluss vom 7. November 2017, a.a.O., Juris Rn. 9), ist hier eine solche Information eine halbe Stunde vor Sitzungsbeginn telefonisch erteilt worden, eine Reaktion hierauf ist jedoch bis zum Schluss der Verhandlung nicht erfolgt.
In der Sache war die Berufung des Klägers statthaft und zulässig (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 SGG, § 151 SGG), aber nicht begründet.
Allerdings geht der Senat - ebenso wie schon das SG - davon aus, dass die Klage zulässig ist. Den Antrag auf Gewährung einer Verletztenrente hat er im Berufungsverfahren nunmehr ausdrücklich gestellt, während ihn das SG in erster Instanz aus dem mutmaßlichen Willen ableiten musste. Dagegen wäre der Antrag auf Anerkennung „weiterer Unfallfolgen“, wie er nunmehr im Berufungsverfahren formuliert wurde, mangels Bestimmtheit unzulässig. Hierauf hatte der Senat in dem Erörterungstermin am 3. November 2022 hingewiesen. Ausgehend von den Gesundheitsstörungen, die der Kläger in erster Instanz erwähnt hatte, konnte auch dieser Antrag aber so ausgelegt werden, dass er zulässig ist.
Die Klage ist aber unbegründet. Beide Ansprüche des Klägers bestehen nicht.
Die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Versicherungsfalls, hier eines Arbeitsunfalls nach § 8 Abs. 1 SGB VII, setzt voraus, dass der Arbeitsunfall mit Wahrscheinlichkeit eine Ursache der Störung war und außerdem - sofern bei der Entstehung des Schadens weitere Ursachen mitgewirkt haben - der Arbeitsunfall den wesentlichen Ursachenbeitrag geleistet hat. Davon ist auszugehen, wenn der Unfall neben anderen Bedingungen bei wertender Betrachtung diejenige Bedingung ist, die wegen ihrer besonderen qualitativen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen hat (Theorie der wesentlichen Bedingung, vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 -, BSGE 63, 277, Juris). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. neben dem Arbeitsunfall auch die Gesundheitsstörung mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (Vollbeweis). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität) sowie Folgeschäden (haftungsausfüllende Kausalität) reicht demgegenüber hinreichende Wahrscheinlichkeit aus, wenn also Abwägung aller Umstände (Inidzien) die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 16. Februar 1971 - 1 RA 113/70 -, BSGE 32, 203, Juris).
Vor diesem Hintergrund hat der Arbeitsunfall des Klägers vom 5. Dezember 2008 - der andere Arbeitsunfall vom 28. März 2021 ist nicht Gegenstand des Verfahrens - die geltend gemachten Gesundheitsstörungen (beginnende AC-Gelenkarthrose bei Zustand nach AC-Gelenksprengung Rockwood IV, Fehlhaltung mit Hochstand der linken Schulter, subacromiales Impingement) nicht verursacht.
Bei dieser Entscheidung stützt sich der Senat vor allem auf das gerichtliche Sachverständigengutachten von C1 vom 22. November 2021. Der Sachverständige hat bekundet, Folgen des Arbeitsunfalls seien - nur - die Narben, ein ach bestehen aufgrund des anerkannten Arbeitsunfalls am 5. Dezember 2008 folgende Gesundheitsbeeinträchtigungen: Narben, ein Hochstand des äußeren Schlüsselbeinendes (nicht „der Schulter“), eine massive Deformierung des Schultereckgelenkes sowie die Verknöcherungen im Verlauf der ehemaligen Bandplastik zwischen Schlüsselbein und Rabenfortsatz. Die übrigen Gesundheitsschäden bzw. allgemein Abweichungen vom körperlichen Normalzustand, die bei dem Kläger vorliegen, sind dagegen anlagebedingt bzw. - zum Teil in Folge der anlagebedingten Deformität - degenerativ entstanden. Die verstärkte Enge zwischen Oberarmkopf und Schulterdach (links 8 mm), die ihrerseits die wesentliche Ursache des - vom Kläger geltend gemachten - „subacromialen Impingements“ ist, beruht auf dem herabhängenden äußeren knöchernen Schulterdach, das nach der Einteilung nach Bigliani als Typ 3 einzustufen ist. Dass eine solche Enge - die mit einem Abstand von 10 mm ansatzweise auch auf in der rechten, nicht unfallverletzten Schulter des Klägers vorliegt - das Durchscheuern der Sehnen der Rotatorenmanschette fördert, wie C1 ausgeführt hat, ist unmittelbar nachvollziehbar. Nicht etwa kann davon ausgegangen werden, dass die Schädigung der Sehnen, die bei dem CT am 1. April 2021 festgestellt worden ist, unmittelbar oder mittelbar auf den Unfall vom 5. Dezember 2008 zurückgeführt werden kann. Bei der damaligen CT-Untersuchung vom 8. Dezember 2008 waren die Sehnen allesamt intakt, die Rotatorenmanschette war unverletzt geblieben. Auch die Arthrose im AC-Gelenk, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hat, kann nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Unfall als wesentliche Ursache zurückgeführt werden. Zwar war das AC-Gelenk verletzt worden und posttraumatische Arthrosen sind denkbar. Hier jedoch lag zwischen Unfall und Auftreten der Arthrose ein zu langer zeitlicher Abstand von mehr als zehn Jahren vor. Insofern kann der Senat auch in diesem Punkt der sachverständigen Einschätzung folgen, dass die arthrotischen Veränderungen ebenfalls degenerativer Natur sind.
Nach C1 Ausführungen eher denkbar ist, dass - möglicherweise zusätzlich zu den anlagebedingten und schicksalhaften degenerativen Veränderungen - die laufende berufliche Belastung mit regelmäßigen „Checks“ und damit einhergehenden Mikroverletzungen zum Fortschreiten der Schäden beigetragen hat. Eine solche Mitverursachung kann aber nicht einem einzelnen Arbeitsunfall angeschuldigt werden. Der Senat hatte in diesem Zusammenhang am 12. Dezember 2022 at, entspricht dies der Lebenserfahrung, ist aber auch nicht entscheidungserheblich (kontinuierliche Überbelastungen gehören in das Recht der Berufskrankheiten, vgl. die neue Wie-BK „Läsion der Rotatorenmanschette der Schulter durch eine langjährige und intensive Belastung (…)“ hingewiesen (Bek. d. BMAS v. 1. Dezember 2021, GMBl. 2021, Ausgabe 64-65, S. 1411).
C1 Einschätzung wird im Übrigen gestützt durch das Gutachten von R1 vom 17. März 2020, das die Beklagte im Verwaltungsverfahren erhoben hatte und das der Senat als Urkunde mit öffentlichem Glauben (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO, vgl. zur besonderen Beweiskraft unfallversicherungsrechtlicher Behördengutachten § 200 Abs. 2 SGB VII) verwertet. Auch R1 hatte - nur - die schmerzhafte Bewegungseinschränkung als Unfallfolge eingestuft, und auch er hatte schon („Hinweis auf ein subacromiales Impingement“) Indizien für die anlagebedingte Veränderung und die anschließenden degenerativen Schäden in der Schulter gesehen.
Auch ein Anspruch auf Verletztenrente aus § 56 Abs. 1 Abs. 1 SGB VII besteht nicht. Die Unfallfolgen bedingen bei dem Kläger keine rentenberechtigende MdE.
Die Entscheidung der Frage, in welchem Grade die Erwerbsfähigkeit eines Verletzten gemindert ist, ist eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 1956 - 2 RU 121/56 -, BSGE 4, 147, 14; Juris). Hierbei sind aber die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden und einem ständigen Wandel unterliegen (z.B. BSG, Urteil vom 18. März 2003 - B 2 U 31/02 -, Juris).
Im Falle des Klägers ist für einen Rentenanspruch eine MdE um 20 vH vonnöten. Es kann daher offen bleiben, ob eine MdE um 10 vH vorliegt, wie der Behördengutachter R1 angenommen hatte. Eine solche MdE führt nur bei Vorliegen eines „Stütztatbestandes“ zu einem Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 SGB VII). Aktenkundig ist nur der weitere Arbeitsunfall im Zuständigkeitsbereich der Beklagten am 28. März 2021. Dieser hat jedoch zu keinen bleibenden Schäden geführt, wie nicht nur die behandelnden Ärzte nach dem Unfall, sondern auch C1 in seinem später erstatteten Gutachten bestätigt haben. Noch andere Versicherungsfälle, ggfs. bei anderen Unfallversicherungsträgern, oder Entschädigungsfälle im Bereich der Versorgungsverwaltung, sind nicht ersichtlich und von Klägerseite nicht vorgetragen worden.
Eine MdE um 20 vH läge selbst dann nicht vor, wenn die Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks, wie sie zuletzt C1 gemessen hat, entgegen seiner Einschätzung doch auf den Unfall zurückzuführen wären, Bei der Begutachtung lagen bei dem Kläger massiv verschlechterte Armhebungen vor (Abduktion/Adduktion links 90/0/30° gegenüber rechts 100/0/40°, Vor-/Rückhebung 80/0/60° gegenüber rechts 100/0/60°), jedoch waren die anderen Bewegungsdimensionen, vor allem die Rotationen, auch bei ihm kaum beeinträchtigt, sodass auch diese Messungen nicht ganz eine MdE um 20 vH gerechtfertigt hätten. Generell ist ohnehin zweifelhaft, ob diese Messergebnisse überzeugen können. Immerhin war die Schulterbeweglichkeit noch bei den Untersuchungen bei M1 (Bericht vom 25. April 2019) nahezu uneingeschränkt. Und auch bei der Untersuchung bei R1 lagen noch deutlich bessere Werte vor. Die 90° und 95°, die er in seinem Gutachten genannt hat, waren nicht die aktive Beweglichkeit. R1 hat ausgeführt, ab diesen Hebungen bestehe eine „schmerzhafte“ Einschränkung der Beweglichkeit. Die eigentliche aktive Beweglichkeit hatte auch mit deutlich besseren Werten gemessen: aus dem seinem Gutachten beigefügten Messblatt ergeben sich insoweit Armhebungen seit- und rückwärts aktiv bis 120°, die Innen- und Außenrotation war gar nicht eingeschränkt (Oberarm angelegt 40/0/80°, abgespreizt 30/0/40°). Generell ist es schwer vorstellbar, dass der Kläger mit einer Bewegungseinschränkung, wie sie jetzt gemessen worden ist, nach dem Unfall noch zehn Jahre hat Eishockey spielen können. Auch diese Erwägung spricht für die Einschätzung C1, wonach diese Einschränkungen erst deutlich nach dem Unfall und dann durch degenerative Veränderungen hervorgerufen worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 3299/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2065/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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