Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 04.12.2018 geändert und die Klage abgewiesen.
Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung einer höheren Regelaltersrente ohne fortgesetzte Minderung des Zugangsfaktors aufgrund vorangegangenen Bezugs einer Erwerbsminderungsrente nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) streitig.
Die am 00.00.1951 geborene Klägerin absolvierte eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau und war zuletzt als Sachbearbeiterin im Ein- und Verkauf im Stahlhandel tätig.
Während eines Urlaubs in Ägypten erlitt die Klägerin am 26.01.2009 durch einen Sturz auf der Gangway eines Kreuzfahrtschiffes einen Unfall und zog sich mehrere Verletzungen zu. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig, bezog bis zum 08.03.2009 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und anschließend bis zum 25.07.2010 Krankengeld. Infolge des Unfalls ist die Klägerin anerkannte Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 80; festgestellt sind zudem die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche „G“ (erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit), „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) und „B“ (Berechtigung für eine ständige Begleitung).
Am 26.04.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 12.07.2010 mit der Begründung ab, die Klägerin erfülle die medizinischen Voraussetzungen nicht. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch vom 16.07.2010 half die Beklagte im Widerspruchsverfahren ab. Mit Rentenbescheid vom 24.08.2010 bewilligte sie der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.08.2009 bis zum 30.09.2011 in Höhe von 759,37 Euro netto. Mit Rentenbescheid vom 01.04.2011 verlängerte die Beklagte (aufgrund des Antrags vom 08.02.2011) die der Klägerin gewährte Zeitrente bis zum 30.09.2012. Mit weiterem Rentenbescheid vom 26.06.2012 entsprach die Beklagte dem Antrag auf Weiterzahlung der Rente vom 28.02.2012 und bewilligte ab dem 01.10.2012 bis zum 31.03.2017 die Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der Haftpflichtversicherer des Reiseveranstalters, die G. Versicherung AG (G. AG), erstattete der Beklagten im Wege des Regresses für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.03.2017 Beiträge für eine der Klägerin nicht mehr mögliche Erwerbstätigkeit. Für die der Klägerin ab dem 01.08.2009 bis zum Zahlungsbeginn der Altersrente erbrachten Rentenleistungen nahm die Beklagte den Haftpflichtversicherer nicht in Anspruch. Zum Hintergrund führte sie gegenüber der Klägerin aus, dass sie von der Barmer Ersatzkasse mit Schreiben vom 18.05.2009, eingegangen am 26.05.2009, über den Unfall informiert worden sei. Mit Schreiben vom 03.06.2009 habe sie ihre Ansprüche sowohl gegenüber dem Reiseveranstalter als auch gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend gemacht. Während der Haftpflichtversicherer den Erhalt des Schreibens nach mehreren Erinnerungen bestätigt habe, habe der Reiseveranstalter den Rückschein nicht zurückgesandt. Der Haftpflichtversicherer habe den Anspruch der Beklagten daher als verfristet zurückgewiesen. Im Rahmen einer Sammelbesprechung am 12.12.2012 sei von Seiten des Haftpflichtversicherers vorgetragen worden, dass der Reiseveranstalter das Schreiben am 10.06.2009 erhalten habe. Der Haftpflichtversicherer habe geltend gemacht, dass die Anspruchsmeldung erst nach 13 Werktagen bei dem Reiseveranstalter eingegangen und damit nicht unverzüglich erfolgt sei. Er habe seine Auffassung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), Urteil vom 09.06.2009, Az.: Xa ZR 74/08 zu § 651g Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (in der Fassung vom 02.01.2002), wonach eine Frist von maximal 10 Tagen als unverzüglich zu bezeichnen sei, begründet. Sie, die Beklagte, habe aufgrund der Rechtsprechung des BGH die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens als gering eingestuft und sich mit dem Haftpflichtversicherer auf den Ausgleich des gesamten Beitragsschadens als abschließende Vergleichssumme (Beitragsregress) geeinigt. Ansprüche nach § 116 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) (Leistungsregress) seien wegen des Prozessrisikos nicht weiter geltend gemacht worden.
Am 07.09.2016 begehrte die Klägerin die Erteilung einer Auskunft über die Höhe ihrer Regelaltersrente ab dem 01.04.2017, die die Beklagte am 12.09.2016 übersandte. Ausweislich des beigefügten Versicherungsverlaufs, Anlage zur Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte (Seite 1), behielten Entgeltpunkte, die bereits Grundlage einer früheren Rente waren, den Zugangsfaktor der früheren Rente von 0,892. Grundlage einer früheren Rente seien im Fall der Klägerin 36,5469 Punkte. Der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage einer Rente waren, betrage 1,000. Zugrunde zu legen seien hier weitere 4,9294 Punkte. Die Klägerin legte gegen diese Auskunft am 16.09.2016 Widerspruch ein. Die Beklagte setze für den überwiegenden Teil der persönlichen Entgeltpunkte lediglich den Zugangsfaktor 0,892 an. Sie, die Klägerin, vertrete jedoch die Auffassung, dass für die Gesamtzahl der derzeit bekannten und die bis zum Beginn der Regelaltersrente noch hinzukommenden Punkte der Zugangsfaktor 1,000 durchgängig zugrunde zu legen sei. In ihrer Eigenschaft als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers habe die G. AG durchgängig volle Rentenversicherungsbeiträge nach dem (fiktiven) unfallbedingt entgangenen Arbeitsentgelt an die Beklagte gezahlt. Aufgrund der Haftung der G. AG zu 100 % stehe der Beklagten auch ein Erstattungsanspruch für die zunächst verauslagte volle Erwerbsminderungsrente zu. Der Versichertengemeinschaft drohten aufgrund der Regressmöglichkeiten der Beklagten keine Mehrausgaben. Sofern die Beklagte einen Regress versäumt habe, könne dies jedenfalls nicht der Klägerin durch Minderung des Zugangsfaktors für die Regelaltersrente angelastet werden. Den Widerspruch vom 16.09.2016 verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2017 als unzulässig. Bei der Serviceleistung „Rentenauskunft“ handele es sich um keine verbindliche Entscheidung. Erst nach Zugang des Rentenbescheids könnten Einwände gegen die Höhe der Rente erhoben werden.
Mit Schreiben vom 18.01.2017 beantragte die Klägerin die Gewährung einer „ungekürzten Regelaltersrente“ ab dem 01.04.2017. Sie wiederholte ihr Vorbringen, wonach eine Kürzung des Zugangsfaktors nicht erfolgen dürfe.
Mit Rentenbescheid vom 02.02.2017 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Regelaltersrente ab dem 01.04.2017 mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 1.078,94 Euro. In der Anlage zur Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte (Seite 1) führte die Beklagte aus, dass für Entgeltpunkte, die bereits Grundlage einer früheren Rente gewesen seien, der Zugangsfaktor der früheren Rente in Höhe von 0,892 Punkten zugrunde zu legen sei. Grundlage für die Berechnung der zuvor geleisteten Erwerbsminderungsrente seien 36,5469 Punkte gewesen.
Die Klägerin legte hiergegen mit Schreiben vom 05.02.2017 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, die Beklagte habe den Zugangsfaktor für die Zeit vom 01.04.1966 bis zum 31.07.2009 um 10,8 Prozent gekürzt, was einer monatlichen Rentenkürzung von 120,19 Euro bzw. auf einen Zehnjahreszeitraum betrachtet von annähernd 15.000,00 Euro entspreche. Aufgrund des Unfallereignisses vom 26.01.2009 habe die Haftpflichtversicherung der ägyptischen Rederei, die G. AG, ihre Einstandspflicht zu 100 % anerkannt. Die Beklagte habe sich damit alle Leistungen nach § 116 und § 119 SGB X erstatten lassen können. Eine Minderung des Zugangsfaktors dürfe daher nicht erfolgen. Zudem habe die Beklagte die Zeiten vom 26.01.2009 bis 08.03.2009 sowie vom 26.07.2010 bis 16.10.2011 im Versicherungsverlauf als Zurechnungszeit gespeichert, obwohl für diese Zeiten Pflichtbeiträge im Rahmen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bzw. des Beitragsregresses entrichtet worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.05.2017 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dem Begehren der Klägerin, die Rentenberechnung ohne verminderten Zugangsfaktor und nur unter Berücksichtigung von fiktiven Pflichtbeitragszeiten ohne Zurechnungszeiten und ohne Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezuges von Entgeltersatzleistungen vorzunehmen, könne nicht entsprochen werden. Gemäß § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI bleibe für Entgeltpunkte, die bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer früheren Rente gewesen seien, grundsätzlich der bisherige – hier der geminderte – Zugangsfaktor erhalten. Der früheren Rente wegen voller Erwerbsminderung lägen 36,5469 Entgeltpunkte zugrunde. Die Tatsache, dass die Rente wegen voller Erwerbsminderung vom Schädiger hätte erstattet werden können, bleibe ohne Einfluss auf die Ermittlung der Zugangsfaktoren für die nachfolgende Regelaltersrente. Die Rente wegen voller Erwerbsminderung sei von der Klägerin tatsächlich bezogen worden. Somit seien 36,5469 Entgeltpunkte bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer früheren Rente geworden und behielten den bisherigen Zugangsfaktor 0,892. In der Vorschrift des § 77 SGB VI gebe es keine Regelung dafür, im Schadensersatzfall allen Entgeltpunkten den Zugangsfaktor 1,000 zuzuordnen. Auch die Vorschrift des § 119 SGB X habe keinen Einfluss auf die Bestimmung des Zugangsfaktors nach § 77 SGB VI. Bei der Rentenberechnung seien alle nachgewiesenen bzw. glaubhaft gemachten Beitragszeiten, Ersatzzeiten, Kindererziehungszeiten und Anrechnungszeiten berücksichtigt worden. Die Berechnung selbst entspreche den gesetzlichen Vorschriften. Der angefochtene Bescheid sei daher nicht fehlerhaft.
Am 15.05.2017 hat die Klägerin beim Sozialgericht Gelsenkirchen Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass eine Kürzung auf der Basis des § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI nicht erfolgen könne, da nur eine tatsächlich geleistete Rente als „frühere Rente“ herangezogen werden könne. Rentenzahlungen, die zu 100 % im Rahmen des § 116 SGB X vom Schädiger zurückgefordert werden könnten, könnten nicht als tatsächlich geleistete bzw. bezogene Rente bezeichnet werden. Der Argumentation der Beklagten könne entnommen werden, dass die rechtzeitige Anmeldung von Ersatzansprüchen schuldhaft versäumt worden sei. Dieses Versäumnis der Beklagten, sämtliche gesetzlich übergegangenen Ansprüche gegenüber der G. AG geltend zu machen, dürfe sich nicht zu Lasten der Klägerin auswirken, zumal diese angesichts des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 116 SGB X selbst keine Ersatzansprüche bei der G. AG habe stellen können. Sie, die Klägerin, fühle sich durch die Kürzung des Zugangsfaktors von 1,000 auf 0,892 um einen großen Teil ihrer ein Arbeitsleben lang seit dem 01.04.1966 bis zum 25.01.2009 erarbeiteten persönlichen Beitragsleistung betrogen. Dies entspreche einem Vermögensschaden von monatlich ca. 120,19 Euro und bis zum 75. Lebensjahr hochgerechnet ca. 15.000,00 Euro. Es müsse daher der Zugangsfaktor von 1,000 für die Regelaltersrente berücksichtigt und die Rente neu berechnet werden. Zudem habe die Beklagte den Zeitraum vom 09.03.2009 bis zum 01.04.2017 fälschlicherweise als Zurechnungszeit im Versicherungsverlauf gespeichert. Da nach dem Ende der Gehaltsfortzahlung ab 09.03.2009 und bis zum Beginn der Regelaltersrente durchgängig Pflichtbeiträge nach dem entgangenen Bruttoarbeitsverdienst von der G. AG an die Beklagte gezahlt worden seien, seien diese Zeiten vorrangig als Ersatzzeiten zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2017 zu verurteilen, ihr Regelaltersrente ab dem 01.04.2017 unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,000 zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass die Rente wegen Erwerbsminderung vom Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers nicht erstattet worden sei.
Am 11.11.2014 hat die Klägerin von der G. AG zur Abgeltung der Ansprüche aus dem Schadensereignis vom 26.01.2009 eine Entschädigung in Höhe von 165.000,00 Euro zusätzlich zu dem bereits erstatteten Verdienstausfall für den Zeitraum Januar 2010 bis April 2011 und für den sonstigen Verdienstausfall in Höhe von 61.053,87 Euro sowie Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 11.476,36 Euro erhalten. Ausgeschlossen von der Abfindungserklärung vom 11.11.2014 wurden die auf Sozialversicherungsträger übergegangenen Ansprüche.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 04.12.2018 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 02.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2017 verurteilt, der Klägerin die Regelaltersrente ab dem 01.04.2017 unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,000 zu gewähren. Der Zugangsfaktor von 1,000 sei für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte der Regelaltersrente für alle von der Klägerin erworbenen Entgeltpunkte in Ansatz zu bringen, obwohl ein Großteil der Entgeltpunkte bereits Grundlage der früheren Erwerbsminderungsrente der Klägerin gewesen sei. Dies gelte zumindest dann, wenn, wie hier, eine vollständige Erstattung der Erwerbsminderungsrente nur deswegen nicht erfolgt sei, weil die Beklagte die Geltendmachung des ihr nach § 116 SGB X zustehenden Erstattungsanspruchs bei einem Dritten, hier dem Haftpflichtversicherer der den Gesundheitsschaden verursachenden Rederei, unterlassen habe. Grundsätzlich bleibe nach § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI für diejenigen Entgeltpunkte, die bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer früheren Rente gewesen seien, der frühere Zugangsfaktor maßgebend. Eine Ausnahme hierzu finde sich in § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI. Diese Norm enthalte den Rechtsgedanken, dass es im Einzelfall geboten sein könne, von einer Rentenkürzung trotz förmlicher Inanspruchnahme von Entgeltpunkten abzusehen. Diese Regelung sei zwar ihrem Wortlaut nach nicht direkt anwendbar, da im Falle der Klägerin weder die Erwerbsminderungsrente noch die Inanspruchnahme bestimmter Entgeltpunkte später entfallen sei. Eine analoge Anwendung der Regelung sei jedoch in einem solchen Fall geboten, in dem die Beklagte einen Rentenleistungsregress nach § 116 Abs. 1 SGB X unterlassen habe. § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI sei insofern analog anzuwenden, weil eine Regelungslücke bestehe und auch die weiteren Voraussetzungen einer Analogie erfüllt seien. Das Sozialgericht hat sich zur Begründung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.12.2017 – B 13 R 13/17 R bezogen. Mit diesem Urteil habe das Bundessozialgericht höchstrichterlich geklärt, dass die Regelungen für die Bemessung des Zugangsfaktors in Fällen des Drittregresses unvollständig seien. Während im dort entschiedenen Fall eine tatsächliche Erstattung der gezahlten Rente durch den Versicherer des Schädigers erfolgt sei, sei eine solche Erstattung im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Die Kammer sei jedoch der Überzeugung, dass dieser Sachverhaltsunterschied zu keiner anderen Beurteilung führe. Die Klägerin habe die relevanten Entgeltpunkte nicht im Rechtssinne in Anspruch genommen. Das Gesetz enthalte keine ausdrückliche Regelung zu den Folgen einer unterlassenen Durchsetzung eines Regressanspruchs des Rentenversicherungsträgers für den Fall, in dem gegen einen schadensersatzpflichtigen Schädiger ein bestehender Regressanspruch für eine geleistete Rente wegen Erwerbsminderung nicht geltend gemacht werde. Diese Regelungslücke sei auch planwidrig. Aus der Gesetzesbegründung für die Einfügung des § 75 Abs. 4 SGB VI ergebe sich, dass dem Gesetzgeber daran gelegen sei, den Versicherten so zu stellen, als sei der Schadensfall nicht eingetreten. Der Gesetzgeber scheine davon ausgegangen zu sein, dass allein durch § 75 Abs. 4 SGB VI der Versicherte im Falle eines erfolgreichen Beitragsregresses einem bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze durchgehend Beschäftigten (weitgehend) gleichgestellt werde. Aufgrund des hier zum Ausdruck gebrachten Willens, Personen, die schädigungsbedingt eine Rente vorzeitig in Anspruch nehmen mussten, in Bezug auf eine nachfolgende Regelaltersrente mit durchgehend Beschäftigten gleichzustellen, könne angenommen werden, dass der Gesetzgeber tätig geworden wäre, wenn er die im Rentenrecht bestehende Regelungslücke beim Zusammenspiel von dem Fortbestand eines abgesenkten Zugangsfaktors der vorangehenden vorzeitigen (Erwerbsminderungs-)Rente und der unterlassenen Durchsetzung eines vollumfänglichen Ersatzanspruchs der hieraus an den Geschädigten erbrachten Rentenleistungen erkannt hätte. Diese planwidrige Regelungslücke sei sachgerecht nur zu schließen durch eine analoge Anwendung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI mit der Folge einer Durchbrechung der grundsätzlichen Fortschreibung des abgesenkten Zugangsfaktors bei der Regelaltersrente. Auch in Fällen der unterlassenen Geltendmachung eines bestehenden Erstattungsanspruchs nach § 116 SGB X durch die Beklagte seien die betreffenden Entgeltpunkte, die der Berechnung der Erwerbsminderungsrente zugrunde gelegt wurden, zur Überzeugung der Kammer so zu behandeln, als seien sie „nicht in Anspruch genommen“ worden. Der Fall, in dem eine Erstattung durch einen Dritten allein aus der unterlassenen Geltendmachung von Ansprüchen der Klägerin durch die Beklagte nicht erfolgt sei, sei zur Überzeugung der Kammer genauso zu behandeln wie der Fall, in dem eine Durchsetzung des Anspruchs gegenüber dem Dritten durch den Rentenversicherungsträger erfolgt sei.
Gegen das ihr am 20.02.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.03.2019 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass bei der Berechnung der Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht ein Zugangsfaktor in Höhe von 0,892 zugrunde gelegt worden sei, dieser Zugangsfaktor ergebe sich aus § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI. Der Zugangsfaktor von 0,892 bleibe für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte der Regelaltersrente der Klägerin maßgeblich, soweit die Entgeltpunkte bereits Grundlage der Erwerbsminderungsrente der Klägerin gewesen seien. Die Ausnahmeregelung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI sei ihrem Wortlaut nach nicht anwendbar. Auch eine analoge Anwendung komme – entgegen der Auffassung des Sozialgerichts – nicht in Betracht. Das Bundessozialgericht habe in dem Urteil vom 13.12.2017 dargelegt, dass eine analoge Anwendung der Regelung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB VI in den Fällen des erfolgreichen Rentenleistungsregresses nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X geboten sei. Diesem Urteil habe die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente im Sinne des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB IV zugrunde gelegen. Das Bundessozialgericht habe eine planwidrige Regelungslücke festgestellt und seine Argumentation vor allem auf wirtschaftliche Aspekte gestützt. In Konsequenz dieser Entscheidung seien Regelaltersrenten künftig ohne geminderten Zugangsfaktor zu berechnen, wenn eine vorzeitig in Anspruch genommene Altersrente dem Rentenversicherungsträger erstattet worden sei. Diese Rechtsprechung könne jedoch nicht für den vorliegenden Fall fruchtbar gemacht werden. So komme eine entsprechende Anwendung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI nicht in Betracht, denn die wirtschaftlichen Erwägungen des Bundessozialgerichts griffen hier nicht. Im vorliegenden Fall sei ihr, der Beklagten, die Rente wegen Erwerbsminderung nicht vom Haftpflichtversicherer erstattet worden. Durch die Inanspruchnahme der Rente wegen Erwerbsminderung seien die in Rede stehenden Entgeltpunkte tatsächlich verbraucht worden. Sie, die Beklagte, habe durch den Haftpflichtversicherer keine tatsächliche wirtschaftliche Entschädigung erfahren. Die Frage, ob und in welchem Umfang es aufgrund von schuldhaftem Verwaltungshandeln zu einer Rentenverkürzung zu Ungunsten der Klägerin gekommen sei, sei keine Fragestellung, die im Rahmen der analogen Anwendung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI zu klären sei. Hierfür komme nur ein Amtshaftungsanspruch vor den Zivilgerichten in Betracht. Auf jeden Fall überschreite die Implementierung der Prüfung über fehlerhaftes Verwaltungshandeln im Rahmen einer analogen Anwendung des § 77 Abs. 3 Satz 3 SGB VI die vom Bundessozialgericht festgestellte planwidrige Gesetzeslücke. Denn es stehe außer Frage, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 77 Abs. 3 SGB VI keine besondere Regelung im Bereich des Staatshaftungsrechts habe treffen wollen. Auch die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs seien nicht erfüllt. Es liege schon keine Pflichtverletzung durch sie, die Beklagte, vor. Der Rentenregress sei ein eigenständiger Anspruch des Rentenversicherungsträgers; der Versicherte selbst sei nicht beteiligt. Im Gegensatz zum Beitragsregress des § 119 SGB X, welcher dem Rentenversicherungsträger als Treuhändler übertragen werde, diene der Rentenregress vorrangig der Entlassung der Solidargemeinschaft und damit dem Rentenversicherungsträger. Die Nichtdurchführung eines Rentenregresses stelle somit keine Pflichtverletzung gegenüber dem Versicherten dar. Unterbleibe die Durchführung des Rentenregresses, so gehe dies zunächst allein zu Lasten des Rentenversicherungsträgers, welcher aufgrund des schädigenden Ereignisses eine Leistung zu erbringen habe, hierfür jedoch keinen Ausgleich erhalte. Auf die Höhe der schädigungsbedingt in Anspruch genommenen Rente habe ein nicht erfolgter Rentenregress nach § 116 SGB X keinen unmittelbaren Einfluss. Zudem sei der Verwaltungsträger grundsätzlich verpflichtet, den Zustand herzustellen, der ohne den Fehler bestehen würde. Der Leistungsträger könne dabei keine Umstände herstellen, die rein tatsächlicher Natur seien und im Macht- bzw. Verantwortungsbereich des Versicherten oder eines Dritten lägen. Ein erfolgreich durchgeführter Rentenregress einschließlich der Zahlung des Erstattungsbetrages sei aber rein tatsächlicher (d.h. fiskalischer) Natur und falle nicht in ihren, der Beklagten, Verantwortungsbereich, sondern in denjenigen des Haftpflichtversicherers. Deshalb könne ein solcher Rentenregress nicht fingiert werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 04.12.2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat diese zu Unrecht unter Abänderung des Bescheides vom 02.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2017 verurteilt, der Klägerin die Regelaltersrente ab dem 01.04.2017 unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,000 zu gewähren. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer höheren Regelaltersrente ohne fortgesetzte Minderung des Zugangsfaktors aufgrund vorangegangenen Bezugs einer Erwerbsminderungsrente. Eine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ergibt sich weder aus gesetzlichen Vorschriften (hierzu unter II. 1.) noch aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (hierzu unter II. 2.).
I.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 02.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2017. Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte bei der Berechnung der Regelaltersrente der Klägerin (ab dem 01.04.2017) einen verminderten Zugangsfaktor zugrunde gelegt. Streitig ist allein der Anspruch auf eine höhere Regelaltersrente ab dem 01.04.2017 unter Berücksichtigung eines einheitlichen Zugangsfaktors von 1,000 für alle von der Klägerin erworbenen Entgeltpunkte. Auf diesen Streitgegenstand hat die Klägerin ihre Klage vor dem Sozialgericht beschränkt und die weiteren Feststellungen der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid nicht angegriffen (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung BSG, Urteil vom 20.10.2005 – B 4 RA 27/05 R, Rn. 32, juris; BSG, Urteil vom 24.07.2003 – B 4 RA 61/02 R, Rn. 19, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.08.2012 – L 21 R 785/09 WA, Rn. 32, juris).
Einer Beiladung gemäß § 75 SGG der G. AG bedurfte es nicht. Es liegt weder ein Fall einer (echten) notwendigen Beiladung noch ein Fall einer einfachen Beiladung vor. Ein Dritter ist gemäß § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG notwendig beizuladen, wenn er an dem streitigen Rechtsverhältnis derart als Dritter beteiligt ist, dass die Entscheidung ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. An dem streitigen öffentlich-rechtlichen Verhältnis, hier der Gewährung einer höheren Regelaltersrente, zwischen den Hauptbeteiligten ist die G. AG nicht beteiligt, eigene Rechte und Pflichten sind nicht betroffen (zur echten notwendigen Beiladung vgl. Gall, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 75 (Stand: 15.06.2022), Rn. 40 ff.). Anders als in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall kommt insbesondere eine Zahlungspflicht gemäß § 187a Abs. 1 Satz 1 SGB VI nicht in Betracht, weil es vorliegend nicht um die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente geht, für den § 187a SGB VI eine Beitragszahlung vorsieht. Die einfache Beiladung nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG setzt voraus, dass berechtigte eigene Interessen eines Dritten in Bezug auf einen Hauptbeteiligten durch die Entscheidung des Rechtsstreits berührt werden bzw. berührt werden können. Eigene Interessen (zu diesem Begriff vgl. Gall, a.a.O. § 75 (Stand: 15.06.2022), Rn. 35) der G. AG können durch die Entscheidung des Rechtsstreits nicht berührt werden. Eine etwaige Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer höheren Altersrente an die Klägerin tangiert die Interessen der G. AG nicht. Eine solche Entscheidung würde sich insbesondere nicht mehr auf den bereits am 12.12.2012 abgeschlossenen Vergleich zwischen der Beklagten und der G. AG auswirken können.
II.
Für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf eine höhere Regelaltersrente fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.
1.
Die Beklagte hat der Berechnung der Regelaltersrente der Klägerin die gesetzlichen Bestimmungen des SGB VI zutreffend zugrunde gelegt. Insbesondere hat sie die persönlichen Entgeltpunkte unter Zugrundelegung des geminderten Zugangsfaktors richtig ermittelt.
Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich nach Maßgabe von § 64 SGB VI, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Persönliche Entgeltpunkte entstehen nach § 66 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 70 ff. SGB VI durch Multiplikation der Summe aller Entgeltpunkte mit dem Zugangsfaktor.
Bei der Berechnung der Rente wegen Erwerbsminderung (ab dem 01.08.2009) hat die Beklagte zu Recht einen Zugangsfaktor in Höhe von 0,892 zugrunde gelegt. Dieser Zugangsfaktor ergibt sich aus § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI. Danach ist der Zugangsfaktor bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,000. Begrenzt wird diese Verminderung durch § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, welcher sicherstellt, dass eine Reduzierung des Zugangsfaktors u.a. bei Renten wegen Erwerbsminderung auf 36 x 0,003 = 0,108 begrenzt bleibt und höchstens ein Zugangsfaktor von 0,892 (1,000 – 0,108) gilt, weil die Rente mindestens 36 Kalendermonate vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen wird (vgl. von Koch, in: Kreikebohm/Roßbach, SGB VI, 6. Aufl. 2021, § 77 Rn. 10).
Grundsätzlich bleibt nach § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI für diejenigen Entgeltpunkte, die bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor maßgebend. Damit soll die durch den bisherigen Zugangsfaktor bedingte Verringerung der Rente für die gesamte Laufzeit der Folgerente übernommen werden (von Koch, a.a.O., § 77 Rn. 18). Als Ausnahme hiervon wird jedoch der Zugangsfaktor nach § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI für Entgeltpunkte, die Versicherte bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder einer Erziehungsrente mit einem Zugangsfaktor kleiner als 1,000 nach Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 62. Lebensjahres bis zum Ende des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres nicht in Anspruch genommen haben, um 0,003 je Kalendermonat erhöht. Da durch einen niedrigeren Zugangsfaktor ein längerer Rentenbezug ausgeglichen werden soll, werden auf diese Weise Rentenbezieher belohnt, wenn sie eine Rente nicht in Anspruch nehmen (von Koch, a.a.O., § 77 Rn. 24; Lang, jurisPR-VerkR 6/2018, Anm. 1).
Diese Regelung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI ist weder ihrem Wortlaut nach direkt noch analog anwendbar.
Die Ausnahmeregelung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI ist nicht unmittelbar anwendbar. Ausgenommen werden nach § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI Entgeltpunkte, die Versicherte bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit einem Zugangsfaktor kleiner als 1,000 nach Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 62. Lebensjahres bis zum Ende des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres „nicht in Anspruch genommen haben“, indem diese „um 0,003“ je Kalendermonat erhöht werden. Die Klägerin hat die Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersrente im Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.03.2017 ohne Unterbrechungen und in vollem Umfang tatsächlich bezogen, mithin die ihr zugrunde liegenden Entgeltpunkte „in Anspruch genommen“.
Auch eine analoge Anwendung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI scheidet aus. Die Voraussetzungen einer Analogie liegen entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht vor.
Ein Analogieschluss setzt voraus, dass die geregelte Norm analogiefähig ist, das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen, wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BSG, Urteil vom 12.01.2010 – B 2 U 35/08 R, Rn. 25, juris). Nach der Rechtsprechung ist der Richter zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke dort berufen, wo das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat (vgl. nur BSG, Urteil vom 23.11.1995 – 1 RK 11/95, Rn. 16 m.w.N., juris). Die analoge Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte ist dann geboten, wenn auch der nicht geregelte Fall nach der Regelungsabsicht des Gesetzgebers wegen der Gleichheit der zugrundeliegenden Interessenlage hätte einbezogen werden müssen (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.1995, a.a.O., Rn. 16). Dieses Gebot beruht letztlich – in Anlehnung an Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) – auf der Forderung normativer Gerechtigkeit, Gleichartiges gleich zu behandeln (vgl. BSG, Urteil vom 23.11.1995, a.a.O., Rn. 16; BSG, Urteil vom 28.04.2004 – B 2 U 20/03 R, Rn. 24, juris).
Die Voraussetzung einer planwidrigen Regelungslücke liegt vor. Insofern können die Ausführungen des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 13.12.2017 zu § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB VI entsprechend herangezogen werden. Das Bundessozialgericht hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass eine Regelungslücke vorliege, weil das Gesetz keine ausdrückliche Regelung zu den Folgen eines erfolgreichen Rückgriffs des Rentenversicherungsträgers gegen einen schadenersatzpflichtigen Schädiger wegen der an einen Geschädigten aufgrund des Schadensereignisses erbrachten Rentenleistungen nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X im Hinblick auf einen nachfolgenden Wechsel in eine andere Rente enthalte (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2017, a.a.O., Rn. 26). Das Gesetz sehe eine Regelung nur für den Fall des Beitragsregresses nach § 119 SGB X vor (BSG, Urteil vom 13.12.2017, a.a.O., Rn. 26). Diese Regelungslücke sei auch planwidrig. Aus der allein auf den sog. Beitragsregress, also den Ersatz der infolge des schädigenden Ereignisses vom Geschädigten nicht gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 119 SGB X, bezogenen Begründung zu § 75 Abs. 4 SGB VI werde erkennbar, dass der Gesetzgeber die partielle Fortwirkung des abgesenkten Zugangsfaktors einer schädigungsbedingt in Anspruch genommenen vorzeitigen Altersrente auch bei einer anschließenden Regelaltersrente nicht in den Blick genommen habe. Dieser scheine davon ausgegangen zu sein, dass allein durch § 75 Abs. 4 SGB VI der Versicherte im Fall eines erfolgreichen Beitragsregresses einem bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze durchgehend Beschäftigten (weitgehend) gleichgestellt werde. Aufgrund des hier deutlich zum Ausdruck gebrachten Willens, Personen, die schädigungsbedingt eine Altersrente vorzeitig in Anspruch nehmen mussten, in Bezug auf eine nachfolgende Regelaltersrente mit durchgehend Beschäftigten gleichzustellen, könne angenommen werden, dass der Gesetzgeber tätig geworden wäre, hätte er die im Rentenrecht bestehende Regelungslücke beim Zusammenspiel von Fortbestand eines abgesenkten Zugangsfaktors der vorangehenden vorzeitigen Altersrente und Ersatz der hieraus an den Geschädigten erbrachten Rentenleistungen nach § 116 SGB X erkannt (BSG, Urteil vom 13.12.2017, a.a.O., Rn. 27 ff. und Rn. 33). Diese Ausführungen des Bundessozialgerichts zum vorzeitigen Bezug einer Altersrente nach Nr. 1 können für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente nach Nr. 2 übertragen werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundessozialgericht und ihm folgend das Sozialgericht die Ausführungen unter ein „nicht mehr vorzeitig in Anspruch nehmen“ subsumiert hat, weil die Regelung in Nr. 1 insofern geringfügig von der – hier einschlägigen – Formulierung in Nr. 2 abweicht. Auch hier sind die Folgen eines erfolgreichen Rückgriffs des Rentenversicherungsträgers gegen einen schadenersatzpflichtigen Schädiger wegen der an einen Geschädigten aufgrund des Schadensereignisses erbrachten Rentenleistungen nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X im Hinblick auf einen nachfolgenden Wechsel in eine andere Rente nicht geregelt. Entsprechend ist in den zum Urteil vom 13.12.2017 ergangenen Entscheidungsbesprechungen eine Übertragbarkeit der Ausführungen des Bundessozialgerichts zum Bezug einer Altersrente auf den Bezug einer Erwerbsminderungsrente angenommen worden (vgl. Bergner, JM 2018, 158, 160; Plagemann, FD-SozVR 2018, 403065).
Die analoge Anwendung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI scheitert aber daran, dass eine vergleichbare Interessenlage nicht gegeben ist. Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI soll der frühere Zugangsfaktor im Falle einer späteren Rente übernommen werden. Der niedrigere Zugangsfaktor soll dabei einen längeren Rentenbezug ausgleichen. Eine Fortsetzung der Minderung des Zugangsfaktors aufgrund vorangegangenen Bezugs einer Rente soll nach § 77 Abs. 3 Satz 3 SGB VI nur dann nicht erfolgen, wenn die frühere Rente „nicht in Anspruch genommen“ worden ist. Diese Nichtinanspruchnahme hat das Bundessozialgericht damit begründet, dass der Rentenversicherung trotz der vorzeitig geleisteten Rente kein Nachteil entstanden ist, da ihr diese Leistungen in vollem Umfang erstatten worden sind. Dass mit der vollständigen Erstattung einhergehende Fehlen einer zusätzlichen Belastung der Versichertengemeinschaft trotz tatsächlichen Rentenbezugs entspreche wirtschaftlich betrachtet dem Fall des „nicht mehr“ Inanspruchnehmens im Sinne des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB VI (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2017, a.a.O., Rn. 36). Auf die fehlende finanzielle Belastung des Rentenversicherungsträgers und der Versichertengemeinschaft hat das Bundessozialgericht seine Argumentation in erster Linie gestützt und hierauf an mehreren Stellen der Entscheidung hingewiesen (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2017, a.a.O., Rn. 34, 36, 38 und 39). Den Ausführungen des Bundessozialgerichts zu der Vergleichbarkeit der Sachverhalte, wenn eine Rente nach § 77 Abs. 3 Satz 3 SGB VI nicht in Anspruch genommen worden ist und eine Rente auch in diesem Sinne nicht in Anspruch genommen gilt, wenn wegen einer vollständigen Erstattung eine finanzielle Mehrbelastung der Versichertengemeinschaft nicht entsteht, ist zu folgen. Diese Ausführungen gelten allerdings nur, wenn dem Rentenversicherungsträger die dem Versicherten gewährte Rente erstattet, mithin ein Leistungsregress durchgeführt wird. In den Entscheidungsbesprechungen sind die Ausführungen des Bundessozialgerichts sodann für die Fälle weiterentwickelt worden, in denen eine teilweise Erstattung etwa aufgrund einer geringeren Haftungsquote erfolgt. Dann komme nach den Grundsätzen der Entscheidung vom 13.12.2017 eine anteilige Anhebung des Zugangsfaktors entsprechend der Ersatzquote in Betracht (vgl. Bergner, JM 2018, 158, 160; Ruland, SGb 2018, 655, 656; Mey, NZS 2008, 657, 658; Plagemann, FD-SozVR 2018, 403065).
Die Ausführungen des Bundessozialgerichts lassen sich aber nicht auf den Fall übertragen, in dem gar kein Leistungsregress durchgeführt worden ist, da der Versichertengemeinschaft in einem solchen Fall ein finanzieller Nachteil entsteht (so auch Bergner, JM 2018, 158, 160). Unerheblich ist dabei, warum der finanzielle Nachteil – wie hier wegen des fehlenden Drittregresses – entsteht bzw. ob sich dieser bei sachgerechtem Verhalten hätte vermeiden lassen. Das Argument der Klägerin und des Sozialgerichts, wonach eine Inanspruchnahme nach § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI nur deswegen vorliege, weil die Beklagte den Leistungsregress nach § 116 SGB X unterlassen habe bzw. eine Inanspruchnahme nach § 77 Abs. 3 Satz 3 SGB VI nicht vorliege, wenn die Beklagte den Leistungsregress nach § 116 SGB X nicht unterlassen hätte, kann folglich nicht überzeugen. Hier wird ein hypothetischer Geschehensablauf herangezogen, der einen tatsächlichen Ablauf, nämlich einen tatsächlichen Rentenbezug, ungeschehen machen bzw. eine tatsächliche Zahlung fingieren soll. Ein hypothetischer Sachverhalt kann aber keine – für einen Analogieschluss erforderliche – Gleichheit der Sachverhalte begründen. Auch wenn die Inanspruchnahme der Rente der Klägerin auf einem Fehlverhalten der Beklagten beruhen sollte, lässt dieses Fehlverhalten den Bezug der Rente und damit die Inanspruchnahme der dieser Rente zugrunde liegenden Entgeltpunkte nicht entfallen. Bereits der unterlassene Regress, mithin die fehlende wirtschaftliche Kompensation, steht einer analogen Anwendung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI entgegen.
Die Bedeutung der wirtschaftlichen Kompensation zeigt sich auch bei einem Blick auf die vergleichbare Regelung in § 148 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Nach § 148 Abs. 1 SGB III findet im Falle der Nahtlosigkeitsregelung bei Minderung der Leistungsfähigkeit (§ 145) bzw. der Gleichwohlgewährung bei Vorenthalten durch den Arbeitgeber von Arbeitsentgelt und Urlaubsabgeltung (§ 157 Abs. 3) oder einer Entlassungsentschädigung (§ 158 Abs. 4) eine entsprechende Minderung der Anspruchsdauer aus Arbeitslosengeld/Teilarbeitslosengeld statt (vgl. Valgolio, in: Hauck/Noftz SGB III, § 148 Rn. 69a). § 148 Abs. 3 SGB III regelt die Rückgängigmachung einer Minderung von Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (Abs. 1 Nr. 1), von Teilarbeitslosengeld (Abs. 1 Nr. 2) oder von Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung (Abs. 1 Nr. 7), wenn der Bundesagentur später das geleistete Arbeitslosengeld erstattet oder ersetzt wird. Mit dieser Regelung wurde eine gesetzliche Grundlage für eine sog. Gutschrift der Anspruchsdauer zugunsten des Versicherten in den Fällen geschaffen, in denen die Bundesagentur Arbeitslosengeld bereits vorgeleistet hat, dieses jedoch später erstattet oder ersetzt wird (vgl. Brand, in: Brand, SGB III, 9. Aufl. 2021, § 148 Rn. 17). Die Gutschrift-„Regel“ ist ihrem Wortlaut nach auf die Fälle tatsächlicher Refinanzierung beschränkt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 03.09.2009 – L 12 AL 46/07, Rn. 21 ff., juris; Hessisches LSG, Urteil vom 02.09.2011 – L 9 AL 107/09, Rn. 38 ff., juris). Erhält die Bundesagentur keinen Ersatz, verbleibt es bei der Minderung. Ob dies auch dann gilt, wenn der fehlende Ersatz auf einem Verschulden der Bundesagentur beruht, ist umstritten und bislang nicht abschließend geklärt (vgl. Kallert, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 7. Aufl. 2021, SGB III, § 148 Rn. 19; Krämer, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, § 148 (Stand: 15.01.2023), Rn. 76 m.w.N.).
Da bereits bei dieser gesetzlichen Regelung umstritten ist, ob diese in Fällen des fehlenden Regresses (analoge) Anwendung finden kann, ist Zurückhaltung erst Recht geboten, wenn es noch nicht einmal eine gesetzliche „Gutschrift-Regelung“ gibt und die gewünschte Rechtsfolge erst über eine analoge Anwendung herbeigeführt wird. Wollte man im Rahmen des § 77 Abs. 3 Satz 3 SGB VI zusätzlich noch die Fälle des fehlenden Regresses abdecken, müsste eine doppelte Analogie bemüht werden. Grundsätzlich ist eine solche zulässig, allerdings sind an diese erhöhte Anforderungen zu stellen (vgl. Regenfus, JA 2009, 579 ff.). Die Nichtinanspruchnahme im Sinne des § 77 Abs. 3 Satz 3 SGB VI analog begründet das Bundessozialgericht damit, dass dem Rentenversicherungsträger trotz der vorzeitig geleisteten Rente kein Nachteil entsteht, wenn ihr die Leistungen vollständig erstattet werden. Die Wertung des Gesetzgebers mit dem niedrigeren Zugangsfaktor einen längeren Rentenbezug auszugleichen, überträgt das Bundessozialgericht auf den Fall, in dem aufgrund einer vollständigen (nachträglichen) Erstattung ein längerer, mithin auszugleichender Rentenbezug wirtschaftlich betrachtet gar nicht mehr besteht. Da die Erhöhung des Zugangsfaktors bei einer fehlenden Erstattung aber notwendigerweise eine finanzielle Mehrbelastung des Rentenversicherungsträgers bedingt, lässt sich nicht ohne Weiteres vertreten, dass die Wertung des Gesetzgebers nicht anders ausgefallen wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Fälle des vollständigen Leistungsregresses und des fehlenden Leistungsregresses unterschiedlich bewerten will, zumal Ungleiches auch ungleich behandelt werden darf. Die Erstreckung der in § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI vorgesehenen Rechtsfolge auf einen Fall, in dem der Versichertengemeinschaft und dem Rentenversicherungsträger eine finanzielle Mehrbelastung droht, ist in Anbetracht der nicht gleichgearteten Wertungslage nicht legitim. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist folglich im Hinblick auf die Interessensituation weder mit dem vom Gesetzgeber in § 77 Abs. 3 Satz 3 SGB VI geregelten Tatbestand noch mit dem durch das Bundessozialgericht im Wege der Analogiebildung erweiterten Anwendungsbereich dieser Norm vergleichbar. Dann aber ist der Richter zur Ausfüllung der Gesetzeslücke – über einen (doppelten) Analogieschluss – nicht mehr berufen.
2.
Als Anspruchsgrundlage kann auch nicht der sozialrechtliche Herstellungsanspruch herangezogen werden. Der Anspruch der Klägerin folgt nicht aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen einer Verletzung von Betreuungspflichten aus §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) durch die Beklagte (vgl. hierzu Öndül, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl., § 14 (Stand: 25.04.2022), Rn. 32 und Rn. 52). Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch vermittelt einem Anspruchsberechtigten, der aufgrund eines behördlichen Fehlers einen Nachteil erlitten hat, einen Anspruch darauf, dass der Zustand wieder hergestellt wird, der ohne die Pflichtverletzung des Anspruchsgegners bestehen würde (vgl. Mrozynski, SGB I, 6. Aufl. 2019, § 14 Rn. 23 ff.; Striebinger in: Gagel/Striebinger, SGB II/ SGB III, 72. EL Dezember 2018, SGB II § 37 Rn. 67 ff.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.02.2015 – L 7 AS 187/14, Rn. 17, juris). Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht (1), insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat (2). Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang (3) besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (4). Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (5) (vgl. BSG, Urteil vom 31.10.2007 – B 14/11b AS 63/06 R, Rn. 13 ff., juris; BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 99/10 R, Rn. 24, juris; BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 29/10 R, Rn. 12, juris). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Die Frage, ob die Beklagte eine zugunsten der Klägerin bestehende Pflicht verletzt hat, kann offen gelassen werden. Jedenfalls kann der durch ein pflichtwidriges Verwaltungshandeln der Beklagten eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden und die Korrektur durch den Herstellungsanspruch widerspricht dem Gesetzeszweck. Im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wird der Verwaltungsträger grundsätzlich verpflichtet, den Zustand herzustellen, der ohne den Fehler bestehen würde. Als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips bzw. des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes gemäß § 31 SGB I kann Herstellung immer nur durch und im Rahmen einer an sich (von Gesetzes wegen) zulässigen Amtshandlung bewirkt werden (vgl. Spellbrink, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Werkstand: 111. EL September 2020, Vor §§ 13-15 Rn. 31; Mrozynski, SGB I, 6. Aufl. 2019, § 14 Rn. 36). Die Behörde, die den Fehler begangen hat, muss also von Rechts wegen in der Lage sein, mit Mitteln, die in ihrer gesetzlichen Zuständigkeit liegen, den Nachteil zu beseitigen (Spellbrink, a.a.O., Vor §§ 13-15 Rn. 31). Der Leistungsträger kann keine Umstände herstellen, die rein tatsächlicher Natur sind und im Macht- bzw. Verantwortungsbereich des Versicherten selbst oder eines Dritten liegen (vgl. Spellbrink, a.a.O., Vor §§ 13-15 Rn. 33). Die Vornahme einer begünstigenden Amtshandlung ist etwa dann unzulässig, wenn eine tatsächliche Handlung vorzunehmen ist bzw. es auf eine Begebenheit tatsächlicher Art ankommt (vgl. Öndül, a.a.O., § 14 (Stand: 25.04.2022), Rn. 72). Ein Leistungsregress nach § 116 SGB X einschließlich der Zahlung des Erstattungsbetrages ist rein fiskalischer, mithin rein tatsächlicher Natur und liegt – wie von der Beklagten zutreffend ausgeführt – nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten, sondern eines Dritten, des Haftpflichtversicherungsunternehmens. Ein solcher Leistungsregress kann als tatsächliche Begebenheit nicht über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert bzw. hergestellt werden (zu § 119 SGB X vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.01.2014 – L 7 R 4417/11, Rn. 31 ff., juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.03.2015 – L 10 R 2689/12, Rn. 30, juris; a.A. SG Itzehoe, Urteil vom 26.08.2021 – S 3 R 307/17, Rn. 20, juris; Peters-Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 119 (Stand: 20.07.2020), Rn. 16).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Die Folgen einer unterlassenen Durchsetzung des Regressanspruchs des Rentenversicherungsträgers gegen einen schadenersatzpflichtigen Schädiger wegen der an einen Geschädigten aufgrund des Schadensereignisses erbrachten Rentenleistungen im Hinblick auf einen nachfolgenden Wechsel in eine andere Rente sind bisher ungeklärt. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass zu der vergleichbaren Regelung in § 148 Abs. 3 SGB III noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob es bei der Minderung verbleibt, wenn die Bundesagentur einen Regress nicht vornimmt.