L 11 R 356/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 662/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 356/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 26.01.2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1969 geborene Kläger, der keine Berufsausbildung abgeschlossen hat, war zuletzt als Schweißer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Sein Versicherungskonto (Bl. 478 Verwaltungsakte) weist Pflichtbeiträge aus Beschäftigungen, wegen des Bezugs von Sozialleistungen bzw. wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II bis zum 31.07.2009 aus, danach besteht bis zum 31.10.2016 eine Lücke im Versicherungsverlauf. Seit dem 01.11.2016 bezieht der Kläger erneut Arbeitslosengeld II.

Der Kläger beantragte erstmals am 17.07.2006 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Auswertung des Entlassungsberichts der Reha-Klinik H1 K1 anlässlich eines dort durchgeführten stationären Heilverfahrens des Klägers vom 21.02.2006 bis 21.03.2006 (Bl. 322 ff. Verwaltungsakte) und der Einholung eines Gutachtens durch den S1 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 17.10.2006 und Widerspruchsbescheid vom 13.03.2007 ab. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Mannheim (S 2 R 1081/07) mit Gerichtsbescheid vom 17.12.2007 ab und die hiergegen erhobene Berufung das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (L 11 R 241/08) mit Urteil vom 18.03.2008 zurück.

Auf den am 30.09.2008 durch den Kläger erneut gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung veranlasste die Beklagte eine Begutachtung des Klägers durch den S2 (Bl. 254 ff. Verwaltungsakte), der dem Kläger bei bestehendem obstruktiven Schlafapnoesyndrom, Adipositas und Raucherbronchitis ein Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden für die letzte Berufstätigkeit als Schweißer und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bescheinigte. Mit Bescheid vom 08.12.2008 sowie Widerspruchsbescheid vom 05.03.2009 (Bl. 77 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab. Die hiergegen beim Sozialgericht Mannheim (S 10 R 990/09) erhobene Klage wurde durch Gerichtsbescheid vom 01.09.2010 abgewiesen.

Am 07.07.2011 stellte der Kläger einen weiteren Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nunmehr veranlasste die Beklagte eine gutachterliche Untersuchung durch K2. Das Gutachten vom 21.09. 2011 (Bl. 304 ff. Verwaltungsakten) bestätigte eine chronische Müdigkeit, ein obstruktives Schlafapnoesyndrom, eine nächtliche CPAP-Therapie sowie eine Adipositas und sah keinen Hinweis auf obstruktive oder restriktive Ventilationsstörungen. Es sei ein Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden täglich für die letzte Berufstätigkeit als Schweißer und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 04.10.2011 sowie Widerspruchsbescheid vom 05.12.2011 ab (Bl. 89 Verwaltungsakte). Auf die hiergegen zum Sozialgericht Mannheim (S 5 R 29/12) erhobene Klage befragte das Gericht die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Arzt für B1 gab an, der Kläger sei weiterhin in der Lage, mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen ohne Tag-, Nacht- und Wechselschicht oder Akkordarbeit in vollschichtigem Umfang durchzuführen (Bl. 15 SG-Akte S 5 R 29/12). Der E1 teilte mit, den Kläger seit November 2011 nicht mehr behandelt zu haben (Bl. 29 SG-Akte S 5 R 29/12). In einem im Auftrag des SG am 04.07.2012 erstatteten neurologisch-psychiatrischen Gutachten des B2 (Bl. 34 ff. SG-Akte S 5 R 29/12) wurde ein CPAP-behandeltes obstruktives Schlafapnoesyndrom, Adipositas, der Verdacht auf eine konversionsneurotisch gefärbte Somatisierungsneigung, der Verdacht auf eine leichtgradige phobische Symptomatik und vielschichtige Persönlichkeitsakzentuierung bei bestehendem vollschichtigem Leistungsvermögen gestellt. Das Sozialgericht wies daraufhin die Klage durch Urteil vom 17.10.2012 ab.

Einen erneuten, am 05.05.2015 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.07.2015 (Bl. 97 Verwaltungsakte) sowie Widerspruchsbescheid vom 17.11.2015 ab (Bl. 111 Verwaltungsakte), da das Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich nicht eingeschränkt sei. Außerdem seien zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt, da im maßgeblichen Zeitraum vom 05.05.2010 bis 04.05.2015 kein Kalendermonat mit Pflichtbeiträgen vorhanden sei. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn eine Erwerbsminderung spätestens am 31.08.2011 eingetreten wäre und seitdem ununterbrochen vorläge. Dies sei jedoch unter Berücksichtigung der Gutachten von K2 vom 27.09.2011 und von B2 vom 04.07.2012 nicht der Fall.

Einen weiteren Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung stellte der Kläger am 07.12.2016. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 13.12.2016 ab, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Den hiergegen am 20.01.2017 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2017 zurück (Bl. 150 Verwaltungsakte). Die hiergegen beim Sozialgericht Mannheim (S 14 R 973/17) erhobene Klage wies das Gericht durch Gerichtsbescheid vom 03.11.2017 ab, die Berufung blieb erfolglos (Urteil vom 27.03.2018, L 13 R 4563/17). Es sei nicht feststellbar, dass der Kläger zu dem Zeitpunkt, zu dem er letztmals die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllte, voll oder teilweise erwerbsgemindert gewesen sei.

Am 22.09.2021 beantragte der Kläger wiederum eine Rente wegen Erwerbsminderung und zudem eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen bei der Beklagten (Bl. 484 Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 29.10.2021 (Bl. 538 ff. Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung ab, weil der Kläger die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für diese Rente nicht erfülle. Hiergegen legte der Kläger am 12.11.2021 Widerspruch ein (Bl. 17 Verwaltungsakte). Er sei mit der Entscheidung nicht einverstanden. Schließlich habe er ohne Pause 20 Jahre gearbeitet, obwohl er eigentlich hätte nicht arbeiten und bereits seit der Kindheit abgesichert sein sollen. Er könne nicht ausreichend atmen und durch sein Rückenleiden sei so etwas wie eine Lähmung entstanden. Im Kalenderjahr 2005 habe er krankheitsbedingt aufhören müssen zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt seien Beiträge noch gezahlt worden. Er sei nicht darüber informiert worden, dass eine bestimmte Anzahl von Pflichtbeitragsmonaten für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente erforderlich sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2022 (Bl. 61 Verwaltungsakte) wies die Beklagte den klägerischen Widerspruch unter Wiederholung der bisherigen Begründung zurück. Im maßgeblichen Zeitraum vom 01.07.2012 bis 21.09.2021 seien keine Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen vorhanden. Darüber hinaus sei auch der Zeitraum vom 01.01.1984 an nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente seien im Falle des Klägers nur erfüllt, wenn der Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens am 31.08.2011 eingetreten wäre.

Hiergegen hat der Kläger am 04.04.2022 Klage beim SG Klage erhoben (S 6 R 662/22). Er hat unter Vorlage diverser Arztberichte vorgetragen, aufgrund seines Gesundheitszustandes einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit zu haben. Er sei nicht mehr in der Lage, sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Erwerbsminderung sei nicht erst bei Antragstellung am 22.09.2021 eingetreten, sondern habe bereits in den Jahren 2010 bzw. 2011 vorgelegen. Bereits damals sei er nicht leistungsfähig gewesen und habe unter Schmerzen im Bereich des Brustkorbs gelitten, die die Beweglichkeit einschränkten. Zudem hätten bereits damals eine Schlafapnoe und eine seelische Erkrankung sowie eine COPD vorgelegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.01.2023 hat das SG die Klage abgewiesen und sich hierbei vor allem auf das Urteil des LSG vom 27.03.2018 (L 13 R 4563/17) berufen. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstelle, dass er zum Zeitpunkt der letzten Antragstellung am 22.09.2021 nicht mehr in der Lage gewesen sei, zumindest sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, scheitere der im gerichtlichen Verfahren allein geltend gemachte Rentenanspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente. Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI sei für diesen Rentenanspruch auch Voraussetzung, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit habe. Diese versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien letztmals für einen Leistungsfall am 31.08.2011 gegeben. Zu diesem Zeitpunkt erfüllte der Kläger letztmalig die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bzw. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI (sogenannte Drei-Fünftel-Belegung), weil im Zeitraum von August 2006 bis Juli 2011 insgesamt 36 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt seien und danach keine Pflichtbeiträge mehr entrichtet worden seien. Auch in Anwendung von § 241 Abs. 2 SGB VI ergebe sich keine für den Kläger günstigere Entscheidung, da er vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht erfülle. Am 31.08.2011 sei der Kläger nicht erwerbsgemindert gewesen, wie das Gutachten der K2 zeige. In ihrem am 21.09.2011 und damit nur kurze Zeit nach dem maßgeblichen Zeitpunkt am 31.08.2011 erstellten Gutachten sei die Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, das obstruktive Schlafapnoesyndrom werde seit 2003 mit einer nächtlichen CPAP-Behandlung therapiert und die Verlaufskontrollen zeigten eine gute Einstellung. Als Ursache für die persistierende Müdigkeit komme die schlafbezogene Atmungsstörung nicht infrage. Der Nikotinkonsum sei vor drei Jahren beendet worden und der Blutdruck liege bei regelmäßigen Kontrollen im Normbereich. Zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit sollten eine Gewichtsabnahme und ein körperliches Trainingsprogramm durchgeführt werden und der Kläger sei in seinem Alltag im Großen und Ganzen nicht wesentlich eingeschränkt. Er besitze den Führerschein, habe ein Auto zur Verfügung und gehe mit seinem Hund bis zu viermal täglich eine halbe Stunde spazieren. Im Zwei-Personen-Haushalt helfe er mit, wobei er seiner Ehefrau jedoch Arbeiten überlasse, die er auch ohne weiteres selbst verrichten könne. Bis zu mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, idealerweise in bedarfsgerechtem Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen könne der Kläger bei Vermeidung von Nachtschicht täglich sechs und mehr Stunden verrichten. Aus der im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (S 5 R 29/12) eingeholten schriftlichen Auskunft des behandelnden B1 vom 08.03.2012 habe sich ergeben, dass dieser den Kläger bezogen auf das lungenärztliche Fachgebiet für fähig gehalten habe, bis zu mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen, ohne Tag-, Nacht- und Wechselschicht (oder Akkordarbeit, Ergänzung des SG) im Umfang von sechs Stunden zu verrichten. Schließlich habe auch der B2, der vom SG von Amts wegen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden sei, laut Gutachten vom 04.07.2012 den Kläger aus seiner fachärztlichen Sicht für in der Lage gehalten, mindestens sechs Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, wenn diese Tätigkeit ohne überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen und nicht auf Leitern oder Gerüsten erfolge. U.a. gestützt auf diese Gutachten und die Auskunft des B1 habe das SG mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 17.10.2012 die auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung gerichtete Klage abgewiesen, da eine rentenrechtlich relevante Leistungsminderung nicht feststellbar gewesen sei. Auch im jetzigen Verfahren sei das SG unter Berücksichtigung der urkundlich verwerteten Sachverständigengutachten der K2 und des B2 sowie der Auskunft des behandelnden Arztes B1, die sämtlich im nahen zeitlichen Zusammenhang zum fraglichen Zeitpunkt am 31.08.2011 erstellt worden seien, davon überzeugt, dass zum fraglichen Zeitpunkt am 31.08.2011 eine rentenrechtlich relevante qualitative oder quantitative Minderung des Leistungsvermögens des Klägers auf weniger als sechs Stunden arbeitstäglich nicht vorgelegen habe. Bei einem nach diesem Zeitpunkt gegebenenfalls eingetretenen Versicherungsfall lägen für die begehrte Rente die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr vor, sodass das Gericht von Amts wegen zu keinen weiteren medizinischen Ermittlungen zur Feststellung des gegenwärtig bestehenden beruflichen Leistungsvermögens des Klägers veranlasst sei.

Gegen den ihm am 31.01.2023 zugestellten (Bl. 23 Senatsakte) Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02.02.2023 Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingereicht und vorgetragen, mit dem Gerichtsbescheid nicht einverstanden zu sein. Per einfacher E-Mail hat er ergänzt, er habe, seit er 16 Jahre alt war, unter Schmerzen und Müdigkeit gearbeitet. Er hat seine Schmerzen und sonstigen Schwierigkeiten beschrieben und auf ein Attest des G1 verwiesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 26.01.2023 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.10.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2022 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungskaten der Beklagten, den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die beigezogenen Akten S 2 R 1081/07, S 10 R 990/09, S 5 R 29/12, S 14 R 973/17, L 13 R 4563/17 sowie L11 R 241/08 verwiesen.



Entscheidungsgründe

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.


Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, da der Kläger in der Terminsmitteilung, die dem Kläger ordnungsgemäß am 15.03.2023 mittels Postzustellungskurkunde zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Erscheint ein Beteiligter trotz ordnungsgemäßer Terminsmitteilung nicht zur Verhandlung, kann das Gericht nach Lage der Akten (§ 126 Sozialgerichtsgesetz – SGG) oder aufgrund „einseitiger“ mündlicher Verhandlung entscheiden (BSG 26.05.2014, B 12 KR 67/13 B, juris; BSG 07.07.2011, B 14 AS 35/11 B, juris).

Die Berufung ist zulässig, insbesondere gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Gegenstand der Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 29.10.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2022, worin die Beklagte die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG).

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung der begehrten Rente. Das SG hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 26.01.2023 - auch unter Verweis auf das zutreffende Urteil des 13. Senats des LSG Baden-Württemberg (L 13 R 4563/17) - ausführlich die Gründe dargestellt, an denen der Anspruch des Klägers scheitert. Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Lediglich ergänzend sei noch Folgendes hinzugefügt: Soweit der Kläger auf ein Attest des behandelnden G1 vom 13.09.2021 verweist, worin dieser aufgrund eines chronischen Rückleidens sowie der psychischen Ausnahmesituation den Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als nicht vermittelbar eingestuft hat (Bl. 273 SG-Akte S 6 R 662/22, im Folgenden: SG-Akte), vermag dieses am Ergebnis des Verfahrens nichts zu ändern. Dieses Attest datiert auf September 2021 und besagt nichts zum Gesundheitszustand bis August 2011, auf den allein es hier ankommt. Offenbar war der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch nicht bei G1 in Behandlung, hat er ihn doch im Rahmen der Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht in den Verfahren S 5 R 29/12 und auch S 10 R 990/09 nicht als behandelnden Arzt genannt. Da der Kläger in diesen Verfahren auch keinen anderen Orthopäden genannt hat, bestanden damals ganz offenbar keine gravierenden orthopädischen Erkrankungen. Auch der vom Kläger im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens eingereichte Bericht zu einem BWS-Syndrom datiert auf den 22.02.2019 (Radiologie Nuklearmedizin M1, Bl 198 SG-Akte) und betrifft damit einen Zeitraum weit nach dem hier relevanten. Insofern gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass aus orthopädischen Beschwerden bereits spätestens im August 2011 Erwerbsminderung folgte.

Aber auch die übrigen Erkrankungen bedingten keine quantitative Leistungsminderung. Auf nervenärztlichem Fachgebiet ist hier auf das überzeugende Gutachten des B2 vom 04.07.2012 zu verweisen, der anlässlich der Untersuchung am 22.06.2012 keine neurologisch-psychiatrischen Diagnosen oder Funktionsstörungen festmachen konnte, die überdauernde Leistungseinschränkungen begründen ließen (vgl. Bl. 55 SG-Akte S 5 R 29/12). Etwas anderes folgt auch nicht aus den vom Kläger beim SG aktuell eingereichten Unterlagen, etwa dem Bericht des E1 vom 09.11.2011 (Bl. 200 SG-Akte), der lediglich eine Dysthymie sowie rezidivierende depressive Verstimmungen diagnostiziert hat, gleichzeitig aber auch schreibt, dem Kläger sei es über längere Strecken auch recht gut gegangen. Aus dem Bericht vom 26.01.2011 (Bl. 205 SG-Akte) des E1 ergibt sich, dass der Kläger sich nach dreijähriger Pause wieder vorgestellt hatte, und im Rahmen der schriftlichen Vernehmung als sachverständiger Zeuge gab E1 dann am 07.05.2012 an, der Kläger sei zuletzt am 04.11.2011 in seiner Behandlung gewesen. Von einer überdauernden schwereren nervenärztlichen Beeinträchtigung, die zu Erwerbsminderung hätte führen können, kann daher keine Rede sein.

Internistisch gibt es ein - im Wege des Urkundenbeweises zu verwertendes - internistisches Gutachten der K2 vom 27.09.2011 (Bl. 304 ff. Verwaltungsakte), dem sich ebenfalls keine zeitliche Leistungsminderung entnehmen lässt. Insbesondere hat sie nachvollziehbar begründet, warum die chronische Müdigkeit einer vollschichtigen Tätigkeit nicht entgegensteht, sei der Kläger doch „zu Hause immer irgendwie beschäftigt“, gehe vier Mal am Tag mit dem Hund etwa eine halbe Stunde spazieren, kaufe ein, koche auch manchmal, höre Musik oder sehe fern und sei selten am Computer bei normaler Konzentration (vgl. Tagesablauf Bl. 307 Verwaltungsakte). Zu seiner COPD sowie zum Schlafapnoe-Syndrom hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren etliche Arztberichte zu den Akten gegeben, die vornehmlich von B1, dem behandelnden stammen und auch auf die hier relevante Zeit datiert sind (z.B. Bericht vom 26.10.2010, Bl. 203 SG-Akte, vom 08.02.2011, Bl. 206 SG-Akte, vom 29.04.2010, Bl. 208 SG-Akte). B1 hat indes im Rahmen mehrerer Vernehmungen als sachverständiger Zeuge stets ausgesagt, der Kläger könne noch vollschichtig arbeiten (vgl. Bericht vom 03.05.2007, Bl. 12 SG-Akte S 2 R 1081/07, Schreiben vom 02.06.2009, Bl. 25 SG-Akte S 10 R 990/09; Bericht vom 08.03.2012, Bl. 15 SG-Akte S 5 R 29/12). Kardiologisch schloss der behandelnde S3 im Februar 2006 (vgl. Bericht des S3 vom 07.03.2006, Bl. 238 SG-Akte) eine klinisch relevante koronare Herzerkrankung aus. Auch 2010 fanden sich keine Hinweise für eine relevante koronare Herzerkrankung (Bericht des S3 vom 13.05.2010, Bl. 216 SG-Akte). Dies wurde durch K2 im Gutachten vom 27.09.2011 bestätigt.

Insofern mag sich der Kläger subjektiv bereits seit vielen Jahren für erwerbsgemindert halten, doch ist dies objektiv nicht belegt.
Der Nachweis für die den Anspruch begründenden Tatsachen muss aber im Wege des sog. Vollbeweises erfolgen. Dies erfordert, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann, d.h. das Gericht muss von der zu beweisenden Tatsache mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit ausgehen können; es darf kein vernünftiger, in den Umständen des Einzelfalles begründeter Zweifel mehr bestehen. Von dem Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen muss insoweit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden können (vgl. BSG 14.12.2006, B 4 R 29/06 R; Bayerisches LSG 26.07.2006, L 16 R 100/02; beide in juris; BSGE 45, 285; BSGE 58, 80). Können die genannten Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht im erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten möchte. Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Erwerbsminderung trägt insoweit der Versicherte die Darlegungs- und objektive Beweislast (vgl. BSG 23.10.1996, 4 RA 1/96, juris).

Der Senat stellt daher fest, dass der Kläger bis August 2011 nicht erwerbsgemindert war. Ob zu einem späteren Zeitpunkt Erwerbsminderung eingetreten ist, kann offenbleiben und wird vom Senat nicht geprüft, weil die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente an den fehlenden besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (3/5-Belegung) scheitert.

Dass der Kläger nicht über das Erfordernis der 3/5-Belegung informiert war, wie er gegenüber der Beklagten angemerkt hat, vermag am Ergebnis nichts zu ändern. Hier wäre allenfalls an das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu denken, der auf Tatbestandsseite eine dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnende Pflichtverletzung voraussetzt, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist (vgl. z.B. BSG 16.12.2014, B 1 KR 19/14 R, juris Rn. 16; BSG 11.12.2014, B 11 AL 2/14 R juris Rn. 39 m.w.N.; BSG 04.09.2013, B 12 AL 2/12 R, juris Rn. 19). Rechtsfolge des Bestehens eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist der Anspruch gegen die Behörde auf Vornahme einer rechtlich zulässigen Amtshandlung, durch die der Zustand wiederhergestellt werden könnte, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (vgl. etwa BSG 11.12.2014 a.a.O. Rn. 39; BSG 03.04.2014, B 5 R 5/13 R, juris Rn 37; BSG 11.03.2004, B 13 RJ 16/13 R, juris Rn. 24). Selbst, wenn hier ein Beratungsfehler unterstellt würde, wäre es der Beklagten nicht im Wege einer rechtlich zulässigen Amtshandlung möglich, Pflichtbeiträge zu fingieren, die tatsächlich nicht geleistet wurden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.



 

Rechtskraft
Aus
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