Auf die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12.10.2020 wird dieser abgeändert und die Beklagte verurteilt, insgesamt 14.929,01 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2018 an die Klägerin zu bezahlen. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Anschlussberufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12.10.2020 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt 78 %, die Klägerin 22 % der Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 19.082,74 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses, das durch Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg nach § 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen ist. Die bei der Beklagten versicherte, 1958 geborene K1 (im Folgenden Versicherte) wurde nach Einweisung durch ihren M1 vom 26.01. bis 26.04.2016 stationär in der Klinik der Klägerin für des W1 behandelt. Die Versicherte stand zum Aufnahmezeitpunkt in ambulanter Richtlinienpsychotherapie bei E1 (Praxis R1). Dem Arztbrief der Klinik der Klägerin vom 20.05.2016 sind folgende Diagnosen zu entnehmen: Posttraumatische Belastungsstörung und Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung: Akzentuierung vor allem emotional instabiler und negativistischer Persönlichkeitszüge. Die Versicherte sei zur multimodalen hochfrequenten und intensivtherapeutischen Behandlung aufgenommen worden. In dem bei Aufnahme in die Klinik durchgeführten testpsychologischen Verfahren (Symptom-Checkliste von Derogatis) habe die Versicherte einen statistisch und klinisch signifikant überdurchschnittlichen T-Wert von 80 erreicht, welcher bei Entlassung auf 66 gesunken sei. Dem Aufenthalt der Versicherten gingen sechs weitere, davon zuletzt zwei stationäre Aufenthalte in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Klägerin in den Zeiträumen vom 30.09. bis 09.12.2014 (Traumatherapie nach Schmucker, Schematherapie nach Young) und 28.04. bis 28.07.2015 (ebenfalls Traumatherapie nach Schmucker, Schematherapie nach Young) sowie ein prästationäres Gespräch im November 2015 voraus.
Mit Zwischenrechnungen vom 19.02.2016 über 1.369,14 €, vom 25.02.2016 über 3.166,95 €, vom 04.03.2016 über 2.955,82 €, vom 21.03.2016 über 3.166,95 €, vom 06.04.2016 über 3.378,08 €, vom 21.04.2016 über 3.166,95 € und Endabrechnung vom 12.05.2016 über 1.878,85 € machte die Klägerin für die vollstationäre Behandlung der Versicherten insgesamt 19.082,74 € geltend. Die Beklagte beglich zunächst den gesamten Rechnungsbetrag.
Anschließend beauftragte sie am 11.05.2016 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Überprüfung des Behandlungsfalles. Mit Gutachten vom 17.11.2016 kam der H1 zu dem Ergebnis, die stationäre Krankenhausbehandlung sei nicht notwendig gewesen. Bei der Versicherten habe zum Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus der Klägerin eine hochgradig chronifizierte Symptomatik mit mindestens sieben stationären Behandlungen seit 2004 vorgelegen. Es handele sich um eine seit Jahrzehnten bestehende posttraumatische Belastungsstörung, zumeist in Komorbidität mit einer höhergradigen affektiven Störung (rezidivierendes depressives Syndrom). Eine akute krisenhafte Verschlechterung sei bei Aufnahme nicht ersichtlich gewesen. Dies werde bereits u.a. daran deutlich, dass die Aufnahmeindikation mehr als zwei Monate vor der Aufnahme gestellt worden sei. Die Indikation zur vollstationären Krankenhausbehandlung habe sich auch nicht aus der Notwendigkeit zur Anwendung nur dort durchführbarer psychotherapeutischer Interventionen ergeben. Solche seien aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich. Eine akute krisenhafte Verschlechterung sei auch nicht im ambulanten Behandlungsrahmen entstanden. Bei einer Überforderung des ambulanten Behandlungsrahmens mit latenter, chronischer Verschlechterungstendenz der nachvollziehbar dauerhaft recht schwer ausgeprägten psychischen Erkrankung der Versicherten wäre eine Rehabilitationsbehandlung im stationären Setting angemessen gewesen. Es liege eine primäre Fehlbelegung vor.
Die Klägerin widersprach dem Gutachtensergebnis des MDK unter Vorlage einer Stellungnahme des M2 vom 24.11.2016 und trug vor, eine Rehabilitationsbehandlung im stationären Setting wäre im vorliegenden Fall nicht ausreichend gewesen. Die Beklagte nahm am 13.07.2018 eine Verrechnung mit anderen unstreitigen Forderungen der Klägerin in Höhe von 19.082,74 € vor.
Am 11.10.2018 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten des stationären Aufenthalts der Versicherten in Höhe von 19.082,74 € sowie einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € zu verurteilen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Krankenhausbehandlung sei erforderlich gewesen. Die Versicherte sei durch den behandelnden Facharzt zur dritten stationären Behandlung in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen worden, weil sie sich in einer aktuellen Krise befunden habe. Die behandelnden Ärzte hätten das Risiko einer Verschlechterung als hoch eingestuft. Die ambulante Behandlung der Versicherten sei nicht mehr ausreichend gewesen. Ein bloßer Rehabilitationsaufenthalt sei weder ausreichend gewesen, noch habe es zum Aufnahmezeitpunkt eine entsprechende Behandlungsalternative gegeben. Da die Prüfung des MDK nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führe, sei auch die Aufwandspauschale zu bezahlen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Eine akute krisenhafte Verschlechterung habe bei der Versicherten gerade nicht vorgelegen.
Das SG hat sodann von Amts wegen ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage bei dem S1 eingeholt, welcher in seinem Gutachten vom 11.10.2019 zunächst ausgeführt hat, die Dauer des stationären Aufenthaltes könne für drei bis sechs Wochen nachvollzogen werden. Die Aufnahme sei bereits zwei Monate zuvor angesichts eines schlechteren Befindens unter dem Eindruck familiärer Belastungsfaktoren vereinbart worden. Eine krisenhafte Zuspitzung des Befindens der Versicherten sei nicht beschrieben, ebenso wenig enthalte der psychopathologische Aufnahmebefund diesbezügliche Symptome. Dem entspreche, dass die Versicherte bereits zu Beginn der Behandlung Beurlaubungen erhalten habe. Die stationäre Aufnahme der Versicherten könne mit Hinblick auf deren Vorgeschichte durchaus mit dem Risiko einer krisenhaften Verschlechterung begründet werden. Jedoch könne die Dauer der stationären Behandlung aufgrund ihres Charakters als vorausschauende Krisenintervention nicht nachvollzogen werden. Nach klinischer Erfahrung sei angesichts des komplikationslosen Behandlungsverlaufs eine Entlassung bereits nach drei bis sechs Wochen möglich gewesen.
Dazu hat die Klägerin eine Stellungnahme ihres M2 vom 28.11.2019 vorgelegt, in welcher dieser ausgeführt hat, bei der Behandlung schwerer Bindungsstörungen sei ein haltgebender Beziehungsrahmen in Form einer stationären Krankenhausbehandlung wichtig. Das dort vorgehaltene Beziehungsangebot sei ein zentrales Element der Behandlung. Eine ambulante psychotherapeutische Behandlung sei zum Aufnahmezeitpunkt nicht tragfähig genug gewesen, um den Aspekten einer stabilen Beziehung zu entsprechen. Aufgrund der Bindungsstörung der Versicherten habe die Notwendigkeit kontinuierlicher korrigierender Beziehungserfahrungen durch bereits vertraute Bezugspersonen bestanden, die im ambulanten Setting nicht möglich gewesen wären.
In seiner vom SG ergänzend eingeholten Stellungnahme vom 21.02.2020 hat S1 ausgeführt, die stationäre Behandlung sei wie von den behandelnden Ärzten zu Recht dargelegt zur Vorbereitung einer tragfähigen ambulanten psychotherapeutischen Anbindung notwendig gewesen. Jedoch wäre hierfür vor allem wegen der psychopathologischen Befunde und der fehlenden Gefährdungsmomente eine Behandlungsdauer von längstens acht bis zehn Wochen ausreichend gewesen.
Das SG hat die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 12.10.2020 verurteilt, an die Klägerin 9.017,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.07.2018 zu bezahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der stationäre Aufenthalt der Versicherten vom 26.01. bis 26.04.2016 im Krankenhaus der Klägerin sei nicht im gesamten Zeitraum, sondern - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des S1 - lediglich für sechs Wochen aus medizinischen Gründen erforderlich gewesen. Die Versicherte habe bei ihrer Aufnahme in das Krankenhaus zumindest seit 2004 unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer rezidivierenden depressiven Störung und einer Persönlichkeitsakzentuierung gelitten. Seitdem seien sieben stationäre Aufenthalte der Versicherten, darunter mehrere im Hause der Klägerin, erfolgt. Die Aufnahme der Versicherten in das Krankenhaus am 26.01.2016 sei aufgrund einer Einweisung des ambulant behandelnden Facharztes angesichts eines verschlechterten Befindens der Versicherten unter dem Eindruck familiärer Belastungsfaktoren nach einem prästationären Gespräch im November 2015 erfolgt. Der Versicherten seien bereits nach wenigen Tagen stationären Aufenthalts Beurlaubungen gewährt worden. Bis zur Entlassung hätten sich lediglich geringgradige Veränderungen des psychopathologischen Aufnahmebefundes ergeben. Auch die medikamentöse Einstellung sei während des gesamten Aufenthaltes unverändert geblieben. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen im Gutachten des S1 vom 11.10.2019 sowie in dessen ergänzender Stellungnahme vom 21.02.2020 sei zwar grundsätzlich eine stationäre Behandlung erforderlich gewesen, da im Hinblick auf die Vorgeschichte der Versicherten mit sieben stationären Aufenthalten seit 2004 und einer Verstärkung der Symptomatik im Rahmen einer familiären Überforderung eine krisenhafte Verschlechterung als sehr wahrscheinlich zu befürchten gewesen sei. Auch sei die stationäre Behandlung zur Vorbereitung einer tragfähigen ambulanten psychotherapeutischen Anbindung erforderlich gewesen, jedoch nicht im gesamten Zeitraum, sondern lediglich für sechs Wochen. Dafür spreche nach Auffassung des Gerichts, dass zum Aufnahmezeitpunkt eben keine akute krisenhafte Verschlechterung des Zustandes der Versicherten vorgelegen habe. Weiter sei die Versicherte bereits am 06.02.2016 ausreichend stabil für eine Belastungserprobung gewesen. Schließlich seien der psychopathologische Befund der Versicherten ebenso wie die Medikation zum Zeitpunkt der Aufnahme bis zur Entlassung im Wesentlichen unverändert geblieben.
Hiergegen hat die Klägerin am 03.11.2020 Berufung und die Beklagte am 12.11.2020 Anschlussberufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.
Zur Begründung ihrer Berufung hat die Klägerin ausgeführt, sie wende sich gegen die Abweisung der Klage, soweit ihr die Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten in einer Behandlungszeit von insgesamt zehn Wochen nicht zugesprochen worden sei. Im Übrigen werde die Klage nicht weiterverfolgt. Sie begehre die Zahlung eines weiteren Betrages von 5.911,64 €. Zur Begründung hat die Klägerin auf die Stellungnahme des M2 vom 28.11.2019 verwiesen. Zudem sei S1 in seiner ergänzenden Stellungnahme zu dem Ergebnis gekommen, dass nach aller klinischer Erfahrung ein Aufenthalt von acht bis höchstens zehn Wochen ausreichend gewesen wäre und im April 2016 grundsätzlich noch Behandlungsbedarf bestanden habe, gemeint sei: auf Station. Im April 2016 sei bereits die elfte Woche der Behandlung angebrochen gewesen. Fachlich falsch habe das SG dann noch mit den typischen MDK-Argumenten der Durchführung von Belastungserprobungen und dem fehlenden Medikamentenwechsel den Versuch einer eigenen Begründung unternommen. Den Belastungserprobungen könne schon deshalb keine Indizwirkung zukommen, weil sie Teil der Behandlung und nicht deren Schlusspunkt seien. Die Beurlaubungen müssten überprüft, kontrolliert und ausgewertet werden, das SG setze sich auch überhaupt nicht damit auseinander, dass die Versicherte in den letzten Behandlungswochen weiterhin schwer unter ihrer Erkrankung gelitten habe und ob und in welcher Form die Belastungserprobungen erfolgreich gewesen seien. Auch das ewig wiederholte Argument des fehlenden Medikamentenwechsels sei nicht tragfähig. Die häufige Kombination der Medikation sei auch unabhängig von einem Wechsel am konkreten Fall zu beurteilen. Der Wechsel eines leichten Schmerzmedikaments wegen Kopfschmerzen werde kein Grund für eine stationäre Behandlung sein, die Dauermedikation mit Medikamenten, die somatische Komplikationen auslösen können oder zu Unverträglichkeit führen, sei dauerhaft zu beobachten und zu bewerten. Entscheidend sei im vorliegenden Fall, dass die schwer traumatisierte unter mehreren Krankheitsbildern leidende Versicherte nicht habe abgeschrieben und auf eine schon in der Vergangenheit erfolglose Behandlungsform verwiesen werden dürfen.
Die Klägerin beantragt,
der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12.10.2020 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin insgesamt 14.929,01 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2018 zu bezahlen, und die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung den Gerichtsbescheid vom 12.10.2020 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, S1 habe zu keinem Zeitpunkt die zwingende medizinische Notwendigkeit einer zehnwöchigen stationären Behandlung befürwortet. Tatsächlich seien die Ausführungen des Sachverständigen mehrdeutig und nicht konkret genug. Dies liege bestimmt auch an der mangelhaften Dokumentation in der Akte. Der Gutachter verweise darauf, dass chronifizierte Verläufe grundsätzlich im ambulanten Sektor zu behandeln seien. Der Schlussfolgerung des Gutachters, eine Entlassung der Versicherten wäre erst nach drei bis sechs Wochen möglich gewesen, könne daher nicht gefolgt werden.
Der Senat hat F1, von Amts wegen mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage beauftragt. In seinem Gutachten vom 13.06.2022 ist dieser zu dem Ergebnis gekommen, die Notwendigkeit der stationären Behandlung sei im gesamten Zeitraum gegeben gewesen. Die Versicherte habe eine stationäre Psychotherapie im Sinne eines therapeutischen Bogens durchlaufen. Einen solchen therapeutischen Bogen konzipiere man eingangs der Therapie von ärztlicher oder leitend psychologischer Seite, danach seien die Therapieangebote und Interventionen danach auszurichten. Der therapeutische Bogen umfasse vier Phasen, nämlich diejenige des Kennenlernens, die Konfliktphase, die Integrationsphase und die Phase des Abschiednehmens. Diese seien bei der Versicherten durchlaufen worden, wobei die Integrationsphase bis kurz vor der Entlassung gegangen sei. Die Versicherte habe von der Behandlung auch profitiert. Eine ambulante Behandlung wäre nicht ausreichend gewesen, da diese das erforderliche mehrmodulare Setting nicht hätte bieten können. Eine teilstationäre Behandlung hätte die Möglichkeit für die Versicherte, umfassend ihren Lebensschwerpunkt in die Klinik zu verlegen und dort in der therapeutischen Gemeinschaft drei Monate ihres Lebens zu verbringen, nicht beinhalten können. Eine Rehabilitationsbehandlung teilstationär oder stationär wäre nicht indiziert gewesen, da die Behandlung nicht einer Verbesserung des Leistungsvermögens, das heißt der Arbeitsfähigkeit respektive der beruflichen Leistungsfähigkeit, dienen sollte, sondern der Linderung von Leiden und einem Zuwachs an Bewältigungsstrategien im umfassenden, auf sämtliche Lebensbereiche bezogenen Sinne. Eine solche sei auch erforderlich gewesen, bevor konkrete auf die Arbeitswelt bezogene Strategien zum Einsatz hätten kommen können.
Dazu hat die Beklagte eine Stellungnahme des MDK vom 21.07.2022 vorgelegt. In dieser führte die F2, die ihre Qualifikation nicht offengelegt hat, aus, eine akute Krise könne aus den Unterlagen aufgrund der Befunde, nicht sofortiger stationärer Aufnahme, frühzeitiger häuslicher Belastungserprobungen und fehlender medikamentöser Änderungen ausgeschlossen werden. Auch sei nicht nachzuvollziehen, weshalb bei drohender krisenhafter Verschlechterung eine Aufnahme erst nach zwei Monaten erfolgt sei. Eine mittlerweile eingetretene Chronifizierung der vorliegenden Störungen sei aus den Unterlagen unstrittig. Eine M1, eine ambulante Richtlinienpsychotherapie bei E2 und eine ambulante psychotherapeutische Behandlung im IVT K2 hätten bereits vor dem Vorgespräch im November 2015 und auch bis zur Krankenhausaufnahme Ende Januar 2016 definitiv stattgefunden. Auch die Schwere der - ohnehin chronifizierten - Störungen könne nicht als Begründung für eine Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit dienen. Die aufgeführten Therapieinhalte und ‑ziele im Hinblick auf die Bindungsstörung der Patientin - hier "Lösung der dysfunktionalen Beziehungs- und Bewältigungsmuster, Bearbeitung wiederkehrender Gefühls- und Verhaltensmuster, Stärkung des gesunden Erwachsenenanteils der Patientin“ - hätten ebenso in einer ambulanten Richtlinienpsychotherapie langfristig behandelt werden können.
Auf Veranlassung des Senats hat F1 unter dem 08.12.2022 zu den Einwendungen des MDK Stellung genommen und an seiner Einschätzung im Gutachten festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG, die von der Klägerin vorgelegte Patientenakte der Versicherten sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene und gemäß § 143 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung, da der maßgebliche Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,00 € überschritten ist. Die Klägerin begehrt vorliegend die Zahlung einer weiteren Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten in Höhe von 5.911,64 €. An ihrem ursprünglichen Antrag in der ersten Instanz auf Zahlung von insgesamt 19.382,74 € sowie auf Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € hat die Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mehr festgehalten, so dass hierüber nicht zu befinden war.
Die Beklagte wendet sich im Wege der zulässigen (unselbständigen) Anschlussberufung (da auf denselben Streitgegenstand bezogen wie die Hauptberufung, vgl. zu dieser Anforderung z.B. Bundessozialgericht [BSG] 05.05.2010, B 6 KA 6/09 R, BSGE 106, 110-126) zum einen gegen die Verurteilung zur Zahlung einer Vergütung in Höhe von 9.017,37 €, zum anderen gegen das weitere Begehren der Klägerin im Berufungsverfahren.
2. Die Berufung der Klägerin ist ganz überwiegend begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht nur teilweise stattgegeben. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 5.911,64 € aufgrund der notwendigen stationären Behandlung der Versicherten in der Zeit ab 26.01.2016 für 70 Tage. Zu Unrecht hat die Beklagte in dieser Höhe gegen andere (unstreitige) Forderungen der Klägerin aufgerechnet. Die Anschlussberufung der Beklagten ist demzufolge unbegründet.
a) Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klageart gewählt; denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSG 17.12.2019, B 1 KR 19/19 R, juris, Rn. 8 m.w.N.). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG 13.11.2013, B 3 KR 33/12 R, juris, Rn. 9). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert.
b) Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht der vorliegend geltend gemachte Vergütungsanspruch zu. Die Beklagte war nicht zur Aufrechnung mit einer Gegenforderung aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch berechtigt, da der Klägerin ein Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung der Versicherten jedenfalls für die hier noch streitigen 70 Behandlungstage zustand. Die Anschlussberufung der Beklagten bleibt mithin ohne Erfolg.
aa) Der mit der erhobenen Leistungsklage verfolgte Vergütungsanspruch der Klägerin aus späteren anderweitigen Krankenhausbehandlungen anderer Versicherter der Beklagten ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Darauf, welchen Vergütungsanspruch die Klägerin auf Grund welcher konkreten Krankenhausbehandlung geltend macht, kommt es nicht an (vgl. z.B. BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, juris Rn. 10), sodass insoweit keine nähere Prüfung durch den Senat erforderlich ist (vgl. z.B. BSG 14.10.2014, B 1 KR 34/13 R, juris, Rn. 8; 25.10.2016, B 1 KR 9/16 R, juris Rn. 8; 17.12.2019, B 1 KR 19/19 R, juris Rn. 9).
bb) Der anderweitige Vergütungsanspruch der Klägerin für Krankenhausbehandlung erlosch nicht dadurch, dass die Beklagte wirksam mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten die Aufrechnung erklärte.
Es bestand keine zur Aufrechnung erforderliche Gegenforderung der Beklagten, mit der sie gegen die Hauptforderung der Klägerin wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufrechnen konnte (vgl. hierzu BSG 08.10.2019, B 1 KR 2/19 R, juris Rn. 9; 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, juris Rn. 9). Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Der Beklagten stand jedoch als Grundlage für ihre Gegenforderung kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe von 14.929,01 € zu (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten: BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, juris Rn. 10), denn die ursprüngliche Zahlung der Beklagten erfolgte mit Rechtsgrund. Die Klägerin hatte einen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte für die Behandlung der Versicherten jedenfalls in dem hier noch streitigen Umfang.
(1) Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 5 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), der Pflegesatzvereinbarung und dem für Baden-Württemberg gültigen nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V geschlossenen Vertrag. Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung eines gesetzlich Krankenversicherten und damit korrespondierend die Zahlungspflicht einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG, 17.12.2019, B 1 KR 19/19 R, juris Rn. 10; 14. Oktober 2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R, jeweils juris Rn. 8). Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
(2) Die Grundvoraussetzungen des Vergütungsanspruches liegen vor. Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Plankrankenhaus. Die Versicherte war zum Zeitpunkt der stationären Behandlung Mitglied der Beklagten. Bei ihr bestand auch eine behandlungsbedürftige Krankheit in Form einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und Problemen mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung (ICD-10 Z73): Akzentuierung vor allem emotional instabiler und negativistischer Persönlichkeitszüge. Dies entnimmt der Senat dem Arztbrief des W1 vom 20.05.2016. Weder das Krankheitsbild noch die Behandlungsbedürftigkeit werden von Seiten der Beklagten oder des MDK in Zweifel gezogen.
(3) Bei der Versicherten bestand vom 26.01. bis 26.04.2016 auch Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit.
(a) Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalles (BSG 25.10.2016, B 1 KR 6/16 R, juris Rn. 23 m.w.N.). Die Berechtigung der Krankenhausbehandlung ist nicht rückschauend aus der späteren Sicht des Gutachters zu beurteilen, sondern es kommt darauf an, ob sich die stationäre Aufnahme oder Weiterbehandlung bei Zugrundelegung der für den Krankenhausarzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Kenntnisse und Informationen zu Recht als medizinisch notwendig dargestellt hat (BSG 16.12.2008, B 1 KN 3/08 KR R, juris Rn. 22). Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Versicherten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung (BSG 25.10.2016, B 1 KR 6/16 R, juris Rn. 23). Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist. Ein Einschätzungsvorrang des verantwortlichen Krankenhausarztes ist weder vom Gesetz vorgesehen noch von der Sache her erforderlich und deshalb mit dem rechtsstaatlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar (BSG, a.a.O., m.w.N.). Zudem obliegt die Entscheidung darüber, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Gewährung vollstationärer Krankenhausbehandlung als Sachleistung zusteht, und darin eingeschlossen die Entscheidung, ob eine stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, nicht dem Krankenhaus, sondern der Krankenkasse, gegen die sich der Anspruch richtet (BSG, a.a.O.).
Krankenhausbehandlungsbedürftig ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht (BSG 17.11.2015, B 1 KR 18/15 R, juris Rn. 11). Als besondere Mittel des Krankenhauses sind eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und ein jederzeit präsenter oder rufbereiter Arzt anzusehen. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt. So besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung und damit auch kein Vergütungsanspruch des Krankenhauses, wenn es - wie bereits ausgeführt - der Gesundheitszustand des Patienten ermöglicht, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung, einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG 25.10.2016, B 1 KR 6/16 R, juris Rn. 23; 14.10.2014, B 1 KR 27/13 R, juris Rn. 11). Bei maßgeblicher ex ante-Sicht sind dabei die im Zeitpunkt der Entscheidung über die stationäre Aufnahme ersichtlichen Umstände zu berücksichtigen.
Bei einer psychiatrischen Erkrankung kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Geräten ganz in den Hintergrund treten und allein der Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die stationäre Behandlung kennzeichnen. Auch ist die Frage der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung nicht abstrakt anhand der eine Krankenhausbehandlung umschreibenden Merkmale zu beantworten, sondern stets konkret mit Blick auf die in Betracht kommenden ambulanten Behandlungsalternativen. Versicherte mit einem schweren psychiatrischen Leiden haben Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung, wenn nur auf diese Weise ein erforderlicher komplexer Behandlungsansatz durch das Zusammenwirken eines multiprofessionalen Teams unter fachärztlicher Leitung erfolgversprechend verwirklicht werden kann (vgl. BSG 13.05.2004, B 3 KR 18/03 R, BSGE 92, 300, 305; BSG 07.07.2005, B 3 KR 40/04 R, juris).
Die Abgrenzung zwischen vollstationärer Krankenhausbehandlung und stationärer medizinischer Rehabilitation ist vor allem im Bereich der psychotherapeutischen Medizin/Psychosomatik bisweilen schwierig, weil Rehabilitationseinrichtung und Krankenhaus sich darin decken, dass beide auf die Behandlung von Krankheiten und die Beseitigung ihrer Folgen beim Betroffenen gerichtet sind. Deshalb kann eine Unterscheidung im Wesentlichen nur nach der Art der Einrichtung, den Behandlungsmethoden und dem Hauptziel der Behandlung getroffen werden, die sich auch in der Organisation der Einrichtung widerspiegeln. Anhaltspunkte zur Differenzierung bietet § 107 SGB V: Nach § 107 Abs. 2 Nr. 1 b und Nr. 2 SGB V dienen Rehabilitationseinrichtungen der stationären Behandlung der Patienten, "um eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern oder im Anschluss an Krankenhausbehandlung den dabei erzielten Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen, auch mit dem Ziel, eine drohende Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern". Es ist zudem erforderlich, dass diese Einrichtungen "fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal darauf eingerichtet sind, den Gesundheitszustand der Patienten nach einem ärztlichen Behandlungsplan vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen". Krankenhäuser sind demgegenüber "Einrichtungen, die der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen, fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten und mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten" (§ 107 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB V). Die Rechtsprechung hat u.a. daraus als besondere Mittel des Krankenhauses auf eine apparative Mindestausstattung, ein geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit präsenten bzw. rufbereiten Arzt geschlossen (vgl. BSG 12.11.1985, 3 RK 45/83, BSGE 59, 116, 117; BSG 28.01.1999, B 3 KR 4/98 R, BSGE 83, 254, 259), jedoch im Hinblick auf das Merkmal "Krankenhausbehandlung" weder den Einsatz aller dieser Mittel gefordert noch stets als ausreichend angesehen. Regelmäßig ist eine Gesamtschau unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles erforderlich, die jedoch nur nach objektiven Merkmalen und Kriterien erfolgen kann (BSGE 81, 189, 193). Bei einer psychiatrischen Erkrankung kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Geräten in den Hintergrund treten und allein der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die Notwendigkeit einer stationären Behandlung begründen (BSG 19.11.1997, 3 RK 1/97, BSGE 81, 189-200). Die Abgrenzung zwischen stationärer Krankenhausbehandlung und stationärer medizinischer Rehabilitation hängt somit maßgeblich von der Intensität der ärztlichen Tätigkeit und den verfolgten Behandlungszielen ab (BSG 20.01.2005, B 3 KR 9/03 R, BSGE 94, 139; BSG 10.04.2008, B 3 KR 14/07 R, juris).
(b) Bei der Versicherten bestand vorliegend während des kompletten Aufenthaltes Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit. Der Senat schließt sich hierbei den überzeugenden Ausführungen des F1 in seinem Gutachten vom 13.06.2022 an, worin dieser feststellt, dass vorliegend auf Grund der schweren psychischen Erkrankungen der Versicherten grundsätzlich eine stationäre Behandlung indiziert und die Dauer der Therapie dem Krankheits- und Heilungsverlauf angemessen war.
So führte F1 in seinem Gutachten überzeugend und nachvollziehbar aus, dass die stationäre Aufnahme der Versicherten - entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG - nicht zur Krisenintervention, die womöglich zeitlich hätte stärker befristet werden können, sondern zur Durchführung einer multimodalen hochfrequenten und intensivpsychotherapeutischen Behandlung mit dem Ziel eines Zuwachses an persönlicher Autonomie und Bewältigungsstrategien erfolgte, wobei sich die Behandlungsdauer aufgrund des therapeutischen Bogens der stationären Psychotherapie ergab.
Die Notwendigkeit dieser erneuten stationären Psychotherapie ergibt sich daraus, dass die bislang durchgeführte ambulante Psychotherapie und fachpsychiatrische Behandlung nicht (mehr) ausreichend bzw. tragfähig waren.
Bei der Versicherten wurde schon im Jahr 2004 eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, aufgrund derer sie sich seitdem mindestens sechs weitere Male in stationärer Behandlung befand. Die Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung wurden hierbei bei Aufnahme im psychischen Befund festgehalten: Vermeiden von gedanklichen und situativen Auslösern von Intrusionen, häufig auftretende Intrusionen (Erinnerungen, Flashbacks, Alpträume), Hyperarousal, Schreckhaftigkeit und Hypervigilanz. So litt die Versicherte unter intrusiven Erinnerungen an Missbrauchserlebnisse in ihrer Kindheit und Jugend. Diese traten am Tag in Form von Flashbacks und nachts in Form von Alpträumen auf. Begründet durch eine massive Angst vor dem Einschlafen war der Schlaf massiv gestört. Scham-, Angst- und Ekelgefühle dominierten das emotionale Geschehen. Ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten in Bezug auf Menschenansammlungen, männliche und unbekannte Personen lag vor. Hypervigilanz und eine erhöhte Schreckhaftigkeit waren ebenfalls vorhanden. Zudem wurde die Versicherte einer standardisierten psychologischen Befunderhebung mittels SCL-90-R unterzogen, in der sie in allen neun Skalen erhöhte Werte erzielte, dies am deutlichsten in der Skala Ängstlichkeit mit einem 1-Wert von 80. Die Schwere der chronischen posttraumatischen Belastungsstörung wird letztlich vom MDK auch nicht in Zweifel gezogen (vgl. MDK-Gutachten vom 17.11.2016, Seite 3).
Zum Aufnahmezeitpunkt der hier streitigen stationären Behandlung befand sich die Versicherte in psychiatrischer Behandlung bei M1 als auch in ambulanter Richtlinienpsychotherapie bei E1 in W2, welche beide gleichermaßen eine weitere stationäre Behandlung für notwendig erachteten, weshalb M1 die entsprechende Einweisung vornahm. Dabei ist zu beachten, dass die ambulante Richtlinienpsychotherapie erst im November 2015 begonnen hatte und noch nicht hinreichend tragfähig war. Bei der Versicherten bestand nach Einschätzung des sie im Klinikum M2 (Stellungnahme vom 28.11.2019) infolge einer bereits frühkindlich begonnenen biografischen Entwicklung mit Verwahrlosung, Vernachlässigung und fortwährender sexualisierter Gewalt bis ins junge Erwachsenenalter hinein eine ausgeprägte Bindungsstörung, die erneut eine stationäre Behandlung erforderlich machte. Nachvollziehbar besteht bei Personen mit solch schweren Bindungsstörungen die Notwendigkeit kontinuierlicher korrigierender Beziehungserfahrungen durch bereits vertraute Bezugspersonen, was in dieser Form nur im stationären Setting möglich ist. Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des F1 sowie im Arztbrief vom 20.05.2016 erfolgte die stationäre Aufnahme daher, um mit den Mitteln der stationären Psychotherapie die in den Jahren 2014 und 2015 bereits im Klinikum der Klägerin durchgeführte Behandlung fortzusetzen, dies mit dem Ziel, bei der Versicherten einen Zuwachs an persönlicher Autonomie und erweiterten Gestaltungsspielräumen zu erreichen und auf diese Weise in einem langen therapeutischen Prozess die Limitierungen, die sie lebenslang durch die Erfahrungen in Kindheit und Jugend mit sich herumtrug, Stück für Stück hinter sich zu lassen. Dieses Ziel mit dem zum damaligen Zeitpunkt erreichbaren Effekt war nur unter stationären Behandlungsbedingungen (Bedingungen stationärer Psychotherapie) zu erreichen. Der Senat schließt sich der Einschätzung des F1 an, dass es einer akuten Verschlechterung/Krise für die Begründung einer stationären Behandlungsnotwendigkeit dann nicht bedarf, wenn bei Versagen ambulanter Behandlungsalternativen nur eine stationäre Psychotherapie die Möglichkeit bietet, selbst bei einem chronifizierten Erkrankungszustand zu einem Rückgang von Leiden und einer Verbesserung des psychosozialen Funktionsniveaus zu gelangen. Unter dieser Prämisse spielt auch der relativ lange Zeitraum zwischen dem Vorgespräch und der Aufnahme der Versicherten in die stationäre Behandlung keine Rolle, da dieses Argument allenfalls als Indiz gegen eine krisenhafte Verschlechterung, die jedoch ohnehin nicht behauptet wird, angeführt werden könnte.
Während des stationären Aufenthaltes erfolgte eine stationäre Psychotherapie ergänzt um Behandlungen innerhalb der Schematherapie-Gruppe und der Achtsamkeitsgruppe der Klinik sowie um die Module Stockkampfgruppe, Kunsttherapie und Körpertherapie nach Feldenkrais. Medikamentös gestützt wurde die Psychotherapie durch Cymbalta (Duloxetin) 90 mg morgens und Lyrica® (Pregabalin) 75 mg über den Tag verteilt. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Gutachters F1 ergibt sich hieraus eine ärztlich sorgfältig und individuell geplante multimodale Therapie während der Gesamtheit des stationären Aufenthaltes, welche auf Erfahrungen der vorausgehenden Therapien, speziell der Therapien in den beiden stationären Aufenthalten 2014 und 2015, aufgebaut und diese fortgeführt hat. Die Therapie zielte hierbei auf eine langfristige, bei den Voraufenthalten begonnene und auf diese aufbauende Veränderung des Erlebens und Verhaltens der Versicherten umfassend ab. Die Behandlungsdauer ergab sich nach den schlüssigen Ausführungen des F1 aufgrund des therapeutischen Bogens der stationären Psychotherapie, der aus einer Einführungs- und Gewöhnungsphase, einer Konfliktphase und abschließend einer Integrations- und Abschiedsphase besteht, welche beim streitigen Aufenthalt belegbar durchlaufen wurden.
Auch die durchgeführten Belastungsurlaube können nicht als Indiz einer fehlenden stationären Behandlungsnotwendigkeit herangezogen werden. Für den Senat ist es nachvollziehbar, dass es therapeutisch sinnvoll ist, die Patienten regelmäßig mit der sozialen Außenwelt zu konfrontieren, um die Behandlung an die jeweils auftretenden Probleme anzupassen. Damit zielt die stattgehabte stationäre Behandlung nicht auf eine vollständige Abschirmung der Patienten von der Außenwelt und Fokussierung auf das therapeutische Team und die Mitpatienten ab, sondern ist gekennzeichnet von einer regelmäßigen stundenweisen "Entlassung" in das soziale Umfeld, allerdings mit Rückkehr in das stationäre Setting. Die durchgeführten Belastungsurlaube sind hierbei ein anerkanntes therapeutisches Mittel im Rahmen einer stationären Behandlung (so auch LSG Hamburg 17.05.2017, L 1 KR 78/16, juris).
Eine teilstationäre Behandlung wäre vorliegend in Übereinstimmung mit den Ausführungen des F1 nicht ausreichend gewesen, da diese Behandlung der Versicherten nicht die Möglichkeit geboten hätte, ihren Lebensschwerpunkt in die Klinik zu verlegen und dort in der therapeutischen Gemeinschaft drei Monate ihres Lebens zu verbringen. Aufgrund der bereits genannten massiven Bindungsstörung war aber gerade dies notwendig, um kontinuierliche korrigierende Beziehungserfahrungen durch bereits vertraute Bezugspersonen zu erlangen.
In Übereinstimmung mit den Ausführungen des F1 war auch eine stationäre oder teilstationäre Rehabilitationsbehandlung vorliegend nicht indiziert, da die notwendige Behandlung des krankenhausspezifischen Einsatzes von Ärzten und (psycho-)therapeutischen Kräften und Pflegepersonal bedurfte sowie zudem nicht einer Verbesserung des Leistungsvermögens, das heißt der Arbeitsfähigkeit respektive der beruflichen Leistungsfähigkeit, dienen sollte, sondern der Linderung von Leiden und einem Zuwachs an Bewältigungsstrategien im umfassenden, auf sämtliche Lebensbereiche bezogenen Sinne. Eine solche war auch erforderlich, bevor konkrete auf die Arbeitswelt bezogene Strategien zum Einsatz kommen konnten.
Die hiergegen seitens der Beklagten unter Bezugnahme auf die vorgelegten MDK-Gutachten erhobenen Einwendungen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. So beziehen sich die von den H1 und F2 vorgetragenen Argumente hinsichtlich einer fehlenden Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit im Wesentlichen auf die Annahme einer hierfür erforderlichen krisenhaften Verschlechterung, wogegen die nicht sofortige stationäre Aufnahme, die frühzeitigen häuslichen Belastungserprobungen und die fehlenden medikamentösen Änderungen sprächen. Diese Argumentation ist nach den obigen Ausführungen jedoch wiederlegt, da der Aufenthalt der Versicherten allein zur Durchführung einer stationären multimodalen hochfrequenten und intensivpsychotherapeutischen Behandlung erfolgte, nachdem ambulante Behandlungsalternativen - mangels Aufbau einer hinreichend stabilen Beziehung im Rahmen der ambulanten Psychotherapie - gescheitert waren. Die Tatsache, dass die Versicherte bei chronifiziertem Krankheitsbild in der Vergangenheit bereits umfänglich stationär behandelt werden musste, ein langfristiger Behandlungserfolg trotz fortgeführter ambulanter Therapie jedoch bislang ausgeblieben war, spricht nach Auffassung des Senats nicht gegen, sondern vielmehr für die Notwendigkeit einer stationären mehrmodularen Psychotherapie (vgl. BSG 20.01.2005, B 3 KR 9/03 R, BSGE 94, 139-149, LSG Nordrhein-Westfalen 30.03.2006, L 5 KR 142/04, juris Rn. 37).
Der stationäre Aufenthalt der Versicherten war damit vollumfänglich erforderlich.
(c) Der tenorierte Zinsanspruch beruht auf § 19 Abs. 1 und 3 des Landesvertrages zu § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V.
Anspruch auf eine Verzinsung nach einem höheren Zinssatz steht der Klägerin hingegen nicht zu. § 288 Abs. 2 BGB findet keine Anwendung. Die Klägerin kann sich für die Zinshöhe nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt (§ 288 Abs. 2 BGB). Diese Regelung ist zwar grundsätzlich im Rahmen des § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V anwendbar. Der Regelung unterfallen öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche wegen überzahlter Vergütung für Krankenhausbehandlung jedoch nicht. Bei diesen handelt es sich nicht um Entgeltforderungen bei Rechtsgeschäften (BSG 12.07.2012, B 3 KR 18/11 R, BSGE 111, 200-211; BSG 08.09.2009, B 1 KR 8/09 R, juris; vgl. zu Aufwandspauschalen auch BSG 23.06.2015, B 1 KR 24/14 R, Rn. 15, juris).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt die zunächst unbeschränkt eingelegte Berufung durch die Klägerin.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht dem Betrag, den die Klägerin mit ihrer - zunächst unbeschränkt eingelegten - Berufung geltend gemacht hat. Er war um den Betrag zu erhöhen, zu dessen Zahlung die Beklagte verurteilt worden ist, denn sie hat im Rahmen der Anschlussberufung die Aufhebung des Gerichtsbescheids und die Abweisung der Klage beantragt. Der Verzinsungsantrag war indes nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern um eine Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG handelt.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 3094/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3494/20
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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