Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.12.2014 abgeändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 13.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.01.2014 in der Fassung des Bescheids vom 28.09.2021 wird gemäß Teilanerkenntnis der Beklagten vom 22.02.2023 insofern aufgehoben, als Beiträge für das Jahr 2007 und Säumniszuschläge festgesetzt wurden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin 40 %, die Beklagte 60 %, von den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen Ziffer 23 und 24 in der ersten Instanz trägt die Klägerin 40 %. Im Übrigen werden die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht erstattet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 646.444,89 € festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Nachzahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 01.01.2007 bzw. - nach erfolgtem Teilanerkenntnis der Beklagten - vom 01.01.2008 bis 31.12.2009 in Höhe von zuletzt noch 267.176,53 €.
Die Klägerin war in der Rechtsform einer GmbH im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig, inzwischen wurde die Gesellschaft aufgelöst (Handelsregistereintrag B HRB 107473, Eintrag vom 04.05.2015), durch Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 01.03.2016 wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels einer den Kosten des Verfahrens entsprechenden Masse abgewiesen.
Grundlage der Arbeitsverträge zwischen der Klägerin und deren (Leih-)Arbeitnehmern waren im streitgegenständlichen Zeitraum Tarifverträge der Tarifgemeinschaft (1 Mit Beschluss vom 01.04.2009 - 35 BV 17008/08 - stellte das Arbeitsgericht Berlin fest, dass die C1 nicht tariffähig ist. Diese Entscheidung wurde durch das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 07.12.2009 - 23 TaBV 1016/09 - im Wesentlichen bestätigt. Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Beschluss vom 14.12.2010 - 1 ABR 19/10 - die Rechtsbeschwerden der CGZP, des Arbeitgeberverbandes Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) sowie der Bundesvereinigung Deutscher Dienstleistungsunternehmen e.V. (BVD) gegen den Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.12.2009 - 23 TaBV 1016/09 - zurückgewiesen hatte, wandte sich die Beklagte - veranlasst durch ein Schreiben eines ehemaligen Leiharbeitnehmers der Klägerin - mit Schreiben vom 19.10.2011 (Bl. 24 Verwaltungsakten) an die Klägerin und teilte u.a. mit, es sei die Durchführung einer Betriebsprüfung „zum Jahresende“ beabsichtigt, um die Equal-Pay-Ansprüche der Leiharbeitnehmer zu ermitteln. Nach Ankündigung (Schreiben vom 15.12.2011, Bl. 29 Verwaltungsakten) fand vom 13.02.2012 bis 15.02.2012 fand die Betriebsprüfung bei der Klägerin statt, im Rahmen derer die individuellen Equal-Pay-Ansprüche der Beschäftigten nicht ermittelt werden konnten, weil aus den Lohnunterlagen nicht ersichtlich war, an welche Entleiher die Mitarbeiter verliehen bzw. welche Tätigkeiten von diesen verrichtet wurden (vgl. Bl. 33 ff. Verwaltungsakten).
Nach Anhörung der Klägerin (Bl. 154 ff Verwaltungsakten) erklärte die Beklagte mit Bescheid vom 13.06.2013 (Bl. I 2 Verwaltungsakten) gegenüber der Klägerin, es ergebe sich für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2009 eine Nachforderung in Höhe von 646.444,89 € einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 133.027,50 €. Da das BAG die Tarifunfähigkeit der C1 festgestellt habe, seien die geschlossenen Tarifverträge ungültig. Dies habe sog. Equal-Pay-Ansprüche der betroffenen Beschäftigten zur Folge (§ 10 Abs. 4 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG - i.V.m. § 22 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV -), Beitragsbemessungsgrundlage für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge sei damit der Arbeitsentgeltanspruch eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers in dem Entleihbetrieb nach § 10 Abs. 4 AÜG. Für die Berechnung der nachzuzahlenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen seien grundsätzlich die auf den Equal-Pay-Ansprüchen beruhenden Arbeitsentgelte zu ermitteln. Dabei seien für jeden einzelnen Leiharbeitnehmer anhand des jeweils konkret zu errechnenden individuellen gesetzlichen Entgeltanspruchs die Beitragsdifferenzen zu ermitteln. Um die maßgeblichen Entgelte der vergleichbaren Stammbelegschaft der Entleiher konkret zu ermitteln, müssten alle Entleihzeiträume eines Beschäftigungsverhältnisses gesondert betrachtet werden. Hierfür seien entweder Mitteilungen der Entleiher über die Entlohnung vergleichbarer Stammarbeitnehmer einzuholen oder betriebliche bzw. tarifliche Vereinbarungen der Entleiher heranzuziehen. Im Rahmen der turnusmäßigen Betriebsprüfung in der Zeit vom 13.02.2012 bis 15.02.2012 seien keine Unterlagen vorgelegt worden, die für die Ermittlung der Equal-Pay-Ansprüche der verliehenen Arbeitnehmer zwingend benötigt würden. Angaben über die Vergütung der Stammbelegschaft bei den Entleihern seien klägerischerseits nicht eingeholt worden. Es seien - auch nicht auf wiederholte Aufforderung - keine Auskünfte über die Entleihbetriebe sowie über die ausgeübten Tätigkeiten der klägerischerseits verliehenen Arbeitnehmer erteilt worden. Aus diesem Grund sei die Höhe der maßgeblichen Arbeitsentgelte für jeden Leiharbeitnehmer nach § 28 f Abs. 2 Satz 3 SGB IV zu schätzen gewesen.
Im Rahmen der individuell-abstrakten Ermittlung der Bemessungsgrundlage seien anhand der gemeldeten Tätigkeitsschlüssel einzelne Arbeitnehmer folgenden Branchen zugeordnet worden: Maler- und Lackiererhandwerk, Chemische Industrie, Metallgewerbe/Elektrotechnik/Maschinen- und Fahrzeugbau. Für diese Arbeitnehmer seien vom Z1 am 17.01.2013 stichprobenhaft ausgewählte Brutto/Netto-Abrechnungen für einzelne Monate übersandt worden. Für das Maler- und Lackiererhandwerk sei im fraglichen Zeitraum der Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohns für allgemeinverbindlich erklärt worden. Als Equal-Pay-Anspruch sei ein Stundenlohn von 10,73 € zu Grunde gelegt worden. Dies entspreche dem Mindestlohn für gelernte Arbeitnehmer in Baden-Württemberg. Anhand der überlassenen Brutto/Netto-Abrechnungen sei eine durchschnittliche Differenz von 17,93 % zwischen den abgerechneten Bruttolöhnen und dem tariflichen Mindestlohn ermittelt worden. Das Statistische Bundesamt veröffentliche halbjährlich die Tariflöhne für diverse Branchen und Regionen. Diese Aufstellung umfasse auch die Tariflöhne für die Chemische Industrie in Baden-Württemberg und das Metallgewerbe in Nordwürttemberg und Nordbaden. Hinsichtlich der Beschäftigten im Metallgewerbe habe die Beklagte anhand der überlassenen Brutto/Netto-Abrechnungen eine durchschnittliche Differenz von 18,83 % zwischen den abgerechneten Bruttolöhnen und den Tariflöhnen des Metallgewerbes ermittelt. Für einen Mitarbeiter, der als Chemiebetriebswerker eingesetzt worden sei, habe sie einen Stundenlohn von 11,70 € als Equal-Pay-Anspruch zu Grunde gelegt. Damit ergebe sich eine Lohndifferenz von 60 %. Die Gruppenlohnsummen seien um Lohnzahlungen aufgrund von Zeiten (Stunden), in denen kein Equal-Pay-Anspruch bestanden habe (verleihfreie Zeiten, Krankheit, Urlaub etc.), bereinigt worden, indem pauschal 10 % in Abzug gebracht worden seien. Abschließend hätten sich die folgenden prozentualen Lohnabstände ergeben: Maler-und Lackiererhandwerk: 16,14 %, Metallgewerbe: 16,94 %, Chemische Industrie: 54 %.
Bei der Ermittlung der Arbeitsentgelte der übrigen Arbeitnehmer, bei denen die ausgeübte Tätigkeit nicht bekannt sei, ergebe sich unter Berücksichtigung einer Pauschale Folgendes: Nach den Ermittlungen der Beklagten betrage die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 24 %. Dieser Prozentwert gründe sich im Wesentlichen auf die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB) "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14.04.2011. Im klägerischen Betrieb sei die Beklagte allerdings von geringeren durchschnittlichen Differenzen zwischen den gezahlten Arbeitsentgelten und den Ansprüchen der Stammarbeitnehmer in Entleihbetrieben ausgegangen. Von der Z1 seien mit Schreiben vom 19.11.2012 Aufstellungen über die in der Zeit vom 01.12.2005 bis 31.12.2009 gezahlten Lohnarten und das Lohnjournal für den Monat Dezember 2005 zur Verfügung gestellt worden. Anhand der zur Verfügung gestellten Lohnartenwerte sei eine bereinigte Lohnsumme ermittelt worden. Auch hier seien verleihfreie Zeiten, Urlaubs- und Krankheitszeiten sowie gezahlte Zuschläge in Abzug gebracht worden. Die Lohndifferenz in Höhe von 24 % habe die Beklagte entsprechend dem Verhältnis von bereinigter Lohnsumme zur Bruttolohnsumme gekürzt. Die bereinigte Lohnsumme des Nachforderungszeitraums entspreche durchschnittlich 90,91 % der Bruttolohnsumme. Im Nachberechnungszeitraum seien die Arbeitsentgelte der Mitarbeiter, die aufgrund des gemeldeten Tätigkeitsschlüssels keinem konkreten Gewerbezweig hätten zugeordnet werden können, mit einem Durchschnittswert von 21,81 % multipliziert worden, um die beitragspflichtigen Differenzen personenbezogen zu ermitteln.
Es seien auch Säumniszuschläge zu erheben. Spätestens mit dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 sei der Klägerin bekannt, dass ihre Meldungen und Beitragsnachweise objektiv fehlerhaft gewesen seien. Sie könne nicht geltend machen, unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt zu haben. Ferner sei die Klägerin beklagtenseits aufgefordert worden, den Beschluss des BAG umzusetzen und die zu wenig gezahlten Beiträge nachzuberechnen. Dieser Aufforderung sei sie bislang nicht nachgekommen. Eine Nacherhebung der Beiträge durch die Beklagte sei im Rahmen der turnusmäßigen Betriebsprüfung im Februar 2012 nicht möglich gewesen, da entsprechende Unterlagen nicht vorgelegt worden seien. Säumniszuschläge seien daher zu berechnen.
Hiergegen legte die Klägerin am 11.07.2013 Widerspruch ein (Bl. II 1 Verwaltungsakten, weitere Begründung Bl. II 36 Verwaltungsakten) und trug vor, zu einer Schätzung sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, da keine Aufzeichnungspflichten verletzt worden seien. Da die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter durch einen Tarifvertrag geregelt gewesen seien, habe die Klägerin in ihren Arbeitsverträgen keine Angaben zur Entlohnung vergleichbarer Stammarbeitnehmer der Entleiher machen müssen. Vielmehr sei es Aufgabe der Beklagten gewesen, anhand der mitgeteilten Entleihbetriebe die damals dort geltenden vergleichbaren Löhne zu ermitteln. Außerdem seien im Rahmen einer Betriebsprüfung 2008 und mit Beitragsbescheid vom 10.12.2008 (Bl. 24 II Verwaltungsakten) bzw. auch mit Bescheid vom 20.02.2012 (Bl. 26 II Verwaltungsakten) die damals angewandten Tarifverträge der C1 nicht beanstandet worden, so dass aus Gründen der Rechtssicherheit eine Abänderung der damaligen bestandkräftigen und nicht aufgehobenen Beitragsbescheide unzulässig sei. Die Beitragsforderungen bis einschließlich 2007 seien im Übrigen verjährt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2014 (Bl. II 31 Verwaltungsakten) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin unter Wiederholung der bisherigen Begründung zurück. Nach § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV habe der prüfende Rentenversicherungsträger die Arbeitsentgelte zu schätzen, soweit er deren Höhe nicht oder nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand ermitteln könne. Es seien von der Klägerin keine Unterlagen vorgelegt worden, die für die Ermittlung der Equal-Pay-Ansprüche benötigt worden wären. Es habe hier ein objektiver Verstoß gegen die Aufzeichnungspflicht vorgelegen. Die Klägerin hätte nach § 12 Abs. 1 AÜG den schriftlich abzuschließenden Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher vorlegen müssen, worin der Entleiher die besonderen Merkmale der für den Leiharbeitnehmer vorgesehenen Tätigkeit, dessen berufliche Qualifikation sowie dessen Arbeitsbedingungen sowie -entgelt angeben müsse. Diese Verpflichtung zur Angabe der Arbeitsentgelte vergleichbarer Arbeitnehmer bestehe nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag das Arbeitsentgelt des Leiharbeitnehmers regele (§ 9 Nr. 2 AÜG). Vorliegend seien die Tarifverträge der C1 von Anfang an unwirksam gewesen, so dass die Entgeltunterlagen objektiv unvollständig seien. Die fehlenden Angaben über Arbeitsbedingungen und Arbeitsentgelte vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers hätten durch die Klägerin nachgeholt werden müssen.
Zur Verjährung hat die Beklagte ausgeführt, das BAG habe mit Beschluss vom 14.12.2010 festgestellt, dass die C1 nicht tariffähig sei. Die Beitragsansprüche, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des BAG noch nicht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjährt gewesen seien, verjährten in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien, wenn der Arbeitgeber seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21.06.1990 - 12 RK 13/89 - reiche es für die Annahme der 30-jährigen Verjährungsfrist aus, wenn der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht grundsätzlich nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Ab diesem Zeitpunkt liege zumindest bedingter Vorsatz im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV vor. Die Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 habe erhebliche Öffentlichkeitswirksamkeit entfaltet und sei auch über die arbeits- und sozialrechtliche Fachpresse hinaus in Tageszeitungen, Rundfunk, Fernsehen und im Internet weithin publiziert worden. Auch die in dieser Sache ergangenen Beschlüsse der Vorinstanzen seien in der Öffentlichkeit und auch innerhalb der Branche der Arbeitnehmerüberlassung eingehend diskutiert worden. Insoweit sei festzustellen, dass die Klägerin von den Inhalten und Wirkungen der BAG-Entscheidung Kenntnis gehabt habe. Ihr sei bekannt gewesen, dass ihre Arbeitnehmer auf Grund der Entscheidung des BAG rückwirkend Ansprüche auf vergleichbares Entgelt nach dem so genannten Equal-Pay-Prinzip hätten. Dieser Umstand ergebe sich aus ihrer Kenntnis der Regelungen des § 9 Nr. 2 AÜG. Denn sie habe bislang von der darin enthaltenen Tariföffnungsklausel Gebrauch gemacht, um vom gesetzlichen Equal-Pay-Prinzip abweichen zu können. Aus der Kenntnis höherer Lohnansprüche folge die Kenntnis höherer Beitragsansprüche. Deswegen liege ab Bekanntgabe der BAG-Entscheidung zumindest bedingter Vorsatz im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV vor, wenn die Klägerin als Zahlungspflichtige die Nichtabführung der Beiträge als mögliche Folge ihres Handelns oder Unterlassens erkannt und diesen Erfolg billigend in Kauf genommen habe. Besondere Umstände, die eine Verwirkung auslösten, lägen nicht vor. Die vorangegangene Betriebsprüfung schließe die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge ab dem 01.12.2005 nicht aus. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Beitragsverfahrensverordnung (BVV) könne die Prüfung der Aufzeichnungen nach den §§ 8 und 9 BVV auf Stichproben beschränkt werden. Das BSG habe in ständiger Rechtsprechung unter anderem mit Urteil vom 14.07.2004 - B 12 KR 1/04 R - entschieden, dass die Prüfbehörden bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet seien. Dies gelte gleichermaßen für die beitragsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelten. Das BSG führe weiterhin aus, dass Betriebsprüfungen unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck hätten, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollten einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstünden. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung komme den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezweckten insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm „Entlastung“ zu erteilen. Auch den Prüfberichten und Bescheiden komme keine andere Bedeutung zu. Die Betriebsprüfungen der Rentenversicherungsträger beschränkten sich nach § 11 Abs. 1 BVV auf Stichproben. Jeder Betriebsprüfer der Rentenversicherungsträger habe pro Jahr etwa 300 Betriebe zu prüfen und sich mit den unterschiedlichsten Aspekten des Sozialversicherungs‑, Steuer-, Arbeits- und Gesellschaftsrechts auseinander zu setzen. Man werde nicht ernsthaft verlangen können, dass er komplizierteste tarifrechtliche Probleme erkennen und den Arbeitgeber darauf hinweisen müsse. Zu dem Zeitpunkt, als die Problematik der Tariffähigkeit der C1 durch die zweitinstanzliche Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg eine besondere Dynamik entwickelt habe, seien die Betriebsprüfdienste der Rentenversicherungsträger durch Rundschreiben vom 17.12.2009 angewiesen worden, Betriebsprüfungsbescheide, die im Rahmen der turnusmäßigen Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV erteilt worden seien, insoweit unter Vorbehalt zu stellen. Mehr sei von den Trägern der Rentenversicherung nicht zu erwarten gewesen. Nun möge man einwenden, dass aber auch von den betroffenen Arbeitgebern eine weitergehende Kenntnis zu erwarten sei. Dabei müsse jedoch berücksichtigt werden, dass die Beitragsansprüche der Sozialversicherung gerade vor dem Hintergrund des § 22 SGB IV grundsätzlich nicht an die positive Kenntnis der Arbeitgeber gebunden seien, sondern einzig und alleine an das objektive Entstehen durch Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen anknüpften. Dem Umstand der unverschuldeten Unkenntnis werde dadurch Rechnung getragen, dass in diesen Fällen gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV keine Säumniszuschläge zu entrichten seien. Die vorangegangene Betriebsprüfung des Betriebsprüfdienstes der Beklagten vom 24.11.2008 bis 01.12.2008 für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2007 führe nicht zu einem „Verbot“ der erneuten Bescheidung für diesen Prüfzeitraum. Nach den genannten Grundsätzen bedürfe es vorliegend für eine Nachforderung, die nunmehr auf Feststellungen des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 resultiere, für einen früheren Prüfzeitraum nicht der Rücknahme des bereits bestandskräftig gewordenen vorangegangenen Bescheides vom 10.12.2008, da dieser bezogen auf die Feststellungen bezüglich des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 keine materielle Bindungswirkung entfalte. Mit dem Bescheid vom 10.12.2008 seien für den Zeitraum bis einschließlich 31.12.2007 keine konkreten personenbezogenen Feststellungen bezüglich des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 getroffen worden. Es sei insofern zulässig, ohne Anwendung des § 45 SGB X nachfolgend einen Bescheid nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV zu erlassen. Ausdrücklich werde im Bescheid vom 10.12.2008 erklärt, dass die Prüfung stichprobenartig erfolge (§ 11 BVV). Darüber hinaus sei keine Regelung getroffen worden, welche die ordnungsgemäße und vollständige Erfüllung aller Melde- und sonstigen Pflichten der Klägerin für den vorgenannten Zeitraum bestätigt habe. Der Sinn und Zweck einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV bestehe nicht darin, die Klägerin als Beitragsschuldnerin zu schützen oder ihr Entlastung zu erteilen. Sie habe bzw. hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt, Entscheidungen hinsichtlich versicherungs- und beitragsrechtlicher Fragen durch die Einzugsstellen herbeizuführen (§ 28h Abs. 2 SGB IV).
Die Klägerin hat gegen den ihr nach eigenen Angaben am 16.01.2014 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 07.01.2014 am 13.02.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben mit der Begründung, sie habe bis zu der rechtskräftigen Entscheidung des BAG im Dezember 2010 davon ausgehen können, dass die allgemein in der Branche angewandten Tarifverträge der C1 wirksam gewesen seien, und deshalb darauf vertrauen können, dass unabhängig von der in den Arbeitsverträgen vereinbarten Ausschlussklausel keine Beitragsnachforderungen für zurückliegende Zeiten geltend gemacht werden könnten. Dies auch deshalb, weil die Beklagte selbst während des gesamten Zeitraumes, für den nunmehr Beitragsnachforderungen geltend gemacht würden, bei ihren turnusmäßigen Betriebsprüfungen die Anwendung dieses Tarifvertrages akzeptiert und keine Bedenken gegen diese Entlohnung mitgeteilt habe. Des Weiteren werde gegenüber den Beitragsnachforderungen die Einrede der Verjährung erhoben. Im Zeitpunkt der im Jahre 2012 durchgeführten Betriebsprüfung seien eventuelle Beitragsnachforderungen für die Jahre bis einschließlich 2007 bereits verjährt. Da sie bis zu der Entscheidung des BAG und der anschließenden Entscheidung, mit der auch die Rückwirkung dieses Beschlusses bestätigt worden sei, gutgläubig gewesen sei, komme eine 30-jährige Verjährungsfrist für eventuelle Beitragsrückstände nicht in Betracht. Die jetzt berechnete Beitragsnachforderung gehe auch hinsichtlich der Höhe eventueller Gehaltsnachforderungen von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Sie unterstelle, dass die tatsächlichen Entgelte der Stammmitarbeiter der Entleiher pauschal um 24 % höher gewesen seien als die tatsächlich gezahlten Löhne, die nach dem unwirksamen Tarifvertrag berechnet wurden. Diese Erhöhung entspreche in keiner Weise dem tatsächlichen Lohnniveau der vergleichbaren Mitarbeiter der jeweiligen Entleiher. Die Beklagte sei auch aus Rechtsgründen nicht berechtigt, diese Lohndifferenzen zu schätzen. Nach § 28 f Abs. 2 SGB IV sei eine solche Schätzung nur zulässig, wenn den Arbeitgeber eine entsprechende Aufzeichnungspflicht treffe. Diese Aufzeichnungspflicht bestehe bei einem wirksamen eigenen Tarifvertrag des Arbeitgebers nicht. Während der Zeiten, die Gegenstand dieses Beitragsbescheides seien, habe sie aber noch von einem wirksamen Tarifvertrag ausgehen können, so dass sie während dieser Zeiten nicht verpflichtet gewesen sei, die beim Entleiher geltenden Löhne im Vertrag mit dem Leiharbeitnehmer festzuhalten.
Mit Urteil vom 18.12.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV habe der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstünden, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorlägen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach § 10 Abs. 4 AÜG sei der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Soweit ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag abweichende Regelungen treffe (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG), habe der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. Im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 2 AÜG habe der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben bestünden keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Die Entscheidung über die Tarifunfähigkeit der C1 entfalte dabei nicht nur Wirkungen für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit. Das BAG habe klargestellt, dass die Rechtssätze nicht auf die Zukunft beschränkt seien, sondern diese entsprechend dem Verfahrensgegenstand für die Beurteilung der Tariffähigkeit der C1 herangezogen worden seien. Daher sei festgestellt, dass die C1 seit ihrer Gründung nicht tariffähig gewesen sei. § 9 Nr. 2 AÜG setze aber einen zum Zeitpunkt der arbeitsvertraglichen Vereinbarung und während der Dauer des Arbeitsverhältnisses wirksamen Tarifvertrag voraus. Trotz fehlender Tariffähigkeit abgeschlossene „Tarifverträge“ seien von Anfang an unwirksam. Im Weiteren begründe oder beende die Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) dabei nicht erst die Tariffähigkeit, sondern stelle die Tariffähigkeit oder Tarifunfähigkeit nur fest. Das werde auch aus der Regelung in § 97 Abs. 5 ArbGG deutlich, wonach das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG auszusetzen habe, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits davon abhänge, ob eine Vereinigung tariffähig sei. Diese Verpflichtung zur Aussetzung des Verfahrens wäre weitgehend sinnlos und überflüssig, wenn die Entscheidung über die Tariffähigkeit oder Tarifunfähigkeit einer Vereinigung nur für die Zeit nach der Verkündung der Entscheidung von Bedeutung wäre. Damit wirke die Feststellung der Tariffähigkeit bzw. -unfähigkeit nicht konstitutiv, sondern lediglich deklaratorisch. Dies bedeute vorliegend, dass es der Klägerin nicht möglich gewesen sei, vom Equal-Pay-Grundsatz abzuweichen. Die Beklagte habe daher bei ihrer Entscheidung die Unwirksamkeit des Tarifvertrages unterstellen dürfen mit der Folge, dass die Klägerin als Verleiher nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet gewesen sei, ihren Leiharbeitnehmern für die Zeit der Überlassung an den Entleiher das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltende höhere Arbeitsentgelt zu gewähren. Der Beitragserhebung stehe auch kein Vertrauensschutz entgegen. Der Regelungsgehalt von Bescheiden über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen, die der Rentenversicherungsträger nach durchgeführter Betriebsprüfung gestützt auf § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV erlasse, erschöpfe sich in der Nachforderung der Beiträge und Umlagen, die der Arbeitgeber nach den Feststellungen der Betriebsprüfung schulde, aber noch nicht gezahlt habe. Eine den (geprüften) Arbeitgeber begünstigende Regelung des Inhalts, weitere Beiträge und Umlagen würden für den geprüften Zeitraum nicht (nach)erhoben, enthielten diese Bescheide nicht. Vielmehr hätten Betriebsprüfungen gemäß § 28p SGB IV unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung komme den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezweckten insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm „Entlastung“ zu erteilen. Die Betriebsprüfung sei in ihrer tatsächlichen Durchführung auf eine Entlastungsfunktion des Arbeitgebers auch nicht eingerichtet. Die Prüfbehörden seien selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet und dürften sich demzufolge auf Stichprobenprüfungen beschränken. Das lege § 11 Abs. 1 Satz 1 BVV - und zwar für den Regelfall - ausdrücklich so fest. Auch den Prüfberichten komme keine andere Bedeutung zu. Ihr Adressat sei nicht der Arbeitgeber. Sie hielten das Ergebnis der Prüfung vielmehr nur für den zuständigen, die Betriebsprüfung durchführenden Versicherungsträger fest und hätten nicht etwa die Funktion eines Entlastungsnachweises mit Außenwirkung. Im Übrigen gelte dies im Ergebnis auch für eine Prüfungsmitteilung. Der Beitragserhebung stehe auch nicht ein arbeitsrechtlicher Vertrauensschutz entgegen. Denn der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung werde nicht geschützt. Darüber hinaus habe die Klägerin von der Möglichkeit des § 10 Abs. 4 AÜG Gebrauch gemacht, indem sie den Tarifvertrag der C1 einbezogen habe. Damit sei sie von der gesetzlich vorgesehenen Regelung des gleichen Lohns für gleiche Arbeit abgewichen. Das damit verbundene und eingegangene Geschäftsrisiko habe die Klägerin bewusst in Kauf genommen. Sie könne sich daher nicht darauf berufen, nunmehr von der Unwirksamkeit des einbezogenen Tarifvertrages überrascht worden zu sein, vor allem, weil die von der C1 abgeschlossenen Tarifverträge von Anfang an nicht unumstritten gewesen seien. Die Klägerin könne auch nicht besser dastehen als ein Verleiher, der von Anfang an Equal-Pay geleistet oder einen unbestrittenen anderen Tarifvertrag von Anfang an angewandt habe. Die Verwirklichung eines bewusst eingegangenen Geschäftsrisikos habe derjenige zu tragen, der es eingegangen sei. Dem Beitragsbescheid stehe auch nicht ein sozialrechtlicher Vertrauensschutz entgegen. Es fehle an einem Verwirkungsverhalten der Beklagten. Sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer könnten aus vergangenen Betriebsprüfungen grundsätzlich keine Rechte herleiten. Auf Grund der stichprobenweise durchgeführten Prüfung habe die Klägerin nicht darauf vertrauen können, dass die durchgeführte Prüfung und dort nicht festgestellte Umstände der Schlusspunkt der Feststellungen für den Zeitraum seien. Auch könne daraus nicht ein Vertrauen auf die zutreffende Abführung der Beiträge auf der Grundlage des übertariflichen Lohns geschaffen werden. Auch aus dem Umstand einer nach Entscheidung des BAG angekündigten Prüfung ergebe sich nichts anderes. Für die Zeit davor fehle es an einem qualifizierten Element, das Vertrauen bei der Klägerin hätte bilden können. Allein die Nichtprüfung reiche zur Bildung von Vertrauen nicht aus. Auch eine Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung, von deren Maßgeblichkeit bisher nicht nur die Einzugsstellen der Beiträge, sondern auch die Beitragspflichtigen, insbesondere die selbst abrechnenden Arbeitgeber, ausgegangen seien und die sie deshalb ihrer Beitragsentrichtung zugrunde gelegt hätten, sei nicht gegeben. Eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die unmittelbar das Beitragsrecht betreffe, liege nicht vor. Da die erstmalige Befassung mit einer Rechtsfrage keine Änderung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung darstellen könne, könne auch ein Vertrauensschutztatbestand nicht vorliegen. Schließlich sei die Beklagte auch berechtigt, die Höhe der Beiträge zu schätzen. Beitragspflichtig sei nach den oben gemachten Ausführungen das Arbeitsentgelt in Höhe des Equal-Pay-Lohns nach § 10 Abs. 4 AÜG. Dieser berechne sich nach der Entlohnung der vergleichbaren Arbeitnehmer. Unerheblich sei dabei, ob die Klägerin in der Vergangenheit irrtümlich davon ausgegangen sei, dass die Leiharbeitnehmer lediglich nach den Tarifverträgen der C1 zu entlohnen gewesen seien und sie somit von einem anderen beitragspflichtigen Arbeitsentgelt ausgegangen sei. Denn hierbei handele es sich allenfalls um einen (unbeachtlichen) Rechtsirrtum. Entscheidend sei vielmehr, ob die Klägerin in objektiver Sicht hinter ihren Pflichten zurückgeblieben sei, auf ein Verschulden komme es vorliegend nicht an. Für eine solche Auslegung spreche auch, dass § 28f SGB IV nicht eine Sanktionierung des Arbeitgebers vorsehe, sondern der Behörde bei der Ermittlung der zutreffenden Höhe Hilfestellung leiste, wenn feststehe, dass höhere Beiträge dem Grunde nach zu fordern seien. Die Ermittlung der Arbeitsentgelte nach dem Equal-Pay-Grundsatz wäre für die Beklagte zumindest nur mit unverhältnismäßig großem Verwaltungsaufwand möglich gewesen. Gegen die Höhe der Schätzung sprächen ebenfalls keine Bedenken. Die mit dem angefochtenen Beitragsbescheid verfügte Beitragsforderung sei auch noch nicht verjährt. In der Frage der Verjährung von Beitragsforderungen unterscheide § 25 Abs. 1 SGB IV zwischen einer kurzen vierjährigen und einer langen dreißigjährigen Verjährungsfrist. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjährten Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjährten dagegen nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Die Verjährung werde aber durch eine Prüfung gehemmt (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 SGB IV). Als Beginn der Hemmung lege § 25 Abs. 2 Satz 4 SGB IV den Tag des Beginns der Prüfung fest. Darunter verstehe das Gesetz den Tag, an dem der oder die mit der Prüfung Beauftragte im Betrieb oder bei der Abrechnungsstelle erscheine, um die Prüfung vorzunehmen. Dass dies - und nicht etwa die Prüfankündigung - Beginn der Prüfung im Sinne des Gesetzes sei, ergebe sich aus dem Umkehrschluss zu § 25 Abs. 2 Satz 5 SGB IV: Müsse demnach der ursprünglich vorgesehene Termin verschoben werden, sei der in der Prüfankündigung vorgesehene Tag für den Eintritt der Hemmung maßgeblich, es sei denn, die prüfende Stelle habe den Umstand, dass die Prüfung nicht habe beginnen können, zu vertreten. Die Fälligkeit der Beiträge für Arbeitseinkommen richte sich nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Nach der aktuellen, seit dem 01.01.2006 geltenden Fassung würden solche Beiträge spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung ausgeübt worden ist. Nach der bis 31.12.2005 geltenden Fassung seien solche Beiträge spätestens am Fünfzehnten des Monats fällig, der dem Monat folge, in dem die Beschäftigung ausgeübt werde. Die Beiträge für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 seien somit im Januar 2006 fällig geworden, die Folgebeiträge im jeweiligen Monat, in dem die Beschäftigung ausgeübt worden sei. Für die Verjährung der Beiträge für die Zeit von Dezember 2005 bis Dezember 2006 wäre demzufolge unter Anwendung von § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV der 01.01.2011, diejenigen für das Jahr 2007 der 01.01.2012 und diejenigen für das Jahr 2008 der 01.01.2013 maßgebend. Im Weiteren sei darauf hinzuweisen, dass die anfänglich gegebenenfalls vorhandene Gutgläubigkeit keinen Vertrauensschutz begründe, wenn nach Fälligkeit, aber noch vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist Vorsatz hinzutrete. Insoweit reiche es aus, wenn der Beitragspflichtige die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten habe, er also seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Mit Beschluss vom 01.04.2009 - 35 BV 17008/08 - habe das ArbG Berlin festgestellt, dass die C1 nicht tariffähig sei. Mit Beschluss vom 07.12.2009 - 23 TaBV 1016/09 - habe das LAG Berlin-Brandenburg die Entscheidung im Wesentlichen bestätigt. Das BAG habe mit Beschluss vom 14.12.2010 - 1 ABR 19/10 - die Rechtsbeschwerden der CGZP, des AMP sowie der BVD gegen den Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 07.12.2009 - 23 TaBV 1016/09 - zurückgewiesen. Im Hinblick darauf, dass die Gültigkeit des Tarifvertrages der CGZP Geschäftsgrundlage der Klägerin gewesen sei, weil im Hinblick auf die Einbeziehung nur dessen Gültigkeit die Abweichung vom Equal-Pay-Grundsatz rechtfertigen könnte, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin von dem Inhalt der Gerichtsentscheidungen erst nach dem 31.12.2010 überrascht worden sei. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Klägerin spätestens ab dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 die dadurch bedingte höhere Beitragspflicht auch für die Vergangenheit für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Im Übrigen sei sogar bereits vor Einleitung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens vor dem ArbG Berlin auf die Thematik und hierbei auch ausdrücklich auf die möglichen Folgen unwirksamer Tarifregelungen in der herrschenden Kommentarliteratur zum AÜG hingewiesen worden.
Gegen das den Klägerbevollmächtigten am 19.01.2015 zugegangene Urteil (vgl. Bl. 305 SG-Akte) hat die Klägerin am 16.02.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingereicht (L 11 R 525/15). Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die jeweiligen Pflegekassen sowie die Bundesagentur für Arbeit beigeladen worden seien, da lediglich der Beitragseinzug betroffen sei (Schriftsatz Bl. 114 ff Akte L 11 R 525/15). Warum die IKK zweifach beigeladen worden sei, sei nicht verständlich. Unterlassen worden sei die Beiladung der K1 und der K2. Die Krankenkasse A1 trage nun den P1.
Mit Beschluss vom 27.04.2015 hat das LSG auf Antrag der Klägerin sowie der Beklagten im Hinblick auf ein Revisionsverfahren des BSG in einer vergleichbaren Rechtssache das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Dieses ist mit Schreiben der Beklagten vom 21.02.2017 wieder angerufen worden (L 11 R 726/17), dann jedoch wegen eines weiteren Revisionsverfahrens erneut zum Ruhen gebracht worden (Beschluss vom 23.08.2017). Am 21.09.2021 hat die Beklagte das Verfahren wiederangerufen, das nun unter dem Aktenzeichen L 11 R 3007/21 WA geführt wird.
Am 28.09.2021 hat die Beklagte einen Änderungsbescheid (Teilabhilfebescheid) erlassen und den Bescheid vom 13.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2014 hinsichtlich der verjährten Beitragsansprüche für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.12.2006 zurückgenommen. Hierdurch hatte sich die geforderte Nachforderung auf 495.449,83 € reduziert, darin enthalten waren 101.920,00 € Säumniszuschläge. Nach entsprechendem Hinweis der Berichterstatterin (Bl. 680 Senatsakte) hat die Beklagte mit Schreiben vom 22.02.2023 (Bl. 911 Senatsakte) ein Teilanerkenntnis mit dem Inhalt abgegeben, Beiträge für das Jahr 2007 nicht mehr zu erheben und auch auf die Säumniszuschläge vollumfänglich zu verzichten. Hierdurch hat sich die Forderung auf insgesamt 267.176,53 € reduziert. Eine Annahme dieses Teilanerkenntnisses durch die Klägerin ist nicht erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.12.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2014 in der Form des Bescheides vom 28.09.2021 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit diese über das Teilanerkenntnis vom 22.02.2023 hinausgeht.
Das BSG habe entschieden, dass sich die Beitragspflicht beim Equal-Pay-Arbeitsentgeltanspruch des § 10 Abs. 4 AÜG nach dem Entstehungsprinzip richte. Unerheblich sei, ob der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Lohnanspruch gegenüber dem Arbeitgeber auch geltend mache. Das BSG habe ausgeführt, dass nach § 10 Abs. 4 AÜG der Leiharbeitnehmer von seinem Verleiher die Gewährung der für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen könne, es sei denn, ein Tarifvertrag lasse abweichende Regelungen zu. Er zahle aufgrund dieser Gleichstellungspflicht nicht überobligatorisch, sondern in Erfüllung eines die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede korrigierenden gesetzlichen Entgeltanspruchs, der bereits mit der Überlassung der Leiharbeitnehmer und nicht erst mit seiner Geltendmachung entstehe. Dabei handele es sich nicht um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt. Das BSG bestätige auch die Auffassung der Rentenversicherungsträger, dass das Entgelt, wenn zwar eine personenbezogene Zuordnung, aber die genaue Bestimmung der Entgelthöhe nicht möglich sei, unter bestimmten Voraussetzungen personenbezogen geschätzt werden könne. Insbesondere werde die herangezogene Untersuchung „Lohndifferential Zeitarbeit" des (I1) vom 14.04.2011 als geeignete Schätzgrundlage akzeptiert, weil sie den vom BSG aufgestellten und zu beachtenden Voraussetzungen entspreche. Arbeitgeber hätten nach § 28f Abs. 1 Satz 1, 2 SGB IV für jeden Beschäftigten außerhalb privater Haushalte, getrennt nach Kalenderjahren, Lohnunterlagen im Geltungsbereich des SGB in deutscher Sprache zu führen. Diese Pflicht sei verletzt, wenn der Arbeitgeber die erforderlichen Aufzeichnungen ganz oder teilweise unterlasse, wobei es nicht darauf ankomme, ob ihn ein Verschulden treffe.
Die Beigeladenen haben jeweils keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat - über das Teilanerkenntnis der Beklagten hinaus, wonach nunmehr keine Beiträge mehr für das Jahr 2007 und auch keine Säumniszuschläge mehr geltend gemacht werden - keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig. Statthafte Klageart ist vorliegend die auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 13.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2014 in der Form des Bescheides vom 28.09.2021 gerichtete Anfechtungsklage.
Da die Beklagte am 22.02.2023 im Wege eines Teilanerkenntnisses von der Geltendmachung von Säumniszuschlägen sowie der Beitragserhebung für das Jahr 2007 Abstand genommen hat, die Klägerin dieses Anerkenntnis jedoch nicht angenommen hat, war hierüber im Wege des Teilanerkenntnisurteils zu entscheiden und der angefochtene Bescheid entsprechend teilweise aufzuheben (§ 202 SGG in Verbindung mit § 307 Satz 1 Zivilprozessordnung [ZPO], vgl. BSG 08.09.2015, B 1 KR 1/15 R, BSGE 119, 293-297, SozR 4-1500 § 101 Nr. 2, SozR 4-1750 § 307 Nr. 1, Rn. 12). Im Übrigen ist der Beitragsbescheid vom 13.06.2013 in seiner jetzt durch den Änderungsbescheid bzw. das Teilanerkenntnis gefundenen Form rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Für den Erlass des die Beitragsfestsetzung regelnden Verwaltungsakts war die Beklagte sachlich zuständig. Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 und 5 SGB IV i.d.F. der Bekanntmachung vom 12.11.2009 (BGBl. I 3710) prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre, und erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Die Beklagte war als Rentenversicherungsträgerin auch zur Überwachung des Umlageverfahrens nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und zum Erlass eines entsprechenden Umlagebescheids befugt. § 10 AAG stellt die Beiträge zum Ausgleichsverfahren insoweit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung gleich (BSG 27.04.2021, B 12 R 18/19 R, SozR 4-7815 § 10 Nr. 4; BSG 04.09.2018, B 12 R 4/17 R, BSGE 126, 226 = SozR 4-7815 § 10 Nr. 3, Rn. 10; BSG 26.09.2017, B 1 KR 31/16 R, BSGE 124, 162 = SozR 4-7862 § 7 Nr. 1, Rn. 11).
Entgegen dem Vortrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren stehen dem Nachforderungsbescheid der Beklagten nicht die vorangegangenen im Rahmen von Betriebsprüfungen ergangenen Bescheide vom 10.12.2008 (Bl. 24 II Verwaltungsakten, Prüfzeitraum vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2007) bzw. vom 20.02.2012 (Bl. 26 II Verwaltungsakten, Prüfzeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2011) entgegen. Diese entfalten keine Bindungswirkung, die eine Aufhebung nach §§ 44 ff. SGB X erfordert hätten (s. hierzu BSG 04.09.2018 a.a.O. Rn. 13). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ergibt sich eine materielle Bindungswirkung lediglich insoweit, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) in der Vergangenheit im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden. Eine - wie hier im Wesentlichen - beanstandungsfrei verlaufene Betriebsprüfung vermittelt keinen Bestandsschutz gegenüber einer späteren Beitragsforderung (vgl. auch BSG 18.11.2015, B 12 R 7/14 R, juris). Zudem hat die Beklagte in dem Bescheid vom 20.02.2012 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Überprüfung der Beitragszahlung aus Equal-Pay-Ansprüchen gesondert erfolgen wird.
Die Beklagte hat die Nachforderung - nach entsprechender Anhörung - zu Recht festgesetzt (vgl. hierzu und zum Folgenden ausführlich BSG 27.04.2021, B 12 R 18/19 R, juris; BSG 04.09.2018, B 12 R 4/17 R, juris; BSG 18.01.2018, B 12 R 3/16 R, juris). Maßgebend für die Beitragsbemessung ist das den Arbeitnehmern nach dem Entstehungsprinzip arbeitsrechtlich geschuldete Arbeitsentgelt, auf das Arbeitgeber - und hier somit die Klägerin als Verleiherin im Rahmen erlaubter Arbeitnehmerüberlassung (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG, hier in der Fassung vom 23.12.2002, G. v. 23.12.2002 I 4607) - den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen hat (§ 28d Satz 1 und 2, § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Der Beitragsbemessung liegt in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrunde (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V). Dabei gilt im Beitragsrecht der Sozialversicherung für laufend gezahltes Arbeitsentgelt das sog. Entstehungsprinzip (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Danach entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Maßgebend für das Entstehen von an das Arbeitsentgelt Beschäftigter anknüpfenden Beitragsansprüchen ist damit allein das Entstehen des arbeitsrechtlich geschuldeten Entgeltanspruchs ohne Rücksicht darauf, ob, von wem und in welcher Höhe dieser Anspruch im Ergebnis durch Entgeltzahlung erfüllt wird. Der Zufluss von Arbeitsentgelt ist nur entscheidend, soweit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr leistet als unter Beachtung der gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen Regelungen geschuldet ist, also überobligatorische Zahlungen erbracht werden. Unerheblich ist auch, ob der einmal entstandene Entgeltanspruch vom Arbeitnehmer (möglicherweise) nicht mehr realisiert werden kann (BSG 27.04.2021 a.a.O. Rn. 15 m.w.N). Die Höhe des arbeitsrechtlich geschuldeten Lohnes richtet sich nach § 10 Abs. 4 AÜG (i.d.F. des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 <BGBl I 4607> bis 29.04.2011, alte Fassung [a.F.]), wonach der Leiharbeitnehmer im Fall der Unwirksamkeit der Vereinbarung mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 2 AÜG von diesem die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen kann. Unwirksam sind nach § 9 Nr. 2 AÜG a.F. Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen, es sei denn, ein Tarifvertrag lässt abweichende Regelungen zu.
Einen solchen (wirksamen) Tarif gibt es vorliegend nicht. Wie das BSG unter Bezugnahme auf die arbeitsrechtliche Rechtsprechung ausgeführt hat, waren die hier in Bezug genommenen Tarifverträge der C1 von Anfang an wegen fehlender Tariffähigkeit der C1 bei Abschluss dieser Verträge unwirksam (s. hierzu nur BSG 27.04.2021 a.a.O. und BSG 16.12.2015, B 12 R 11/14 R, SozR 4-2400 § 28p Nr. 6). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Auf Vertrauensschutz nach Art. 20 Abs. 3 GG bzw. auf europarechtlicher Grundlage kann sich die Klägerin nicht berufen, wie das BSG in den genannten Entscheidungen ausführlich und überzeugend begründet hat.
Die von der Beklagten getroffene Schätzung der Arbeitsentgelte ist nicht zu beanstanden. Als prüfender Träger der Rentenversicherung war die Beklagte nach § 28f Abs. 2 Satz 1 bis 3 SGB IV zur Schätzung berechtigt wegen Verletzung der Aufzeichnungspflichten und weil die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand zu ermitteln waren. Die Schätzbefugnis gilt im Fall der Verletzung von Aufzeichnungspflichten nicht nur, wenn die Lohnsumme für den Erlass eines Summenbescheids i.S. des § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV nicht festgestellt werden kann, sondern auch, wenn zwar eine personenbezogene Zuordnung, nicht aber die genaue Bestimmung der Entgelthöhe möglich ist (BSG 27.04.2021, B 12 R 18/19 R, juris, unter Verweis auf BSG 04.09.2018, B 12 R 4/17 R, juris). Entgegen den Ausführungen der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren verletzte sie die Aufzeichnungspflichten, auch wenn sie davon ausging, ihr oblägen wegen der Tarifverträge keine. Arbeitgeber haben nach § 28f Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IV für jeden Beschäftigten außerhalb privater Haushalte, getrennt nach Kalenderjahren, Lohn-/Entgeltunterlagen im Geltungsbereich des SGB in deutscher Sprache zu führen. Diese Pflicht ist verletzt, wenn der Arbeitgeber die erforderlichen Aufzeichnungen ganz oder teilweise unterlässt, wobei es nicht darauf ankommt, ob ihn ein Verschulden trifft (BSG 04.09.2018 a.a.O. Rn. 20 m.w.N.) - und damit zugleich irrelevant ist, ob der Arbeitgeber meint, aufgrund Tarifvertrags nicht zu entsprechender Aufzeichnung verpflichtet zu sein. Einem Unterlassen vollständiger Aufzeichnung steht es gleich, wenn eine ausreichende Mitwirkung des Verleihers zur (nachträglichen) Feststellung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts unterbleibt (BSG 27.04.2021 a.a.O. m.w.N.). Festzustellen war hier das Arbeitsentgelt, das die Leiharbeitnehmer erhalten hätten, wenn sie in der gleichen Zeit für die gleiche Tätigkeit unmittelbar beim Entleiher eingestellt worden wären. Die Klägerin hat hingegen - aus ihrer Sicht konsequent - die Lohn-/Entgeltunterlagen auf Basis der tatsächlich gezahlten Vergütung und damit unzutreffend geführt. Unterlagen dazu, welches Arbeitsentgelt Arbeitnehmer bei den Entleihern zu erwarten gehabt hätten - abhängig von beruflicher Qualifikation, der Tätigkeit und den Arbeitsbedingungen, vgl. § 12 Abs. 1 AÜG a.F. -, fehlen und wurden auch nicht nachgereicht. Da eine Ermittlung der Arbeitsentgelte durch die Beklagte mangels Kenntnis der Entleihbetriebe, der dort ausgeübten Tätigkeiten sowie die Vergütung der Stammbelegschaft nicht möglich war, durfte sie diese schätzen. Eine Schätzung ist so exakt vorzunehmen, wie dies bei noch verhältnismäßigem Verwaltungsaufwand möglich ist, und nicht zu beanstanden, wenn sie auf sorgfältig ermittelten Tatsachen gründet und nachvollziehbar ist, weil sie insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (BSG 27.04.2021 a.a.O. unter Verweis auf BSG 04.09.2018, B 12 R 4/17 R, juris Rn. 23). Die hier vorliegende Schätzung, die sich detailliert und nachvollziehbar dem angefochtenen Bescheid vom 13.06.2013 entnehmen lässt und vornehmlich auf stichprobenartig überlassenen Brutto/Netto-Abrechnungen des Z1 beruht, die mit den Tariflöhnen verglichen wurden, bzw. unter Heranziehung der Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB) „Lohndifferenzial Zeitarbeit“ vom 14.04.2011 (vgl. hierzu BSG 04.09.2018 a.a.O. Rn. 23) erfolgte, ist nicht zu beanstanden. Gegenteiliges wurde auch von der Klägerin nicht substantiiert vorgetragen.
Nachdem die Beklagte zuletzt im Rahmen ihres Teilanerkenntnisses nur noch Beiträge ab 2008 erhoben hat, ist auch keine Verjährung eingetreten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und trägt der durch die Beklagte vorgenommene Reduzierung der Nachforderung von zunächst 646.444,89 € auf nunmehr nur noch 267.176,53 € Rechnung. Die Beigeladenen haben - mit Ausnahme der Beigeladenen Nr. 23 und 24 in der ersten Instanz (Bl. 132 SG-Akte, Antrag auf Klageabweisung) - keine Anträge gestellt, weshalb sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO). Die Beigeladenen Nr. 23 und 24, die in der ersten Instanz Klageabweisung beantragt hatten, haben gegen die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten entsprechend der Kostenquote von 40%. Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 47, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 505/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3007/21 WA
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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