L 11 EG 1050/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 EG 78/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 1050/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.02.2021 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von im 1. und 12. Lebensmonat des Kindes gewährten Elterngeldes streitig.

Der 1984 geborene Kläger und seine 1985 geborene Ehefrau beantragten (Basis-)Elterngeld anlässlich der Geburt ihres Sohnes L1 am 01.10.2017. In dem Fragebogen an beide Elternteile, der von dem Kläger am 02.12.2017 unterzeichnet wurde, beantragte die Mutter durch Ankreuzen der entsprechenden Kästchen Elterngeld für die Lebensmonate 2 bis 11 und 13 bis 14 und der Kläger Elterngeld für die Lebensmonate 1 und 12 des Kindes. Der Kläger gab in einem weiteren Fragebogen an, er habe in dem Zeitraum, für den er Elterngeld beantrage, voraussichtlich kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit.

Mit Bescheid vom 21.12.2017 bewilligte ihm die Beklagte Basiselterngeld für den 1. und 12. Lebensmonat in Höhe von jeweils 1.358,91 €. Die Zeiträume wurden hierbei datumsmäßig bezeichnet (01.10. bis 31.10.2017 und 01.09. bis 30.09.2018). Da die Höhe des Einkommens im Bezugszeitraum noch nicht feststehe, werde Elterngeld nur vorläufig auf Basis des vom Kläger prognostizierten Einkommens zugesagt. Nach Ablauf des Bezugszeitraumes werde die Höhe des Elterngeldanspruchs endgültig festgelegt. Soweit sich aufgrund des endgültigen Nachweises ein geringerer Elterngeldanspruch ergebe, müsse der Kläger die Differenz zurückzahlen. Änderungen der für den Anspruch auf Elterngeld maßgeblichen Voraussetzungen seien unverzüglich mitzuteilen.

Mit Schreiben vom 26.11.2018 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage der „Arbeitgeberbescheinigung nach Geburt“ auf. Aus der daraufhin vorgelegten Bescheinigung der D1 GmbH vom 21.02.2019 ergibt sich, dass der Kläger im Oktober 2017 und im Oktober 2018 nicht gearbeitet sowie im Oktober 2018 ein steuerpflichtiges Bruttoeinkommen in Höhe von 292,82 € erzielt hat. In einer telefonischen Rücksprache mit dem Kläger teilte dieser mit, seine Elternzeit nicht im 12., sondern im 13. Lebensmonat genommen zu haben. Er habe vergessen, dies mitzuteilen. Nach Aufforderung durch die Beklagte reichte der Kläger sodann unter dem 11.03.2019 das Formular „Neufestlegung des Bezugszeitraums“ ein und gab hierin an, in den Zeiträumen vom 01.10. bis 01.11.2017 und vom 01.10. bis 01.11.2018 kein Einkommen erzielt zu haben. Er habe lediglich 296,82 € für die Nutzung des Geschäftswagens erhalten.

Mit Schreiben vom 26.04.2019 bat die Beklagte den Kläger um Mitteilung, wann sich die Elternzeit vom 12. auf den 13. Lebensmonat verschoben habe und aus welchem Grund. Die Ehefrau des Klägers teilte hierzu am 04.09.2019 mit, sie habe wohl schon bei Antragstellung den falschen Monat angekreuzt. Zudem teilte sie mit Schreiben vom 12.09.2019 unter Vorlage einer Bestätigung der D1 GmbH vom 09.09.2019 über die in Anspruch genommene Elternzeit in den Zeiträumen vom 01.10. bis 01.11.2017 und vom 01.10. bis 01.11.2018 mit, das Häkchen sei versehentlich falsch gesetzt worden. Gemeint gewesen sei beide Male der Geburtsmonat ihres Kindes.

Mit Änderungsbescheid vom 24.09.2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie habe seinen Anspruch auf Elterngeld überprüft. Es bestehe im 12. Lebensmonat kein Anspruch auf Elterngeld, da seine Erwerbstätigkeit in diesem Lebensmonat im Durchschnitt 30 Wochenstunden überstiegen habe. Elterngeld könne rückwirkend höchstens für die letzten 3 Monate vor dem Monat des Antragseingangs gezahlt werden. Der Kläger habe den Antrag auf Elterngeld für den 13. Lebensmonat erstmals am 07.03.2019 gestellt. Da die Antragstellung nicht fristgerecht erfolgt sei, könne für den 13. Lebensmonat kein Elterngeld gezahlt werden. Das Gesetz sehe die Zahlung von Elterngeld nur für mindestens 2 Monate vor. Der Kläger erfülle die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Elterngeld nicht für 2 Monate. Es könne deshalb kein Elterngeld gewährt werden. Der Bescheid vom 21.12.2017 werde aufgehoben. Dem Kläger sei 2.717,82 € zu viel Elterngeld gezahlt worden. Der Kläger müsse dieses erstatten.

Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 11.10.2019 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, er habe leider anstelle des 13. Lebensmonats den 12. Lebensmonat seines Sohnes angegeben. Er habe die Bestätigung der Beklagten nicht sachgemäß geprüft. Hierfür möchte er sich entschuldigen. Dieser Fehler sei ihm erst aufgefallen, als Fragen bezüglich der Arbeitgeberbescheinigung aufgekommen seien. Es sei nie seine Absicht gewesen, den beantragten Zeitraum eigenmächtig zu ändern. In jedem Telefonat sei ihm gesagt worden, dass dies kein Problem sei und er nur der Form halber einen neuen Antrag ausfüllen müsse. Er habe im 1. und 13. Lebensmonat keinerlei Einkommen erzielt. Die 296,82 € seien lediglich für die Versteuerung seines Geschäftswagens, welche ihm im November 2018 entsprechend abgezogen worden seien. Eine Rückerstattung würde ein finanzielles Fiasko für seine junge Familie bedeuten. Letztlich habe er 2 Monate beantragt und 2 Monate in Anspruch genommen.


Mit Schreiben vom 13.11.2019 hörte die Beklagte den Kläger noch zur Aufhebung der Bewilligung von Elterngeld an. Hierauf wurde der Widerspruch noch weiter - nunmehr von seinem Prozessbevollmächtigten - begründet und mitgeteilt, der Bescheid vom 21.12.2017 habe nicht seinem wirklichen Willen entsprochen. Er habe diesen Fehler leider nicht rechtzeitig gemerkt. Es könnte nun der Bescheid vom 24.09.2019 aufgehoben und der Bescheid vom 21.12.2017 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen und Elterngeld mit den neuen Daten rückwirkend neu bewilligt werden. § 44 SGB X finde auch im Elterngeldrecht Anwendung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2019 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf das bewilligte Elterngeld, da er im 12. Lebensmonat entgegen § 1 Abs. 1 Nr. 4 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) eine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt und entgegen § 4 Abs. 5 Satz 2 BEEG infolgedessen nicht für mindestens 2 Monate Elterngeld in Anspruch genommen habe. Der Änderungsantrag sei erst am 12.04.2019 und damit nach Ablauf des ursprünglich beantragten Bezugszeitraums bei ihr eingegangen. Eine Änderung könne daher nach dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 2 BEEG nicht mehr erfolgen. Der behauptete Formfehler rechtfertige keine andere Beurteilung, da eine grundsätzlich mögliche wirksame Anfechtung der im Elterngeldantrag enthaltenen Willenserklärung wegen Fristablaufs nicht mehr möglich gewesen sei. Der Kläger habe bereits mit Bescheid vom 21.12.2017 Kenntnis über die Bewilligung des Elterngeldes für den 1. und den 12. Lebensmonat erhalten. Diesem Bescheid habe er die Zeiträume, für die Elterngeld gewährt werde, entnehmen können. Die zweiwöchige Anfechtungsfrist habe der Kläger versäumt, da er die Beklagte erst am 07.03.2019 über den Irrtum informiert habe. § 44 SGB X finde keine Anwendung, da es sich bei dem Bewilligungsbescheid vom 21.12.2017 um einen begünstigenden Verwaltungsakt handele. Da zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung am 21.12.2017 das Einkommen im Bezugszeitraum noch nicht festgestanden habe, sei Elterngeld nur vorläufig festgesetzt worden. Mit Bescheid vom 24.09.2019 sei nunmehr eine endgültige Festsetzung erfolgt. Da die Auszahlung des Elterngeldes nur vorläufig erfolgt sei, habe der Kläger mit einer Anspruchsänderung rechnen müssen. Auf einen gutgläubigen Verbrauch der Leistung könne sich der Kläger daher nicht berufen. Hierbei sei unerheblich, aus welchen Gründen die vorläufige Bewilligung nicht mehr zutreffend sei. Die Anrechnung der vorläufig bewilligten Beträge auf die endgültig zustehenden und die Rückforderung der zu Unrecht gezahlten Beträge erfolge gemäß § 26 Abs. 2 BEEG in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Hiernach seien die auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der endgültigen Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt werde, seien auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten. Da die Auszahlung des Elterngeldes aufgrund dieses Bescheides nur vorläufig erfolgt sei, habe der Kläger mit einer Anspruchsänderung nach endgültiger Festsetzung rechnen müssen. Diesbezüglich genieße er keinen Vertrauensschutz. Auch entfalle in diesen Fällen eine Ermessensprüfung.

Hiergegen hat der Kläger am 10.01.2020 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und u.a. den an seine Arbeitgeberin adressierten Antrag auf Elternzeit vom 10.08.2017 vorgelegt, worin er für die Zeiträume vom 30.09. bis 29.10.2017 und 30.09. bis 29.10.2018 Elternzeit aufgrund des errechneten Geburtstermins am 30.09.2017 beantragt habe. Er habe sich über die Bewilligung des Elterngeldes und die Höhe gefreut und dabei übersehen, dass die Bewilligung für den Zeitraum vom 01.09. bis 30.09.2018 erfolgt sei und damit nicht seinem Willen entsprochen habe. Bei dieser Sachlage hätte die Beklagte den Bescheid vom 21.12.2017 nach § 44 SGB X zurücknehmen und Elterngeld für den Zeitraum vom 01.10. bis 31.10.2017 und 01.10. bis 31.10.2018 neu bewilligen können. Der Bescheid sei insoweit nicht begünstigend, als er von seinem wirklichen Willen, den er mit seinem Antrag habe verwirklichen wollen, abgewichen sei. Dies zeige sich bereits daran, dass er auf diesen Antrag im Ergebnis gar kein Elterngeld habe erhalten können. Zu berücksichtigen sei, dass das Formular, das die Beklagte verwende, den Irrtum begünstigte, weil dort nicht nach Datum, sondern nur nach Lebensmonaten des Kindes Elterngeld beantragt werden könne.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das SG hat mit Urteil vom 11.02.2021 den Bescheid vom 24.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2019 insoweit aufgehoben, als die Beklagte die Elterngeldbewilligung für den ersten Lebensmonat des Kindes aufgehoben und hierfür 1.358,91 € zurückgefordert hat. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Bewilligung von Elterngeld für den 12. Lebensmonat des Kindes zurückzunehmen, da der Kläger in diesem Monat Einkommen erzielt und die Voraussetzungen nicht erfüllt habe. Die Rücknahme für den 1. Lebensmonat des Kindes sei jedoch aus Vertrauensschutzgründen rechtswidrig gewesen. Insoweit sei der angefochtene Bescheid aufzuheben gewesen. Nach einer vorläufigen Zahlung des Elterngeldes könne die Beklagte nach § 8 Abs. 3 BEEG in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III abschließend entscheiden, dass ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe bestanden habe, und erbrachte Leistungen zurückfordern, wenn die berechtigte Person im Bezugszeitraum Einkommen aus Erwerbstätigkeit gehabt habe. Habe - wie im vorliegenden Fall - nicht nur der Höhe nach, sondern auch dem Grunde nach wegen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit über 30 Wochenstunden kein Anspruch auf Elterngeld bestanden, erfolge die Rücknahme des die vorläufigen Zahlungen bewilligenden Bescheides dagegen nach den §§ 45, 48 SGB X. Selbst bei einer Umdeutung des angefochtenen Bescheids in einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid nach §§ 45, 48 SGB X sei die Aufhebung der Bewilligung für den 1. Monat rechtswidrig, da dem Kläger insoweit keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne. Auch wenn der Kläger die Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Elterngeld für den Monat September 2018 habe kennen müssen, da er verpflichtet gewesen sei, die ergangenen Bescheide und Merkblätter zu lesen, und ihm daher grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, umfasse diese Bösgläubigkeit nicht die Bewilligung von Elterngeld für den Monat Oktober 2017. Auch wenn dem Kläger sein „Denkfehler“ beim Durchlesen des Bescheides hätte auffallen müssen, führe dies nicht dazu, dass ihm hätte klar sein müssen, dass er damit auch für den 2. Lebensmonat des Kindes keinen Elterngeldanspruch wegen fehlender Mindestbezugsdauer haben würde. Von einem Laien könne nicht erwartet werden, dass er diese weitergehenden Erwägungen anstelle und diesen Schluss ziehe. Auch bei naheliegenden Überlegungen hätte sich dies ihm nicht aufdrängen müssen, da er für 2 Monate Elternzeit in Anspruch genommen und einen entsprechenden Einkommensverlust gehabt habe. Das Urteil wurde den Beteiligten am 23.02.2021 zugestellt, die um die Unterschrift der Richterin ergänzte Ausführung jeweils am 15.06.2021.

Gegen das Urteil hat die Beklagte am 19.03.2021 Berufung und der Kläger am 03.05.2021 Anschlussberufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.

Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, das Urteil des SG Reutlingen sei rechtsfehlerhaft, soweit es für die Rückforderung des Elterngeldes für den ersten Lebensmonat die Anwendbarkeit der §§ 26 Abs. 2 BEEG i.V.m. § 328 Abs. 3 SGB III und § 39 Abs. 2 SGB X verneine und stattdessen von einer Rückforderung nach §§ 45 oder 48 SGB X ausgehe. Es verstoße hierbei sowohl gegen den eindeutigen Wortlaut von § 328 SGB III und § 39 Abs. 2 SGB X als auch gegen die eindeutige Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg (vgl. Urteil vom 21.01.2014, L 11 EG 2860/12) sowie des Bundessozialgerichts (BSG). Das SG Reutlingen verkenne insoweit die Bedeutung von § 39 Abs. 2 SGB X als eigenständiger Rechtsgrundlage und übersehe auch, dass der Elterngeldbescheid der Beklagten vom 21.12.2017 durch den Änderungsbescheid vom 24.09.2019 insgesamt und nicht nur hinsichtlich des 12. Lebensmonats aufgehoben worden sei. Dies ergebe sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Änderungsbescheids. Auch wäre eine Teilaufhebung hier mangels Einhaltung der Mindestbezugszeit des Elterngeldes schon gesetzlich ausgeschlossen gewesen, nachdem der 12. Lebensmonat wegen der Vollzeiterwerbstätigkeit des Klägers als Bezugsmonat entfallen sei. Die Rückforderung des aufgrund eines vorläufigen Bescheids bewilligten Elterngelds könne jedenfalls allein auf § 26 Abs. 2 BEEG i.V.m. § 328 Abs. 3 SGB III und § 39 Abs. 2 SGB X gestützt werden, da es sich insoweit um eine eigenständige Rechtgrundlage handele, die eine Anwendung der §§ 44 ff. SGB X gerade ausschließe bzw. verdränge. Die vom SG Reutlingen zitierte, jedoch nicht näher ausgeführte Literaturmeinung zur Anwendbarkeit von § 45 SGB X statt von § 39 Abs. 2 SGB X (Wiegand, BEEG, Kommentierung zu § 8 Abs. 3 [Rn. 12]) für den Fall, dass auch dem Grunde und nicht nur der Höhe nach kein Elterngeldanspruch bestehen solle, lasse sich mit dem insoweit eindeutigen Wortlaut von § 328 Abs. 3 SGB III in keiner Weise vereinbaren. Denn gemäß § 328 Abs. 3 SGB III seien aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen ausdrücklich auch dann zu erstatten, wenn mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht zuerkannt werde. Der Anwendungsbereich von § 328 Abs. 3 SGB III werde somit gerade nicht auf die Fälle beschränkt, in denen der Elterngeldanspruch durch die endgültige Entscheidung lediglich verringert werde, sondern gerade auch, wenn er vollständig entfalle. Nach dem Wortlaut von § 328 Abs. 3 SGB III gelte dies auch unabhängig davon, ob der Anspruch dem Grunde nach oder nur der Höhe nach vollständig entfallen sei. Die Pflicht des Klägers zur Erstattung des durch Bescheid von 21.12.2017 sowohl für den 1. als auch für den 12. Lebensmonat bewilligten Elterngeldes gelte somit nicht nur nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, sondern auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, da mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch überhaupt nicht zuerkannt worden sei. Zwar ergebe sich aus dem Begriff „soweit" in § 39 Abs. 2 SGB X, dass grundsätzlich auch eine teilweise Aufhebung eines Verwaltungsakts in Betracht kommen könne. Eine Teilaufhebung wegen teilweiser Rechtswidrigkeit sei jedoch nur zulässig, wenn der verbleibende Teil rechtmäßig bestehen bleiben könne und anzunehmen sei, dass er entweder als solcher von der Behörde erlassen worden oder dass die Behörde unabhängig hiervon verpflichtet gewesen wäre, den Verwaltungsakt ohne den fehlerhaften Teil zu erlassen. Ein solcher Fall liege hier jedoch gerade nicht vor. Denn aufgrund der in § 4 Abs. 5 Satz 2 BEEG gesetzlich geforderten Mindestbezugszeit des Elterngeldes hätte die Beklagte dem Kläger hier unter keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt Elterngeld allein für den 1. Lebensmonat seines Kindes vom 01.10.2017 bis 31.10.2017 bewilligen dürfen. Stelle sich erst später heraus, dass die an sich erreichbare Mindestbezugszeit nicht erreicht werde, führe dies grundsätzlich rückwirkend zu einem Wegfall des Elterngeldanspruchs auch für den Monat, in welchem die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen noch vorgelegen hätten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.02.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.02.2021 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Änderungsbescheids vom 24.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2019 zu verurteilen, den Bescheid vom 21.12.2017 abzuändern und dem Kläger Elterngeld in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 01.10. bis 31.10.2017 und vom 01.10. bis 31.10.2018 zu gewähren.

Zur Begründung hat er ausgeführt, ihm sei bereits bei der Stellung des Antrags auf Elterngeld nicht klar gewesen, dass der von ihm beantragte zweite Zeitraum nicht die Zeit vom 01.10. bis 31.10.2018 umfasst habe, sondern die Zeit vom 01.09. bis 30.09.2018. Dementsprechend habe er auch für die Zeit vom 01.10. bis 31.10.2018 Elternzeit bei seinem Arbeitgeber beantragt. Dieser Denkfehler sei ihm auch bei Erhalt des Bescheids vom 21.12.2017 nicht aufgefallen. Dem Denkfehler, dass der 12. Lebensmonat nicht nach 12 Monaten, sondern bereits nach 11 Monaten beginne, sei nicht nur ihm und seiner Ehefrau, sondern auch nicht ganz wenigen anderen Antragsstellern unterlaufen. Das Urteil des SG entspreche der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg. In der Entscheidung des 11. Senats vom 14.07.2020 (L 11 EG 3655/19) habe das LSG überzeugend sowohl zur Teilbarkeit des Bewilligungsbescheids, als auch zum Nichterlöschen des Stammrechts durch Entgelterzielung sowie zur Anwendbarkeit der §§ 45 und 48 SGB X ausgeführt, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Entscheidung Bezug genommen werde. Zu Unrecht habe das SG aber die Anwendbarkeit des § 44 SGB X verneint. Beim Bescheid vom 21.12.2017 handele es sich nicht um einen begünstigenden Bescheid. Ob ein Bescheid begünstigend sei oder nicht, richte sich zwar nach dem Antrag. Der Antrag sei aber nach dem Rechtsgedanken des § 133 BGB nach dem wirklichen Willen und nicht nach dem buchstäblichen Ausdruck auszulegen. Lege man seinen Antrag nach seinem wirklichen Willen aus, sei der Bescheid vom 21.12.2017 gerade nicht begünstigend, denn anders als tatsächlich gewollt sei ihm Elterngeld nicht für Oktober 2018, sondern für September 2018 bewilligt worden und damit abweichend und somit nicht begünstigend. Auch vom Sinn und Zweck sei die Anwendung des § 44 SGB X geboten, der unter den dort geregelten Voraussetzungen die materielle Sachgerechtigkeit über die formale Rechtslage stelle. Der Bescheid vom 21.12.2017 beruhe nicht auf vorsätzlichen falschen oder unvollständigen Angaben. Er, der Kläger, habe gerade nicht vorsätzlich gehandelt. Er habe die Rücknahme des Bescheids vom 21.12.2017 nach § 44 SGB X und die Neubewilligung von Elterngeld für die richtigen Zeiträume auch beantragt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Bl. 128 und 129 der Senatsakten).


Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist auch im Übrigen zulässig. Die Berufung bedurfte insbesondere gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht der Zulassung, da sich die Beklagte gegen die Aufhebung ihrer Erstattungsforderung in Höhe von 1.358,91 € richtet und damit mehr als 750,00 € betroffen sind. Die Anschlussberufung des Klägers ist ebenfalls zulässig.

2. Gegenstand des Klageverfahrens ist der Bescheid vom 24.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2019 (§ 95 SGG), mit welchem die Beklagte den Vorläufigkeitsvorbehalt im Bewilligungsbescheid vom 21.12.2017 aufgehoben, den Elterngeldanspruch des Klägers für den 1. und 12. Lebensmonat seines Sohnes endgültig in Höhe von 0,00 € festgesetzt, den Antrag auf Gewährung von Elterngeld für den 13. Lebensmonat abgelehnt und die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung des für den 1. und 12. Lebensmonat vorläufig gewährten Elterngeldes in Höhe von insgesamt 2.717,82 € festgestellt hat. Die Beklagte wendet sich im Berufungsverfahren gegen die teilweise Aufhebung dieses Bescheids durch das SG, der Kläger im Wege der Anschlussberufung gegen die teilweise Klageabweisung.

3. Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Das SG hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 24.09.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat das ihm vorläufig gewährte Elterngeld für den 1. und 12. Lebensmonat in Höhe von insgesamt 2.717,82 € zu erstatten, weil er keinen Anspruch auf Gewährung von Basiselterngeld für den 1. und 12. oder 13. Lebensmonat seines Sohnes hat. Die zulässige Anschlussberufung ist daher unbegründet.

a) Die Klage ist zunächst als Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 i.V.m. Abs. 4, 56 SGG) zulässig.

Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 24.09.2019 richtet sich nicht gegen die Aufhebung des Vorläufigkeitsvorbehalts im Bewilligungsbescheid vom 21.12.2017, sondern gegen die Festsetzung des Elterngeldes im 1. und 12. Lebensmonat auf 0,00 € sowie die Festsetzung der Erstattung (vgl. BSG 13.12.2018, B 10 EG 9/17 R, juris Rn. 13 f.; BSG 05.04.2012, B 10 EG 10/11 R, SozR 4-7837 § 2 Nr. 14; LSG Baden-Württemberg 21.04.2014, L 11 EG 2860/12, juris Rn. 20). Da der Kläger im Hinblick darauf, dass für den 12. Lebensmonat seines Sohnes die Anspruchsvoraussetzungen für Elterngeld offensichtlich nicht erfüllt sind, eine Verschiebung auf den 13. Lebensmonat begehrt, ist zumindest hilfsweise ein entsprechender Leistungsantrag bzw. Verpflichtungsantrag (bzgl. des Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X) anzunehmen, um seinem Rechtsschutzbegehren vollumfänglich Rechnung zu tragen (LSG Baden-Württemberg 21.01.2014, L 11 EG 2860/12, juris Rn. 20). 

b) Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Elterngeld für den 1. und 12. oder 13. Lebensmonat seines Sohnes.

Die Ermächtigung der Beklagten zu einer vom Bewilligungsbescheid vom 21.12.2017 abweichenden Regelung ergibt sich aus dem nach § 8 Abs. 3 Satz 1 BEEG in der vom 01.01.2015 bis 31.08.2021 gültigen Fassung zulässigen Vorbehalt der Vorläufigkeit der erfolgten Bewilligung, welcher in der elterngeldrechtlichen Praxis als Nebenbestimmung im Sinne des § 32 SGB X ergeht und der nach der Rechtsprechung des BSG gesondert aufhebbar bzw. anfechtbar ist (BSG 05.04.2012, B 10 EG 10/11 R, juris; zum BErzGG bereits: BSG 13.12.2000, B 14 EG 13/99 R, juris Rn. 17, 18; BSG 13.12.2018, B 10 EG 9/17 R, juris Rn. 13). Nach Nr. 3 dieser Vorschrift wird Elterngeld bis zum Nachweis der jeweils erforderlichen Angaben vorläufig unter Berücksichtigung der glaubhaft gemachten Angaben gezahlt, wenn die berechtigte Person nach den Angaben im Antrag auf Elterngeld im Bezugszeitraum voraussichtlich Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da sich aus den vorgelegten Lohnabrechnungen des Klägers für den Bemessungszeitraum der Sachbezug einer Kfz-Nutzung ergab. Auch wenn der Kläger in seinem Antrag (Formular an den antragstellenden Elternteil 2) angegeben hat, im Bezugszeitraum kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu haben, hatte die Beklagte aufgrund der ihr vorliegenden Lohnabrechnungen Grund zur Annahme, dass der Kläger über seinen Dienstwagen auch während der Elternzeit verfügt. Unabhängig davon hat der Kläger den Bescheid vom 21.12.2017 auch nicht angegriffen, so dass dieser - auch im Hinblick auf die Regelung der Vorläufigkeit - bestandskräftig geworden ist. Werden Rechtsbehelfe nicht - oder nicht fristgemäß - eingelegt, erwächst die eigenständige Regelung über die vorläufige Leistungsgewährung in Bestandskraft; sie wirkt auch im Hinblick auf einen Erstattungsbescheid im Zusammenhang mit der endgültigen Festsetzung der Leistung (vgl. BSG 10.05.2011, B 4 AS 139/10 R, juris Rn. 15 m.w.N; LSG Sachsen-Anhalt 26.08.2015, L 4 AS 81/14, juris Rn. 27).

Die Beklagte hat im Bescheid 24.09.2019 zur Recht festgestellt, dass der Kläger in keinem Lebensmonat seines Sohnes einen Anspruch auf Elterngeld hat.

aa) Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch auf Elterngeld im 12. Lebensmonat.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer (1.) einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, (2.) mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, (3.) dieses Kind selbst betreut und erzieht und (4.) keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt. Nach § 1 Abs. 6 BEEG ist eine Person nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteigt.

Diese Anspruchsvoraussetzungen sind im 12. Lebensmonat (01.09. bis 30.09.2018) entgegen der vorläufigen Bewilligung nicht erfüllt. Der Kläger hat in diesem Zeitraum eine volle entgeltliche Erwerbstätigkeit ausgeübt. Dies entnimmt der Senat bereits dem eigenen Vortrag des Klägers.

bb) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Elterngeld für den 13. Lebensmonat (01.10. bis 31.10.2018) seines Sohnes.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BEEG in der vom 01.01.2015 bis 31.08.2021 geltenden Fassung ist Elterngeld schriftlich zu beantragen. Es wird rückwirkend nur für die letzten 3 Monate vor Beginn des Monats geleistet, in dem der Antrag auf die jeweilige Leistung eingegangen ist (§ 7 Abs. 1 Satz 2 BEEG). In dem Antrag auf Elterngeld ist anzugeben, für welche Monate Elterngeld oder Elterngeld Plus beantragt wird (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 3 BEEG). Die im Antrag getroffenen Entscheidungen können bis zum Ende des Bezugszeitraums geändert werden (§ 7 Abs. 2 Satz 1 BEEG). Eine Änderung kann rückwirkend nur für die letzten 3 Monate vor Beginn des Monats verlangt werden, in dem der Änderungsantrag eingegangen ist (§ 7 Abs. 2 Satz 2 BEEG). Sie ist außer in den Fällen besonderer Härte unzulässig, soweit Monatsbeträge bereits ausgezahlt sind (§ 7 Abs. 2 Satz 3 BEEG). Im Übrigen finden die für die Antragstellung geltenden Vorschriften auch auf den Änderungsantrag Anwendung (§ 7 Abs. 2 Satz 5 BEEG).

Vorliegend hat der Kläger ursprünglich keinen Antrag auf Elterngeld für den 13. Lebensmonat gestellt, sondern Elterngeld nur für den 1. und 12. Lebensmonat beantragt. Einen formgerechten Antrag auf Änderung des Bezugszeitraums hat der Kläger unter Nutzung des entsprechenden Formulars, unterschrieben am 11.03.2019, der Beklagten zugegangen am 12.04.2019, beantragt.

Die Änderung des Antrags auf Elterngeld durch Verschiebung des Bezugszeitraums vom 12. auf den 13. Lebensmonat ist jedoch gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 BEEG nach Ablauf des Bezugszeitraums - hier also nach Ablauf des 30.09.2018 - ausgeschlossen. Unabhängig davon kommt eine rückwirkende Verschiebung des Bezugszeitraums vom 12. Lebensmonat auf den 13. Lebensmonat nicht mehr in Betracht, weil im April 2019 eine rückwirkende Änderung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BEEG hier höchstens für die Zeit ab Januar 2019 - also dem Beginn des 3. Monats vor dem Monat, in dem der schriftliche Änderungsantrag gestellt worden ist - beantragt werden kann.

Nach der oben dargestellten gesetzlichen Regelung ist eine Änderung des Antrags nach Ablauf des Bezugszeitraums ausgeschlossen. Es kann auch dahinstehen, ob die Antragstellung aufgrund eines Erklärungsirrtums entsprechend § 119 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) angefochten werden könnte oder - wofür einiges spricht - nur ein unbeachtlicher Motivirrtum vorliegt (so für die Eingabe falscher Daten: Bundesgerichtshof [BGH] 30.06.2009, XI ZR 364/08, NJW-RR 2009, 1641, 1643), denn Rechtsfolge einer Anfechtung wäre allein die Beseitigung der Antragstellung für den 2. Bezugszeitraum entsprechend § 142 Abs. 1 BGB. Eine rechtzeitige Antragstellung für den Zeitraum 01.10. bis 31.10.2018 ließe sich über diesen Weg nicht erreichen (Urteil des Senats vom 21.01.2014, L 11 EG 2860/12, juris Rn. 26).

Auch über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lässt sich eine rechtzeitige Antragstellung für den gewollten 13. Lebensmonat als Bezugszeitraum im vorliegenden Fall nicht fingieren. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm auf Grund Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I]), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (BSG 01.04.2004, B 7 AL 52/03 R, BSGE 92, 267, 279). In solchen Fällen können gewisse sozialrechtliche Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen, wie etwa eine verspätete Antragstellung, eine verspätete Beitragsentrichtung oder eine verspätete Vorlage von Unterlagen als erfüllt angesehen werden, wenn die Verspätung gerade auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsträgers beruht. Allerdings gilt dies nicht für außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegende Tatbestände, die nach materiellem Recht für das Entstehen des Sozialrechtsanspruchs erforderlich sind (BSG 13.05.1980, 12 RK 18/79, juris; BSG 12.12.1984, 7 RAr 74/83, juris); andernfalls verpflichtete der Herstellungsanspruch den Sozialleistungsträger unzulässigerweise zu einer Gesetz und Recht widersprechenden Handlung (BSG 15.05.1984, 12 RK 48/82, BSGE 56, 266; BSG 22.08.1984, 7 RAr 12/83, juris; BSG 19.03.1986, 7 RAr 48/84, BSGE 60, 43; Urteil des Senats vom 21.01.2014, L 11 EG 2860/12, juris Rn. 27).

Hier ist schon eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht behauptet. Der dem Kläger selbst unterlaufene Fehler bei der Antragstellung kann nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf die Beklagte abgewälzt werden.

c) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Elterngeld für den 1. Lebensmonat (01.10. bis 31.10.2017) seines Sohnes.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 2 BEEG in der vom 01.01.2018 bis 31.08.2021 geltenden Fassung kann ein Elternteil Elterngeld nur beziehen, wenn er es mindestens für 2 Monate in Anspruch nimmt. Wird die umschriebene Mindestbezugsdauer nicht erreicht, besteht insgesamt kein Anspruch auf Elterngeld (BSG 08.03.2017, B 10 EG 7/16 R, juris, Rn. 35). Stellt sich erst später heraus, dass die an sich erreichbare Mindestbezugszeit nicht erreicht wird, führt dies rückwirkend zu einem Wegfall des Elterngeldanspruchs auch für den 1. Monat (BSG, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall erfüllt der Kläger diese Voraussetzung einer Mindestbezugszeit nicht, da er weder für den 12. noch für den 13. Lebensmonat seines Sohnes Anspruch auf Elterngeld hat (s.o.).

d) Der Bescheid über die vorläufige Bewilligung erledigte sich mit der Entscheidung über die endgültige Leistungsbewilligung gemäß § 39 Abs. 2 SGB X auf sonstige Weise; einer Aufhebung des Bescheides vom 21.12.2017 bedurfte es nicht. Soweit aufgrund der vorläufigen Leistungsbewilligung Elterngeld bezahlt wurde, sind diese Zahlungen auf die endgültig bewilligte Leistung anzurechnen; zu viel gezahlte Vorschüsse sind zu erstatten (§ 42 Abs. 2 SGB I; vgl. hierzu Urteile des Senats vom 22.01.2013, L 11 EG 1139/12; 28.03.2012, L 11 EG 3954/11 und 18.05.2010, L 11 R 3189/09, jeweils juris m.w.N.). Die Anrechnung der Vorschüsse auf die zustehenden Leistungen sowie die Erstattungspflicht sind selbstverständliche Folgen einer Vorschusszahlung (Baier, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 116. EL 2022, § 42 SGB I Rn. 15). Darüber hinaus wurde der Kläger im Bescheid vom 21.12.2017 auf die Erstattungspflicht im Falle einer Überzahlung hinreichend deutlich hingewiesen (vgl. BSG 05.04.2012, B 10 EG 10/11 R, juris). Unter Zugrundelegung der Differenz zwischen den im Ausgangsbescheid bewilligten Zahlbeträgen und den zustehenden Leistungsansprüchen ergibt sich der Erstattungsbetrag in Höhe von 2.717,82 €. Eine Ermessensentscheidung war von der Beklagten vorliegend hinsichtlich der Rückforderung nicht zu treffen.

e) Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen, da ihm das Elterngeld mit Bescheid vom 21.12.2017 nur vorläufig bewilligt worden ist. Die Vorläufigkeit der Bewilligung schließt gerade jedes Vertrauen in das „Behaltendürfen" des vorläufig gewährten Elterngeldes aus.

Entgegen der Auffassung des Klägers und des SG ergibt sich die Rechtsgrundlage für die Aufhebung der ursprünglichen Bewilligung aus § 26 Abs. 2 BEEG i.V.m. § 328 Abs. 3 SGB III und § 39 Abs. 2 SGB X, welcher die Anwendung der §§ 44 ff. SGB X als lex specialis verdrängt. Dass der Bescheid vom 21.12.2017 die Vorläufigkeit nur mit der noch nicht feststehenden Höhe des Einkommens im Bezugszeitraum begründete, ändert an der Vorläufigkeit der Bewilligung insgesamt nichts. Hieraus kann insbesondere nicht geschlossen werden, dass der Bewilligungsbescheid im Hinblick auf die Gewährung von Elterngeld dem Grunde nach als endgültig interpretiert werden könnte (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt 26.08.2015, L 4 AS 81/14, juris, Rn. 24).

Zur Überzeugung des Senats war der Bescheid vom 21.12.2017 umfassend unter Vorläufigkeit gestellt. Der Senat teilt nicht die teilweise vertretene Auffassung, wonach die vorläufige Entscheidung partielle Bindungswirkung insoweit entfalten soll, dass den bei Erlass des vorläufigen Verwaltungsaktes festgestellten Leistungsvoraussetzungen, die nicht mit der ausdrücklich benannten Unsicherheit belastet sind, eine Präjudizwirkung im Hinblick auf die Endentscheidung zukommt. Nach dieser Auffassung darf ein endgültiger Bescheid von dem vorläufigen Bescheid nur aus den Gründen abweichen, auf denen der Vorläufigkeitsvorbehalt beruhte. Die Auffassung wird unter anderem damit begründet, dass § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III explizit anordne, Umfang und Grund der Vorläufigkeit müssten angegeben werden. Bei dieser Rechtsauffassung wird jedoch übersehen, dass sich die Bindungswirkung von Verwaltungsakten nicht auf die Begründung des Verwaltungsaktes erstreckt. Daher entfaltet nur der Ausspruch über die Bewilligung einer Leistung in Bezug auf die Dauer und die Höhe Bindungswirkung. Die Frage, in Bezug auf welche Tatbestandsvoraussetzungen noch Ermittlungsbedarf gesehen wird, weswegen die Vorläufigkeit des Bewilligungsbescheides ausgesprochen worden ist, betrifft hingegen die Begründung der Bewilligungsentscheidung (vgl. BSG 29.04.2015, B 14 AS 31/14 R, juris Rn. 23; BSG 16.09.1999, B 9 V 13/98 R, SozR 3-1200 § 42 Nr. 8; BSG 09.05.1996, 7 RAr 36/95, SozR 3-4100 § 112 Nr. 28; Sächsisches LSG 18.02.2010, L 3 AL 28/09, juris Rn. 34 f.; LSG Niedersachsen-Bremen 19.03.2014, L 13 AS 325/11, juris Rn. 38).

4. Die Anschlussberufung des Klägers ist aus den bereits genannten Gründen unbegründet.

Ergänzend wird noch ausgeführt, dass durch Anwendung des § 44 SGB X - in Übereinstimmung mit den Ausführungen des SG - nicht die maßgeblichen Fristen des § 7 BEEG umgangen werden können, mithin eine Neubewilligung von Elterngeld auf diesem Weg nicht möglich ist. Im Übrigen war der zur Überprüfung gestellte Bescheid vom 21.12.2017 bei seinem Erlass nicht rechtswidrig, sondern rechtmäßig. Die Beklagte hat dem Kläger entsprechend der in seinem Antrag erfolgten Bestimmung des Bezugszeitraums Elterngeld für den 1. und 12. Lebensmonat bewilligt.  

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

6. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorlagen.



 

Rechtskraft
Aus
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