Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 22.03.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht die Zuerkennung eines höheren Pflegegrades (3 statt 2) ab April 2018 im Streit.
Der am 00.00.1956 geborene, schwerbehinderte (GdB 80, Merkzeichen „G“, „aG“) Kläger leidet u.a. unter einer erheblichen Gehbehinderung bei Z.n. mehrfachen komplikativen Knieoperationen. Er ist bei der Beklagten pflegeversichert; seit dem 01.09.2012 lagen die Voraussetzungen für die Pflegestufe I vor (Bescheid vom 25.02.2013), ab dem 01.01.2017 war er dem Pflegegrad 2 zugeordnet (Bescheid vom 10.12.2016).
Am 09.04.2018 hat der Kläger bei der Beklagten einen Höherstufungsantrag (Pflegegrad 3 statt 2) gestellt. Dabei hat er Bezug genommen auf ein durch das Sozialgericht Münster zu dem Rechtsstreit S 12 SB 514/17 in Auftrag gegebenes Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. R. vom 02.03.2018.
Die Beklagte hat den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das die Pflegefachkraft Q. O. auf Grund eigener Befunderhebung im häuslichen Umfeld des Klägers am 08.11.2018 erstattet hat. Sie hat im Modul 1 (Mobilität) vier Einzelpunkte bzw. fünf gewichtete Punkte ermittelt. In den Modulen 2 und 3 (Kognitive und kommunikative Fähigkeiten bzw. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen) hat sie jeweils 0 gewichtete Punkte ermittelt. Im Modul 4 (Selbstversorgung) hat sie 13 Einzelpunkte bzw. 20 gewichtete Punkte ermittelt. Im Modul 5 (Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen) hat sie vier Einzelpunkte bzw. 15 gewichtete Punkte ermittelt (zweimal täglich Medikation <selbstständig>, zweimal täglich Kompressionsstrümpfe <An- und Ausziehen>, viermal wöchentlich Physikalische Therapie <Praxisbesuch>, einmal monatlich Arztbesuch). Im Modul 6 (Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte) hat sie zwei Einzelpunkte bzw. 3,75 gewichtete Punkte ermittelt. Insgesamt hat die Pflegefachkraft 43,75 gewichtete Punkte entsprechend Pflegegrad 2 ermittelt. Durch Bescheid vom 12.11.2018 hat die Beklagte den Antrag des Klägers dem folgend abgelehnt.
Mit hiergegen erhobenem Widerspruch hat der Kläger im Wesentlichen unter Verweis auf das Gutachten des Dr. R. vom 02.03.2018 geltend gemacht, ein im MDK-Gutachten vom 08.11.2018 beschriebenes Duschen sei aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht möglich. Es werde über Tag, wie auch nachts (zwei- bis dreimal), Hilfe benötigt, um auf die Toilette zu gelangen. Daher sei eine dauernde Präsenz einer Pflegeperson vor Ort notwendig. Auch würden die Angaben zum Pflegeaufwand nicht korrekt wiedergegeben. Gehen sei nicht möglich. Die Fortbewegungsfreiheit mit dem Rollstuhl sei in der Wohnung mehr als eingeschränkt. Die Küche und das Bad seien nicht mit dem Rollstuhl nutzbar. Die Körperpflege im Bereich des Kopfes könne nicht alleine bewerkstelligt werden. Waschen im Intimbereich sei gar nicht möglich. Beim Zubettgehen werde ebenfalls Hilfe benötigt. Des Weiteren werde Hilfe benötigt für Planungen und Kontakte zur „Außenwelt“, denn ohne Hilfe käme er gar nicht außer Haus. Er könne nicht selbstständig einkaufen, da er nicht einmal selbstständig die Wohnung verlassen könne. Bei den örtlichen Gegebenheiten könne er keine Mahlzeiten zubereiten. Einfache Aufräum- und Reinigungsarbeiten könne er angesichts des Krankheitsbildes und der Räumlichkeiten auch nicht überwiegend selbstständig erledigen.
Die Beklagte hat den MDK mit der Erstellung eines (Widerspruchs-)Gutachtens beauftragt, das die Pflegefachkraft L. X. auf Grund eigener Befunderhebung im häuslichen Umfeld des Klägers am 07.01.2019 erstattet hat. Er hat im Modul 1 (Mobilität) vier Einzelpunkte bzw. fünf gewichtete Punkte ermittelt. In den Modulen 2 und 3 (Kognitive und kommunikative Fähigkeiten bzw. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen) hat er jeweils 0 gewichtete Punkte ermittelt. Im Modul 4 (Selbstversorgung) hat er 16 Einzelpunkte bzw. 20 gewichtete Punkte ermittelt. Im Modul 5 (Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen) hat er vier Einzelpunkte bzw. 15 gewichtete Punkte ermittelt (Medikation <selbstständig>, zweimal täglich Kompressionsstrümpfe <An- und Ausziehen>, viermal wöchentlich Physikalische Therapie <Praxisbesuch>, einmal monatlich Arztbesuch). Im Modul 6 (Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte) hat er 0 gewichtete Punkte ermittelt. Insgesamt hat die Pflegefachkraft 40 gewichtete Punkte entsprechend Pflegegrad 2 ermittelt. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2019 hat der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers dem folgend als unbegründet zurückgewiesen.
Mit seiner am 29.05.2019 vor dem Sozialgericht Münster erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen vertiefend wiederholt und ergänzend geltend gemacht, dass er schwerstpflegebedürftig sei. Es liege eine schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit vor. Er könne alltägliche Aufgaben nicht selbstständig und unabhängig bewältigen; seine Alltagskompetenz sei in einem erheblichen Ausmaß eingeschränkt. Im Gutachten vom 07.01.2019 seien unzutreffende Werte ermittelt worden. Das Ausmaß des Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarfs sei unzutreffend festgestellt worden. Er benötige umfangreiche Hilfe beim Waschen und Kleiden sowie beim Ausscheiden. Ebenfalls sei er beim Umsetzen auf Hilfe angewiesen, auch wenn er sich – äußerst begrenzt – in der Wohnung bewegen könne. Das Treppensteigen sei ausschließlich unselbstständig möglich. Im Modul 2 (Kognitive und kommunikative Fähigkeiten) bestehe seit der missglückten operativen Behandlung ebenfalls ein Defizit im Bereich des „Erinnerns an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen“. Dies sei bei der Punktegewichtung völlig unberücksichtigt gelassen worden. Auch die Bewertung der Selbstversorgung sei unzureichend erfolgt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass halbwegs eigenständige Handlungen lediglich dann möglich seien, wenn er im Rollstuhl sitze, sei das Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken ausschließlich unter Zuhilfenahme Dritter möglich. Weiterhin sei er nicht nur “mehrmals täglich“ auf die Präsenz der Pflegepersonen angewiesen. Es werde durchgehende Betreuung benötigt. Werde die Pflege nicht von den beiden Pflegepersonen übernommen, würden Vertretungen in Form von Freunden organisiert. Der Kläger hat weiter Bezug genommen, auf einen Arztbrief des U.-Hospitals E. vom 09.07.2020 sowie einen Arztbrief des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. I. vom 29.07.2020.
Der Kläger hat beantragt,
1. Der Bescheid der Beklagten vom 12.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2019 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, bei dem Kläger einen Pflegegrad drei festzustellen und dem Kläger Pflegegeld in der für den Pflegegrad drei vorgesehenen Höhe ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig gehalten.
Das Sozialgericht hat Behandlungs- und Befundberichte u.a. der A. (Physiotherapie) vom 25.02.2020, des Dr. N. (Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des M.-Krankenhauses J.) vom 04.03.2020, des Dr. C. (Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des U.-Hospital E.) vom 05.03.2020, des V. (Physiotherapie) vom 09.03.02.2020, des K. (Abteilung Nuklearmedizin) vom 13.03.2020, der T. (Physiotherapie) vom 13.03.2020, des Prof. Dr. Y. (Direktor Chirurgischen Universitätsklinik und Poliklinik F.) vom 06.04.2020 und des den Kläger behandelnden Hausarztes Dr. G. vom 13.07.2020 eingeholt.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben zu den Gesundheitsstörungen des Klägers und der daraus folgenden Pflegebedürftigkeit durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dr. W. vom 03.11.2020. Dieser hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 03.11.2020 in dessen häuslicher Umgebung zusammenfassend ausgeführt, bei dem Kläger seien die Diagnosen „Schmerzen und Instabilität im linken Knie nach Kniegelenkstrauma und TEP-Versorgung nach multiplen operativen Revisionen mit aktueller TEP-Lockerung, Gonarthrose rechts, Adipositas, arterieller Hypertonus, Bursitis im Bereich des linken Ellenbogens und degenerative Veränderungen im rechten Sprunggelenk“ zu stellen. In dem Modul „Mobilität“ sei festzustellen, dass sich der Kläger überwiegend selbstständig (zum Teil im Rollstuhl, zum Teil mit Gehstock) innerhalb des Wohnbereiches bewegen könne. Er könne überwiegend selbstständig die Position im Bett wechseln und eine stabile Sitzposition halten, das Umsetzen gelinge überwiegend selbstständig. Der Kläger könne nur überwiegend unselbstständig Treppen steigen. Die im Modul „Kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ genannten Fähigkeiten seien bei dem Kläger vorhanden. Das Modul „Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“ betreffende Verhaltensweisen und psychische Problemlagen als Folge von Gesundheitsproblemen, die immer wieder aufträten und personelle Unterstützung erforderlich machten, seien nicht gegeben. Der Kläger habe zwar bei der Untersuchung Ängste angegeben, ein personeller Interventionsbedarf ergebe sich daraus jedoch nicht. Der Kläger sei im Modul „Selbstversorgung“ teilweise unselbstständig. Er könne selbstständig den vorderen Oberkörper waschen und die Körperpflege im Kopfbereich durchführen. Er könne den vorderen Intimbereich selbstständig waschen, Hilfebedarf bestehe beim Waschen des hinteren Intimbereiches (überwiegend unselbstständig). Beim Duschen und Baden bestehe Hilfebedarf insbesondere beim Waschen des Rückens, des hinteren Intimbereiches und der Füße (überwiegend unselbstständig). Beim An- und Auskleiden des Oberkörpers bestehe Unterstützungsbedarf (überwiegend selbstständig). Beim An- und Auskleiden des Unterkörpers bestehe erhöhter Hilfebedarf (überwiegend unselbstständig). Bei der mundgerechten Zubereitung bestehe kein Hilfebedarf. Der Kläger könne auch selbstständig essen und trinken. Beim Benutzen einer Toilette sei Hilfe erforderlich (überwiegend unselbstständig). Im Modul „Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen“ könne der Kläger aus gutachterlicher Sicht selbstständig die Medikamente einnehmen. Hilfebedarf bestehe bei An- und Abwickeln der Kompressionswickel (24x wöchentlich). Begleitung zu Ärzten sei im Schnitt zweimal monatlich erforderlich; viermal wöchentlich sei Hilfe bei Physiotherapiebesuchen erforderlich. Im Modul „Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte“ bestehe Hilfebedarf beim Aufstehen und Zubettgehen und beim nächtlichen Aufsuchen der Toilette (überwiegend unselbstständig). Der Kläger erreiche im Modul 1 fünf Einzelpunkte entsprechend fünf gewichteten Punkten, im Modul 2 und im Modul 3 jeweils 0 Punkte, im Modul 4 11 Einzelpunkte entsprechend 20 gewichteten Punkten, im Modul 5 fünf Einzelpunkte entsprechend 15 gewichteten Punkten und im Modul 6 zwei Einzelpunkte bzw. 3,75 gewichtete Punkte. Insgesamt erreiche der Kläger demnach 43,75 gewichtete Punkte, sodass Pflegegrad 2 vorliege. Die Situation des Klägers habe sich seit dem 08.11.2018 nicht wesentlich geändert. Es sei insgesamt zu einer leichten Verstärkung der Beschwerdesymptomatik bei Gonarthrose rechts und degenerativen Veränderungen im rechten Sprunggelenk gekommen, woraus sich allerdings keine Änderung der Bewertung unter den jeweiligen Einzelpunkten unter den Modulen ergebe. Eine jeweils zu den Zeitpunkten der angefochtenen MDK-Gutachten offenkundig erfolgte Aktivierung der chronischen Bursitis am linken Ellenbogengelenk (die jeweils zu etwas höheren Hilfebedarfen im Bereich der Selbstversorgung geführt habe) sei retrospektiv betrachtet nicht als Dauerzustand zu bewerten. Auch bei Anrechnung der aus der Aktivierung der Bursitis am linken Ellenbogengelenk resultierenden höheren Hilfebedürftigkeit im Bereich der Selbstversorgung ergäben sich lediglich Änderungen bezüglich der Einzelpunkte, nicht jedoch der gewichteten Punkte unter Modul 4. Insgesamt könnten die MDK-Gutachten retrospektiv betrachtet im Gesamtergebnis bestätigt werden.
Der Kläger hat sich kritisch mit dem Gutachten auseinandergesetzt und insbesondere ausgeführt, dass bereits der Sachverhalt und die Diagnosen nicht richtig erfasst worden seien. Nicht nachvollziehbar seien zudem die Ausführungen zur Beeinträchtigung der Selbstständigkeit. Hier würden ausführlich bei ihm vorhandene Bewegungseinschränkungen und daraus resultierender enormer Unterstützungsbedarf dokumentiert. Als Rückschluss solle jedoch insoweit kein Hilfe- oder Betreuungsbedarf bestehen. Der Kläger befinde sich nur an sogenannten „guten Tagen“ in einer normalen Stimmungslage. Bei schlechten Witterungsbedingungen habe er kaum Beschäftigung. Dadurch würden sein Denken, Fühlen und Handeln äußerst negativ beeinflusst. Dann herrsche tiefe Herabgestimmtheit, Freudlosigkeit sowie erhöhte Ermüdbarkeit. Auch Modul 3 sei nicht hinreichend erfasst worden. Im Gutachten werde aufgezeichnet, dass er unter Ängsten leide. Bei der Bewertung des Moduls 3 würden diese jedoch nicht mit einfließen. Auch im Bereich der Selbstversorgung sei die Gewichtung falsch gesetzt worden. Insbesondere das An- und Auskleiden des Unterkörpers sei nicht als überwiegend unselbstständig, sondern vielmehr als unselbstständig zu qualifizieren. Auch im Bereich der mundgerechten Zubereitung von Nahrung, die laut Gutachter selbstständig erfolgen könne, sei die Bewertung nicht zutreffend. Aufgrund der besonderen Lagerung des linken Beines, welches ständig im ausgestreckten Zustand gelagert werden müsse, sei lediglich ein Aufwärmen der Nahrung in der Mikrowelle für ihn ausführbar. Dies könne kaum als selbstständige Zubereitung von Nahrung gewertet werden. Im Bereich von Modul 6 sei zudem die Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen als selbstständig eingestuft worden. Dies treffe lediglich für solche Aktivitäten zu, die im Elektrorollstuhl bewältigt werden könnten. Sobald sich die Umstände änderten, sei er auf ständige Präsenz Dritter angewiesen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage durch Gerichtsbescheid vom 22.03.2021 abgewiesen. Vorliegend seien die Voraussetzungen für den Pflegegrad 2 erfüllt, nicht jedoch die Voraussetzungen für einen höheren Pflegegrad als den Pflegegrad 2. Das Gericht hat sich in seiner pflegefachlichen Beurteilung auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. (Gutachten vom 03.11.2020) gestützt und ausgeführt, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, an den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. zu zweifeln. Dessen Ausführungen zu dem von ihm ermittelten Pflegegrad seien überzeugend, das Gericht schließe sich diesen Ausführungen an. Etwas Anderes ergebe sich insbesondere auch nicht aus den von Seiten des Klägers mit Schriftsatz vom 26.01.2021 vorgebrachten Ausführungen zu dem Gutachten des Dr. W. vom 03.11.2020. Das Gericht habe sich insbesondere auch in Anbetracht des vorgenannten klägerseitigen Vorbringens nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst sehen müssen.
Gegen den dem Kläger am 24.03.2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 06.04.2021 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er zunächst aus, er habe sich nie mit einer schriftlichen Entscheidung einverstanden erklärt. Weiter nimmt er im Wesentlichen Bezug auf sein bisheriges Vorbringen. Vertiefend führte er aus, das Sozialgericht habe es versäumt, den Sachverhalt weiter aufzuklären, obgleich der Kläger ausführlich die Defizite des Gutachtens aufgezeigt und die mündliche Einvernahme des Sachverständigen beantragt habe. Entscheidend sei das Modul 4, welches unzutreffend bewertet worden sei. Der Kläger sei nicht einmal mehr unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln in der Lage, sich fortzubewegen, lediglich im Elektrorollstuhl sei ihm dies möglich, weshalb er in allen Punkten des Moduls unselbstständig sei. Er könne sich lediglich sitzend fortbewegen, wobei das linke Bein vorausgestreckt sei. Weder das Waschen des Intimbereichs, noch das Waschen und Baden einschlich Haarwäsche sei ihm selbstständig möglich. Im Modul 1 seien das Umsetzen und das Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs lediglich überwiegend unselbstständig möglich; Treppensteigen sei unmöglich. Der Kläger nimmt Bezug auf einen Arztbrief der D.-Klinik Z. vom 14.09.2020, ausweislich dessen er dort angegeben habe, „(…) die meiste Zeit im elektrischen Rollstuhl mobil zu sein, für kurze Bewegungen aus dem Rollstuhl heraus sei er diesbezüglich mobil (…)“.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 22.03.2021 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2019 zu verurteilen, ihm ab dem 09.04.2018 Leistungen nach Pflegegrad 3 statt der zuerkannten Leistungen nach Pflegegrad 2 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 22.03.2021 zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und nimmt im Wesentlich darauf, sowie auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. W. vom 14.01.2022 eingeholt. Dieser hat unter anderem ausgeführt: Soweit der Kläger meine, sich in sämtlichen Punkten unter Modul 4 nicht selbstständig versorgen zu können, weil er sich lediglich in einem Elektrorollstuhl fortbewegen könne, sei dies nicht nachvollziehbar, da beispielsweise Zahnpflege (sitzend) sowie Essen und Trinken selbstständig möglich seien. Auch das Waschen des vorderen Oberkörpers sei selbstständig möglich, insoweit sei darauf hinzuweisen, dass selbst beinamputierte Betroffene problemlos in der Lage seien, die Oberkörpervorderseite im Sitzen eigenständig zu waschen. Überdies sei der Kläger im Rahmen der Untersuchung in der Lage gewesen, aus dem Rollstuhl unter Nutzung von Hilfsmitteln aufzustehen und sich wieder zu setzen. Hierbei sei sichernder personeller Unterstützungsbedarf gegeben gewesen. Gleiches gelte für das eigenständige Fortbewegen innerhalb der Wohnung. Das Treppensteigen sei seinerzeit durch den Kläger als mit deutlicher personeller Unterstützung möglich geschildert worden. Der Kläger sei durch seine Restbeweglichkeit in der Lage, beim An- und Auskleiden des Unterkörpers mitzuwirken, weshalb dieses als lediglich überwiegend unselbstständig zu bewerten sei. Bei der mundgerechten Zubereitung von Speisen handele es sich um das Zerkleinern zuvor servierter Mahlzeiten. Insoweit lassen sich keinerlei Hilfebedarf ableiten. Der Kläger sei kognitiv leistungsfähig und damit auch in der Lage, seinen Tagesablauf abzusprechen. Insgesamt ergäben sich keinerlei nachvollziehbare entscheidungsrelevante Aspekte, weshalb die Beurteilung von 03.11.2020 zu revidieren sei. Hierzu hat der Kläger ausgeführt (Schriftsatz vom 22.02.2022), der Sachverständige verkenne weiterhin die gesundheitliche Lage des Klägers.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
A. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht Münster hat die zulässig erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) des Klägers zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 12.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2019, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger ab April 2018 Pflegeleistungen nach dem Pflegegrad 3 oder höher zu gewähren, ist rechtmäßig.
I. Die Bewilligung von Leistungen richtet sich vorliegend nach dem zum Zeitpunkt der Antragstellung (vgl. § 140 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB XI>) bereits maßgeblichen Recht in Gestalt des ab dem 01.01.2017 in Kraft getretenen Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (BT-Drucks. 18/5926 = BR-Drucks. 354/15).
§ 14 SGB XI in der nunmehr geltenden Fassung definiert den Begriff der Pflegebedürftigkeit wie folgt: Pflegebedürftig sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB XI). Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 SGB XI).
Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien (§ 14 Abs. 2 SGB XI):
- Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
- kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
- Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
- Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
- in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
- in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
- in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
- in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.
Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden dagegen bei den Kriterien der in § 14 Abs. 2 SGB XI genannten Bereiche berücksichtigt (§ 14 Abs. 3 SGB XI).
Das Verfahren zur Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit ist ergänzend in § 15 SGB XI festgelegt. Danach erhalten Pflegebedürftige einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad) nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SGB XI).
Dieses ist in 6 Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Abs. 2 SGB XI entsprechen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 SGB XI). In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in einer Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten dar (§ 15 Abs. 2 Satz 3 SGB XI). Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind (§ 15 Abs. 2 Satz 4 SGB XI). In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert (§ 15 Abs. 2 Satz 5 SGB XI). Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet (§ 15 Abs. 2 Satz 6 SGB XI):
- Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten,
- Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten,
- Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten,
- Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten und
- Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet (§ 15 Abs. 2 Satz 7 SGB XI).
Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet (§ 15 Abs. 2 Satz 8 SGB XI):
- Mobilität mit 10 Prozent,
- kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
- Selbstversorgung mit 40 Prozent,
- Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.
Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen (§ 15 Abs. 3 Satz 1 SGB XI). Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht (§ 15 Abs. 3 Satz 2 SGB XI). Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden (§ 15 Abs. 3 Satz 3 SGB XI). Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen (§ 15 Abs. 3 Satz 4 SGB XI):
- ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten,
- ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten,
- ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten,
- ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten,
- ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.
II. Nach diesen Grundsätzen ist der angegriffene Bescheid der Beklagten als rechtmäßig anzusehen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach dem Pflegegrad 3 oder höher. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zunächst auf die ebenso zutreffenden wie erschöpfenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist – insbesondere bezogen auf das Berufungsvorbringen des Klägers – auszuführen:
1. Der Senat folgt den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. W.. Dieser hat unter ausführlicher Berücksichtigung des klägerseitigen Vorbringens die Feststellungen des MDK nachvollziehbar (weitgehend) bestätigt. Soweit der Sachverständige im Modul 1 zu im Einzelnen leicht abweichenden Bewertungen kommt, hat dies keine Auswirkungen. Selbst wenn man hier mit dem MDK (Gutachten vom 08.11.2018 und vom 07.01.2019) annehmen wollte, dass das Umsetzen lediglich überwiegend unselbstständig möglich ist, erreichte der Kläger im Modul 1 in der Summe zwar sechs Einzelpunkte entsprechend 7,5 gewichteten Punkten. Jedoch erreichte er auch dann nicht 47,5 gewichtete Punkte (Pflegegrad 3), sondern allenfalls 46,25 gewichtete Punkte (Pflegegrad 2). Insoweit mag offenbleiben, ob dem Kläger das Umsetzen überwiegend selbstständig oder lediglich überwiegend unselbstständig gelingt. Soweit der Sachverständige Dr. W. im Modul 4 teilweise von der Bewertung des MDK abweicht und das Waschen des vorderen Oberkörpers sowie die Körperpflege im Kopfbereich als selbstständig möglich und das An- und Auskleiden des Unterkörpers sowie die Benutzung von Toilette oder Toilettenstuhl als überwiegend unselbstständig möglich erachtet, führt auch dies im Ergebnis zu keiner abweichenden Bewertung und mag daher dahinstehen. Denn auch unter Berücksichtigung der insoweit für den Kläger günstigeren Bewertungen durch den MDK erreichte der Kläger im Modul 4 (lediglich) 20 gewichtete Punkte.
2. Fachmedizinisch belegte Anhaltspunkte, warum die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. W. zur Einschätzung des Umfangs der Pflegebedürftigkeit unzutreffend sein sollten, lassen sich den Ausführungen des Klägers nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Auch insoweit kann zunächst auf die umfassenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen werden. Aus dem Berufungsvorbringen des Klägers ergeben sich keine Anhalte, die hieran Zweifel aufkommen ließen.
a) Soweit der Kläger anführt, im Modul 1 seien das Umsetzen und das Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs lediglich überwiegend unselbstständig möglich und Treppensteigen sei unmöglich, kann zunächst auf die schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. (ergänzende Stellungnahme vom14.01.2022) umfassend Bezug genommen werden. Diese Ausführungen werden insbesondere für den Zeitraum ab Antragstellung bis September 2020 erhärtet durch den Arztbrief der D.-Klinik vom 14.09.2020, ausweislich dessen der Kläger nach seinen seinerzeitigen eigenen Angaben für kurze Bewegungen aus dem Rollstuhl heraus mobil war. Dies spricht einerseits dafür, dass dem Kläger ein Umsetzen überwiegend selbstständig möglich war. Es spricht überdies dafür, dass das Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs nicht mehr, als im Rahmen überwiegender Selbstständigkeit, eingeschränkt war. Es mag dahinstehen, ob sich der Pflegebedarf des Klägers insoweit seit September 2020 verschlechtert hat. Der Kläger erreichte unter Annahme einer nur überwiegend unselbstständig möglichen Fähigkeit sich umzusetzen (s.o.) und sich innerhalb des Wohnbereichs fortzubewegen und unter Annahme, dass das Treppensteigen unselbstständig sei, im Modul 1 in der Summe zwar acht Einzelpunkte entsprechend 7,5 gewichteten Punkten. Jedoch erreichte er auch dann insgesamt allenfalls 46,25 gewichtete Punkte (Pflegegrad 2). Insoweit mag offenbleiben, ob dem Kläger das Umsetzen und Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs überwiegend selbstständig oder lediglich überwiegend unselbstständig und das Treppensteigen überwiegend unselbstständig oder lediglich unselbstständig gelingt.
b) Soweit der Kläger andeutet, im Modul 3 seien „Nächtliche Unruhe“ und „Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage“ sowie „Ängste“ zu berücksichtigen, ist dies nicht begründbar. Dabei mag dahinstehen, ob der Kläger unter nächtlicher Unruhe leidet. Dieses trägt er zwar vor; medizinische Unterlagen, insbesondere eine therapeutische Begleitung, die diese Beschwerden nachvollziehbar machen könnten, werden indes durch ihn nicht transportiert. Gleiches gilt für die dargelegten Ängste sowie die Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage. Jedenfalls hat der Kläger bislang zu keinem Zeitpunkt dargetan, wegen der behaupteten Beschwerden auf die Hilfe einer Pflegeperson angewiesen zu sein. Dies ergibt sich auch nicht aus dem vorliegenden Gutachten. Hier werden durch den Sachverständigen Dr. W. keinerlei pflegerelevante Diagnosen auf nervenärztlichem Fachgebiet festgestellt; Befunde, die dies erschüttern könnten, liegen nicht vor. Insbesondere auch hinsichtlich der geschilderten Ängste ergibt sich bislang keinerlei Anhalt für den Bedarf an personeller Intervention, sodass diese – worauf der Sachverständige Dr. W. zu Recht hinweist (ergänzende Stellungnahme vom 14.01.2022) – unberücksichtigt bleiben müssen.
c) Soweit der Kläger meint, im Modul 4 in allen Punkten des Moduls unselbstständig zu sein, ist dies nach den auch insoweit schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. (ergänzende Stellungnahme vom 14.01.2022) nicht nachvollziehbar. Dabei ist weder einsichtig, weshalb dem Kläger die mundgerechte Zubereitung der Nahrung, das Essen sowie das Trinken unmöglich sein sollen, noch weshalb das Waschen des vorderen Oberkörpers oder die Körperpflege im Kopfbereich sowie das An- und Auskleiden des Oberkörpers mehr als nur unterstützenden Hilfebedarf auslösen sollen. Der Kläger ist nach allen vorliegenden medizinischen Unterlagen in der Oberkörperbeweglichkeit lediglich minimal eingeschränkt. Im Rahmen der Untersuchungssituation konnte er die Arme bis deutlich über die Horizontale heben, der Nackengriff war beidseits möglich, der Schürzengriff war beidseits bis hinter die Flanke möglich, der Faustschluss war beidseits möglich. Im Hinblick auf das Waschen des Intimbereichs, das Duschen und Baden und das An- und Auskleiden des Unterkörpers ist ein erheblicher Unterstützungsbedarf des Klägers plausibel. Anhalte, dass der Kläger insoweit völlig unselbstständig ist, fehlen. Letztlich mag dahinstehen, ob der Kläger beim Waschen des vorderen Oberkörpers und der Körperpflege im Kopfbereich selbstständig oder lediglich überwiegend selbstständig und beim Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden sowie beim An- und Auskleiden des Unterkörpers überwiegend unselbstständig oder lediglich unselbstständig ist. Denn selbst unter der Annahme, der Kläger sei insoweit sowie bei der Benutzung von Toilette oder Toilettenstuhl unselbstständig, ergäben sich im Modul 4 lediglich 18 Einzelpunkte, was weiterhin 20 gewichteten Punkten entspräche. Die übrigen durch den Kläger angeführten Hilfebedarfe (insbesondere Zubereitung der Nahrung) betreffen, worauf der Sachverständige Dr. W. zu Recht hinweist, den Bereich der Haushaltsführung.
d) Im Übrigen decken sich die durch den Sachverständigen festgestellten Bedarfe mit den Ausführungen des Klägers. Dies betrifft im Wesentlichen auch den im Modul 5 verorteten Hilfebedarf bei der Nutzung körpernaher Hilfsmittel. Dabei mag dahinstehen, ob der Kläger – wovon der Sachverständige Dr. W. ausgegangen ist – mit Kompressionswickeln oder mit Kompressionsstrümpfen versorgt ist. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Kläger insoweit angegeben, mit beiden Hilfsmitteln versorgt zu sein. Hierauf kommt es letztlich nicht an, da sowohl die Hilfe beim An- und Ablegen von Kompressionsstrümpfen wie auch von Kompressionswickeln unter Ziffer 5.7 „Körpernahe Hilfsmittel“ fällt. Der durch den Sachverständigen Dr. W. insoweit ermittelte Hilfebedarf (24mal wöchentlich) ist nachvollziehbar und wird auch durch den Kläger selbst nicht in Zweifel gezogen.
3. Zu weiterer Beweiserhebung von Amts wegen musste sich der Senat nicht veranlasst sehen. Insbesondere weitere Sachverhaltsaufklärung zur Frage der behaupteten Ängste kam angesichts insoweit fehlender Anknüpfungspunkte nicht in Betracht. Eine fachärztliche Behandlung insoweit in Frage kommender Erkrankungen und die Notwendigkeit der Intervention durch die Pflegekraft insoweit sind schon nicht vorgetragen. Ein Antrag nach § 109 SGG ist durch den Kläger zwar gestellt worden (Schriftsatz vom 11.04.2022), jedoch hat der Kläger hieran nicht festgehalten.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
C. Gründe für eine Revisionszulassung im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.