1. Das Hausrecht ist ein notwehrfähiges Rechtsgut, dessen Verteidigung die Rechtswidrigkeit eines Angriffs entfallen lassen kann.
2. Mit der Ablehnung eines Versorgungsanspruchs liegt eine Verwaltungsentscheidung über alle möglichen Ansprüche auf Versorgung vor.
3. Im gerichtlichen Verfahren muss das Begehren konkretisiert werden, ein Grundurteil über "Versorgung" ist zu unbestimmt. Ebenso sind die Sachleistungsansprüche auf Heilbehandlung keinem Grundurteil zugänglich.
4. § 2 Abs.1 OEG ist eine Gegennorm zum Anspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG und als zwingender Versagungstatbestand als negatives Tatbestandsmerkmal Teil des Versorgungsanspruchs.
5. Eine fahrlässige Selbstgefährdung kann darin liegen, in einer bereits zugespitzen Situation zu einem körperlichen Angriff überzugehen, selbst wenn ein solcher durch Notwehr zu rechtfertigen wäre.
6. Ein vernunftwidriges Vorgehen, dass eine Entschädigung unbillig erscheinen lässt, kann insbesondere bei einem körperlichen Angriff des Opfers gegen einen sichtlich alkoholisierten Täters trotz dessen erkennbarer körperlicher Überlegenheit bestehen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 8. Mai 2023 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich gegen die Feststellung des Ereignisses vom 6. März 2020, bei dem I1 H1 (Täter) dem Kläger mehrere Faustschläge gegen den Kopf versetzte, sodass dieser unter anderem eine Orbitabodenfraktur erlitt, als vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Entschädigung der Opfer von Gewalttaten (OEG) i. V. m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie die Feststellung des Nichtvorliegens von Versagungsgründen im Sinne des § 2 Abs. 1 OEG.
Der Kläger ist 1985 geboren und war zum fraglichen Zeitpunkt als selbstständiger Detektiv im Einzelhandel (vgl. Leistungsantrag) tätig.
Mit Antrag vom 28. April 2020, von der Krankenkasse () am 4. Mai 2020 an das Versorgungamt S1 weitergeleitet, beantragte der Kläger bei dem Landratsamt A1 die Gewährung von Leistungen nach dem OEG. Angegeben wurde, dass er am 6. März 2020 als Ladendetektiv mit zwei Personen, welche zum Ladenschluss entgegen den erteilten Anweisungen den Laden betreten hätten, in eine tätliche Auseinandersetzung geraten sei. Er habe mehrere Schläge ins Gesicht bekommen und sei mit einem Krankentransport ins Klinikum B2 gebracht worden. Die Ermittlungen der Polizei liefen noch.
Das LRA zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft R1 bei, aus der sich folgendes ergab:
Im Polizeibericht über die Anzeigeaufnahme wurde dokumentiert, dass die Streifenwagenbesatzung um 22.10 Uhr vom Führungs- und Lagezentrum zum E1-Markt beordert wurde. An der Filiale habe der Kläger auf sich aufmerksam gemacht und angegeben, die Täter im Kreuzungsbereich der E2/S4 aus den Augen verloren zu haben. Eine Personenbeschreibung sei vom ihm bereits an das Führungs- und Lagezentrum durchgegeben worden. Der Kläger habe leicht im Bereich der Unterlippe geblutet und mehrere Hämatome im Gesicht aufgewiesen. Zum Hergang sei angegeben worden, dass die zwei Männer den Filialraum trotz des Hinweises des Klägers, dass bereits geschlossen sei, betreten hätten. Der Kläger habe die beiden erneut angesprochen und es sei zu verbalen Streitigkeiten gekommen. Auch der erneuten Aufforderung, die Filiale zu verlassen, sei nicht Folge geleistet worden. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, habe der Kläger einen der Männer an der Brust Richtung Ausgang geschoben, worauf dieser äußerst aggressiv reagiert und ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe. Nach der Tat seien die beiden Männer fußläufig in Richtung der Firma B1 geflüchtet. Der Kläger habe die Täter zu Fuß verfolgt und telefonisch die Polizei über den Notruf verständigt. Im Kreuzungsbereich der S4/E2 habe er die Täter aus den Augen verloren. Aufgrund der Verletzung und der medizinischen Versorgung sei von einer Vernehmung des Klägers vor Ort abgesehen worden.
In seiner Geschädigtenvernehmung vom 18. März 2020 beschrieb der Kläger, dass er am Nachmittag des 6. März 2020 als Ladendetektiv bei der Firma E1 eingesetzt war. Er sei mit der Detektei S2 in U1 selbstständig. Nach Geschäftsschluss, d. h. gegen 22 Uhr, sei er im Kameraraum gewesen, habe diesen dann verlassen und sich noch eine Kleinigkeit geholt, die er an der Kasse bezahlt habe. Es sei grundsätzlich so, dass gegen 22 Uhr eine Durchsage komme, dass jetzt geschlossen werde und die Kunden an die Kasse gehen sollten. Er habe ebenfalls seine Haferflocken an der Kasse bezahlt, normal Dienstende machen und nach Hause fahren wollen. Am Eingang habe er zwei männliche Personen bemerkt, die aufgrund der geschlossenen Türe zunächst nicht hereinkommen konnten. Er müsse korrigieren, dass er nicht wisse, ob dieser Mechanismus von dem Schließenden, d. h. von Herrn S3, schon in Gang gesetzt worden sei oder nicht. Zur Firma E1 gebe es zwei Türen, eine äußere Eingangstüre und dann nochmals eine Eingangstüre, hinter der sich eine Art Drehkreuz befinde, wo Herr S3 gestanden habe. Dieser habe aber die beiden männlichen Personen, soweit er wisse, noch nicht angesprochen. Er – der Kläger – habe dann den Markt verlassen und den beiden männlichen Personen gesagt, dass sie jetzt geschlossen hätten und sie nicht mehr in das Geschäft reingehen könnten. Gleichzeitig sei er weitergelaufen in Richtung seines Autos, habe sich umgedreht und sehen können, dass die beiden trotzdem in das Geschäft hätten reingehen wollen. Er habe sich dann wieder rumgedreht und den beiden nochmals gesagt, dass geschlossen sei und sie jetzt nicht mehr rein könnten. Darauf habe der Täter erwidert, dass, wenn er da rein wolle, er da reingehe. Dann sei eine Diskussion losgegangen, nach dem Motto, wer er – der Kläger – überhaupt sei, er habe nicht einmal einen Ausweis o. ä . Er habe sich dann zu Herrn S3 umgedreht und ihn aufgefordert, den beiden Männern zu sagen, dass die Firma E1 geschlossen habe und sie nicht mehr reinkönnten. Dass habe Herr S3, der zu diesem Zeitpunkt in seiner E1-Arbeitskleidung gewesen sei und damit als Mitarbeiter erkennbar, auch getan.
Der Täter habe immer wieder versucht zu diskutieren. Er, der Kläger, habe dies abgewehrt und gesagt, keine Diskussion mehr und dass sie den Platz verlassen sollten. Stattdessen sei der Täter immer näher zu ihm hergekommen. Er habe ihn – den Täter – dann etwas nach hinten gestoßen. Gleichzeitig habe er nochmals zu ihm gesagt, dass er hier das Hausrecht habe und dass er jetzt den Platz verlassen und einfach gehen solle.
Danach wisse er nicht mehr so genau, wie es abgelaufen sei. Es könne sein, dass er den Täter nochmals etwas nach hinten geschoben habe. Dann habe er schon die Schläge abbekommen. Ihm sei schwarz vor den Augen geworden und er habe nichts mehr gesehen. Er habe nach Herrn S3 gerufen und diesem gesagt, dass er den beiden hinterher solle. Dann habe er gleich über 110 den Notruf gerufen und um einen Krankenwagen gebeten. Zu diesem Zeitpunkt habe er noch keine Schmerzen gehabt, dies müsse der Schock gewesen sein. Er habe wieder etwas gesehen, allerdings so etwas wie Doppelbilder. Er wolle hinzufügen, dass er zu dem Täter, der eine Warnweste getragen habe, gesagt habe, dass wenn er ein „Security“ sei, dass er sich für sein Verhalten schämen solle. Ob die zweite männliche Person in das Geschehen eingegriffen habe, könne er nicht sagen. Im Krankenhaus seien eine Orbitabodenfraktur, eine Platzwunde und Prellungen festgestellt worden.
Der Zeuge S3 gab am 12. März 2020 an, dass es zwischen 22.00 Uhr und 22.05 Uhr gewesen sein müsse. Er wisse dies deshalb so genau, weil das Geschäft um 22.00 Uhr schließe. Zu dem Zeitpunkt seien noch ziemlich viele Kunden im Geschäft gewesen. Die Tür werde dann in der Regel so eingestellt, dass sie nur öffne, wenn Kunden das Geschäft verlassen wollten. Er habe vom Inneren des Geschäfts gesehen, dass der Kläger außerhalb des Geschäfts mit den beiden Jugendlichen gestanden habe. Der Kläger sei als Hausdetektiv tätig gewesen, irgendwo bei so einer Detektei angestellt.
Der Kläger habe selbst noch eingekauft und an der Kasse gewartet, um zu bezahlen. Dann habe er sich in Richtung Ausgang begeben und eigentlich das Geschäft verlassen und wegfahren wollen. Als sich die Türe geöffnet habe, hätten die beiden Jugendlichen das Geschäft betreten wollen. Er habe sich gedacht, das alles in Ordnung sei und sei nochmals zurück in das Geschäft und die Gänge abgegangen. Er habe auch noch Türen abgeschlossen und als er wieder vorbeigekommen sei, habe er den Kläger immer noch mit diesen beiden Jugendlichen am Eingang stehen sehen. Der Kläger sei im Geschäft, die beiden Jugendlichen draußen gewesen. Der Täter habe am Anfang gemeint, dass sie nur kurz rein wollten, noch eine Kleinigkeit holen, es seien ja noch Leute an der Kasse. Der Kläger habe dies verhindert und den beiden gesagt, dass dies nicht mehr gehe. Dann sei der Ton des Täters immer aggressiver geworden. Der zweite Jugendliche habe gesagt, dass der Kläger sowieso nicht mehr in Dienst sei und ihnen deshalb nichts zu sagen habe. Der Kläger habe, wenn er das richtig verstanden habe, erwidert, dass er, der Kläger, auch wenn er nicht mehr im Dienst sei, immer noch das Hausrecht habe. Er, der Zeuge, habe sich dann eingeschaltet und gesagt, dass die beiden nicht mehr reinkämen, da man Feierabend machen wolle, der R3 schließlich noch bis 24 Uhr aufhätte und die beiden dorthin gehen könnten. Der Täter sei dem Kläger entgegengekommen, dieser habe ihn dann mit beiden Händen von sich weggeschoben, auch durch den Eingang hinaus. Der zweite Jugendliche sei unmittelbar am Eingang stehen geblieben. Der Täter habe den Kläger in den Schwitzkasten genommen und ihn wieder vor das Geschäft gezogen, dann habe es Schläge gegeben.
Er, der Zeuge, habe dann über sein Handy bzw. über das Haustelefon die 110 gerufen, gleichzeitig habe der Kläger zu ihm gesagt, dass er den beiden hinterher solle. Er habe zu diesem Zeitpunkt noch zwischen den Türen gestanden und sei den beiden dann hinterher.
Nach Ermittlung des Täters räumte dieser die Tat ein und gab an, im Alleingang gehandelt zu haben. Er sei bei der Tat erheblich alkoholisiert gewesen und habe in den Laden gewollt, um alkoholische Getränke zu kaufen. Wegen seiner Sucht befinde er sich derzeit in der Selbsthilfeeinrichtung „R4“. Er bereue die Tat und entschuldige sich bei dem Geschädigten. Er bitte darum, einen Täter-Opfer-Ausgleich herbeizuführen. Etwaige Schmerzensgeldansprüche würden dem Grunde nach anerkannt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht B2 (AG), gab der Täter an, dass sie an dem Abend zur Tankstelle gelaufen seien, um Alkohol zu kaufen. Die Tankstelle habe schon zu gehabt und beim E1 sei noch eine Schlange an der Kasse gewesen. Der Kläger habe gesagt, dass zu sei und sie nicht mehr reingehen könnten. Der Kläger sei sehr laut geworden, er selbst sei stark alkoholisiert gewesen und habe nicht aussprechen dürfen. Er könne sich nicht an alles erinnern, sie seien weggerannt. Es sei ein Fehler gewesen.
Der Kläger erklärte, vom AG als Zeuge gehört und auf die Wahrheitspflicht hingewiesen, dass er an dem Tag als Detektiv eingesetzt gewesen sei. Er habe um 10 vor 10 Feierabend gemacht, seine Sachen gepackt, noch eingekauft und an der Kasse bezahlt. Als er raus sei, sei ihm der Täter mit dessen Freund entgegengekommen. Er habe zu seinem Auto gewollt. Er habe den beiden Jugendlichen gesagt, dass schon geschlossen sei und sei weitergegangen in Richtung seines Autos. Man habe den Markt nur noch verlassen, aber nicht mehr reingehen können. Die beiden hätten nicht reagiert, auf dem Weg zu seinem Auto habe er gesehen, dass die beiden doch reingegangen seien. Es seien zwei Türen an der Schleuse, die beiden hätten an der zweiten Tür gestanden und Richtung Kasse geschaut. Er habe ihnen zu ihnen gesagt, dass geschlossen sei. Herr S3 sei dafür zuständig, die Leute wegzuschicken und die Türen zu schließen. Manchmal spreche er – der Kläger – auch die Kunden an, dass sie gehen sollten.
Er habe den beiden nochmal gesagt, dass geschlossen sei und sie den Markt verlassen sollten. Der Täter habe es nicht eingesehen, er habe es wiederholt. Der Täter sei immer aggressiver geworden, habe irgendwann vor ihm gestanden und er habe ihn weggedrückt. Er habe dem Täter vorher sechs bis sieben Mal gesagt, dass er den Markt verlassen solle. Herr S3 habe hinter ihm gestanden, er habe zu diesem gesagt, dass er den beiden sagen solle, dass sie gehen sollen. Dies habe er auch getan. Der Täter habe ihn, den Kläger, gefragt, was er hier sei. Er habe ihm entgegnet, dass er gehen und sich als „Security“ schämen solle, sich so zu verhalten. Dann habe er schon die Schläge bekommen, mit dem Knie und den Fäusten. Die beiden seien dann weggerannt.
Er habe den Täter weggeschubst. Er habe es nicht in Ordnung gefunden, dass der Täter es nicht ernst genommen habe. Dies habe ihn schon aufgeregt. Herr S3 sei von der Obstabteilung. Wenn er Spätschicht habe, habe dieser Schließdienst. Wenn er, der Kläger, seine Arbeit habe, dann spreche er auch das Hausverbot aus. Auf Nachfrage gab der Kläger an, dass Herr S3 es habe entscheiden müssen. Er habe es auch zu dem Täter gesagt, dass er gehen solle, dass geschlossen sei. Beim zweiten Mal wegdrücken habe der Kläger ihn geschlagen. Er habe nicht mit einer solchen Reaktion des Täters gerechnet, denn als „Security“ müsse dieser wissen, dass wenn er sage, der Markt habe geschlossen und es komme keiner rein, dies dann so sei.
Der Zeuge S3 gab, nach Belehrung, in der mündlichen Verhandlung ebenfalls gehört an, dass er an dem Abend Schließdienst gehabt habe. Die Tür sei auf Einbahn gestellt gewesen. Der Kläger habe rausgehen wollen und die beiden Jugendlichen rein. Der Kläger habe ihnen gesagt, dass sie nicht reindürften, weil geschlossen werde. Das habe er, der Zeuge, gesehen. Er habe Obst eingeräumt und beobachtet, dass der Kläger mit den Jugendlichen diskutiert habe. Er selbst sei raus, um zu schauen was los ist. Er habe den beiden gesagt, dass sie zum R3 sollten, der habe länger auf. Das Wortgefecht sei immer aggressiver geworden, er habe mit dem Rücken zum Kläger gestanden, dieser habe nichts gesagt. Er habe seinen Kollegen nur sagen wollen, dass sie sich bereithielten, um die Polizei zu rufen, da sei der Kläger schon draußen gewesen. Er habe „ihn“ am Kopf gepackt und festgehalten. Er habe gar nicht gewusst, wie „er“ es gemacht habe in diesem Moment. Der andere Jugendliche habe erschrocken ausgesehen. Es sei so schnell gegangen und der Kläger habe zu ihm gesagt, dass er hinterherlaufen solle. Er sei dann raus aus dem Bereich. Bis zu dem Vorfall sei der Kläger an der Tür gewesen, ob er am Auto gewesen sei, wisse er nicht. Auf Nachfrage gab der Zeuge an, dass sie versetzt gestanden hätten und er mit dem Rücken zum Kläger, da er die Kollegin habe vorbereiten wollen, dass vorne etwas passiere. Der Kläger habe drinnen gestanden und die Jugendlichen draußen. Der Kläger sei erst ruhig gewesen und die Jugendlichen immer aggressiver. Als es aggressiver geworden sei, habe er das Telefon genommen, um die Kollegin in dem Kassenzimmer anzurufen. Irgendwann wäre die Polizei gekommen. Beim Ladendiebstahl komme die Polizei in einer halben Stunde. In der Zeit schließe man „sie“ im Kassenbüro ein. In so einer Situation sei er noch nie gewesen. Auf weitere Nachfrage erklärte der Zeuge, dass der Detektiv, wenn er das Haus verlasse, dieser selbst das Hausverbot erklären dürfe. Es sei in seinem Sinne gewesen.
Der Täter wurde – unter Einbeziehung weiterer Urteile u. a. wegen Vergewaltigung, vorsätzlicher Körperverletzung und gemeinschaftlicher Sachbeschädigung – zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verurteilt sowie die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Das AG ging ausweislich der Entscheidungsgründe im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
„Am Abend des 6. März 2020 […] als der Getränkevorrat zur Neige gegangen war, entschloss sich der Angeklagte […] weiteren Alkohol zu besorgen. Zunächst begaben sie sich zu einer nahegelegenen Tankstelle, wo sie wenige Minuten nach 22 Uhr eintrafen und feststellen mussten, dass die Geschäftsräume der Tankstelle bereits verschlossen waren. Daraufhin wandten sie sich dem in nächster Nähe gelegenen E1-Einkaufsmarkt […] zu, der noch zugänglich war. Als sie den Vorraum im Eingangsbereich betraten, der durch eine Glastür vom eigentlichen Verkaufsbereich abgetrennt ist, konnten sie erkennen, dass sich im Kassenbereich noch Kunden aufhielten […]. Bevor es ihnen gelungen war, den Verkaufsraum zu betreten, war ihnen jedoch bereits [der Kläger] entgegengetreten, der nach den Regelungen des E1-Einkaufsmarktes berechtigt ist, das Hausrecht auszuüben. Er entgegnete ihnen, dass der Einkaufsmarkt bereits geschlossen sei, sich nur noch wenige Kunden im Markt aufhalten würden und sie nunmehr die Räumlichkeiten verlassen sollten. Bei dieser Gelegenheit wies er darauf hin, dass schließlich noch nach 22 Uhr der weiter entfernte R2-Einkaufsmarkt in B3 geöffnet sei. Hierzu fanden sich die beiden Männer nicht bereit […]. Hierbei traten sie überaus provokativ auf und betonten immer wieder, dass [der Kläger] ihnen sowie nichts zu sagen habe. Dieser ärgerte sich darüber, dass die beiden Männer ihn offensichtlich nicht ernst nahmen und keinerlei Anstalten machten, seiner Weisung Folge zu leisten. In der Absicht, sich endlich Respekt zu verschaffen und seine Weisung durchzusetzen, ging [der Kläger] nunmehr auf den [Täter] zu, der sich im Eingangsbereich an der Glastüre, unmittelbar vor den Verkaufsräumlichkeiten aufhielt und deutlich machte, dass er nicht gewillt sei, wegzugehen. Kurz entschlossen drückte [der Kläger] mit beiden Händen kräftig gegen den Oberkörper des [Täters] und schob diesen energisch nach hinten, um ihn aus dem Einkaufsmarkt hinauszudrängen. Nachdem es ihm gelungen war, den [Täter] auf diese Weise einige Meter wegzuschieben, reagierte dieser, einer spontanen Eingebung folgend, unvermittelt überaus aggressiv. Trotz seiner erheblichen Alkoholisierung war der [Täter] in seiner Steuerungsfähigkeit nicht nennenswert eingeschränkt gewesen und hatte auch erkannt, dass ihm vom [Kläger] keinerlei Gefahr drohte. Gleichwohl versetzte er dem [Kläger] nunmehr in rascher Folge mehrere wuchtige Faustschläge auf den Kopf und ins Gesicht und schlug zudem noch mit dem hochgezogenen Knie heftig gegen den Kopf des Geschädigten […].“
Mit Bescheid vom 10. Februar 2022 lehnte das LRA die Gewährung von Beschädigtenversorgung ab. Eine Angriffshandlung im Sinne des § 1 OEG sei nicht erwiesen. Rechtswidrig handele nicht, wer eine Tat begehe, die durch Notwehr geboten sei. Notwehr sei die Verteidigung, die erforderlich sei, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren. Wer einem rechtswidrigen Angriff ausgesetzt sei, dürfe sich effektiv zur Wehr setzen und eine Verteidigung wählen, die eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefährdungslage verspreche.
In den Videoaufnahmen sei zu sehen, wie der Kläger den Täter um 21:45 Uhr, und damit noch vor Ladenschluss, nach vorangegangener verbaler Diskussion aggressiv mehrere Meter nach hinten wegschiebe und nach einem ersten kräftigen Faustschlag nicht von diesem ablasse, sondern ihn noch mehrere Meter nach hinten wegschiebe. Der Täter habe sich verbal aggressiv gezeigt, Anzeichen dafür, dass ein körperlicher Angriff unmittelbar bevorgestanden habe, seien nicht erkennbar. Der Wechsel zur körperlichen Gewalt sei vom Kläger ausgegangen und vom Hausrecht nicht gedeckt. Betrete der Kunde die Geschäftsräume, obwohl es ihm vorher rechtmäßig untersagt worden sei, sei der Kläger befugt, das übertragene Hausrecht durchzusetzen. Körperliche Gewalt komme nur als letztes Mittel in Betracht. Vor der Anwendung körperlicher Gewalt habe der Kläger seinen Kollegen und/oder die Polizei verständigen können. Der Täter habe auf den unrechtmäßigen Angriff mit einer tätlichen Gegenreaktion reagiert und damit in Notwehr gehandelt.
Unabhängig davon liege ein Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 OEG vor, weil der Kläger die Schädigung selbst verursacht habe. Das Verhalten stelle sich als „Tatbeitrag“ dar, der als rechtlich wesentlich mitwirkende Ursache anzusehen sei. Der Täter sei vom Kläger in Ausübung des Hausrechts noch vor Ladenschluss abgewiesen worden. Der abgewiesene Täter habe dies 15 Minuten vor Ladenschluss nicht ohne Weiteres hinnehmen wollen und sei dem Kläger verbal aggressiv wie provokant entgegengetreten. Verärgert, dass der Täter den Anweisungen nicht habe folgen wollen, sei der Kläger in hohem Maße vernunftwidrig den ohnehin schon aufgebrachten Täter körperlich angegangen. In der aufgeheizten Situation habe der Kläger mit einer kräftigen körperlichen Gegenwehr rechnen müssen. Der Kläger habe sich daher leichtfertig in eine erkenn- und vermeidbare Gefahr gebracht, ohne sozial nützlich zu handeln.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, legte das Strafurteil des AG gegen den Täter vor und wies darauf hin, dass in der Hauptverhandlung kein Zweifel bestanden habe, dass der Angriff eine vorsätzliche Körperverletzung gewesen sei. Das rechtskräftige Strafurteil entfalte Bindungswirkung, dort sei auch rechtskräftig festgestellt, dass sich die Tat nach 22.00 Uhr ereignet habe. Unmittelbar nach dem Vorfall sei die Polizei kontaktiert worden, der Anruf sei, wie sich aus der Akte ergebe, um 22.30 Uhr eingegangen.
Den Widerspruch wies das Regierungspräsidium S1 – Landesversorgungsamt – mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2022 zurück. Nach den Feststellungen des AG habe sich der Kläger darüber geärgert, dass der Täter und sein Begleiter ihn als Warenhausdetektiv nicht ernst genommen und keinerlei Anstalten gemacht hätten, seinen Weisungen Folge zu leisten. In der Absicht, sich endlich Respekt zu verschaffen und seine Weisungen durchzusetzen, sei der Kläger auf den Täter zugegangen, habe ihn mit beiden Händen gegen dessen Oberkörper gedrückt und ihn energisch nach hinten geschoben. Ob und inwieweit die daraufhin erfolgte Reaktion als Abwehrhandlung oder als eigenständige Angriffshandlung zu werten sei, könne dahingestellt bleiben. Die erste physische Gewalteinwirkung gegen den Körper einer anderen Person sei jedenfalls durch den Kläger mit dem Wegstoßen des Täters erfolgt. Damit sei der bereits verbal aggressive Täter noch provoziert worden, anstatt sofort die Polizei anzurufen und auf deren Eintreffen zu warten. Dies sei in der Situation die vernünftige Vorgehensweise gewesen, da von dem Täter und seinem Begleiter keine erkennbare Gefahr für den Kläger, die Kunden oder das Ladenpersonal ausgegangen sei.
Am 28. August 2022 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Er hat beantragt, den Bescheid vom 10. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2022 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er am 6. März 2020 Opfer eines tätlichen Angriffs geworden sei. Der Täter sei vom AG verurteilt worden. Er sei am 6. März 2020 als Ladendetektiv im Center B2 tätig gewesen. Gegen 22.05 Uhr hätten zwei Männer versucht, den Supermarkt zu betreten. Er habe darauf hingewiesen, dass der Supermarkt bereits geschlossen sei und sich nur noch die letzten Kunden im Laden befänden. Trotzdem hätten die beiden Männer den Vorraum der Filiale betreten. Er sei zu den beiden Männern gegangen und habe sie gebeten, den Supermarkt zu verlassen. Diese seien sehr aggressiv gewesen, sodass es zu einer verbalen Streitigkeit gekommen sei. Der Täter sei ihm äußerst aggressiv immer näher gekommen. Er selbst habe darauf hingewiesen, dass er als Ladendetektiv das Hausrecht habe. Da die Aggressionen durch den Täter weiter zugenommen hätten, habe er diese von sich weg durch den Eingang des Geschäfts geschoben. Dieser Vorgang sei durch den Zeugen S3 beobachtet worden. In der Folge sei auf der Videoaufzeichnung, die von der Polizei gesichtet worden sei, zu erkennen, dass der Täter massiv auf ihn eingeschlagen habe. Er habe seinen Oberkörper nach unten gedrückt und mit hochgezogenen Knien immer wieder in seinen Oberkörper bzw. in das Gesicht getreten.
Bei der Hauptverhandlung vor dem AG habe der Täter sein Fehlverhalten in vollem Umfang eingeräumt, ebenso, dass sei Handeln weder gerechtfertigt noch entschuldigt gewesen sei. Er habe betont, dass er wütend gewesen sei, weil er keinen Alkohol bekommen habe und deshalb alle Aggressionen auf einmal aus ihm herausgebrochen seien.
Der Beklagte habe in seiner Sachverhaltsdarstellung lediglich Bruchstücke des Geschehens wiedergegeben. Im Rahmen des Strafverfahrens sei eindeutig festgestellt worden, dass er den Täter weder angegriffen noch provoziert habe, sondern lediglich seiner Verpflichtung als Warenhausdetektiv nachgekommen sei. Dies habe das AG in seinem Urteil so auch rechtskräftig festgestellt, in der Hauptverhandlung sei die Rechtmäßigkeit seines – des Klägers – Handelns weder vom Täter noch von dessen Verteidiger bestritten worden. Deshalb stünden ihm Ansprüche aus dem OEG zu.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Entgegen der Behauptung des Klägers seien eigenständige Ermittlungen durchgeführt worden. Eine Bindung an das Urteil des AG bestehe nicht. Es könne dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die erfolgte Reaktion des Täters als Abwehrhandlung oder als eigenständige Angriffshandlung zu werten sei. Die erste physische Gewalteinwirkung gegen den Körper einer anderen Person sei durch den Kläger erfolgt, der Anspruch daher nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen.
Das SG hat die Strafakte des Amtsgerichts R1 beigezogen und digitalisiert.
In der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2023 hat der Kläger beantragt (vgl. Protokoll), den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2022 zu verurteilen, Leistungen nach dem OEG wegen des vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs vom 6. März 2020 zu gewähren, hilfsweise, festzustellen dass er [der Kläger] Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff geworden ist und Leistungen nach dem OEG wegen des vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs vom 6. März 2020 nicht zu versagen sind.
Mit Urteil vom gleichen Tag hat das SG den Bescheid vom 10. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2022 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger am 6. März 2020 Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs geworden ist und dass Leistungen nach dem OEG nicht nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen sind.
Die Klage sei mit Blick auf den Hilfsantrag zulässig und begründet. Der Bescheid vom 10. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2022 sei rechtswidrig. Der Kläger mache im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen ablehnenden – und auch einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstehenden – Verwaltungsentscheidung des Beklagten geltend. Außerdem begehre er die Feststellung, dass er Opfer eines vorsätzlich rechtswidrigen Angriffs geworden sei sowie die Nichtfeststellung des Vorliegens von Versagungsgründen im Sinne des § 2 Abs. 1 OEG, also die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Nachdem der Beklagte insgesamt die Gewährung von Leistungen abgelehnt habe, wie es § 2 Abs. 1 OEG vorsehe, sei vorliegend in Ermangelung einer vom Beklagten getroffenen Verwaltungsentscheidung über konkrete Leistungsansprüche die gerichtliche Geltendmachung eines Leistungsanspruchs auf Gewährung von (unbenannten) Versorgungsleistungen nicht zulässig (Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 5. Februar 2005 – B 2 U 1/04 R –, vom 17. Juli 2008 – B 9/9a VS 5/06 R – und vom 2. Oktober 2008 – B 9 VG 2/07 R –). Die vom Beklagten verneinte Voraussetzung möglicher Leistungsansprüche sei im Wege der Feststellungsklage zu klären. Einem auf Gewährung von Beschädigtenversorgung gerichteten Leistungs- und Verpflichtungsantrag käme bei dieser Konstellation keine eigenständige Bedeutung zu (Verweis auf die Urteile des erkennenden Senats vom 21. März 2013 – L 6 VG 4354/12 – und vom 28. September 2018 – L 6 VG 2878/17 – und Bayerisches LSG, Urteil vom 9. November 2017 – L 20 VG 26/15 –). Daher bestehe jedoch ein Feststellungsinteresse des Klägers an der Feststellung, dass er am 6. März 2020 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriffs geworden sei und dass Versagungsgründe nicht vorlägen. Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage sei hier nicht subsidiär.
Die Klage sei hinsichtlich des Hilfsantrages in vollem Umfang begründet. Der Kläger sei Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden und habe gesundheitliche Schädigungen in Form u. a. einer Orbitafraktur, eines Monokelhämatoms sowie einer Risswunde der Unterlippe erlitten. Ein Versagungsgrund nach § 2 OEG bestehe nicht. Soweit das LRA davon ausgegangen sei, der Täter habe in Notwehr gehandelt, stelle sich die Kammer dieser rechtlichen Wertung entschieden entgegen. Im Herausschieben des Täters durch den Kläger liege (noch) kein rechtswidriger tätlicher Angriff, gegen den man sich im Wege der Notwehr zur Wehr setzen dürfe. Ein Schlagen oder Schubsen liege nicht vor. Selbst wenn von einem tätlichen Angriff ausgegangen werde, begründe die heftige Reaktion jedenfalls einen Notwehrexzess, der die Rechtswidrigkeit der Abwehrhandlung gerade nicht entfallen lasse.
Ein Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 OEG bestehe nicht. Zunächst sei eine (Mit-)Verursachung durch den Kläger nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen. Das Wegschieben des Täters, der alkoholisiert und lautstark Einlass in den Verkaufsraum des nach Hinweis des Warenhausdetektivs geschlossenen Supermarktes begehrt habe, sei in der vorliegenden Situation nicht unbedingt als ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten anzusehen. Hinzu komme, dass vorliegend ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen dem Wegschieben durch den Kläger und der massiven körperlichen Gewalt des Täters bestanden habe, sodass keinesfalls eine etwa gleichwertige Mitverursachung durch den Kläger anzunehmen sei.
Letztlich sei keine Unbilligkeit gegeben, da im Verhalten des Klägers noch keine Provokation bezüglich einer massiven Körperverletzung durch den Täter liege. Der Sachverhalt enthalte keine Hinweise darauf, dass der Kläger die Schädigung bewusst angestrebt oder in Kauf genommen oder sich zumindest leichtfertig in die Gefahr einer solchen Schädigung begeben habe. Der Tatbestand des Strafurteils spreche in diesem Zusammenhang davon, dass der Täter erkannt habe, dass ihm vom Kläger keine Gefahr drohte. Entscheidend sei dabei, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Warenhausdetektiv im Rahmen der Rechtsordnung nicht nur befugt, sondern geradezu verpflichtet gewesen sei, das Hausrecht des Einkaufsmarktes wahrzunehmen und zu schützen. Mit der Wahrnehmung seiner arbeitsrechtlichen Pflichten als Warenhausdetektiv habe der Kläger gegenüber seinem Arbeitgeber eine Einstandspflicht übernommen, entsprechend der bestehenden Eigentums- und Besitzrechte für die Sicherheit und Ordnung des Einkaufsmarktes und deren Kunden zu sorgen. In einer solchen Situation zu verlangen, der Kläger habe ausweichen und die Polizei rufen müssen, sei mit dem Sinn und Zweck des Opferentschädigungsrechts nicht zu vereinbaren und verkehre geradezu das Verhältnis von Opfer und Täter.
Am 16. Juni 2023 hat der Beklagte Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Das SG habe keine Schädigungsfolgen und keinen GdS festgestellt, was mit der Unzulässigkeit einer Elementenfeststellungsklage nicht in Einklang zu bringen sei. Das SG stelle im Wesentlichen darauf ab, dass der Täter um 22.00 Uhr bzw. wenige Minuten nach 22.00 Uhr Einlass in den Supermarkt gefordert habe, als dieser bereits nicht mehr für neue Kunden zugänglich gewesen sei. Deshalb habe der Kläger von seinem Hausrecht Gebrauch machen dürfen. Diese Einschätzung stehe in Widerspruch zu den Aufzeichnungen der Überwachungskamera, die zeigten, dass der Täter und sein Begleiter bereits um 21.45 Uhr Einlass begehrt hätten, damit zu einem Zeitpunkt, als der Supermarkt noch nicht geschlossen gewesen sei. Außerdem sei zu sehen, dass sich der Täter immer nur im Bereich der äußeren Tür befunden habe, mal halb drin und dann wieder draußen. Sein Begleiter habe während dieser Zeit lässig an die äußere Wand gelehnt. Eine bedrohliche Gesamtlage sei nicht zu erkennen. Weiter sei zu sehen, dass die Situation eskalierte, als der Kläger den Täter, der noch im Rahmen der äußeren Tür gestanden habe, nicht nur etwa weggeschoben habe, sondern vielmehr über mehrere Meter von der äußeren Eingangstür bis zum Parkplatz gedrückt habe. Erst dann habe sich der Täter mit Faustschlägen und einem Kniestoß gewehrt. Dies belege eine Notwehrsituation für den Täter, denn der Kläger habe ihn nicht nur einfach aus der Tür geschoben, sondern noch ein ganzes Stück weiter, was in dieser Situation über das Maß des Erforderlichen hinausgegangen sei. Veranlassung, das Hausrecht durchzusetzen, habe in dieser Situation nicht bestanden, weil bis dahin Anzeichen für einen bevorstehenden körperlichen Angriff des Täters gefehlt hätten. Vielmehr habe der Kläger die Notwehrsituation des Täters selbst schuldhaft herbeigeführt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 8. Mai 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Er verweist auf die angefochtene Entscheidung. Den klaren und vernünftigen Ausführungen sei nichts hinzuzufügen. Das AG habe ebenso überzeugend ausgeführt, weshalb der Täter eine vorsätzliche Körperverletzung begangen habe, die gerade nicht gerechtfertigt gewesen sei. Die Ausführungen des Beklagten gingen an der Lebenswirklichkeit vorbei, nicht einmal der Verteidiger des Täters sei von einer gerechtfertigten Handlung ausgegangen und habe deshalb nicht auf Freispruch plädiert.
Dem Senat haben die vom SG digitalisierten Akten des Amtsgerichts B2 vorgelegen. Die auf der in der Verwaltungsakte enthaltenen CD-R gespeicherten Dateien sind vom Senat in Augenschein genommen und in die elektronische Akte eingebunden worden. Die Beteiligten haben über das Akteneinsichtsportal Einsicht in die LSG-Akte und damit Zugriff auf die eingebundenen Dateien erhalten.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Beklagten ist statthaft (§§ 143, 144 SGG), auch im Übrigen zulässig und begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG vom 8. Mai 2023, mit dem das SG auf die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG), unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 95 SGG) vom 31. August 2022, festgestellt hat, dass der Kläger am 6. März 2020 Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen Angriffs geworden ist und Leistungen nach dem OEG nicht nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen sind.
Die Begründetheit der Berufung des Beklagten folgt schon daraus, dass das SG eine in zweifacher Hinsicht unzulässige Elementenfeststellung getroffen hat. Nach der Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, kann die Klage nicht auf die isolierte Feststellung beschränkt werden, Opfer eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden zu sein. Ein derartiges Feststellungsbegehren kann weder auf § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG noch auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG gestützt werden, weil nur eine isolierte Feststellung (Anerkennung) von Schädigungsfolgen im Sinne des OEG zulässig ist, nicht aber die Klärung einzelner Elemente als Vorfrage des Anspruchs nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 1/13 R –, juris, Rz. 13).
Eine isolierte Feststellung kommt auf der Grundlage des § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG dann nicht in Betracht, wenn mit ihr nur die selbstständige Feststellung des Vorliegens anderer als in der Vorschrift genannter Tatbestandselemente des geltend gemachten Anspruchs begehrt wird. Die Feststellung, ob ein bestimmtes Ereignis ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist, kommt nur im Zusammenhang mit der Feststellung bestimmter Schädigungsfolgen in Betracht (vgl. BSG, a. a. O., Rz. 14). An seiner abweichenden Rechtsprechung (vgl. das vom SG zitierte Urteil vom 21. März 2013 – L 6 VG 4354/12 –, juris, Rz. 34) hat der Senat nicht festgehalten und ist der Rechtsprechung des BSG gefolgt, dem (ebenfalls vom SG zitierten) Urteil vom 28. September 2018 – L 6 VG 2878/17 –, juris, Rz. 53 lag eine zulässige Leistungsklage zu Grunde, sodass sich hieraus nichts anderes ergibt.
Soweit im Unfallversicherungsrecht davon ausgegangen wird, dass mit der Verneinung des Versicherungsfalls (Arbeitsunfall [§ 8 SGB VII] bzw. Berufskrankheit [§ 9 SGB VII]) keine Entscheidung über konkrete Leistungen getroffen wird, sondern eine pauschale Leistungsablehnung lediglich eine bloße Annexfloskel darstellt, mit der an prominenter Stelle nur auf die Folgen hingewiesen wird, die künftig eintreten, wenn die Ablehnung des Versicherungsfalls bestandskräftig wird, sodass nur die isolierte Feststellung des Versicherungsfalls zulässig verfolgt werden kann (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 16. März 2021 – B 2 U 7/19 R –, juris, Rz. 12), lässt sich diese Rechtsprechung nicht auf das soziale Entschädigungsrecht übertragen. Die bloße Feststellung eines schädigenden Vorgangs im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG begründet noch kein Leistungs- und sonstiges Rechtsverhältnis nach dem OEG im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 1/13 R –, juris, Rz. 13).
Mit der Ablehnung des Versorgungsanspruchs liegt eine Verwaltungsentscheidung über alle möglichen Ansprüche auf Versorgung nach § 1 Abs. 1 OEG i. V. m. den entsprechend anzuwenden Vorschriften des BVG vor (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 1999 – B 9 VG 2/98 R –, juris, Rz. 16), denn der Begriff der „Versorgung“ betrifft keine bestimmte Leistung, sondern umfasst alle nach dem BVG zur Verfügung stehenden Leistungen. Daraus folgt indessen nicht, dass der Kläger ein Grundurteil (§ 130 SGG) über Versorgungsleistungen begehren kann, da dieser Ausspruch zu unbestimmt ist (vgl. BSG, Urteil vom 2. Oktober 2008 – B 9 VG 2/07 R –, juris, Rz. 12). Vielmehr ist das Leistungsbegehren zu konkretisieren und die beanspruchte Leistung zu bezeichnen, wobei das Gericht auf eine sachdienliche Antragstellung hinzuwirken hat (vgl. § 112 Abs. 2 Satz 2 SGG). Ggf. bedarf das Begehren der Auslegung (vgl. § 123 SGG – hierzu auch Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 123 Rz. 3) im wohlverstandenen Interesse des Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 2. Oktober 2008 – B 9 VG 2/07 R –, juris, Rz. 12).
Vorstehendes ändert aber nichts daran, dass der vom Versorgungsanspruch umfasste Anspruch auf Heilbehandlung (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i. V. m. § 9 Nr. 1 BVG – hierzu BSG, Urteil vom 11. März 1998 – B 9 VG 3/96 R –, juris, Rz. 17) als Sachleistungsanspruch ausgestaltet und damit einem Grundurteil nach § 130 SGG nicht zugänglich ist, da ein solches nur bei Geldleistungen in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 8. August 2001 – B 9 VG 1/00 R –, juris, Rz. 25).
Soweit davon ausgegangen worden ist, dass ein Grundurteil über „Versorgung“ auch deshalb unzulässig sei, weil es eine Zurückverweisung an die Verwaltung darstelle, die nach dem SGG nicht vorgesehen sei (vgl. BSG, Urteil vom 8. August 2001 – B 9 VG 1/00 R –, juris, Rz. 25), hat sich die Rechtslage mit § 131 Abs. 5 SGG geändert. Dieser ermöglicht nunmehr – unter den dort genannten Voraussetzungen – eine Zurückverweisung an die Verwaltung zur weiteren Sachaufklärung, was insbesondere dann in Betracht kommt, wenn der Versorgungsanspruch aus nicht tragfähigen Erwägungen heraus verneint worden ist und deshalb notwendige Ermittlungen – zu den jeweiligen Leistungsansprüchen – unterblieben sind. Die Verwaltung ist insoweit nach einer Zurückverweisung an die Rechtsauffassung des Gerichts gebunden (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 131 Rz. 21).
Ebenso ist die isolierte Feststellung, dass Leistungen nach dem OEG nach § 2 Abs. 1 OEG zu versagen sind, eine unzulässige Elementenfeststellung. Die Vorschrift ist eine Gegennorm zum Anspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 VG 2/01 R –, juris, Rz. 13). Sie enthält zwingende Versagungstatbestände mit anspruchsvernichtender Wirkung (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 1998 – B 9 VG 3/96 R –, juris, Rz. 17), die als negative Tatbestandsmerkmale Teil des Versorgungsanspruchs sind (vgl. auch BSG, Urteil vom 10. September 1997 – 9 RVg 9/95 –, juris, Rz. 20). Dementsprechend wird mit der Feststellung eines Ausschlusstatbestandes nach § 2 Abs. 1 OEG der gesamte Versorgungsanspruch verneint. Bei einer etwaig im Bescheid auch getroffenen Feststellung, dass eine Gewalttat im Sinne des § 1 OEG vorgelegen habe, handelt es sich nur um ein unselbständiges Begründungselement, das nicht der Bestandskraft fähig ist (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 1998 – B 9 VG 3/96 R – juris, Rz. 17). Die gegenteilige Auffassung (vgl. die vom SG zitierte Entscheidung des LSG Bayern vom 9. November 2017 – L 20 VG 26/15 –, juris, Rz. 42), dass ein Leistungsausschluss nach § 2 OEG eine vorherige Entscheidung über den Leistungs- bzw. Versorgungsanspruchs nach § 1 OEG, und damit eines Rechtsverhältnisses, erfordere, überzeugt folglich nicht, sodass der Senat ihr nicht folgt. Der Beklagte hat damit mit dem angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zutreffend eine einheitliche Entscheidung über den Versorgungsanspruch getroffen und dessen Ablehnung auf das Nichtvorliegen zweier Tatbestandsmerkmale – dem positiven des rechtswidrigen Angriffs und dem negativen des Fehlens von Versagungsgründen – gestützt.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Entscheidung über einen Versorgungsanspruch nicht an die rechtskräftig gewordene Beurteilung des Strafgerichts gebunden, da eine Entscheidung nach dem OEG nicht einmal die Verurteilung des Angreifers wegen einer Straftat und auch nicht die Strafbarkeit seines Verhaltens voraussetzt (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 1986 – 9a RVg 2/84 –, juris, Rz. 18). Geboten ist vielmehr eine unabhängige Beweiswürdigung, in deren Rahmen aber Feststellungen anderer Gerichte als Urkunden verwertet werden können (vgl. Senatsurteil vom 28. September 2018 – L 6 VG 2878/17 –, juris, Rz. 64). Das strafrechtliche Urteil kann aber nicht die Entscheidung über den OEG-Anspruch präjudizieren. Es verhält sich zwar zu der Frage des vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs und bejaht diesen. Feststellungen dazu, ob ein Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 OEG vorliegt, kann es jedoch keine treffen, da diese in der Person des Klägers liegen müssen und nicht in der des Täters. Hieraus wird gleichzeitig die gesetzliche Systematik deutlich, nach der das Vorliegen eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs von einem Versagungsgrund zu trennen ist. Der Versorgungsanspruch des Opfers kann gerade trotzdem ausgeschlossen sein, obwohl ein rechtswidriger tätlicher Angriff vorliegt.
Soweit der Beklagte die Entscheidung des SG deshalb beanstandet, weil keine Feststellung der Höhe des GdS erfolgt sei und darin eine Unvereinbarkeit mit dem Verbot der Elementenfeststellungsklage sieht, trifft dies nicht zu. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass eine isolierte Feststellung des GdS unzulässig ist, da diese Elementenfeststellung von § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG gerade nicht gedeckt wird. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie sie für die Feststellung des GdB besteht, fehlt für den GdS (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember 2020 – L 6 VJ 753/19 –, juris, Rz. 51 m. w. N).
Ohnehin ist die Berufung des Beklagten aber auch in der Sache begründet, da der Senat nach Auswertung der Verwaltungsakte sowie der Strafakte des AG, die er im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat (§ 118 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]), zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Anspruch auf Beschädigtenversorgung jedenfalls nach § 2 Abs. 1 OEG ausgeschlossen ist.
Für einen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 – B 9 V 1/12 R –, BSGE 113, 205 <208 ff.>):
Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 – B 9 VG 1/08 R –, juris, Rz. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person („wer"), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind. In Altfällen, also bei Schädigungen zwischen dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und dem Inkrafttreten des OEG am 16. Mai 1976 (BGBl I S. 1181), müssen daneben noch die besonderen Voraussetzungen gemäß § 10 Satz 2 OEG in Verbindung mit § 10a Abs. 1 Satz 1 OEG erfüllt sein. Nach dieser Härteregelung erhalten Personen, die in diesem Zeitraum geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung, solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind sowie im Geltungsbereich des OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine Schwerbeschädigung liegt nach § 31 Abs. 2 BVG vor, wenn ein GdS von mindestens 50 festgestellt ist.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes „vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VG 2/10 R –, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffes hat das BSG daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 – B 9 VG 1/09 R –, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 25 m. w. N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 Strafgesetzbuch (StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 – B 9 VG 2/10 R –, SozR 4 3800 § 1 Nr. 18, Rz. 36 m. w. N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 1/13 R –, juris, Rz. 23 ff.).
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128 Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).
Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 9 V 6/13 R –, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein „deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.
Bei dem „Glaubhafterscheinen“ im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B –, SozR 3 3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 17).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Kläger auch zur Überzeugung des Senats Opfer eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist, der zu einem Gesundheitserstschaden (Orbitabodenfraktur) geführt hat. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass aus den Videoaufzeichnungen, die der Senat in das Verfahren eingeführt und in Augenschein genommen hat, deutlich zu erkennen ist, dass es der Kläger war, der zuerst den Täter körperlich attackiert hat. Soweit der Beklagte allerdings darauf hinweist, dass keine bedrohliche Situation für den Kläger bestanden habe, berücksichtigt er nur unzureichend, dass grundsätzlich auch das Hausrecht ein geschütztes Rechtsgut im Sinne des Notwehrrechtes ist und – notfalls mit scharfen Mitteln – verteidigt werden kann (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 29. Januar 1982 – 3 StR 496/81 – juris, Rz. 3). Ein Zurückdrängen zum Schutz des Hausrechts, also unter Einsatz körperlicher Gewalt, ist damit nicht schon deshalb rechtswidrig, nur weil (noch) keine bedrohliche (körperliche) Situation bestanden hat.
Hierauf kommt es vorliegend jedoch deshalb nicht entscheidend an, da selbst wenn der Kläger rechtswidrig gehandelt hätte, jedenfalls die Reaktion des Täters von dessen Notwehrrecht nicht mehr gedeckt gewesen ist. Der Täter hat beim AG selbst angegeben, erkannt zu haben, dass von dem Kläger für ihn keine Gefahr ausgegangen ist. Mithin hat bei ihm kein Verteidigungswille bestanden, von dem die Verteidigungshandlung bei der Notwehr aber getragen sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 3 StR 199/15 –, juris, Rz. 8). Daneben ist eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat nur dann gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und das mildeste Abwehrmittel eingesetzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 2015 – 2 StR 473/14 –, juris, Rz. 15). Von Letzterem kann bei den – auch auf dem Video ersichtlichen – Schlägen und Tritten gegen den Kläger keine Rede sein. Es hätte ausgereicht, sich schlicht von dem Supermarkt zu entfernen. Die Unverhältnismäßigkeit seiner Reaktion hat der Täter im Strafverfahren eingeräumt, indem er geschildert hat, dass in der Situation seine ganze Wut aus ihm herausgebrochen sei.
Dennoch hat der Beklagte einen Versorgungsanspruch zu Recht verneint, da ein Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 OEG auch zur Überzeugung des Senats gegeben ist. Der Leistungsausschluss ergreift sämtliche Versorgungsansprüche und ist nicht auf einzelne beschränkt („Alles-oder-Nichts“-Prinzip, vgl. BSG, Urteil vom 11. März 1998 – B 9 VG 3/96 R –, juris, Rz. 17).
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 OEG sind Leistungen zu versagen, wenn der Geschädigte die Schädigung entweder selbst verursacht hat (Alternative 1) oder wenn es aus sonstigen, insbesondere aus in dem eigenen Verhalten des Anspruchstellers liegenden Gründen unbillig wäre, Entschädigung zu gewähren (Alternative 2). Als Sonderfall der Unbilligkeit (Alternative 2) ist die Alternative 1 der Vorschrift – Mitverursachung – stets zuerst zu prüfen (vgl. BSG, Urteil vom 18. April 2001 – B 9 VG 3/00 R – BSGE 88, 96; vgl. zum Verhältnis der beiden Alternativen insbesondere BSG, Urteile vom 6. Dezember 1989 – 9 RVg 2/89 – BSGE 66, 115 und vom 25. März 1999 – B 9 VG 1/98 R – BSGE 84, 54).
Eine Mitverursachung in diesem Sinne kann nur angenommen werden, wenn das Verhalten des Opfers nach der auch im Opferentschädigungsrecht anwendbaren versorgungsrechtlichen Kausalitätsnorm nicht nur einen nicht hinweg zu denkenden Teil der Ursachenkette, sondern eine wesentliche Bedingung neben dem Beitrag des rechtswidrig handelnden Angreifers darstellt (st. Rspr. des BSG, vgl. z. B. Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 9 VG 6/97 R –, BSGE 83, 62). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der entschädigungsrechtliche Kausalitätsmaßstab nicht mit dem der gesetzlichen Unfallversicherung identisch ist. Während dort nur ein gegenüber den betrieblichen Gefahren deutlich überwiegendes selbstgeschaffenes Risiko den Versicherungsschutz ausschließt, führt auf dem Gebiet des OEG bereits eine etwa gleichwertige Mitverursachung zur Versagung der Entschädigung (vgl. BSG, Urteil vom 6. Dezember 1989 – 9 RVg 2/89 – BSGE 66, 115).
Ein Leistungsausschluss ist unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung vor allem dann gerechtfertigt, wenn das Opfer in der konkreten Situation in ähnlich schwerer Weise wie der Täter gegen die Rechtsordnung verstoßen hat (vgl. BSG, Urteile vom 25. März 1999 – B 9 VG 1/98 R –, BSGE 84, 54 und vom 15. August 1996 – 9 RVg 6/94 –, BSGE 79, 87). Sie kann aber auch dann vorliegen, wenn das Opfer zwar keinen Straftatbestand erfüllt hat, sich aber leichtfertig durch eine unmittelbare, mit dem eigentlichen Tatgeschehen insbesondere zeitlich eng zusammenhängende Förderung der Tat, z. B. eine Provokation des Täters, der Gefahr einer Gewalttat ausgesetzt und dadurch selbst gefährdet hat. Gleiches gilt, wenn sich das Opfer einer konkret erkannten Gefahr leichtfertig nicht entzogen hat, obwohl es ihm zumutbar und möglich gewesen wäre (vgl. BSG, Urteile vom 18. Oktober 1995 – 9 RVg 5/95 –, BSGE 77, 18; vom 15. August 1996 – 9 RVg 6/94 –, BSGE 79, 87 und vom 21. Oktober 1998 – B 9 VG 6/97 R –, BSGE 83, 62).
Ein Hauptzweck des § 2 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 OEG ist es gerade, diejenigen von der Versorgung auszuschließen, die sich selbst bewusst oder leichtfertig in hohem Maße gefährden und dadurch einen Schaden erleiden. Wer bewusst oder leichtfertig ein hohes Risiko eingeht, hat die Folgen selbst zu tragen; das Opferentschädigungsrecht schützt ihn dann nicht. Das BSG hat im Opferentschädigungsrecht die bewusste oder leichtfertige Selbstgefährdung in Fällen einer hohen Gefahr immer als Leistungsausschlussgrund beurteilt. Die bewusste Selbstgefährdung hat das BSG nur dann nicht dem Opfer angelastet, wenn für sie ein beachtlicher Grund vorlag, so dass die Selbstgefährdung nicht missbilligt werden konnte. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sich das Opfer nach der besonderen Fallgestaltung für andere eingesetzt hat (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995 – 9 RVg 5/95 –, juris, Rz. 16). Eine leichtfertige Selbstgefährdung in diesem Sinne setzt nach der Rechtsprechung des BSG einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit voraus, der etwa der groben Fahrlässigkeit i. S. d. bürgerlichen Rechtes entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 18. April 2001 – B 9 VG 3/00 –, juris, Rz. 18). Es gilt jedoch im Gegensatz zum bürgerlichen Recht nicht der objektive Sorgfaltsmaßstab des § 267 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), sondern ein individueller Maßstab, der auf die persönlichen Fähigkeiten des Opfers abstellt (vgl. BSG, a. a. O.). Voraussetzung ist, dass das Opfer in hohem Maße vernunftwidrig gehandelt und es in grob fährlässiger Weise unterlassen hat, einer höchstwahrscheinlich zu erwartenden Gefahr auszuweichen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 9 VG 4/97 –, juris, Rz. 15). Zu prüfen ist danach, ob sich das Opfer auch hätte anders verhalten können oder müssen und ob es sich der erkannten oder grob fahrlässig nicht erkannten Gefahr nicht entzogen hat, obwohl dies ihm zumutbar gewesen wäre. Dafür ist die gesamte tatnahe Situation, wie sie sich nach natürlicher Betrachtungsweise darstellt, zu würdigen (vgl. BSG, Urteil vom 18. April 2001 – B 9 VG 3/00 –, juris, Rz. 18; Senatsurteil vom 21. März 2013 – L 6 VG 4354/12 –, juris, Rz. 38).
Ein annähernd gleichwertiger Verursachungsbeitrag des Opfers ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Straftat von der Rechtsordnung stärker missbilligt wird als eine Selbstgefährdung des Opfers dieser Straftat (vgl. Senatsurteil vom 29. April 2014 – L 6 VG 4545/13 –, juris, Rz. 30).
Nach diesen Maßstäben lag zur Überzeugung des Senats eine leichtfertige Selbstgefährdung des Klägers vor, die eine Entschädigung unbillig erscheinen lässt.
Soweit das SG darauf abgestellt hat, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Warenhausdetektiv im Rahmen der Rechtsordnung nicht nur befugt, sondern geradezu dazu verpflichtet gewesen sei, das Hausrecht des Einkaufsmarktes wahrzunehmen und zu schützen sowie mit der Wahrnehmung seiner arbeitsrechtlichen Pflichten als Warenhausdetektiv gegenüber dem Arbeitgeber eine Einstandspflicht übernommen habe, vermag der Senat dem nicht zu folgen.
Bereits die Annahme des SG, der Kläger habe in einem arbeitsvertraglichen Verhältnis zu dem Supermarkt gestanden, wird durch die Aktenlage nicht gestützt. Der Kläger selbst hat im Leistungsantrag nämlich angegeben, selbstständig als Detektiv im Einzelhandel tätig zu sein und der Zeuge S3 hat in seiner polizeilichen Vernehmung ebenfalls bekundet, dass der Kläger irgendwo bei einer Detektei angestellt sei, also jedenfalls kein angestellter Mitarbeiter des Supermarktes.
Unbeschadet dessen entnimmt der Senat den eigenen Angaben des Klägers, dass er an dem fraglichen Abend seine Tätigkeit im Überwachungsraum bereits beendet und sich selbst in den Supermarkt begeben hatte, um noch für sich Einkäufe zu tätigen. Die berufliche Tätigkeit – ob abhängig oder selbstständig – war damit beendet und der Kläger einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit – dem Einkauf – nachgegangen. Bei der ersten Begegnung mit den beiden Jugendlichen hatte der Kläger seine Waren bezahlt und war schon auf dem Weg zu seinem Fahrzeug, um den Heimweg anzutreten, wie ebenfalls aus seinen eigenen Schilderungen folgt.
Mit dem Schließen der Türen war an dem fraglichen Abend nicht der Kläger, sondern der Zeuge S3, der für die Obstabteilung zuständige Mitarbeiter des Supermarktes, betraut, was dieser in seiner polizeilichen Vernehmung bestätigt hat. Dass der Kläger nicht mehr im „Dienst“ gewesen ist, wird zum einen dadurch unterstrichen, dass der Zeuge S3 erinnern konnte, dass der Kläger den beiden Jugendlichen erklärt hat, immer noch das Hausrecht zu haben, auch wenn er nicht mehr im Dienst ist. Zum anderen hat der Kläger selbst angegeben, den Zeugen S3, der aufgrund seiner getragenen Arbeitskleidung als Mitarbeiter des Marktes erkennbar gewesen ist, dazu angehalten zu haben, die beiden Jugendlichen zum Gehen aufzufordern.
Für den Senat nicht tragend ist vor diesem Hintergrund, dass die zeitlichen Angaben des Klägers nicht frei von Widersprüchen sind. Während er in seiner polizeilichen Vernehmung angeben hat, gegen 22 Uhr den Kameraraum verlassen und noch etwas eingekauft zu haben, also schon nach Ladenschluss um 22 Uhr, ist dem Protokoll des AG zu entnehmen, dass er dort bekundete, um 10 vor 10 also gegen 21.50 Uhr Feierabend gemacht, seine Sachen zusammengepackt zu haben und noch etwas einkaufen gegangen zu sein. Demgegenüber weist der Beklagte nicht zu Unrecht darauf hin, dass die Zeitanzeigen auf den Überwachungsvideos nahelegen, dass sich die Tat schon gegen 21.45 Uhr ereignet hat, also deutlich vor Ladenschluss. Dafür spricht weiter die polizeiliche Ermittlungsakte, nach der bereits um 22.10 Uhr der Streifenwagen vom Lagezentrum zu dem E1-Markt beordert worden ist und zu diesem Zeitpunkt dem Lagezentrum schon eine Personenbeschreibung durchgegeben worden war. Für die Behauptung des Klägers zur Widerspruchsbegründung, die Polizei sei erst um 22.30 Uhr verständigt worden, womit er die Einwände des Beklagten zum zeitlichen Ablauf zu widerlegen versucht, fehlt es an tragfähigen Anhaltspunkten. Aus dem Umstand allein, dass nach Angaben des Täters die zunächst aufgesuchte Tankstelle bereits geschlossen hatte, lassen sich keine Rückschlüsse auf den zeitlichen Ablauf ziehen, da gerade nicht feststeht, wann diese an dem fraglichen Abend tatsächlich – und nicht nur gemäß ihren generellen Öffnungszeiten – geschlossen hat.
Widersprüchlich sind weiter die Angaben dazu, wer die beiden Männer verfolgt haben soll. Während der Kläger angegeben hat, den Zeugen S3 angewiesen zu haben, die beiden zu verfolgen und selbst wegen der Faustschläge unter Sehstörungen gelitten zu haben, ist dem Polizeibericht zu entnehmen, dass der Kläger bei Eintreffen der Polizei auf sich aufmerksam gemacht und angeben hat, die beiden Männer im Kreuzungsbereich aus den Augen verloren zu haben. Die Aussagen des Klägers, dass ihm schwarz vor Augen war und er nur Doppelbilder gesehen hat, lassen sich nicht mit der gegenüber der Polizei angegebenen Verfolgung der beiden Männer bis zum Kreuzungsbereich vereinbaren. Eine Verwechslung mit dem Zeugen S3 kann schon deshalb ausgeschlossen werden, da im Polizeibericht die Verletzungen des Klägers beschrieben sind und Lichtbilder davon gefertigt wurden. Der Zeuge S3 ist hingegen nicht verletzt gewesen.
Der Senat lässt dahinstehen, ob der Hinweis an Kunden, dass der Laden bereits geschlossen sei, mit dem Aussprechen eines Hausverbots gleichgesetzt werden kann, wie der Kläger meint. Tatsache ist jedenfalls, dass der Kläger seinen Dienst beendet hatte, auf dem Weg zu seinem Fahrzeug gewesen ist und nur deshalb noch einmal umgedreht hat, weil die beiden Jugendlichen nicht auf seinen Hinweis reagiert hatten, das schon geschlossen sei.
Es war somit nicht Sache des Klägers, wie er wusste, sondern des Zeugen S3, weiteren Kunden und damit auch den beiden Jugendlichen den Eintritt in den Supermarkt zu verwehren. Dementsprechend hat der Kläger auch beschrieben, dass der Zeuge S3 sich zu diesem Zweck an dem Drehkreuz hinter der zweiten Zugangstüre, die die beiden Jugendlichen zu keinem Zeitpunkt durchschritten hatten, aufgehalten hat. Es fehlt somit schon an einem tragenden Grund dafür, dass der Kläger noch einmal umgedreht ist und wiederum versucht hat, die beiden Jugendlichen vom Betreten des Marktes abzuhalten. Eine irgendwie geartete (vertragliche) Pflicht, seinen Heimweg zu unterbrechen und zum Markt zurückzukehren bestand nicht. Soweit das SG davon ausgegangen ist, dass der Kläger einer arbeitsvertraglichen Pflicht nachgekommen sei, wird diese Annahme weder durch die rechtliche Ausgangslage, der Kläger war gerade nicht Arbeitnehmer des Supermarktes (vgl. oben), sondern selbstständig, gestützt, noch durch die tatsächliche, nachdem sich der Kläger schon auf dem Heimweg befand. Sein Umkehren war insbesondere auch nicht durch unvorhergesehene Umstände erforderlich. Es steht nämlich fest, dass der vom Inhaber des Supermarktes mit dem Schließen der Türen betraute Zeuge S3 planmäßig anwesend und in der Lage war, dieser Aufgabe nachzukommen. Ein unvorhergesehener Personalausfall oder ein sonstiges Ereignis, was ein kurzfristiges Eingreifen des Klägers erforderlich gemacht hätte, bestand somit nicht. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger als Ladendetektiv eingesetzt gewesen ist und damit nicht in erster Linie mit der Sicherung der Eingangstüren betraut war. Dies wird daraus deutlich, dass er angegeben hat, seinen Arbeitstag im Kameraraum beendet zu haben.
Eine irgendwie geartete Verpflichtung zum Tätigwerden, wie das SG sie angenommen hat, bestand damit nicht. Bereits als der Täter, nach eigenem Bekunden des Klägers, dessen Legitimation in Frage gestellt hat, hätte der Kläger erkennen können und müssen, dass sein Vorgehen zu einer Zuspitzung der Situation geführt hat. Dies gilt auch deshalb, weil der zweite Jugendliche ebenfalls gesagt haben soll, dass er – der Kläger – nicht im Dienst sei und ihnen nichts zu sagen habe. Ebenso musste er damit rechnen, den Täter durch den Vorhalt, als „Security“ solle er sich schämen, sich so zu verhalten, weiter zu provozieren und dessen – vom Kläger selbst beschriebenes – aggressives Verhalten weiter zu befördern.
Aus der Angabe des Klägers gegenüber dem AG, dass er sich darüber aufgeregt hat, dass die beiden Jugendlichen seine Anweisungen nicht ernst genommen haben, wird seine Motivation dafür, zu einem körperlichen Angriff überzugehen, deutlich. Er wollte hiermit, wie er gegenüber der Polizei erklärt hat, seiner Forderung Nachdruck verleihen. Damit einhergehend hat auch das AG festgestellt, dass sich der Kläger habe Respekt verschaffen und seine Weisung durchsetzen wollen. Ein vermeintlicher Schutz des Hausrechtes hat damit offensichtlich nicht im Vordergrund gestanden.
Der Kläger hat sich damit grob fahrlässig selbst gefährdet, indem er zu einem körperlichen Angriff gegen den Täter übergangen ist und verkannt hat, damit die schon zugespitzte Situation weiter zu eskalieren. Der Senat lässt dahinstehen, wie überzeugend die Angabe des Klägers gewesen ist, die Alkoholisierung des Täters nicht bemerkt zu haben, zumal er ihm körperlich sehr nahe gekommen ist. Immerhin hatte dieser schon erhebliche Mengen Alkohol getrunken, sich selbst als deutlich alkoholisiert beschrieben und der Besuch des Supermarktes sollte gerade dazu dienen, weiteren Alkohol zu kaufen. Dass es sich bei der behaupteten Alkoholisierung nicht nur um eine Schutzbehauptung des Täters handelte, wird daran deutlich, dass sich dieser unmittelbar nach der Tat in eine zwölfmonatige Alkohol- und Entwöhnungstherapie (bei der R4 e.V.) begeben hat. Jedenfalls war das Vorgehen des Klägers aber schon deshalb vernunftwidrig, da er alleine zwei Jugendlichen gegenüberstand.
Soweit der Kläger beim AG angegeben hat, nicht mit einer solchen Reaktion des Täters gerechnet zu haben, da dieser als „Security“ wissen müsse, dass wenn er, der Kläger, sage, der Markt habe geschlossen, dies so sei, ist dies schlicht lebensfremd. Nachdem der Täter beharrlich nicht von seinem Vorhaben, in den Supermarkt zu gelangen, abgelassen hat und der Kläger diesen selbst als (verbal-)aggressiv beschrieb, konnte er nicht ernsthaft davon ausgehen, dass dieser eine körperliche Attacke gegen ihn hinnehmen würde. Immerhin war der Hinweis des Klägers an den Täter, dass er sich als „Security“ für sein Verhalten schämen solle, schon fruchtlos geblieben. Wesentlich naheliegender war es deshalb, bei dem vom Kläger als „Security“-Mitarbeiter erkannten Täter davon auszugehen, dass dieser über entsprechende Selbstverteidigungskenntnisse verfügt. Hinzu kommt, wenn auch nicht entscheidungserheblich, dass das Überwachungsvideo zumindest vermuten lässt, dass der Täter dem Kläger körperlich überlegen gewesen ist.
Im Gegensatz zum Kläger hat der – für das Schließen des Marktes – verantwortliche Zeuge S3 die Situation zutreffend eingeschätzt und hierauf richtig reagieren wollen. Er war nämlich bereits im Begriff, seine Kollegin zu informieren, damit die Polizei verständigt wird. Deshalb stand er, wie aus seiner Vernehmung beim AG folgt, mit dem Rücken zum Kläger, als dieser dazu überging, den Täter körperlich zu attackieren. Der Zeuge S3 hat damit erkannt, die Situation nur mit Hilfe der Polizei klären zu können, ist die beiden Jugendlichen nicht körperlich angegangen und hat damit, anders als der Kläger, das staatliche Gewaltmonopol beachtet. Die zwangsweise Durchsetzung des Hausrechtes obliegt nämlich weder einem Supermarkmitarbeiter noch einem im Feierabend befindlichen Ladendetektiv, sondern in erster Linie der Polizei. Für ein unmittelbares Risiko des Eindringens der beiden Jugendlichen in den Verkaufsraum bestehen keine Anhaltspunkte, nachdem sich die verbale Auseinandersetzung nur an der äußeren Tür zugetragen hat. Des unmittelbaren Einsatzes körperlicher Gewalt zur Verteidigung des Hausrechtes (vgl. oben) bedurfte es daher nicht, vielmehr hätte, dem Ansinnen des Zeugen S3 folgend, polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen werden können und müssen.
In diesem Zusammenhang hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Videoaufnahme belegt, dass sich der Kläger nicht darauf beschränkt hat, den Täter am Durchschreiten der (ersten, äußeren) Eingangstüre zu hindern, sondern diesen mit entsprechendem Kraftaufwand auf den Vorplatz des Marktes gedrückt hat. Unabhängig davon, ob hierin ein notwehrfähiger Angriff gesehen werden kann (vgl. oben), hat der Kläger hierdurch das Risiko einer körperlichen Gegenwehr des Täters noch vergrößert. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich das Vorgehen mit einem vermeintlich beabsichtigten Schutz des Hausrechtes deshalb schwer in Einklang bringen lässt, da der zweite Jugendliche, wie die Videoaufnahme belegt, seitlich an der Eingangstür lehnte und diesem der Eingang dadurch freigegeben worden ist, dass der Kläger den Täter weit vor den Eingang geschoben hat.
Anders als das SG meint, führt die Annahme eines Versagungsgrundes nicht zu einer Verkehrung von Täter und Opfer, sondern berücksichtigt nur, dass das Verhalten des Klägers keine Veranlassung bietet, ihn mit staatlichen Mitteln dafür zu entschädigen, dass der Staat seinen Schutzpflichten nicht nachkommen konnte. Die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes hat der Kläger vielmehr durch sein Verhalten vereitelt, da der Zeuge S3 von seinem Vorhaben, die Polizei zu rufen, nur deshalb zunächst Abstand genommen hat, weil es – hinter dem Rücken des Zeugen – durch das Verhalten des Klägers zu der Eskalation der Situation gekommen ist. Dass dem Kläger Ansprüche gegen den Täter zustehen können, steht nicht Frage, zumal dieser schon im Strafverfahren etwaige Schmerzensgeldansprüche dem Grunde nach anerkannt hat und ihm im Bewährungsbeschluss die Verpflichtung auferlegt worden ist, sich um einen Schmerzensgeldausgleich mit dem Geschädigten zu bemühen und demzufolge ab September 2021 monatliche Zahlungen von mindestens 100 € zu leisten.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Verfolgung der beiden Jugendlichen – gleich ob durch den Kläger oder den Zeugen S3 (vgl. oben) – nicht nachvollziehbar ist. Dem Kläger musste aufgrund seiner Tätigkeit die vorhandene Videoüberwachung auch des Vorplatzes bekannt sein und damit die bildliche Erfassung der beiden Jugendlichen. Allein vor diesem Hintergrund aber auch unter Berücksichtigung des sichtbar gewordenen Gewaltpotentials jedenfalls des Täters, war es wiederum leichtfertig, diesen alleine zu verfolgen, auch wenn die Voraussetzungen des Festnahmerechtes nach § 127 Strafprozessordnung (StPO) vorgelegen haben.
Nachdem der Kläger weder Berufung- noch Anschlussberufung erhoben hat, kann dahinstehen, dass das SG die Klage im Übrigen hätte abweisen müssen, nachdem es nur dem Hilfsantrag stattgegeben hat. Hierdurch ist der einzig berufungsführende Beklagte nicht beschwert. Eine Nichtentscheidung über einen Anspruch, der ein Ergänzungsurteil (vgl. § 140 SGG) ermöglicht, liegt nicht vor, vielmehr ein bewusstes Ausklammern eines Teils des Rechtsstreits aufgrund einer unrichtigen Auslegung des Antrags (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a. a. O., § 140 Rz. 2c). Aus den Entscheidungsgründen des Urteils ergibt sich, dass das SG – zu Recht – von der Unzulässigkeit der Geltendmachung unbenannter Versorgungsleistungen ausgegangen ist. Übersehen hat es dabei aber, dass es auf einen sachdienlichen Antrag im Sinne einer Konkretisierung des Leistungsbegehrens hätte hinwirken müssen bzw. im Wege der Auslegung zu ermitteln gehabt hätte, welche konkreten Leistungen vom Kläger begehrt werden (vgl. oben). Stattdessen hat es den Hauptantrag als unzulässig angesehen und deshalb über den Hilfsantrag entschieden. Über Leistungsansprüche hatte der Senat aber mangels (Anschluss-)Berufung des Klägers nicht zu befinden, eine positive Entscheidung hierüber würde zu einer unzulässigen Schlechterstellung des Beklagten als Berufungskläger führen (vgl. BSG, Urteil vom 29. Februar 1956 – 10 RV 75/55 –, juris, Rz. 18).
Unabhängig davon, dass der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt hat, kommt es hierauf aber auch deshalb nicht entscheidungserheblich an, da der Beklagte, wie oben dargelegt, den Versorgungsanspruch zu Recht abgelehnt hat.
Auf die Berufung des Beklagten war daher das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers in beiden Instanzen.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.