Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 22. September 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 6.519,95 € festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht die Vergütung einer vollstationär durchgeführten bariatrischen Operation.
Der 1960 geborene und bei der Beklagten in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherten E. G. (G) beantragte am 24. Juni 2019 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Magen-Bypass-Operation. Die Beklagte veranlasste daraufhin ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), das nach Aktenlage am 9. August 2019 erstattet wurde. Danach liege bei dem G eine Adipositas Grad II mit einem BMI von 37,5 kg/m2 vor. Vom Hausarzt und dem Chirurgen würden als adipositasassoziierte Folge- und Begleiterkrankungen ein Diabetes mellitus Typ 2, arterielle Hypertonie, Zustand nach Schlaganfall in 2012, ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom und ein LWS-Syndrom angegeben. Entsprechende fachärztliche Befundberichte seien im Vorfeld angefordert worden. Aktuell lägen bis auf die Aufzählung dieser Erkrankungen jedoch keinerlei Angaben zur Schwere der Erkrankungen und therapeutischen Maßnahmen vor. Anhand der vorgelegten Unterlagen könne die Schwere der Begleiterkrankungen nicht beurteilt werden. Weiterhin lägen keine Angaben über die wahrscheinlich durchgeführten konservativen Behandlungsmaßnahmen vor. Eine Kostenübernahme der beantragten Operation könne daher nicht empfohlen werden. Konkret zu empfehlen sei gegebenenfalls eine Wiedervorlage mit diabetologischen und orthopädischen Befundberichten, Laborwerten zum Ausschluss möglicher endokrinologischer Erkrankungen und Therapieberichte über die durchgeführte Ernährungstherapie. Auf der Grundlage dieses Gutachtens lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit bestandskräftigem Bescheid vom 13. August 2019 mangels medizinischer Notwendigkeit des beantragten Eingriffs ab.
Am 25. September 2019 wurde G im Krankenhaus der Klägerin zur Durchführung des vorgenannten chirurgischen Eingriffs stationär aufgenommen. Die von der Klägerin am 26. September 2019 übermittelte Aufnahmeanzeige wurde von der Beklagten am 27. September 2019 mit der Begründung zurückgewiesen, dass es sich um einen bariatrischen Eingriff handele, der zuvor vom MDK aufgrund fehlender medizinischer Voraussetzungen abgelehnt worden sei, so dass hierfür keine Kosten getragen werden könnten. Dem ist die Klägerin am 3. Oktober 2019 mit dem Hinweis entgegengetreten, dass bei dem G eine Adipositas Grad II mit einem BMI von 37 und schweren Folgeerkrankungen vorliege und daher die Operation leitliniengemäß indiziert sei.
Für die vom 25. September bis zum 1. Oktober 2019 durchgeführte Behandlung wurde der Beklagten von der Klägerin am 18. Oktober 2019 auf der Grundlage der Fallpauschale DRG K04Z (große Eingriffe bei Adipositas) ein Gesamtbetrag von 6.519,95 € in Rechnung gestellt. Von der Beklagten wurde die Rechnung mit Schreiben vom 21. Oktober 2019 unter Bezugnahme auf die der Notwendigkeit der Behandlung entgegenstehende MDK-Begutachtung zurückgewiesen.
Die Klägerin hat hiergegen am 11. Mai 2020 Klage vor dem Sozialgericht in Kassel erhoben, mit der sie die Zahlung von 6.519,95 € zuzüglich Zinsen geltend gemacht hat. Die Beklagte habe es im Anschluss an den Rechnungseingang unter Missachtung der 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) versäumt, ein Rechnungsprüfungsverfahren unter Einschaltung des MDK einzuleiten, so dass sie nunmehr mit möglichen medizinischen Einwendungen ausgeschlossen sei.
Mit Urteil vom 22. September 2021 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin 6.519,95 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 18. November 2019 zu zahlen. Unabhängig von dem bereits vor der Krankenhausaufnahme eingeholten MDK-Gutachten sei seitens der Beklagten nach der Rechnungslegung eine Rechnungsprüfung durch den MDK einzuleiten gewesen. Dies habe die Beklagte unstreitig unterlassen. Hieraus folge, dass mit Ablauf der 6-wöchigen Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V der medizinische Sachverhalt nunmehr einer Aufklärung und Beurteilung im Gerichtsverfahren entzogen und der Klage schon aus diesem Grund stattzugeben sei. Aufgrund der Versäumung der innerhalb von 6 Wochen nach Rechnungsstellung erfolgten Einschaltung des MDK zur Rechnungsprüfung sei der sich aus § 275 Abs. 1c SGB V ergebende Einwendungsausschluss zu beachten. Aufgrund der Einwendungen der Klägerin vom 3. Oktober 2019 hätte sich die Beklagte zu einer eigenständigen Einschaltung des MDK im Anschluss an die Rechnungsstellung als 2. Stufe des Prüfverfahrens veranlasst sehen müssen. Unter Zugrundelegung der Einwendungen des Krankenhauses bestünden keine rechtlich durchgreifenden Bestimmungen gegen die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V, zumal die gutachterliche Stellungnahme des MDK allein nach Aktenlage gefertigt sei und dieser die beim Versicherten vorliegenden Komorbiditäten einschließlich einer nach Aktenlage mehrjährigen psychotherapeutischen Behandlung in seine Beurteilung nicht mit einbezogen habe.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 14. Oktober 2021. Zu vorliegenden Problematik habe zwischenzeitlich das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 22. Juni 2022 (B 1 KR 19/21 R) eine grundsätzliche Entscheidung getroffen. Danach bestehe keine Verpflichtung zur Einleitung eines Prüfverfahrens, wenn sich auch ohne ein solches die fehlende Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung feststellen lasse. Dem Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Behandlungskosten sei sie daher zurecht mit Verweis auf das Gutachten des MDK vom 9. August 2019 entgegengetreten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 22. September 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, eine bestandskräftige Ablehnung, welche von einer Krankenkasse gegenüber einem Versicherten ausgesprochen worden sei, berühre den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht. Das Ergebnis des Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahrens zwischen dem Versicherten und seiner Krankenkasse schlage nicht auf den Vergütungsanspruch des Krankenhauses durch. Daran änderte auch die jüngste Rechtsprechung des BSG vom 22. Juni 2022 (Az. B 1 KR 19/21 R) nichts. Zudem sage der Inhalt der Verwaltungsakte aus dem betreffenden Antragsverfahren im Verhältnis Patient-Krankenkasse nichts aus über die tatsächliche und medizinische Situation am Tag der Operation. Die Beklagte sei aus Gründen des Sozialdatenschutzes nicht befugt, die im Antragsverfahren gewonnenen Informationen in ein späteres Verfahren einzuführen, in welchem es um einen Vergütungsanspruch des Leistungserbringers gehe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, der Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen ist, wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache ohne Erfolg. Das Sozialgericht Kassel hat der Leistungsklage der Klägerin im Ergebnis zu Recht stattgegeben, da dieser der geltend gemachte Vergütungsanspruch zusteht.
Rechtsgrundlage des von der Klägerin aufgrund der vollstationären Behandlung des G geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz. Danach entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrages durchgeführt wird, sie im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist und die Leistungen insgesamt wirtschaftlich (§ 12 Abs. 1 SGB V) erbracht werden. Dabei steht dem Vergütungsanspruch grundsätzlich nicht entgegen, dass die Beklagte vorliegend bereits im Verhältnis gegenüber G bestandskräftig entschieden hat, dass dieser auf die begehrte und später von der Klägerin durchgeführte bariatrische Operation mangels Erforderlichkeit keinen Anspruch nach § 39 SGB V hat. Stellt die Krankenkasse gegenüber dem Versicherten durch einen Verwaltungsakt fest, dass ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V nicht besteht, fehlt es zwar an einem Sachleistungsanspruch des Versicherten, der durch das Krankenhaus erfüllt werden kann. Die Bindungswirkung des ablehnenden Bescheides tritt allerdings nur für die am Verwaltungsverfahren Beteiligten und die den Bescheid erlassende Behörde ein, nicht jedoch unmittelbar gegenüber dem am Verwaltungsverfahren nicht beteiligten Krankenhaus. Die zu Lasten der Krankenkasse wirksame Leistungserbringung des Krankenhauses hängt auch ansonsten nicht von einer vorherigen Bewilligung der Leistung durch die Krankenkasse ab. Die sachliche Prüfung der Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung ist nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V ausdrücklich dem Krankenhaus und seiner eigenverantwortlichen Entscheidung zugewiesen, die aber der nachgelagerten Kontrolle durch die Krankenkasse und im Vergütungsstreit der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Das Krankenhaus muss die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung selbst prüfen. Es ist dagegen nicht verpflichtet, eine eventuelle (bestandskräftige) Leistungsablehnung beim Versicherten oder der Krankenkasse vorab zu erfragen. Das Risiko, dass ein Versicherter trotz eines die Leistung ablehnenden Bescheides ein Krankenhaus aufsucht, um eben diese Leistung zu erhalten, ohne sich dem Krankenhaus zu offenbaren, trägt die Krankenkasse. Dieses Risiko ist mangels einer normativ-organisatorischen Absicherung von Leistungsablehnungen gegenüber allen nach § 108 SGB V in Frage kommenden Krankenhäusern allein dem Versicherungsverhältnis ohne Auswirkung auf den Vergütungsanspruch des Krankenhauses im Abrechnungsverhältnis zuzuordnen (BSG, Urteil vom 22. Juni 2022 – B 1 KR 19/21 R –, juris Rn. 11 f. m.w.N.).
Damit kommt es vorliegend darauf an, ob die Durchführung der stationären Behandlung nach dem Ergebnis der im gerichtlichen Verfahren gebotenen Sachverhaltsermittlungen als erforderlich i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V angesehen werden kann. Erforderlich ist die vollstationäre Krankenhausbehandlung nur dann, wenn die Behandlung dem Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) oder dem abgesenkten Qualitätsgebot des Potentialmaßstabes (§ 137c Abs. 3 SGB V) entspricht. Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich generell daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des Qualitätsgebotes und des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4, § 12 Abs. 1 SGB V). Der Anspruch auf vollstationäre Krankenhausbehandlung erfordert zudem insbesondere die Beachtung eines in § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V speziell geregelten Aspekts des Wirtschaftlichkeitsgebots. Die vollstationäre Krankenhausbehandlung ist gegenüber allen anderen Arten der Krankenbehandlung nachrangig. Können die Behandlungsziele durch ambulante Behandlung erreicht werden, besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung und damit kein Vergütungsanspruch des Krankenhauses. Eine vollstationäre Aufnahme zur Durchführung einer bariatrischen Operation ist damit nur dann erforderlich, wenn das Behandlungsziel nicht durch ambulante Behandlungsmaßnahmen erreicht werden kann. Die Erforderlichkeit ist im Streitfall von den Gerichten nach dem im Behandlungszeitpunkt objektiv verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes voll überprüfbar (BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, a.a.O. Rn. 19). Wird durch eine Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert - wie es vorliegend bei der durchgeführten Magen-Bypass-Operation zweifellos der Fall ist -, bedarf die mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind. Nach der im Gutachten des MDK sowie in den Ausführungen der Klägerin übereinstimmend zitierten medizinischen Leitlinie (S3-Leitlinie zur Therapie und Prävention der Adipositas) sind bariatrische Operationen wegen des Eingriffs in ein gesundes Organ grundsätzlich nur als Ultima Ratio und nur bei Patienten mit einem BMI >=40 kg/m2 oder >=35 kg/m2 mit erheblichen Begleiterkrankungen nach Ausschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten im Sinne eines multimodalen Therapiekonzeptes erforderlich. Der Begriff der Ultima Ratio als rechtlicher Aspekt der Erforderlichkeit i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist dabei nicht in dem Sinne zu verstehen, dass zunächst stets alle anderen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sein müssen und als einzige Therapieoption dann noch eine, ein gesundes Organ betreffende Operation verbleibt. Das Qualitätsgebot (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) fordert, dass nach dem gesicherten Stand der medizinischen Erkenntnisse, also der bestverfügbaren Evidenz, in medizinischen Fachkreisen Konsens über die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der bariatrischen Operation bestehen muss. Sofern Nutzen und Zweckmäßigkeit einer Methode im Grunde anerkannt sind, gebieten es Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot, den Weg des gesicherten Nutzens zu wählen und Gesundheitsgefahren für die Versicherten soweit wie möglich auszuschließen. Das erfordert eine Abwägung von Chancen und Risiken der in Rede stehenden Operation. Diese dem Patientenschutz dienende Einschränkung gilt in besonderer Weise bei einem Eingriff in ein gesundes Organ, der mit dem Ziel erfolgt, Schäden an anderen Organen oder Körperteilen oder Funktionsstörungen zu beheben, zu lindern oder deren Verschlimmerung zu vermeiden (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Mit der bariatrischen Operation wird die Funktionsfähigkeit insbesondere des Magens irreversibel beeinträchtigt. Unter Berücksichtigung der besonderen Risiken und Folgen eines solchen Eingriffs bedeutet Ultima Ratio, dass die irreversible, zielgerichtete Schädigung eines gesunden Organs durch eine vollstationär durchzuführende bariatrische Operation nur dann als i.S. des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderliche Krankenhausbehandlung anzusehen ist, wenn die voraussichtlichen Ergebnisse dieses Eingriffs den voraussichtlichen Ergebnissen anderer Behandlungsoptionen eindeutig überlegen sind. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass sämtliche andere Therapieoptionen zuvor tatsächlich ausgeschöpft sind. Ausreichend ist, wenn unter Berücksichtigung des gesicherten Standes der medizinischen Erkenntnisse und unter Abwägung von Nutzen und Risiken ausgehend von den Behandlungszielen im konkreten Behandlungsfall von einem chirurgischen Eingriff ein deutlich größerer Nutzen für den gesundheitlichen Zustand des Patienten insgesamt zu erwarten ist. Es kommt hierbei insbesondere auf die Erfolgsaussichten der nicht-invasiven Therapieoptionen, die voraussichtliche Dauer bis zu einem spürbaren Erfolg, das Ausmaß der bereits bestehenden Folge- und Begleiterkrankungen der Adipositas und die dadurch bedingte Dringlichkeit der Gewichtsreduktion an (BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, a.a.O. Rn. 20 - 22). Die Erörterung der Abwägungsgesichtspunkte muss bereits Gegenstand der für die Einwilligung des Versicherten in die Operation notwendigen Aufklärung (§§ 630d, 630e BGB) und Gegenstand der zu führenden Patientenakte (§ 630f BGB) sein. Sie ist im Zweifel grundsätzlich vom Krankenhaus zu beweisen. Hiervon hängt auch der Vergütungsanspruch des Krankenhauses ab (BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, a.a.O. Rn. 24). Diese Beweislast kann sich allerdings aufgrund eines Beweiserhebungs- und -verwertungsverbots zu Ungunsten der Krankenkasse umkehren, soweit von dieser von der Durchführung eines erforderlichen Prüfverfahrens abgesehen worden ist.
Von der Klägerin wird mit dem vorliegenden Verfahren geltend gemacht, dass die Durchführung der Magen-Bypass-Operation im Rahmen der stationären Behandlung im vorgenannten Sinne erforderlich gewesen sei. Von der Beklagten wurde dies bereits nach der Rechnungsstellung bestritten und aus diesem Grund die Rechnung nicht beglichen, ohne ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V durchzuführen. Hierzu war sie grundsätzlich auch nicht verpflichtet; sie kann auch ohne Durchführung eines Prüfverfahrens unter Einbeziehung des MDK die fehlende Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung dem Vergütungsanspruch entgegenhalten und darauf gestützt die Vergütung verweigern (BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, a.a.O. Rn. 26 f., 31). In diesem Fall besteht eine auf die Einwände der Krankenkasse beschränkte Ermittlungspflicht des Gerichts, an der das Krankenhaus nicht mitwirken muss. Die Erhebung und Verwertung derjenigen Daten, die nur im Rahmen des Prüfverfahrens durch den MDK beim Krankenhaus hätten erhoben werden können, ist dem Gericht dann allerdings verwehrt (BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, a.a.O. Rn. 32). Die Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V ist spezifischer Ausdruck der besonderen Verantwortungsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen im Rahmen ihres Auftrages zur stationären Versorgung der Versicherten. Das Vertrauen der Krankenhäuser in den zügigen Abschluss der Abrechnung ist besonders geschützt, sie sollen nach Ablauf der 6-Wochen-Frist nicht mehr mit Prüfungen i.S. von § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V rechnen müssen. Dieser Schutz soll auch nicht dadurch unterlaufen werden können, dass anstelle des Prüfverfahrens nach der PrüfvV die Sozialgerichte erstmals über medizinische Fragen zur Berechtigung des Vergütungsanspruchs entscheiden und dazu umfangreich Beweis erheben. Daraus ergibt sich ein Beweiserhebungsverbot, welches die Amtsermittlungspflicht des § 103 SGG begrenzt. Bei unzulässiger Erhebung von Beweisen besteht ein Beweisverwertungsverbot für Behandlungsunterlagen des Krankenhauses oder vergleichbare Erkenntnisse. Das Gericht darf weder Unterlagen des Krankenhauses beiziehen (§ 106 Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGG) noch Ärzte des Krankenhauses als Zeugen über das Behandlungsgeschehen vernehmen (§ 106 Abs. 3 Nr. 4 SGG) oder sich auf anderem Weg Kenntnis von Vorgängen im Krankenhaus verschaffen, die vom MDK im Prüfverfahren zulässigerweise hätten ermittelt werden können. Insoweit besteht für das Krankenhaus ein Recht zur Verweigerung der an sich nach § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG gebotenen Mitwirkung zur Aufklärung des Sachverhalts (BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, a.a.O. Rn. 34). Der Verzicht der Krankenkasse auf ein Prüfverfahren ist dann im Rahmen der Beweiswürdigung zugunsten des Krankenhauses zu berücksichtigen. Er erfordert eine Beweiserleichterung bis hin zur Umkehr der Beweislast. Dies folgt aus den dazu entwickelten allgemeinen prozessualen Voraussetzungen unter Beachtung des Zwecks des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V (BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, a.a.O. Rn. 36). Aufgrund der Beweiserleichterungen zugunsten des Krankenhauses ergeben sich für die Krankenkasse gesteigerte Darlegungsanforderungen. Sie muss im Vergütungsstreit ihre Einwände gegen den Vergütungsanspruch des Krankenhauses auch ohne die Notwendigkeit der Datenerhebung beim Krankenhaus schlüssig vortragen. Nur wenn sich aus ihrem Vortrag Tatsachen ergeben, die für sich genommen dem Vergütungsanspruch entgegenstehen können, besteht - ggf. nach Hinweis an das Krankenhaus (§ 106 Abs. 1 SGG) - Anlass zu weiteren Ermittlungen, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (§ 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG). Hingegen ist eine Überzeugungsbildung des Gerichts zugunsten der Krankenkasse nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass sich immer auch (irgend-)etwas anderes aus den Behandlungsunterlagen des Krankenhauses ergeben könnte. Bleiben jedoch relevante Tatsachen für die von der Krankenkasse erhobenen Einwände unaufklärbar, gehen verbleibende Zweifel zu ihren Lasten (BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, a.a.O. Rn. 39).
Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze ist es vorliegend von maßgeblicher Bedeutung, dass durch das Gutachten des MDK im Antragsverfahren des G nicht der Nachweis erbracht wurde, dass die zu diesem Zeitpunkt geplante und später durchgeführte Magen-Bypass-Operation nicht erforderlich gewesen ist. Nach den Feststellungen des MDK im Gutachten vom 9. August 2019 bestand bei dem G zum streitgegenständlichen Zeitpunkt eine Adipositas Grad II mit einem BMI von 37,5, kg/m2. Nach den vorstehenden Ausführungen lässt sich die Notwendigkeit einer bariatrischen Operation in dieser Konstellation nicht generell ausschließen, sondern wäre eventuell beim Vorliegen erheblicher Begleiterkrankungen nach Ausschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten im Sinne eines multimodalen Therapiekonzeptes zu bejahen. Der MDK hat diesbezüglich bemängelt, dass von dem G nicht der Nachweis erbracht worden sei, dass die grundsätzlich in Betracht kommenden konventionellen, nicht-operativen Behandlungsoptionen ausgeschöpft worden seien. Mangels im Vorfeld der Begutachtung angeforderter fachärztlicher Befundberichte lägen bis auf die Aufzählung der bei dem G vorliegenden Begleiterkrankungen keinerlei Angaben zu der Schwere der Erkrankung und therapeutischen Maßnahmen vor. Anhand der vorgelegten Unterlagen könne die Schwere der Begleiterkrankungen nicht beurteilt werden. Weiterhin lägen auch keine Angaben über die wahrscheinlich durchgeführten konservativen Behandlungsmaßnahmen vor. Eine Kostenübernahme der beantragten Operation könne daher nicht empfohlen werden. Konkret zu empfehlen sei eine eventuelle Wiedervorlage zur erneuten Begutachtung, soweit die hierfür vom MDK als erforderlich angesehenen diabetologischen und orthopädischen Befundberichten, Laborwerten zum Ausschluss möglicher endokrinologischer Erkrankungen und Therapieberichte über die durchgeführte Ernährungstherapie vorlägen. Damit ergibt sich aus den Ausführungen des MDK in dem Gutachten vom 9. August 2019 nicht zweifelsfrei, ob zu diesem Zeitpunkt und damit erst recht nicht zum Zeitpunkt der Aufnahme des G zur stationären Behandlung am 25. September 2019 die Durchführung einer Magen-Bypass-Operation zur Behandlung der bei diesem bestehenden Adipositas erforderlich war. Das MDK-Gutachten lässt auch keinen Schluss darauf zu, dass die erforderliche Abwägung der Ärzte im Krankenhaus der Klägerin bezüglich des Nutzens und der Risiken des operativen Eingriffs im konkreten Behandlungsfall im Hinblick auf die noch bestehenden Erfolgsaussichten nicht-invasiver Therapieoptionen, der voraussichtliche Dauer bis zu einem spürbaren Erfolg, dem Ausmaß der bereits bestehenden Folge- und Begleiterkrankungen der Adipositas und der dadurch bedingte Dringlichkeit der Gewichtsreduktion nicht erfolgt ist bzw. zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen. Zur Aufklärung dieser Umstände bedürfte es der Beweisaufnahme mittels Auswertung der Patientenakte bzw. einer Befragung der für die Durchführung der stationären Behandlung verantwortlichen Ärzte im Krankenhaus der Klägerin, welche vorliegend aus den vorgenannten Gründen ausscheidet.
Der Senat vermochte sich auch nicht davon zu überzeugen, dass die Klägerin vor Durchführung der streitgegenständlichen stationären Behandlung im Hinblick auf die Ablehnung des Leistungsantrages des G bösgläubig gewesen sein könnte. Hierzu hat sich das BSG in seinem Urteil vom 22. Juni 2022 (B 1 KR 19/21 R, juris Rn. 16) einem obiter dictum wie folgt geäußert: „Der Senat neigt … der Auffassung zu, dass die Krankenkasse sich mit Blick auf § 44 SGB X auch gegenüber dem bösgläubigen Krankenhaus dann nicht auf die formelle Bestandskraft der Leistungsablehnung berufen kann, wenn im Vergütungsrechtsstreit die Erforderlichkeit der Behandlung nach umfassender Prüfung des Sachverhalts festgestellt wird. Diese Feststellung der Erforderlichkeit ist zu unterscheiden davon, dass es der Krankenkasse bei einem nicht durchgeführten Prüfverfahren iS des § 275 Abs 1c Satz 4 SGB V (jetzt § 275c Abs 1 Satz 3 SGB V) nicht gelingt, mit den ihr nur eingeschränkt zur Verfügung stehenden Beweismitteln die fehlende Erforderlichkeit zu belegen. Dem bösgläubigen Krankenhaus kann es dann unter Umständen verwehrt sein, sich auf § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V und auf zu seinen Gunsten eingreifende Ausschlussfristen der jeweiligen Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) zu berufen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Krankenhaus in Kenntnis des ablehnenden Bescheides die Operation durchführt, auf diesen Umstand aber bei der Abrechnung nicht hinweist.“ G wurde bei der Klägerin bereits am 23. Mai 2019 ambulant untersucht und ihm hierbei die Durchführung der streitgegenständlichen Operation empfohlen. In dem betreffenden Arztbrief an seinen Hausarzt vom 3. Juni 2019 heißt es abschließend, G werde nun einen Antrag bei seiner Krankenkasse stellen und sich, sobald dieser beschieden ist, erneut in der Sprechstunde der Klägerin zur weiteren Planung vorstellen. Ohne die nach den vorstehenden Ausführungen im gerichtlichen Verfahren nicht mehr mögliche Beiziehung und Auswertung der Patientendokumentation zur streitgegenständlichen Behandlung ist es nicht mehr aufklärbar, ob der Klägerin bei der Aufnahme des G zur stationären Behandlung die diesem gegenüber erfolgte Ablehnung des Leistungsantrags bekannt wurde. Hierfür ergeben sich auch ansonsten keine Anhaltspunkte. Nach den vorstehenden Ausführungen wirkt sich auch das zulasten der Beklagten aus.
Der vom Sozialgericht zutreffend zuerkannte Zinsanspruch der Klägerin folgt aus § 10 Abs. 4 und 5 des Landesvertrags über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG nicht vorliegen.