Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit ist die Frage, ab welchem Zeitpunkt der Kläger von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien ist.
Der Kläger ist seit dem 05.12.2006 als Rechtsanwalt zugelassen und seit diesem Zeitpunkt Pflichtmitglied kraft Gesetzes im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Land Hessen. Eine Beitragspflicht besteht seit dem 01.01.2007. Der Kläger war zunächst aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der Rechtsanwaltskammer Frankfurt und Celle und seit dem 07.10.2014 Mitglied der Rechtsanwaltskammer Hamm.
Der Kläger übte seit dem 01.03.2015 eine Tätigkeit als Leiter des Rechtsbereiches der E. GmbH als Angestellter aus. Der Tätigkeit lag ein Anstellungsvertrag vom 22.02.2015 zugrunde. In einer Vertragsänderung und – ergänzung vom 23.03.2016 wurde geregelt, dass das Arbeitsverhältnis in Folge eines Betriebsüberganges zum 01.10.2015 ohne Tätigkeitsänderung zu unveränderten Bedingungen auf die U. Kraftwerke GmbH übergehen würde.
Der Kläger stellte am 02.06.2015 bezogen auf seine seit dem 01.03.2015 ausgeübte Tätigkeit als Leiter des Rechtsbereiches der E. GmbH bei der Beklagten einen Antrag auf Befreiung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Am 29.03.2016 beantragte der Kläger darüber hinaus die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 01.03.2015 aufgrund der unterdessen mit Wirkung zum 01.01.2016 in Kraft getretenen Übergangsregelung des § 231 Abs. 4b SGB VI.
Mit einem am 29.03.2016 bei der Rechtsanwaltskammer Hamm eingegangen Antrag, beantragte der Kläger bezogen auf seine bei der Firma U. Kraftwerke GmbH ausgeübte Tätigkeit die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Mit Bescheid vom 25.05.2016 entschied die Rechtsanwaltskammer Hamm, dass der Kläger als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) für seine Tätigkeit bei der U. Kraftwerke GmbH zugelassen werde. Dem Kläger wurde von der Rechtsanwaltskammer Hamm am 08.07.2016 eine Urkunde über die Zulassung ausgehändigt bzw. zugestellt.
Am 06.10.2016 erging ein Bescheid der Beklagten, mit dem der Kläger bezogen auf seine im Arbeitsvertrag vom 22.02.2015 und Ergänzungsvertrag vom 23.03.2016 bezeichnete Tätigkeit bei der U. Kraftwerke GmbH (vormals E. GmbH) ab dem 08.07.2016 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI befreit wurde. In der Begründung des Bescheides wurde darauf hingewiesen, dass die Befreiung auf die genannte Beschäftigung beschränkt sei und gelte, solange diese Beschäftigung ausgeübt werde, hierfür eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt vorliege und Pflichtbeiträge zur berufsständischen Versorgungseinrichtung geleistet würden. Im Falle einer wesentlichen Änderung der Tätigkeit bei dem Arbeitgeber oder eines Wechsels des Arbeitgebers sei erneut ein Befreiungsantrag erforderlich, sofern der Kläger weiterhin eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht wünsche. Zum Zeitpunkt der Wirkung der Befreiung wurde ausgeführt, dass die Befreiung erst ab dem Zeitpunkt der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach § 46 a Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) wirke. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über den Antrag des Klägers auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zu einem späteren Zeitpunkt ergehe.
Mit weiterem Bescheid der Beklagten vom 14.12.2016 wurde der Kläger für seine in der Zeit vom 01.03.2015 bis zum 07.07.2016 ausgeübte Beschäftigung als Mitarbeiter bei der U. Kraftwerke GmbH rückwirkend nach § 231 Abs. 4 b SGB VI von der Rentenversicherungspflicht befreit.
Der Kläger beendete seine Tätigkeit für die U. Kraftwerke GmbH zum 30.04.2017 und war seit dem 15.05.2017 bei der Firma L. AG in der Funktion eines Leiters der Abteilung legal group plants and locations beschäftigt. Mit einem am 14.08.2017 bei der Rechtsanwaltskammer Hamm eingegangen Antrag beantragte der Kläger bezogen auf diese Tätigkeit die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Im Rahmen eines als Ergänzung zum Antrag vom 14.08.2017 bezeichneten Antrages auf Erstreckung einer bestehenden Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf eine weitere/neue Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt vom 15.08.2017 gab der Kläger an, dass das bisherige Arbeitsverhältnis bei der Firma U. Kraftwerke GmbH zum 30.04.2017 beendet und die neue Tätigkeit bei der L. AG am 15.05.2017 begonnen worden sei.
Mit Bescheid vom 24.10.2017 erging eine Entscheidung der Rechtsanwaltskammer Hamm, wonach die bestehende Zulassung als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) gemäß § 46 b Abs. 3 BRAO auf die Tätigkeit des Klägers bei der L. AG erstreckt werde und die Zulassung als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) für die Tätigkeit bei der U. Kraftwerke GmbH gemäß § 46 b Abs. 2 Satz 2 BRAO insoweit teilweise widerrufen werde.
Der Kläger beantragte bei der Beklagten mit einem am 14.08.2017 eingegangen Antrag die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen auf die Tätigkeit bei der L. AG als Leiter der Abteilung legal group plants and locations. Die Beklagte befreite den Kläger mit Bescheid vom 24.01.2018 für dessen im Arbeitsvertrag vom 04.04.2017 und in der Zusatzvereinbarung vom 04.04.2017 bezeichnete Tätigkeit bei der L. AG für die Zeit ab dem 14.08.2017 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zum Zeitpunkt der Befreiung wurde ausgeführt, dass die Befreiung ab dem Zeitpunkt des Einganges des bei der Rechtsanwaltskammer Hamm gestellten Antrages auf Erstreckung der bestehenden Zulassung als Syndikusrechtsanwalt wirke.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 21.02.2018 Widerspruch und trug zur Begründung vor, die Befreiung hätte nicht erst ab Antragstellung, sondern bereits mit Beginn der Tätigkeit, d.h. ab dem 15.05.2017 ausgesprochen werden müssen, da er bereits vor der Erstreckung der Zulassung auf die neue Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt befreit gewesen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 26.09.2018 zurück und führte zur Begründung aus, die Befreiung sei grundsätzlich mit Wirkung zu dem Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem alle Befreiungsvoraussetzungen kumulativ vorliegen würden. Dazu gehöre auch die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer über die Erstreckung der bestehenden Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf die Beschäftigung bei der L. AG. In § 46 a Abs. 4 Nr. 2 BRAO sei abweichend geregelt, dass nicht der Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung maßgeblich sein solle, sondern der Zeitpunkt des Einganges des Antrages auf Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer. Da der Antrag auf Erstreckung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf die Beschäftigung bei der Firma L. AG am 14.08.2017 bei der Rechtsanwaltskammer eingegangen sei, sei eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung frühestens ab dem 14.08.2017 möglich.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 19.10.2018 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung hätten bereits ab dem 15.05.2017 vorgelegen, da er bereits zu diesem Zeitpunkt Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer Hamm aufgrund seiner vorrangegangenen Syndikustätigkeit in einem anderen Unternehmen gewesen sei. Es müsse keine Pflichtmitgliedschaft in einer Berufskammer bezogen auf die konkrete Tätigkeit vorgelegen haben. Die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung führe zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Schlechterstellung des lediglich den Arbeitgeber wechselnden Syndikusrechtsanwaltes im Vergleich zu dem Syndikusrechtsanwalt, der seine Zulassung neu beantrage und daher eine dreimonatige Rückwirkungsfrist beanspruchen könne. Bei einem Wechsel des Arbeitgebers entstünden auch dadurch Nachteile durch das Zulassungsverfahren, weil nicht jeder Arbeitgeber willens und verpflichtet sei, alle für das Zulassungsverfahren notwendigen Unterlagen bereits vor Aufnahme des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung zu stellen, wodurch unweigerlich mindestens ein Monat verloren gehe. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass nach Auffassung der Rechtsanwaltskammer Hamm eine wirksame Zulassung als Syndikusrechtsanwalt über den gesamten Zeitraum bestanden habe.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2018 zu verurteilen, ihn mit Wirkung zum 15.05.2017 für seine Tätigkeit bei der L. AG von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, ein Anspruch auf Befreiung der Rentenversicherungspflicht bestehe für die Zeit vor dem 14.08.2017 nicht. Die von der Rechtsanwaltskammer vertretene berufsrechtliche Rechtsauffassung führe nicht zu einer Änderung der Rechtsauffassung der Beklagten in sozialrechtlicher Hinsicht. Syndikusrechtsanwälte würden tätigkeitsbezogen durch die örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammern zugelassen. Die Zulassung sei zu erteilen, wenn eine anwaltliche Tätigkeit geprägt durch die Merkmale des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO fachlich unabhängig und eigenverantwortlich ausgeübt werde. Daraus folge, dass für jede Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt eine eigenständige Zulassungsentscheidung zu ergehen habe und ein neuer Befreiungsantrag zu stellen sei. Die Regelung des § 46 a Abs. 4 Nr. 2 BRAO sehe vor, dass die auf die konkrete Tätigkeit bezogene Pflichtmitgliedschaft abweichend von § 12 Abs. 3 BRAO rückwirkend bereits zu dem Zeitpunkt begründet werde, zu dem der Antrag auf Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer eingegangen sei. Die Befreiung sei daher bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen vom Datum des Einganges des Zulassungsantrages bei der Rechtsanwaltskammer an auszusprechen, d.h. vorliegend ab dem 14.08.2017. Ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht bereits ab Beginn der Beschäftigung am 15.05.2017 bestehe nicht.
Das Gericht hat zwei schriftliche Auskünfte der Rechtsanwaltskammer Hamm vom 14.11.2019 und vom 11.12.2019 eingeholt. Darin weist die Rechtsanwaltskammer Hamm darauf hin, dass sich nach ihrer Auffassung der sozialrechtlich maßgebliche Zeitpunkt von dem berufsrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt unterscheiden könne. In berufsrechtlicher Hinsicht sei die Rechtsanwaltskammer Hamm der Auffassung, unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung sei im Falle des Vorliegens eines unmittelbar folgenden Anstellungsverhältnisses anstelle eines Widerrufsbescheides mit anschließender Neuzulassungsprüfung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Erstreckungsbescheid ausreichend. Ein Erstreckungsbescheid könne auch in dem Fall ergehen, dass – wie im Falle des Klägers – eine kleine Lücke zwischen der Beendigung des ursprünglichen Anstellungsverhältnisses und dem Beginn des neuen Anstellungsverhältnisses bestehe. Der Verwaltungsaufwand wäre unangemessen groß, würde man – wie vorliegend bei einer Lücke von etwa zwei Wochen – zunächst ein Widerrufsverfahren hinsichtlich der beendeten Tätigkeit und nach Bestandskraft des Widerrufsbescheides ein neues Zulassungsverfahren hinsichtlich der neuen Tätigkeit durchführen müssen. Berufsrechtlich sei der Kläger seit dem 15.10.2014 ununterbrochen Mitglied der Rechtsanwaltskammer Hamm gewesen, sodass er auch in der Zeit vom 15.05.2017 bis zum 13.08.2017 Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer Hamm gewesen sei. Wegen weiterer Einzelheiten der Auskünfte der Rechtsanwaltskammer Hamm wird auf Blatt 35-36 und Blatt 40-41 der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2018 ist nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da der Kläger keinen Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 15.05.2017 bis zum 13.08.2017 hat.
Der Kläger ist nicht aufgrund des Regelungsgehaltes des Bescheides der Beklagten vom 06.10.2016 für die Zeit vom 15.05.2017 bis zum 13.08.2017 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit.
Mit Bescheid vom 06.10.2016 wurde geregelt, dass der Kläger für die Tätigkeit bei der U. Kraftwerke GmbH (vormals E. GmbH), für die eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erteilt wurde, von der Versicherungspflicht zu der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sei. Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 SGB VI ist die Befreiung auf die “jeweilige“ Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt. Bereits aus dem klaren Wortlaut der Regelung ergibt sich damit zweifelsfrei, dass aufgrund einer Befreiungsentscheidung keine umfassende Befreiung von der Versicherungspflicht auch für andere als die “jeweilige“ ausgeübte Beschäftigung des Betroffenen in Betracht kommt, selbst wenn ursprüngliche und nachfolgende Erwerbstätigkeiten ähnlich seien mögen (vgl. BSG Urteil vom 31.10.2012 B 12 R 3/11 R Rn 17 zitiert nach Juris; BSG Urteil vom 31.10.2012 B 12 R 5/10 R Rn 24 zitiert nach Juris). Die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung entfällt mit der Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses, für das sie erteilt wurde. Die Befreiung für die bisherige Tätigkeit erlischt ipso iure unabhängig vom Fortbestand einer diesbezüglichen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und muss somit mit jedem Wechsel der Tätigkeit und mit jedem Arbeitgeberwechsel (ausgenommen des Betriebsüberganges nach § 613 a BGB) für die neue Tätigkeit bzw. den neuen Arbeitgeber neu beantragt werden (vgl. BGH Senat für Anwaltssachen Urteil vom 30.03.2020 AnwZ (Brfg) 49/19; BSG Urteil vom 31.10.2012 B 12 R 3/11 R Rn 16 ff zitiert nach Juris). Dementsprechend wurde in dem Bescheid der Beklagten vom 06.10.2016 ausdrücklich ausgeführt, dass die Befreiung auf die im Bescheid genannte Beschäftigung beschränkt sei und solange gelte, wie diese Beschäftigung ausgeübt werde. Da der Kläger die Tätigkeit bei der Firma U. Kraftwerke GmbH am 30.04.2017 aufgegeben hat, entfiel die Befreiung von der Versicherungspflicht mit Ablauf dieses Tages.
Der Kläger hat keinen Anspruch, für den Zeitraum vom 15.05.2017 bis zum 13.08.2017 aufgrund der am 15.05.2017 neu aufgenommen Tätigkeit bei der Firma L. AG von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit zu werden. Ein Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht besteht erst ab dem 14.08.2017.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werden von der Versicherungspflicht befreit
- Beschäftigte und selbstständig Tätige für die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
- am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 01.01.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
- für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
- aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.
Die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt auf Antrag (§ 6 Abs. 2 SGB VI). Die Befreiung wirkt vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrages an (§ 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI). Ein Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung besteht ab dem Zeitpunkt, zudem alle Befreiungsvoraussetzungen vorliegen. Wegen der tätigkeitsbezogenen Beschränkung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht müssen bezogen auf die am 15.05.2017 neu aufgenommene Tätigkeit des Klägers alle Befreiungsvoraussetzungen vorliegen.
Die Befreiungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI sind bei dem Kläger bezogen auf seine am 15.05.2017 aufgenommene Tätigkeit bei der L. AG seit dem 14.08.2017 kumulativ erfüllt. Der Kläger ist seit dem 05.12.2006 Pflichtmitglied des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte im Land Hessen, d.h. einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, und kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer, nämlich seit dem 07.10.2014 Mitglied der Rechtsanwaltskammer Hamm. Der Kläger zahlt nach näherer Maßgabe einer Satzung einkommensbezogene Beiträge zur berufsständischen Versorgungseinrichtung und hat Ansprüche auf Leistungen im Versorgungsfall. Der Kläger bedarf zudem nach § 46 Abs. 1 BRAO für die Ausübung der Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 46 a BRAO. Da auch die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt tätigkeitsbezogen ist (vgl. § 46 Abs. 3 BRAO zu den Tätigkeitsanforderungen), war für die ab dem 15.05.2017 ausgeübte neue Tätigkeit des Klägers ein neues Zulassungsverfahren bei der Rechtsanwaltskammer Hamm durchzuführen, das mit dem Bescheid der Rechtsanwaltskammer Hamm vom 24.10.2017 und der Zustellung des Bescheides am 26.10.2017 abgeschlossen war. Obwohl damit alle Befreiungsvoraussetzungen erst mit diesem Zeitpunkt erfüllt waren, besteht ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der in § 46 a Abs. 4 Nr. 2 BRAO geregelten Fiktion bereits für die Zeit ab Eingang des Antrages auf Zulassung bei der Rechtsanwaltskammer Hamm, d.h. vorliegend ab dem 14.08.2017. Danach wird der Bewerber mit der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt rückwirkend zu dem Zeitpunkt Mitglied der Rechtsanwaltskammer, zu dem der Antrag auf Zulassung dort eingegangen ist. Somit waren ab dem 14.08.2017 alle Befreiungsvoraussetzungen kumulativ erfüllt.
Der Umstand, dass die Rechtsanwaltskammer mit Bescheid vom 24.10.2017 entschieden hat, dass die bestehende Zulassung als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) gem. § 46 b Abs. 3 BRAO auf die Tätigkeit des Klägers bei der Firma L. AG “erstreckt“ werde, führt nicht dazu, dass die Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt bezogen auf die Tätigkeit bei der Firma L. AG rückwirkend zu einem früheren Zeitpunkt wirksam geworden ist. Zum einen lagen die Voraussetzungen des § 46 b Abs. 3 BRAO für den Erlass eines Erstreckungsbescheides nicht vor (vgl. mit eingehender Begründung: BGH Senat für Anwaltssachen Urteil vom 30.03.2020 AnwZ (Brfg) 49/19 Rn 10 zitiert nach Juris). Vielmehr ergibt sich aus der Systematik des § 46 b Abs. 2 und Abs. 3 BRAO, dass im Fall des Arbeitgeberwechsels auch bei durchgehender Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen die §§ 46 a, 46 Abs. 2 bis 5 BRAO keine Erstreckung (§ 46 b Abs. 3 BRAO), sondern ein Widerruf (§ 46 b Abs. 2 BRAO) der bisherigen Zulassung und eine Entscheidung über die neue Zulassung zu erfolgen hat. Die Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses fällt jedenfalls unter den ersten Widerrufsgrund des § 46 b Abs. 2 Satz 2 BRAO, d.h. einer nicht mehr den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entsprechenden Änderung der arbeitsvertraglichen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses. Ein Widerruf und eine neue Zulassung ist insbesondere dann vorzunehmen, wenn die neue anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 BRAO – wie im Falle des Klägers – nicht unmittelbar, sondern erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand (hier 15 Tage) nach der Beendigung der früheren Tätigkeit aufgenommen wird (BGH Senat für Anwaltssachen Urteil vom 30.02.2020 AnwZ (Brfg) 49/19 Rn 14 zitiert nach Juris).
Zum anderen hatte der Umstand, dass der Bescheid der Rechtsanwaltskammer Hamm vom 24.10.2017 eine Erstreckung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf die Tätigkeit bei der Firma L. AG ausgesprochen hat, keine Bindungswirkung für die Entscheidung der Beklagten hinsichtlich des Zeitpunktes der Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zwar ist in § 46 a Abs. 2 Satz 4 BRAO geregelt, dass die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entscheidet und der Träger der Rentenversicherung bei seiner Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI an die bestandskräftige Entscheidung der Rechtsanwaltskammer nach Satz 1 gebunden ist. Dabei wird die Bindungswirkung jedoch durch den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes begrenzt. Der Regelungsgehalt des Erstreckungsbescheides besteht in der Entscheidung über die Erstreckung einer bereits erteilten Zulassung als Syndikusrechtsanwalt auf das neu begründete Arbeitsverhältnis, was zugleich die gem. § 46 a Abs. 2 Satz 4 BRAO für die Beklagte verbindliche, die Zulassung immanente Feststellung beinhaltet, dass die neue Tätigkeit des Klägers die Zulassungsvoraussetzungen des § 46 a Abs. 1 BRAO erfüllt. Hinsichtlich des bisherigen Beschäftigungsverhältnisses erschöpft sich der Regelungsgehalt des Erstreckungsbescheides dagegen in der Feststellung, dass dafür eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt besteht. Er enthält nicht auch die weitergehende Regelung, dass bezüglich dieser bisherigen Tätigkeit die Zulassungsvoraussetzungen ebenfalls weiterhin unverändert gegeben sind (vgl. BGH Senat für Anwaltssachen Urteil vom 30.03.2020 AnwZ (Brfg) 49/19 Rn 35 zitiert nach Juris).
Die in § 46 a Abs. 2 Satz 4 BRAO angeordnete Bindungswirkung des Bescheides der Rechtsanwaltskammer Hamm bezieht sich dementsprechend nur auf die jeweilige “Entscheidung“ der Rechtsanwaltskammer über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt (auch) für die neu aufgenommene Tätigkeit. Die der Entscheidung zugrundeliegende Feststellung zum rechtmäßigen Fortbestand der Zulassung wird davon nicht erfasst (vgl.BGH Senat für Anwaltssachen Urteil vom 30.03.2020 Anwz (Brfg) 49/19 Rn 37 zitiert nach Juris). Damit entfaltet der Erstreckungsbescheid der Rechtsanwaltskammer Hamm auch nur hinsichtlich des neuen Beschäftigungsverhältnisses des Klägers gem. §§ 46 b Abs. 3, 46 Abs. 2 Satz 4 BRAO eine Bindungswirkung für die Befreiungsentscheidung der Beklagten, die nach § 46 b Abs. 3, § 46 a Abs. 4 Nr. 2 BRAO ebenfalls erst ab dem Eingang des Erstreckungsantrages bei der Rechtsanwaltskammer Hamm (14.08.2017) beginnt.
Soweit sich der Kläger darauf berufen hat, er werde schlechter gestellt als ein Antragsteller, der erstmals eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt aufnehme, ist dies nicht zutreffend. Auch bei der erstmaligen Beantragung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gilt, dass alle Befreiungsvoraussetzungen kumulativ erfüllt seien müssen und dass hinsichtlich der rückwirkenden Geltung der erteilten Zulassung als Syndikusrechtsanwalt der Eingang des Antrages bei der Rechtsanwaltskammer nach § 46 a Abs. 4 Nr. 2 BRAO maßgeblich ist. Dem vom Kläger vorgetragenen Umstand, dass er hinsichtlich der im Zulassungsverfahren bei der Rechtsanwaltskammer beizubringenden Unterlagen auf die Mitwirkung des Arbeitgebers angewiesen sei, kann dadurch Rechnung getragen werden, dass mit Aufnahme der Tätigkeit formal der Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gestellt wird und die weiteren Tätigkeitsnachweise seitens des Arbeitgebers nachgereicht werden.
Somit besteht für die Zeit zwischen Beginn der Tätigkeit des Klägers bei der Firma L. AG und dem Eingang des Antrages auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer Hamm, d.h. in der Zeit vom 15.05.2017 bis zum 13.08.2017 kein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (im Ergebnis ebenso für vergleichbare Fälle: SG Augsburg Urteil vom 18.02.2021 S 4 R 1157/19; SG Braunschweig Urteil vom 17.06.2022 S 13 R 545/18).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
Sozialgericht Duisburg, Mülheimer Straße 54, 47057 Duisburg
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.
Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Duisburg schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).