L 12 U 2011/21

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
12.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 1994/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 U 2011/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28.04.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Anerkennung einer Depression als weitere Unfallfolge und die Gewährung einer höheren Verletztenrente.

Am 27.10.2003 rutschte die 1956 geborene Klägerin, die im Rahmen ihrer beruflichen und bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als Bildungsreferentin bei der IHK unterwegs war, auf nassem Laub aus, stürzte und zog sich eine Fraktur des linken oberen Sprunggelenks zu.

Die Klägerin wurde im Kreiskrankenhaus C1 erstversorgt (D-Arztbericht vom 28.10.2003). Anschließend begab sie sich zur Behandlung und Operation in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T1. Dort wurde der Bruch operativ versorgt.

Im Januar 2004 brach sie die dortige Behandlung aufgrund extremer Unzufriedenheit ab und wechselte zur Weiterbehandlung in die L1-Klinik T1. Anfang März 2004 begann sie mit der Arbeitserprobung und war ab 29.03.2004 wieder arbeitsfähig. Seit Ende April 2004 ließ sich die Klägerin psychologisch ambulant von der, H1, behandeln. In einem Bericht der H1 vom November 2004 an die Krankenversicherung führte diese aus, es sei ein Umzug der Arbeitsstelle der Klägerin erfolgt, bei dem diese aufgrund ihrer Beschwerden im linken Sprunggelenk kaum helfen konnte. Hierdurch sei es zu Anfeindungen durch ihre Kolleginnen und Kollegen gekommen; darüber hinaus seien ihr von einem ihrem Vorgesetzten Vorgaben hinsichtlich des von ihr zu erzielenden Umsatzes gemacht worden, die sie nicht erfüllen konnte. Die Klägerin erlangte ihre Arbeitsfähigkeit im Februar 2005 wieder, wobei laut H1 in einer späteren Stellungnahme gegenüber der Beklagten vom Mai 2017 eine depressive Residualsymptomatik verblieben sei. Ab März 2015 befand sich die Klägerin unter der Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung mit mittelgradigen Symptomatik wieder in intensiverer psychotherapeutischer Behandlung bei H1.

Infolge des Unfalls wurde der Klägerin mit Bescheid vom 05.05.2004 eine Verletztenrente als Gesamtvergütung vom 29.03.2004 bis 31.10.2004 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. gewährt.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 16.03.2005 eine Verletztenrente über den 31.10.2004 ab, anerkannte als Unfallfolge geringfügige Einschränkungen im Bereich des linken Sprunggelenks und schloss als Unfallfolgen den Zustand nach depressiver Reaktion seit April 2004 und Hyperthyreose aus und wies den hiergegen eingelegten, ausschließlich mit orthopädischen Beschwerden begründeten Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2005 zurück. Im anschließenden Klageverfahren, gerichtet auf die Gewährung einer Rente nach einer MdE um 20 v.H. und begründet mit ausschließlich körperlichen Unfallfolgen, holte das Sozialgericht Reutlingen (SG) neben einem von Amts wegen veranlassten Gutachten des Chefarzts der orthopädischen Abteilung der Fachklinik H2, H3, auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein weiteres fachorthopädisches Gutachten vom Juli 2006 bei B1 ein. Diesem gegenüber berichtete die Klägerin, dass sich bei ihr wegen der Schmerzen im Sprunggelenk wie auch wegen der reduzierten Belastungsmöglichkeit im Anschluss an die Verletzung ein depressiver Zustand entwickelt habe, der bis zum Februar 2005 angedauert habe. Mit Urteil vom 31.03.2008 (S 4 U 2624/05) verurteilte das SG die Beklagte zur Zahlung einer Verletztenrente für die Zeit vom 01.11.2004 bis 31.04.2007 nach einer MdE um 20 v.H. und begründete die Entscheidung mit der erlittenen Außenknöchelfraktur links mit Syndesmosenteilruptur. Diesbezüglich sei erst durch den operativen Eingriff in der Sportklinik S1 am 12.01.2007 eine entscheidende Besserung in Form einer Stabilisierung der posttraumatischen Instabilität der linken Syndesmose erreicht worden, was sich auch dem Bericht der Reha-Klinik F1 vom April 2007 entnehmen lasse.

In Umsetzung dieses Urteils erließ die Beklagte den Bescheid vom 14.08.2008 über die Gewährung einer Rente für die Zeit vom 01.11.2004 bis 31.10.2007 nach einer MdE um 20 v.H. unter Feststellung einer Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Sprunggelenks als Unfallfolge. Zusätzlich wurde der Zustand nach depressiver Reaktion seit April 2004 sowie die Hyperthyreose als Unfallfolge ausgeschlossen. Gegen den der Klägerin am 21.08.2008 zugestellten Bescheid wurde kein Rechtsmittel eingelegt.

Die Klägerin ließ am 05.12.2015 die Beklagte durch den D-Arzt B2 darüber informieren, dass eine Verschlimmerung der Unfallfolgen mit erheblichen Einschränkungen der Funktionsfähigkeit im linken Sprunggelenk eingetreten sei, welche daraufhin Begutachtungen auf unfallchirurgischem und neurologischem Gebiet veranlasste. Gegenüber dem G1 (Gutachten vom 09.05.2016) berichtete die Klägerin, sie sei seit dem Unfall bei H1 wegen psychischer Probleme in Behandlung. Aufgrund der anhaltenden Schmerzen, aber auch zunehmenden dienstlichen Drucks sei sie nach dem Unfall zusammengebrochen und ungefähr ein Jahr lang arbeitsunfähig gewesen. Der Gutachter bewertete die Unfallfolgen auf neurologischem Gebiet mit einer MdE um unter 10 v.H. Weiterhin erfolgte eine unfallchirurgische Begutachtung durch G2 (Unfallchirurgie Uni-Klinik U1, Gutachten vom 29.04.2016), der die Unfallfolgen auf unfallchirurgischem Gebiet mit einer MdE um 20 v.H. bewertete.

Gestützt auf das Ergebnis der Begutachtungen gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 26.10.2016 neuerlich eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H., rückwirkend ab 01.01.2011 und auf unbestimmte Zeit. In dem Bescheid erkannte die Beklagte eine Bewegungseinschränkung beim Heben und Senken des Fußes von jeweils 15°, eine Schwellneigung, Sensibilitätsstörung an der Unterschenkelvorderseite und der Fußaußenseite, eine Instabilität des Sprunggelenks durch Syndesmosenlockerung, einen erweiterten Syndesmosenspalt mit Fehlstellung des Wadenbeins sowie eine beginnende Sprunggelenksarthrose als Unfallfolgen an und lehnte den Zustand nach depressiver Reaktion und Hepatitis als Unfallfolge ab. Im Zuge des anschließenden Widerspruchsverfahrens befragte die Beklagte H1. Diese nahm mit Schreiben vom 19.01.2017 und ergänzend vom 03.05.2017 Stellung und verwies ergänzend auf ihre Stellungnahme gegenüber der damaligen Krankenversicherung der Klägerin vom November 2004. Die Beklagte holte hierzu eine beratungsärztliche Stellungnahme des Nervenarztes M1 ein. Hierauf gestützt wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2017 zurück und führte zur Begründung für die Ablehnung von psychischen Unfallfolgen aus, bereits mit Bescheid vom 16.03.2005 sei eine Depression als unfallunabhängig festgestellt worden und auch das SG habe im Jahr 2008 diese Bewertung nicht in Frage gestellt.

Wegen der Anerkennung ihrer depressiven Symptomatik als weitere Unfallfolge und der weiter rückwirkenden Gewährung einer höheren Verletztenrente erhob die Klägerin am 19.07.2017 beim SG Klage (S 4 U 1741/17). Das SG vernahm zunächst die H1 schriftlich als sachverständige Zeugin. Diese berichtete in ihrer Stellungnahme vom Juni 2018 über die im Juni 2004 aufgenommene und bis zum Jahre 2015 fortgeführte psychiatrische Behandlung der Klägerin, die aufgrund von Problemen am Arbeitsplatz, insbesondere durch einen Vorgesetztenwechsel und durch mangelnde Wertschätzung ihrer Person im Zuge der unfallbedingten verminderten Belastbarkeit erforderlich geworden sei. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG beauftragte das SG weiterhin den D1, mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser diagnostizierte eine lang hingezogene depressive Episode, die im ursächlichen Zusammenhang mit der Schmerzsymptomatik wegen der unfallbedingten Knöchelfraktur stehe.

Mit Urteil vom 17.07.2019 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte das SG unter anderem aus, die von der Klägerin als weitere Unfallfolge geltend gemachte psychiatrische Gesundheitsstörung könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Wegeunfall zurückgeführt werden, da die Klägerin die Depression aufgrund Anpassungsschwierigkeiten auf der Arbeitsstätte und aufgrund eines sensiblen Gemütszustands entwickelt habe. Die dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg (dortiges Aktenzeichen L 6 U 2547/19) eingelegte Berufung nahm die Klägerin zurück.

Am 28.02.2020 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Rücknahme des Bescheids vom 14.08.2008 und die Anerkennung einer Depression als Unfallfolge. Die Beklagte holte ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten bei L2 ein. Der Sachverständige diagnostizierte in seinem Gutachten vom 23.04.2020, beruhend auf einer Untersuchung im April 2020, bei der Klägerin rezidivierende depressive Episoden, aktuell nicht bzw. allenfalls als Dysthymie nachweisbar, eine leichte periphere Polyneuropathie unklarer Ätiologie, Gefühlsstörungen im Bereich des Nervus peronaeus am ehesten im Rahmen einer Polyneuropathie und eine abgelaufene Läsion des Endastes des Nervus peronaeus profundus. Er verneinte einen Zusammenhang dieser Erkrankungen mit dem Arbeitsunfall bzw. erachtete die Läsion des Nervus peronaeus als vernachlässigbar.

Darauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2020 eine Rücknahme des Bescheids vom 16.03.2005 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und eine Rentenerhöhung ab. Die bestehenden depressiven Episoden seien keine Folgen des Arbeitsunfalls. Auch neurologische Unfallfolgen würden nicht vorliegen.

Deswegen hat die Klägerin am 09.09.2020 beim SG Klage erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung bzw. Abänderung entgegenstehender Bescheide zu verpflichten, die bei ihr bestehende Depression als Folge des Unfalls vom 27.10.2003 anzuerkennen und ab Antragstellung aufgrund der Verschlechterung der neurologischen Unfallfolgen Rente nach einer MdE von mindestens 30 v.H. zu gewähren. Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin nach § 109 SGG hat B3 auf Grundlage einer Untersuchung der Klägerin im Februar 2021 das psychiatrisch-schmerzpsychologische Gutachten vom 17.02.2021 erstellt. Er hat bei der Klägerin eine chronifizierte mittelschwere Depression, eine Persönlichkeitsänderung durch chronisches Schmerzerleben, ein chronifiziertes Schmerzsyndrom und eine Migräne ohne Aura diagnostiziert. Diese Störungen hat er für mit hoher Wahrscheinlichkeit unfallbedingt erachtet und mit einer MdE um 40 v.H. bewertet.

Mit Urteil vom 28.04.2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Depression der Klägerin könne nicht rechtlich wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden, wozu sich das SG im Wesentlichen auf das Gutachten des L2 gestützt und ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 17.07.2019 Bezug genommen hat. Den Unfallfolgen auf neurologischem Gebiet seien ausweislich des Gutachtens des G1 keine relevanten Funktionsbeeinträchtigungen beizumessen. Eine Verschlechterung habe sich in der Folgezeit nicht eingestellt. Soweit L2 zusätzlich eine Polyneuropathie festgestellt hat, sei diese, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt habe, nicht mit dem Unfall in Zusammenhang zu bringen.

Gegen das der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 10.05.2021 zugestellt Urteil hat diese am 10.06.2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung vorgebracht, G1 habe in seinem neurologischen Zusatzgutachten ausgeführt, dass aufgrund des Unfallmechanismus einschließlich der operativen Revision der Syndesmose die Nervenschädigung erklärt sei. Soweit L2 ausführe, dass die von ihm links festgestellten Gefühlsstörungen im Bereich des nervus peronaeus Ausdruck der unfallunabhängigen Polyneuropathie seien, sei dies falsch. Insoweit verweise sie ausdrücklich auf die Feststellungen des G1 in dessen Gutachten. Dieser habe ausgeführt, dass die bereits zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen sensiblen Ausfälle bei der Klägerin eindeutig auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. B3 wiederum habe nachvollziehbar herausgearbeitet, dass die bei der Klägerin vorliegende langwierige orthopädische Dysfunktionalität mit Schmerzen als Risikokonstellation für Depressionen und Wesensveränderungen ursächlich für die Depression bei der Klägerin sei.
 
Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28.04.2021 und den Bescheid der Beklagten vom 27.05.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.03.2005 zu verpflichten, die bei ihr bestehende Depression als Folge des Unfalls vom 27.10.2003 anzuerkennen und ihr ab Antragstellung aufgrund der Verschlechterung der neurologischen Unfallfolgen Rente nach einer MdE von mindestens 30 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie stützt ihren Antrag auf die Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden und auf das Urteil des SG vom 28.04.2021.

Die Beteiligten sind mit Verfügung vom 02.12.2021 darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zurückzuweisen. Ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis 10.01.2022 und der Klägerin ergänzend bis 27.05.2022 eingeräumt worden. Die Beteiligten haben der beabsichtigten Verfahrensweise zugestimmt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte die Berufung der Klägerin nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung liegen nicht vor. Solche Gründe haben auch die Beteiligten nicht vorgebracht.

Die Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) erhoben. Sie ist aber unbegründet.

1.
Gegenstand des Rechtsstreits, soweit die Anerkennung einer Depression als weitere Unfallfolge begehrt wird, ist der Bescheid vom 27.05.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2020, mit dem die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 16.03.2005 mit dem Ziel der Anerkennung der Depression als weitere Unfallfolge des streitgegenständlichen Arbeitsunfalls abgelehnt hat. Zwar enthält auch der Ausführungsbescheid vom 14.08.2008, mit welchem die Beklagte das Urteil des SG vom 31.03.2008 umgesetzt hat, den Hinweis auf den Ausschluss psychischer Unfallfolgen; bei sachgerechter Auslegung unter Berücksichtigung des von der Beklagten selbst in Bezug genommenen Ausführungscharakters des Bescheids stellt dies indes keine selbstständige Regelung dar, sondern lediglich einen Hinweis auf die gleichlautende Regelung im Bescheid vom 16.03.2005, die ausdrücklich nicht von der Klägerin mit der dem Urteil des SG vom 31.03.2008 zu Grunde liegenden Klage angefochten worden ist, dar.

Mit der erhobenen Anfechtungsklage begehrt die Klägerin zulässigerweise die Aufhebung der den Antrag auf Rücknahme ablehnenden Bescheide; mit der Verpflichtungsklage begehrt sie die Verurteilung der Beklagten zur Rücknahme des Bescheides vom 16.03.2005, soweit dort (bestandskräftig) psychische Unfallfolgen ausgeschlossen worden sind, und – mit einer weiteren Verpflichtungsklage in Anknüpfung an das Rücknahmebegehren – zur Anerkennung der Depression als weiteren Unfallfolge des Arbeitsunfalls vom 27.10.2003.

Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens auf Rücknahme des Bescheides vom 16.03.2005 ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach Abs. 1 Satz 1 der Regelung ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Im Übrigen – so Abs. 2 Satz 1 – ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs. 2 Satz 2), wobei eine solche Entscheidung im Ermessen der Verwaltung steht. Diese Bestimmungen ermöglichen eine Abweichung von der Bindungswirkung sozialrechtlicher Verwaltungsakte.

Im vorliegenden Fall findet § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X Anwendung (BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 24/05 R; Urteil vom 26.10.2017, B 2 U 6/16 R, beide juris; Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. Stand: 23.02.2022, § 44 Rn. 64.1). Zwar wurde im bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 16.03.2005 insoweit nicht über Leistungen entschieden, sondern nur die Anerkennung einer weiteren Unfallfolge abgelehnt, so dass durch diesen Bescheid unmittelbar nicht „Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind“, wie dies § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt. Für die Anwendung dieser Regelung spricht jedoch, dass es bei der Anerkennung einer Unfallfolge letztendlich in der Regel doch (mittelbar) um Leistungsansprüche geht. Dabei ist im Anwendungsbereich des Abs. 1 eine gebundene Entscheidung über die Korrektur mit Wirkung für die Vergangenheit zu treffen, während der Behörde im Anwendungsbereich des Abs. 2 insoweit, was die Vergangenheit anbelangt, ein Ermessensspielraum zusteht. Dadurch würde der die Anerkennung weiterer Unfallfolgen begehrende potentielle Leistungsempfänger – was die Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids für die Vergangenheit anbelangt – schlechter gestellt, als wenn im bestandskräftigen Bescheid unmittelbar konkrete Leistungsansprüche abgelehnt worden wären. Ein Grund für diese unterschiedliche Behandlung von schlussendlich doch sozialleistungsbezogenen Überprüfungsverfahren ist nicht ersichtlich.
Die Beklagte hat es aber zu Recht abgelehnt, die Depression als weitere Unfallfolge anzuerkennen. Der diesbezügliche Verfügungssatz des Bescheids vom 16.03.2005 ist nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die Feststellung von Unfallfolgen ist § 102 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Verbindung mit § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sowie § 8 und § 11 SGB VII.

Nach § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV können durch Satzung in der Unfallversicherung die erstmalige Entscheidung über Renten, Entscheidungen über Rentenerhöhungen, Rentenherabsetzungen und Rentenentziehungen wegen Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse sowie Entscheidungen über Abfindungen mit Gesamtvergütungen, Renten als vorläufige Entschädigungen, laufende Beihilfen und Leistungen bei Pflegebedürftigkeit besonderen Ausschüssen übertragen werden. Nach § 102 SGB VII wird in den Fällen des § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV die Entscheidung über einen Anspruch auf eine Leistung schriftlich erlassen. Damit hat jeder Versicherte das Recht, vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB VII, die Feststellung von Gesundheitserstschäden eines Arbeitsunfalls im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII zu verlangen, wenn ein solcher eingetreten ist (BSG, Urteil vom 24.07.2012, B 2 U 9/11 R, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 31.1.2012, B 2 U 2/11 R; BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, alle juris).

Für die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls ist im Regelfall erforderlich, dass das Unfallereignis oder der hierauf beruhende Gesundheitserstschaden die geltend gemachte Gesundheitsstörung wesentlich verursacht hat. Hinsichtlich des Beweismaßes gilt für die Beweiswürdigung, dass die Gesundheitsschäden im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und den als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich; die bloße Möglichkeit genügt insoweit nicht (BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, juris, unter Hinweis auf BSG vom 29.11.2011, B 2 U 26/10 R, juris; BSG, Urteil vom 15.09.2011, B 2 U 25/10 R, juris; BSG, Urteil vom 15.09.2011, B 2 U 22/10 R, juris;  BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R, juris; BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 9/08 R, juris). Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen. Es gelten ferner die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 18.11.2008, B 2 U 27/07 R, juris).

Hier ist zwischen den Beteiligten – zu Recht – unstreitig, dass die Klägerin am 27.10.2003 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Damit ist aber nicht zugleich die Annahme gerechtfertigt, dass nach dem Arbeitsunfall festgestellte weitere Gesundheitsschäden ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind.

Ausgangsbasis für die Beurteilung der Kausalzusammenhänge ist in einer ersten Prüfungsstufe die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden beziehungsweise denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. „Wesentlich“ ist nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) „wesentlich“ und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als „wesentlich“ anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als „Gelegenheitsursache“ oder Auslöser bezeichnet werden. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006, juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann bei der Klägerin die Depression nicht als (weitere) Folge des Arbeitsunfalls anerkannt werden.

Wie das SG, gestützt auf das im Wege des Urkundenbeweises verwertbare, überzeugende Gutachten des L2 und die Befundberichte und Stellungnahmen der H1, schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, liegt bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Episode vor. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung in vollem Umfang an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Diese seelische Erkrankung kann nicht rechtlich wesentlich auf den Arbeitsunfall vom 27.10.2003 zurückgeführt werden. H1 hat in ihrem Schreiben an die Krankenversicherung der Klägerin vom November 2004 ausführlich geschildert, wie die Klägerin in Folge ihrer eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr an ihren Arbeitsplatz im März 2004 in einen Arbeitsplatzkonflikt geraten ist, im Rahmen dessen sie Anfeindungen ihrer Kolleginnen und Kollegen ausgesetzt war und darüber hinaus noch von einem ihrer Vorgesetzten mit aus ihrer Sicht unerfüllbaren Jahreszielvorgaben konfrontiert worden ist. Die Klägerin kam trotz einer von H1 als eher stabil und ausgeglichen bewerteten Grundpersönlichkeit mit dieser Situation nicht mehr zurecht und hat daraufhin eine agitierte depressive Symptomatik entwickelt. Zwar konnte eine Besserung der Beschwerden in der Folgezeit erreicht werden, so H1. Es verblieb aber auch nach Wiedererlangen der Arbeitsfähigkeit im Februar 2005 eine depressive Residualsymptomatik bei in der Folge der Ereignisse deutlich verminderten Selbstwertgefühl, so H1 in ihrer Stellungnahme gegenüber der Beklagten vom Mai 2017. In den letzten Jahren haben dann Versuche der Klägerin, sich von beruflichen Belastungen abzugrenzen, um ihren körperlichen und psychischen Einschränkungen Rechnung zu tragen, sowie die daraus entstehenden Konflikte mehrfach in weitere depressive Episoden gemündet. Seit März 2015 hat sich wieder eine deutliche Verschlechterung eingestellt, und befand sich die Klägerin unter der Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung mit mittelgradiger Symptomatik wieder in intensiverer psychotherapeutischer Behandlung. In ihrer Stellungnahme vom Juni 2018 gegenüber dem SG hat H1 als Ursache für diese Verschlechterung neuerliche Arbeitsplatzprobleme in Gestalt eines Vorgesetztenwechsels benannt, der dazu geführt hat, dass sich die Klägerin nicht mehr wertgeschätzt gesehen hat. Zugleich haben sich Konflikte entwickelt, weil es der Klägerin schwergefallen ist, sich in ein veränderndes Kollegenteam zu integrieren.

Bereits diese Darstellung der Entwicklung der depressiven Symptomatik seitens der langjährigen behandelnden H1 macht deutlich, dass die seelische Erkrankung maßgeblich auf die Arbeitsplatzkonflikte und nicht etwa auf den Arbeitsunfall und die anschließende prolongierte Heilbehandlung zurückzuführen ist, so zu Recht L2. Zwar hat H1 in ihrer Stellungnahme vom Januar 2017 gegenüber der Beklagten es für „unbillig“ erachtet, bei der Beurteilung der Unfallfolgen die depressive Erkrankung außer Acht zu lassen. Die diesbezüglichen Ausführungen –H1 hat eine Ursächlichkeit unter anderem aus den verminderten Möglichkeiten der Klägerin zur Kompensation von beruflichen Belastungen durch sportliche Tätigkeit hergeleitet – lassen aber deutlich erkennen, dass H1 mit den Kausalitätserfordernissen im Unfallversicherungsrecht nicht vertraut ist und diese daher unzutreffend beurteilt hat. In ihrer Stellungnahme gegenüber dem SG hat H1 im Übrigen auf die Frage, was Grund für die Psychotherapie ab März 2015 war, ausschließlich die Arbeitsplatzproblematik benannt.

Zu Recht hat das SG in seinem Urteil auch auf die fehlende zeitliche Kongruenz zwischen seelischer Erkrankung und Schmerzproblematik seitens des Sprunggelenks hingewiesen. Obwohl, wie die Klägerin gegenüber den Gutachtern und Sachverständigen eingeräumt hat, nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit im Februar 2005 die Schmerzproblematik seitens des Sprunggelenks zumindest zeitweise abgeklungen war – so konnte eine maßgebliche Besserung durch den operativen Eingriff in der Sportklinik S1 am 12.01.2007, bei dem eine Syndesmosenraffung durchgeführt wurde, erreicht werden; diese Stabilisierung hat sich auch im anschließenden Reha-Aufenthalt im April 2007 in der Reha-Klinik F1 bestätigt – hat sich die Klägerin durchgehend in regelmäßiger psychiatrischer Behandlung befunden. Die neuerliche Exazerbation der depressiven Erkrankung im Jahr 2015 fällt dann auch nicht etwa mit einer Verschlimmerung der Schmerzsymptomatik zusammen, sondern beruht, wie dargestellt, ausschließlich auf Arbeitsplatzkonflikten, die zu diesem Zeitpunkt wieder verschärft aufgetreten sind. Zutreffend hat das SG hieraus abgeleitet, dass die depressiven Störungen in überragender Weise mit Belastungen am Arbeitsplatz der Klägerin zusammenhängen und nicht auf das Unfallgeschehen zurückgeführt werden können.

Andererseits haben M1 in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom Juni 2017 und vor allem L2 nachvollziehbar eine Eignung des Unfallereignisses und der anschließenden Heilbehandlung für die Auslösung der depressiven Episoden ausgeschlossen. Es lag bei der Klägerin insgesamt eine Heilungsverzögerung vor, nicht aber ein mittelgradiges oder gar starkes Schmerzsyndrom. Ein solches lässt sich, so zu Recht L2, weder der Aktenlage noch den Befunden seiner Begutachtung entnehmen. Trotz der wiederholten Begutachtungen auf unfallchirurgisch-orthopädischem Gebiet, aber auch auf neurologischem Gebiet durch G1, sowie der engmaschigen psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlung durch H1 wurde nie die Diagnose eines Schmerzsyndroms erwogen oder gar gestellt, so zu Recht L2, auch nicht im Rahmen des Reha-Aufenthalts in der Reha-Klinik F1. Erstmalig hat D1 in seinem Gutachten vom Oktober 2018 eine depressive Episode mit somatischen Symptomen beschrieben, ohne letztere aber näher zu begründen. Soweit dann B3 im Februar 2021 ein chronifiziertes Schmerzsyndrom diagnostiziert hat und dies auf den Arbeitsunfall über 17 Jahre zuvor zurückführen will, fehlt jede nachvollziehbare Begründung, weshalb dieses chronische Schmerzsyndrom trotz der geschilderten engmaschigen ärztlichen Betreuung der Klägerin über diesen langen Zeitraum hinweg niemals „erkannt“ worden sein soll. Mangels eines tauglichen Triggers für eine depressive reaktive Entwicklung in Gestalt eines relevanten Schmerz­syndroms scheidet eine ursächliche Rückführung der seelischen Erkrankung auf den Arbeitsunfall aus, so schlüssig L2.

Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht durch die beiden Gutachten nach § 109 SGG des D1 und des B3 gerechtfertigt. Ersterer hat eine Ursächlichkeit des streitgegenständlichen Arbeitsunfalls für die depressive Erkrankung im Wesentlichen damit begründet, dass die Klägerin vor dem Unfall keinerlei depressive Störungen aufgewiesen habe, was aber, wie dargestellt, von vornherein nicht zur Begründung eines Ursachenzusammenhangs genügt. B3 hat eine wahrscheinliche Ursächlichkeit des Unfallereignisses für die psychischen Gesundheitsstörungen mit den Ausführungen der H1 in ihrem Bericht vom November 2004 begründet. Wie bereits dargelegt, belegen aber die Ausführungen der H1 (in besonderem Maße die vom Sachverständigen zitierten) gerade das Gegenteil, nämlich eine Ursächlichkeit der Arbeitsplatzkonflikte und des Insuffizienzempfindens der Klägerin in ihrer beruflichen Tätigkeit. Vor allem kann den Kausalitätsbeurteilungen in den beiden Gutachten schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sie sich noch nicht einmal ansatzweise mit den offensichtlichen konkurrierenden und auch in beiden Gutachten referierten Ursachen, nämlich insbesondere den Arbeitsplatzkonflikten, auseinandersetzen. Daneben haben beide Sachverständige weitere konkurrierende Ursachen herausgearbeitet, unter anderem Brüche in familiären Beziehungen (D1) und wiederholte prätraumatische Reha-Aufenthalte wegen „Rückenschmerzen“ (B3).
2.
Soweit die Klägerin daneben eine höhere MdE wegen einer Verschlechterung der anerkannten Unfallfolgen geltend macht, ist Anspruchsgrundlage § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X in Verbindung mit § 73 Abs. 3 SGB VII.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Für das Unfallversicherungsrecht konkretisiert § 73 Abs. 3 SGB VII, in welchen Fällen eine wesentliche Änderung der Verhältnisse bei der Bewertung der MdE vorliegt. Danach ist eine Änderung nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v. H. beträgt und – bei Renten auf unbestimmte Zeit – die Veränderung der Minderung der Erwerbsfähigkeit länger als 3 Monate andauert. Bei einer Änderung zugunsten des Betroffenen soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X.

Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 27.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2020 die Gewährung einer Rente nach einer höheren MdE abgelehnt, weil keine wesentliche Änderung in diesem Sinne vorliegt.

Die Frage, ob eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der tatsächlichen Verhältnisse zu den 2 maßgeblichen Zeitpunkten zu ermitteln. Bei der Prüfung einer wesentlichen Änderung von Unfallfolgen kommt es zum einen auf die zum Zeitpunkt der letzten bindend gewordenen Feststellung, vorliegend der Bescheid vom 26.10.2016, tatsächlich bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse an, die ursächlich auf dem Unfall beruhen. Diese sind mit den bestehenden unfallbedingten Gesundheitsverhältnissen zu vergleichen. Die zum Zeitpunkt der letzten bindend gewordenen Feststellung bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse kommen insbesondere in den medizinischen Gutachten zum Ausdruck, die über die Unfallfolgen zum Zeitpunkt der maßgeblichen Bewilligung eingeholt worden sind (BSG, Urteil vom 13.02.2013, B 2 U 25/11 R, juris). Dagegen ist für die Beurteilung der (rechtlichen) Wesentlichkeit der Änderung von dem Tenor des bindend gewordenen Verwaltungsakts auszugehen (BSG, a.a.O.).

Auszugehen ist daher von den bestandskräftig festgestellten Unfallfolgen im Bescheid vom 26.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.07.2017; die seelische Erkrankung kann, wie soeben dargestellt, nicht auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden und daher weder im Sinne einer erstmaligen Berücksichtigung noch einer Verschlechterung eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X begründen. Ausgangspunkt sind somit als bestehende unfallbedingte Gesundheitsverhältnisse eine Bewegungseinschränkung beim Heben und Senken des Fußes von jeweils 15°, eine Schwellneigung, eine Sensibilitätsstörung an der Unterschenkelvorderseite und der Fußaußenseite, eine Instabilität des Sprunggelenks durch Syndesmosenlockerung, einen erweiterten Syndesmosenspalt mit Fehlstellung des Wadenbeins sowie eine beginnende Sprunggelenksarthrose. Anhaltspunkte für eine Verschlechterung der danach zugrunde zu legenden Unfallfolgen auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet liegen nicht vor und werden von der Klägerin auch nicht behauptet.

Aber auch im Hinblick auf die neurologischen Unfallfolgen (Sensibilitätsstörung an der Unterschenkelvorderseite und der Fußaußenseite) liegt keine relevante Verschlechterung vor. Die Feststellung der neurologischen Unfallfolgen im Bescheid vom 26.10.2016 beruhte maßgeblich auf dem Gutachten des G1. Dieser hat eine Hypästhesie (herabgesetzte Druck- bzw. Berührungsempfindung) an der Außenseite des linken Fußes im Bereich des Nervus suralis sowie an der unteren Vorderseite des Sprunggelenks (zum Teil Nervus peronaeus superficialis) nebst einer leicht gestörten Fußhebung festgestellt, die er auf den Arbeitsunfall zurückgeführt hat und in Übereinstimmung mit den von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätzen (vergleiche hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit 9. Aufl. 2017, S. 252 f.) mit einer MdE um weniger als 10 v.H. bewertet hat. Eine Verschlechterung dieser Sensibilitätsstörungen hat weder D1 noch L2 festgestellt. Letzterer hat bei der Klägerin darüber hinaus zwar eine Polyneuropathie festgestellt, die sich in Form einer verlangsamten Nervenleitgeschwindigkeit vor allem in der rechten unteren Extremität – und nicht wesentlich in der linken – manifestiert. Angesichts der Lokalisation dieser Erkrankung mit Schwerpunkt auf der rechten, nicht unfallbeteiligten Seite und einer mit einer unfallbedingten punktuellen Schädigung nicht zu erklärenden Ausweitung der Symptomatik kann diese Polyneuropathie aber von vornherein nicht rechtlich wesentlich durch das Unfallereignis mitverursacht oder verschlimmert worden sein, so zu Recht L2. Auf die Frage, ob die Polyneuropathie von den anerkannten Unfallfolgen mitumfasst wird, kommt es daher schon nicht an.


Nach alledem erweisen sich die angefochtenen Bescheide der Beklagten als rechtmäßig und war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
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