L 11 KR 2158/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 3863/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2158/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.06.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Tatbestand

Streitig ist die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.01.2018 bis 31.12.2018 in Höhe von 1.603,32 €.

Der 1971 geborene Kläger ist seit 01.01.2016 als hauptberuflich Selbstständiger bei den Beklagten freiwillig kranken- und pflegeversichert. Mit Bescheid vom 20.12.2017 stellte die Beklagte zu 1 – auch im Namen der Beklagten zu 2 – den Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.01.2018 in Höhe von insgesamt 267,20 € (Krankenversicherungsbeitrag 228,38 €, Pflegeversicherungsbeitrag 38,82 €) vorläufig fest (vgl Bl 87 Senatsakte).

Am 01.10.2020 reichte der Kläger den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 bei der Beklagten ein (Bl 49 ff V-Akte), aus dem sich negative Einkünfte aus Gewerbetrieb in Höhe von minus 17.116 € sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 724 € ergaben (Kapitalerträge in Höhe von 1.525 € abzüglich Sparerpauschbetrag). Mit Bescheid vom 09.04.2021 stellten die Beklagten auf Grundlage des vorgelegten Einkommensteuerbescheids 2018 eine monatliche Beitragsforderung rückwirkend für das Jahr 2018 in Höhe von insgesamt 400,81 € monatlich (Krankenversicherung 342,57 €, Pflegeversicherung 58,24 €) fest unter Zugrundelegung der Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von 2.283,75 €. Insgesamt ergab die endgültige Beitragsfestsetzung für das Jahr 2018 einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.603,32 €.

Hiergegen erhob der Kläger am 12.04.2021 Widerspruch und führte zu Begründung aus, das Finanzamt weise für das Jahr 2018 einen fünfstelligen negativen Ertrag aus. Die Feststellung in dem Bescheid der Beklagten, es handele sich um steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen sei daher nicht zutreffend. Die aufgeführten Kapitaleinkünfte seien aufgrund der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in 2018 eben nicht steuerpflichtig gewesen. Eine Aufsplittung der Einkünfte nach Umsatz und Kapitalertrag könne bei einem Einzelunternehmer nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2021 wurden der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen und die Beitragsforderung für das Jahr 2018 bestätigt. Zur Begründung führten die Beklagten aus, dass die steuerpflichtige Behandlung der Einkünfte für die Beitragspflicht unbedeutend sei. Nach § 240 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 2 Abs 2 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrSz) seien das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Versorgungsbezüge zwingend als beitragspflichtige Einnahmen zu berücksichtigen. Bei der Feststellung der beitragspflichtigen Einnahmen sei eine Zusammenrechnung positiver und negativer Einkünfte unterschiedlicher Einkunftsarten (vertikaler Verlustausgleich) nicht zulässig. Dies gelte auch, wenn der Verlustausgleich nur für Einkunftsarten geltend gemacht werden, die allein bei freiwilligen Versicherten, nicht dagegen bei versicherungspflichtigen Mitgliedern beitragspflichtig seien. Das Bundessozialgericht (BSG) habe sich mit der Frage, ob das im Einkommenssteuerrecht geltende Prinzip der Verlustrechnung auf das Beitragsrecht der freiwilligen Krankenversicherung oder auf die Sozialversicherung im Allgemeinen übertragbar sei, bereits mehrfach beschäftigt. Mit mehreren Urteilen habe das BSG bestätigt, dass ein vertikaler Verlustausgleich innerhalb eines Veranlagungszeitraumes im Anwendungsbereich des § 240 SGB V nicht zulässig sei.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 20.09.2021 hat der Kläger am 18.10.2021 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben mit der Begründung, es sei in seinem Fall keinesfalls klar, was der Gesetzgeber mit seiner Regelung tatsächlich habe bezwecken wollen. Im Bescheid vom 09.04.2021 werde ausschließlich auf steuerpflichtige Einkünfte abgezielt. Solche habe der Kläger jedoch nicht gehabt. Die Interpretation des vertikalen Verlustausgleichs könne keinesfalls die Intention des Gesetzgebers gewesen sein und impliziere die Ungleichbehandlung verschiedener Vermögensarten. So erziele er zB Kapitalerträge in einer Höhe, die nicht einmal ausreichen würden, eine einzige Monatsmiete seiner privaten Mietwohnung bezahlen zu können. Personen-Unternehmer in der Gründerphase, insbesondere im Einzelhandel, würden stets Eigenkapital benötigen. Dies sei in seinem Fall in hohem Maße auch schon verzehrt worden. Nach der Interpretation der Gesetzeslage seitens der Beklagten würde jeder Unternehmer, der Eigenkapital einsetze, von den Sozialkassen schlechter gestellt werden als Unternehmen, die ausschließlich mit Fremdkapital arbeiten würden. Als selbstständiger Unternehmer sei er außerdem nicht in der Rentenversicherung versichert. Seine geringen Kapitalerträge würden aus der ursprünglichen Idee resultieren, wenigstens etwas für das Alter vorzusorgen. Er sei anscheinend besser gestellt, wenn er das hinter den Erträgen steckende Kapital freiwillig in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt hätte. Dieser Vorgang würde dann nämlich nicht auf dem Einkommensteuerbescheid auftauchen. Hier liege erneut eine fragwürde Ungleichbehandlung zulasten des privat Vorsorgenden vor.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.06.2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beitragsberechnung sei zutreffend erfolgt, eine Verrechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen mit den Verlusten aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers lehnten die Beklagten zu Recht ab. Ein Verlustvortrag sei nicht zu berücksichtigen. Es entspreche herrschender Meinung im Sozialrecht, dass lediglich ein sogenannter horizontaler Verlustausgleich innerhalb derselben Einkunftsart möglich sei, dh dass innerhalb einer speziellen Einkommensart Verluste und Gewinn gegengerechnet (saldiert) werden können, nicht dagegen – was steuerrechtlich ohne weiteres möglich sei – ein vertikaler Verlustausgleich zwischen unterschiedlichen Einkunftsarten.

Gegen den ihm am 01.07.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28.07.2022 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingereicht. Das SG übergehe wichtige Einwände und habe ua nicht erörtert, warum ein Selbständiger, der ausschließlich am Kapitalmarkt für seinen Altersunterhalt versuche vorzusorgen, schlechter gestellt werden solle als jemand, der sich freiwillig gesetzlich rentenversichere. Des Weiteren werde nicht darauf eingegangen, warum bei einem Eigenheimbewohner im Vergleich zum Mieter adäquat nicht eine kalkulatorische Miete als fiktive Einnahme berücksichtigt werde. Auch die Frage, warum ein Unternehmer, der ausschließlich Eigenkapital einsetze, schlechter gestellt werde als ein Unternehmer, der mit Fremdkapital arbeite, werde nicht dargelegt. Es werde auch nicht ausgeführt, wie ein Einzelunternehmer ohne privates Eigenkapital mögliche Verluste in Anfangsjahren denn ausgleichen solle. Ohne vertikale Verrechnungen sei es nicht möglich, ein Einzelunternehmen zu gründen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.06.2022 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2021 aufzuheben.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie haben auf die Begründung im angefochtenen Gerichts- sowie im Widerspruchsbescheid vom 20.09.2021 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Der mit der Anfechtungsklage angefochtene Bescheid der Beklagten vom 09.04.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2021, worin die Beklagten die für das Jahr 2018 zu zahlenden Beiträge endgültig festgesetzt und eine Beitragsnachzahlung verfügt haben, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger ist freiwillig als hauptberuflich Selbständiger bei der Beklagten zu 1 krankenversichert und damit zugleich bei der Beklagten zu 2 pflegeversichert. Die Beiträge für das Jahr 2018 richten sich daher nach § 240 SGB V, worin die beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder geregelt sind. Nach dessen Abs 1 wird für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt; sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze. Gemäß § 240 Abs 4 Satz 1 SGB V (in der ab 01.01.2018 bis 14.12.2018 gültigen Fassung vom 04.04.2017, BGBl I Nr 19, Seite 778 ff, im Folgenden: alte Fassung [aF]) gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 240 Abs 4 Satz 2 SGB V aF), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste, für freiwillige Mitglieder, die einen monatlichen Gründungszuschuss nach § 93 des Dritten Buches oder eine entsprechende Leistung nach § 16b des Zweiten Buches erhalten, der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt nach § 240 Abs 4 Satz 3 SGB V aF, unter welchen Voraussetzungen darüber hinaus der Beitragsbemessung hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger niedrigere Einnahmen, mindestens jedoch der sechzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße, zugrunde gelegt werden. Dabei sind nach Satz 4 insbesondere das Vermögen des Mitglieds sowie Einkommen und Vermögen von Personen, die mit dem Mitglied in Bedarfsgemeinschaft leben, zu berücksichtigen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat hierzu die „Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler“ (BeitrVfGsSz) erlassen, die als untergesetzliche Normen auch die Versicherten binden und als solche grundsätzlich verfassungsgemäß sind (vgl BSG 19.12.2012, B 12 KR 20/11 R, Rn 21ff).

Da der Kläger im Jahr 2018 keinen monatlichen Gründungszuschuss erhielt und auch keine entsprechende Leistung nach § 16b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), galt aufgrund seines durch den Steuerbescheid 2018 nachgewiesenen geringen Einkommens der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße als beitragspflichtige Einnahmen. Die monatliche Bezugsgröße lag im Jahr 2018 bei 3.045 €, so dass die Beklagten zutreffend von einem bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigenden Einkommen in Höhe von 2.283,75 € ausgegangen sind (3.045 € geteilt durch 40 [vierzigster Teil] multipliziert mit 30 [Tage im Monat]). Der Kläger muss damit den Mindestbetrag leisten, den ein freiwillig versicherter Selbständiger mit niedrigen Einnahmen eben tragen muss – unabhängig davon, wie dieser freiwillig versicherte Selbständige sich rentenversichert, ob er zur Miete wohnt, Eigenkapital einsetzt und wie er seine Selbständigkeit finanziert. Dieser Mindestbetrag gilt auch, wenn der Selbständige negative Einkünfte hat und ihm letztlich eigentlich das Geld fehlt, um überhaupt Beiträge zur Krankenversicherung zu zahlen. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Einführung der Mindestbeitragsgrenze in § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG vom 21.12.1992, BGBl I S. 2266) ausdrücklich entschieden, es sei verfassungsrechtlich nicht geboten, eine Härteklausel vorzusehen, um hauptberuflich Selbständigen mit geringem Arbeitseinkommen die freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung wirtschaftlich zu ermöglichen (BVerfG 22.05.2001, 1 BvL 4/96, BVerfGE 103, 392-405, Rn 38). Weiterhin hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die Regelung werde überdies von dem legitimen Ziel bestimmt zu verhindern, dass das mit der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit verbundene Unternehmerrisiko über die Beitragsbemessung partiell auf die Solidargemeinschaft überwälzt werden kann. Gleiches gelte für die Auswirkung der grundsätzlich freien Entscheidung des Selbständigen über das Ausmaß des Arbeitseinsatzes auf seine beitragspflichtigen Einnahmen. Der Gesetzgeber dürfe dafür Sorge tragen, dass die Solidargemeinschaft für den Versicherungsschutz dieser Gruppe bei geringem wirtschaftlichen Erfolg nicht über Gebühr belastet werde (BVerfG 22.05.2001, 1 BvL 4/96, BVerfGE 103, 392-405, Rn 31). Dass die Mindestbeiträge eines hauptberuflich Selbständigen dabei höher liegen als die von anderen freiwilligen Mitgliedern, ist sachlich gerechtfertigt (vgl hierzu BVerfG 22.05.2001 aaO mit ausführlicher Begründung). Fehlen dem freiwillig versicherten Mitglied die finanziellen Möglichkeiten, den Mindestbeitrag zu entrichten, können ggf Ansprüche auf Beitragszuschüsse nach § 26 SGB II und § 32 SGB XII gegen die Grundsicherungsträger bestehen.

Insofern waren die Beklagten berechtigt, den Beitrag für das Jahr 2018 gemäß § 240 Abs 4a Satz 3 SGB V endgültig in der erfolgten Höhe festzusetzen und somit auch Beiträge für das Jahr 2018 nachzufordern.

Der Kläger hat - anders als von den Beklagten ursprünglich im vorläufigen Beitragsbescheid angenommen - keinen Anspruch auf niedrigere Beitragsfestsetzung unter Berücksichtigung der Härtefallregeln. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat auf der Grundlage von § 240 Abs 4 S 3 und 4 SGB V aF in § 7 Abs 4 BeitrVfGsSz konkretisiert, wann von einem Härtefall auszugehen ist und demnach eine Absenkung der Bemessungsgrundlage auf den sechzigsten Teil der monatlichen Bezugsgröße erfolgt [im Jahr 2018 waren dies monatlich 1.522,50 €, nämlich 3.045 € geteilt durch 60 [sechszigster Teil] multipliziert mit 30 [Tage im Monat]). Diese Vorschrift lautete in der hier maßgeblichen im Jahre 2018 geltenden Fassung wie folgt:

Abweichend von Absatz 3 werden auf Antrag die Beiträge für Mitglieder, deren beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag 1/40 der monatlichen Bezugsgröße unterschreiten, nach den tatsächlichen Einnahmen, mindestens jedoch nach 1/60 der monatlichen Bezugsgröße für den Kalendertag bemessen (§ 7 Abs 4 Satz 1 BeitrVfGsSz).

Die Beitragsbemessung nach Satz 1 ist ausgeschlossen, wenn


die Hälfte der auf den Kalendertag entfallenden beitragspflichtigen Einnahmen der Bedarfsgemeinschaft mindestens 1/40 der monatlichen Bezugsgröße entspricht oder diesen Betrag übersteigt oder
die Bedarfsgemeinschaft steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt oder
die Bedarfsgemeinschaft positive oder negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, es sei denn, das Mitglied weist nach, dass das den Einkünften zugrunde liegende Miet- oder Pachtobjekt nicht verwertbar ist oder eine Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich oder unzumutbar wäre, oder
das Vermögen des Mitglieds oder seines Partners jeweils das Vierfache der monatlichen Bezugsgröße übersteigt.

Wie sich aus dem Steuerbescheid über das Jahr 2018 ergibt, erzielte der Kläger - nach Abzug des Sparer-Pauschbetrages - Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 724 € (Kapitalerträge in Höhe von 1.525 €, Sparer-Pauschbetrag 801 €). Damit ist gemäß § 7 Abs 4 Satz 2 Ziffer 2 BeitrVfGsSz die Härtefallklausel des § 7 Abs 4 Satz 1 (Reduzierung der Beiträge auf den 60. Teil der monatlichen Bezugsgröße) nach dem eindeutigen Wortlaut ausgeschlossen. Angesichts der Kapitalerträge in Höhe von 1.525 € ist bei der Zinslage im Jahr 2018 davon auszugehen, dass der Kläger wahrscheinlich zudem über ein Vermögen verfügte, das das Vierfache der monatlichen Bezugsgröße überstieg (§ 7 Abs 3 Satz 2 Ziff 4 BeitrVfGsSz). Dies kann aber letztlich offenbleiben, da die Anwendung der Härtefallklausel bereits an § 7 Abs 4 Satz 2 Ziff 2 BeitrVfGsSz scheitert. Die Argumentation des Klägers, es sei nicht nachvollziehbar, warum ein Selbständiger, der ausschließlich am Kapitalmarkt für seinen Altersunterhalt versuche vorzusorgen, schlechter gestellt werden solle als jemand, der sich freiwillig gesetzlich rentenversichere, warum bei einem Eigenheimbewohner im Vergleich zum Mieter adäquat nicht eine kalkulatorische Miete als fiktive Einnahme berücksichtigt werde, und warum ein Unternehmer, der ausschließlich Eigenkapital einsetze, schlechter gestellt werde als ein Unternehmer, der mit Fremdkapital arbeite, führt zu keinem anderen Ergebnis. Indem der Kläger argumentiert, er stehe schlechter als andere Selbständige, rügt er eine Verletzung des Art 3 Grundgesetz (GG), wonach wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist. Dabei verkennt der Kläger, dass die von ihm geschilderten Fallgruppen sich in einem wesentlichen Hinblick unterscheiden, so dass nichts Gleiches ungleich behandelt wird, sondern - richtigerweise - Ungleiches ungleich. Ein Selbständiger, der Kapital und mit diesem Kapital einhergehend Kapitalerträge hat, verfügt tatsächlich über Mittel, die er für die Beitragszahlung einsetzen kann. Und darauf kommt es an. Sowohl § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V als auch die BeitrVfGsSz knüpfen an die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit an und unterwerfen der Beitragspflicht alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte. Dies zeigt sich deutlich an § 7 Abs 4 BeitrVfGsSz, der in den Ziffern 1 bis 4 an die Höhe der Einnahmen, an Einkünfte aus Kapitalvermögen, an den Besitz eines Miet- bzw Pachobjektes bzw an die Höhe des Vermögens anknüpft. Ein als Selbständiger freiwillig Versicherter, der über solche Einnahmen bzw solches Vermögen verfügt, ist eben nicht derart bedürftig, dass sein Beitrag noch geringer als der Mindestbetrag aus § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V zu bemessen ist. Denn ein solcher Selbständiger kann die Kapitalerträge für die Beiträge aufwenden – auch wenn er das zugrundeliegende Kapital wie der Kläger eigentlich für die Altersvorsorge vorgesehen hat bzw als Eigenkapital für sein Unternehmen zu verwenden gedachte. Damit unterscheidet er sich grundlegend von einem Selbständigen, der kein Eigenkapital hat und somit auch keine Kapitalerträge. Allein dieser ist nach der Härtefallvorschrift schutzbedürftig.

Im Übrigen ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sich bei der Prüfung, ob ein Selbständiger unter die Härtefallregelung fällt oder nicht, auf den Einkommensteuerbescheid stützt. Eine Unterscheidung wie vom Kläger begehrt, welcher Selbständige zur Miete wohnt und wer nicht, wer sein Unternehmen mit Eigenkapital aufgebaut hat und wie ein Selbständiger rentenversichert ist, ist nicht zu treffen. Der Berücksichtigung anderer Unterlagen als des Einkommensteuerbescheides für Zwecke der Beitragsfestsetzung steht entgegen, dass den Krankenkassen kein eigenes Instrumentarium zwecks Ermittlung des für die Beitragsbemessung maßgeblichen Einkommens freiwillig Versicherter zur Seite steht, welches verwaltungsmäßig rechtssicher und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung tragend durchführbar wäre und welches ohne unzumutbare Benachteiligung dieses Personenkreises verwirklicht werden könnte (zu diesem Gesichtspunkt bereits BSGE 57, 235, 237 f = SozR 2200 § 180 Nr 19 S 59 f). Insbesondere übersteigt es den den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung zumutbaren Verwaltungsaufwand, die Einkommensverhältnisse eines jeden Versicherten in vergleichbarer Situation wie derjenigen des Klägers selbst anhand von Einzelbelegen zu prüfen und zu bewerten. Andere Unterlagen als der Einkommensteuerbescheid sind insoweit nicht geeignet, eine verlässliche und für die Vergangenheit abschließende Datenbasis zu liefern (vgl BSGE 79, 133, 139 = SozR 3-2500 § 240 Nr 27 S 104; BSGE 104, 153 = SozR 4-2500 § 240 Nr 12, RdNr 15 ff mwN; BSG 30.10.2013, B 12 KR 21/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 19, Rn 23).

Soweit der Kläger bemängelt, es werde nicht ausgeführt, wie ein Einzelunternehmer ohne privates Eigenkapital mögliche Verluste in den Anfangsjahren denn ausgleichen solle, vermag er auch hiermit nicht durchzudringen. Einkommen soll vorrangig zur Deckung des Lebensunterhalts und eben auch zur Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen eingesetzt werden. Es ist zu verhindern, dass mit öffentlichen Mitteln eine Einkommensart erhalten wird, in der die Verluste überwiegen. Vielmehr ist die unwirtschaftliche Tätigkeit  zu beenden. Aus dem Grundsatz der Subsidiarität folgt zudem, dass Verluste aus Erwerbstätigkeit grundsätzlich nicht auf die öffentliche Hand abgewälzt werden dürfen (BSG 17.02.2016, B 4 AS 17/15 R, juris Rn 32; vgl auch LSG Sachsen 28.09.2016, L 1 KR 78/13, Rn 51, juris). Aus den gleichen Gründen ist – wie das SG zutreffend dargetan hat – ein vertikaler Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkunftsarten unzulässig (BSG 24.11.2020, B 12 KR 31/19 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 37; BSG 28.05.2015, B 12 KR 12/13 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 26; BSG 30.10.2013, B 12 KR 21/11 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 19; BSG 09.08.2006, B 12 KR 8/06, BSGE 97, 41). Ließe man diesen zu, bedeutete dies, dass gleichsam die anderen Beitragszahler die Verluste aus der selbständigen Tätigkeit mittrügen – und dies, obwohl der Selbständige über Einkommen aus anderer Quelle verfügt und dieses eigentlich für die Beitragszahlung einsetzen könnte. Auch wäre der Selbständige gegenüber versicherungspflichtig Beschäftigten bessergestellt, die ebenfalls nicht Verluste und Gewinne aus verschiedenen Einkommensarten miteinander verrechnen können (BSG 28.05.2015, B 12 KR 12/13 R, SozR 4-2500 § 240 Nr 26, Rn 28).

Im Ergebnis ist somit die Härtefallklausel nicht auf den Kläger anzuwenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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