Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 28.10.2020 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Versorgung mit dem Arzneimittel Atacand® Plus (Wirkstoffe Candesartan, Hydrochlorothiazid) ohne Begrenzung auf den Festbetrag.
Die 1956 geborene Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Die Klägerin wandte sich am 13.06.2018 an die Beklagte mit der Bitte um Kostenübernahme für das Arzneimittel Atacand® Plus über den Festbetrag hinaus. Mit Schreiben vom gleichen Tag übersandte die Beklagte an den behandelnden Arzt der Klägerin einen Fragebogen. Der F teilte unter dem 18.06.2018 mit, dass das Arzneimittel Atacand® Plus wegen einer Hypertonie eingesetzt werden solle. Das Arzneimittel sei lediglich die Alternative in der entsprechenden Wirkstoffgruppe. Es seien Candesartan-Generika-Präparate und andere Sartane angewendet worden. Der Einsatz der Arzneimittel der Festbetragsgruppe habe zu Nebenwirkungen wie Übelkeit und Schwankungen der Blutdruckwerte geführt. Die Nebenwirkungen hätten nicht die Qualität einer behandlungsbedürftigen Erkrankung. Auf die Frage, ob die Nebenwirkungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf das/die eingesetzten Arzneimittel zurückzuführen seien oder auch andere Ursachen/Lebensumstände in Frage kämen, gab F an, dass beides möglich sei. Eine Meldung der unerwünschten Arzneimittelnebenwirkung gemäß § 6 der Muster-Berufsordnung sei nicht erfolgt.
Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein. Der MDK nahm durch F1 unter dem 13.07.2018 dahingehend Stellung, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Leistung nicht erfüllt seien. Das verschreibungspflichtige Arzneimittel Atacand® Plus sei in Deutschland zugelassen. Atacand® Plus sei angezeigt zur Behandlung der primären Hypertonie bei erwachsenen Patienten, deren Blutdruck mit einer Candesartancilexetil- oder Hydrochlorothiazid-Monotherapie nicht optimal kontrolliert werden könne. Es handele sich um ein Festbetrags-Arzneimittel. Bei dem begehrten Arzneimittel handele es sich um ein in der Indikation zugelassenes Fertigarzneimittel. Es sei festbetragsgeregelt. Es sei von einer gesicherten Diagnose und einem zweckmäßigen Arzneimitteleinsatz auszugehen. Es sei angegeben worden, dass bei der Gabe von verschiedenen Candesartan-Präparaten Nebenwirkungen aufgetreten seien. Die angegebenen Störungen selbst seien nicht objektiviert. Es sei nicht erkennbar, dass es sich hier um Nebenwirkungen im Sinne einer behandlungsbedürftigen Erkrankung handele. Eine Meldung nach § 6 der Musterordnung der Ärzte sei nicht erfolgt. Damit entfalle ein gewichtiges Indiz für eine klar objektivierbare unerwünschte Arzneimittelwirkung durch Generika. Es sei nicht bekannt, ob ein weiterer Behandlungsversuch mit einem anderen Generikum erfolgt sei. Angesichts der für die Zulassung erforderlichen nachgewiesenen Bioäquivalenz von Generika sei von einem klinisch relevanten Wirkungsunterschied nicht auszugehen. Vorliegend sei nicht erkennbar, dass der Arzt der Versicherten unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst die in Betracht kommenden, zum Festbetrag erhältlichen und nach ihrer Wirkungsweise therapeutisch geeigneten Arzneimittel verordnet habe und dass die Klägerin diese über einen therapeutisch relevanten Zeitraum in vorgeschriebener Weise angewendet habe.
Mit Bescheid vom 19.07.2018 lehnte die Beklagte die Übernahme der über den Festbetrag für das Medikament Atacand® Plus hinausgehenden Kosten ab. Die Festbeträge legten den Erstattungshöchstbetrag fest, den die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen dürften. Liege der Preis eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels über dem Festbetrag, müssten die Versicherten den Preisunterschied übernehmen.
Dagegen legte die Klägerin mit E-Mail vom 02.08.2018 Widerspruch ein. Der Vorschlag/Tipp einer Auswahl an mehreren therapeutischen gleichwertigen Präparaten ohne Aufzahlung sei bereits vorab erfolgt, also keine Alternative. Den Versuch auf kostengünstigere Varianten zu wechseln, habe sie wegen erheblicher Beschwerden abbrechen müssen. Der Arzt wolle keine Experimente in dieser Art mehr wagen. Ein erneuter Versuch sei aus gesundheitlichen Gründen einfach zu riskant.
Der MDK blieb durch S im sozialmedizinischen Gutachten vom 20.08.2018 bei seiner Beurteilung. Die Klägerin müsse darlegen, dass die unerwünschten Wirkungen über bloße Unannehmlichkeiten und Befindlichkeitsstörungen hinausgingen und die Qualität einer behandlungsbedürftigen Krankheit erreichten. Hierfür bedürfe es einer ärztlichen Dokumentation über eine ärztliche Behandlung. Eine solche liege nicht vor. Laut des behandelnden Allgemeinmediziners seien auf vergleichbare Ersatzpräparate Unverträglichkeiten wie Übelkeit, Schwindel und schwankende Blutdruckwerte aufgetreten, aber keine behandlungsbedürftigen Krankheiten. Auch sei keine Meldung durch den Arzt nach § 6 der Musterberufsordnung für Ärzte an die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft erfolgt. Es seien wohl Candesartan-Generika versucht worden, wohl auch andere Sartane. Angesichts der bestehenden Wirkstoffgleichheit in der Festbetragsgruppe der Stufe 1 müsse bereits im Rahmen der Zulassung die Bioäquivalenz zum Originalpräparat nachgewiesen werden. Daraus folge, dass wesentliche Wirksamkeitsunterschiede unwahrscheinlich seien. Ein zulassungsüberschreitender Off-Label-Use könne ausgeschlossen werden.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2018 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.07.2018 als unbegründet zurück. Zwar sei der Widerspruch vom 30.04.2018 [gemeint: 02.08.2018] unzulässig, da er nicht schriftlich und zur Niederschrift bei der Stelle eingereicht worden sei, die den Verwaltungsakt erlassen habe (§ 84 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Durch einen per E-Mail eingelegten Widerspruch sei das Formerfordernis nicht erfüllt. Auch in einem solchen Fall könne die Behörde jedoch über Widersprüche sachlich entscheiden. Der Widerspruchausschuss behandele den Widerspruch als zulässig und treffe eine sachliche Entscheidung. Nach § 27 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankenbehandlung umfasse ua die Versorgung mit Arzneimitteln. Nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V ausgeschlossen seien. Für Arzneimittel, für die ein Festbetrag nach § 35 SGB V festgesetzt sei, trage die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung oder der Abschläge nach den §§ 130, 130a SGB V und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler (§ 31 Abs 2 Satz 1 SGB V). Gemäß § 35 Abs 1 Satz 1 SGB V bestimme der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden könnten. In den Gruppen sollten Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen, pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere chemisch verwandten Stoffen, therapeutisch vergleichbarer Wirkung, insbesondere Arzneimittelkombinationen, zusammengefasst werden (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB V). Die nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und 3 SGB V gebildeten Gruppen müssten gewährleisten, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt würden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stünden. Ausgenommen von diesen Gruppen seien Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig sei und die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringer Nebenwirkung bedeuteten (§ 35 Abs 1 Satz 5 und 6 SGB V). Die Festbetragsgruppenbildung erfolge in der Anlage IX der Arzneimittel-Richtlinie des GBA (§ 42 Arzneimittel-Richtlinie). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen setze den jeweiligen Festbetrag auf der Grundlage von rechnerisch mittleren Tages- und Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichsgrößen fest (§ 35 Abs 3 Satz 1 SGB V). Die Festbeträge seien im Bundesanzeiger bekannt zu machen (§ 35 Abs 7 Satz 1 SGB V). Der GBA habe am 17.05.2016 beschlossen, die Wirkstoffkombination Candesartan und Hydrochlorothiazid in die Festbetragsgruppe der Kombination von Angiotensin-II-Antagonisten mit Hydrochlorothiazid Stufe III mit aufzunehmen. In der Festbetragsgruppe seien die weiteren Wirkstoffe Eprosartan, Irbesartan, Losartan, Olmesartan und Telmisartan jeweils mit Hydrochlorothiazid enthalten. F habe das Medikament Atacand® Plus 16 mg/12,5 mg (Wirkstoffe Candesartan und Hydrochlorothiazid) verordnet. Hierfür liege der momentane Festbetrag je Größe bei 17,24 € (N1), 23,30 € (N2) bzw 32,24 € (N3) (Stand 01.10.2018). Grundsätzlich habe die Beklagte als gesetzliche Krankenkasse die Kosten des Medikaments nur bis zur Höhe des Festbetrages zu tragen, die darüberhinausgehenden Kosten gingen zu Lasten des Versicherten. Ein Anspruch auf Kostenübernahme des Medikaments über den Festbetrag hinaus sei nur dann gegeben, wenn alle zum Festbetrag erhältlichen Arzneimittel mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unerwünschte Nebenwirkungen verursachten, die die Qualität einer behandlungsbedürftigen Krankheit erreichten, während dies bei einem oberhalb der Festbetragsgrenze liegenden Arzneimittel nicht der Fall sei. Es müssten zumutbare Behandlungsversuche mit anderen Arzneimitteln erfolgen, die zum Festbetrag erhältlich seien (Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG> 03.07.2012, B 1 KR 22/11 R). Nach den Feststellungen des MDK seien bei der Klägerin mit Übelkeit, Schwindel und schwankenden Blutdruckwerten lediglich Nebenwirkungen aufgetreten, die nicht die Qualität einer behandlungsbedürftigen Krankheit erreicht hätten. Sonstige Nebenwirkungen seien nicht durch ärztliche Befundberichte dokumentiert und auch nicht entsprechend der Verpflichtung der Berufsordnung vom Arzt an die zuständige Behörde gemeldet worden. Darüber hinaus ergebe sich zwar aus den ärztlichen Angaben, dass Candesartan-Generika angewendet worden seien, jedoch sei nicht dokumentiert, in welchem Umfang Behandlungsversuche mit verschiedenen, zum Festbetrag erhältlichen Generika erfolgt seien. Es sei somit nicht ersichtlich, dass nur durch den Einsatz von Atacand® Plus eine zufriedenstellende nebenwirkungsfreie Behandlung möglich sei.
Dagegen hat die Klägerin am 29.11.2018 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Sie leide unter arterieller Hypertonie. Die Nebenwirkungen der bis zur Übernahme von Atacand® Plus eingenommenen Medikamente seien erheblich gewesen mit Luftnot, Schwindel, einer permanenten Reizung der Schleimhäute an Nase und Mund, infolgedessen Sinusitis, zudem Erschöpfung und Kopfschmerzen. Bei ihr - der Klägerin - lägen ungewöhnliche Individualverhältnisse vor, die keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag ermöglichen würden.
Mit Verfügung vom 24.07.2019 hat das SG für den Fall, dass die Klägerin sich die Medikamente auf eigene Kosten beschafft habe und hierfür Kostenerstattung begehren wolle, aufgefordert, einen bezifferten Klageantrag zu stellen und hierzu Nachweise zu übersenden. Eine Reaktion der Klägerin auf diesen Hinweis ist nicht erfolgt.
Weiter hat das SG die behandelnden Ärzte der Klägerin als schriftliche Zeugen einvernommen. S1 aus dem Medizinischen Versorgungszentrum des F hat mit Schreiben vom 06.08.2019 über eine Behandlung der Klägerin von April 2018 bis Februar 2019, die Diagnosen arterielle Hypertonie (seit Jahren bekannt), posttraumatische Belastungsstörung (seit Jahren bekannt), Hyperthyreose (2018) und Harnwegsinfekt (August 2018) berichtet. Auf die Frage, ob die Versorgung der Klägerin mit Atacand® Plus medizinisch erforderlich sei, hat S1 mitgeteilt, dass jedes Sartan oder Präparate anderer Wirkstoffe versucht werden könne. Alle im „Waschzettel“ bekannten Nebenwirkungen und Wechselwirkungen seien theoretisch möglich. Die von der Klägerin genannten Angaben seien „für uns“ nicht objektivierbar gewesen. Der Klägerin stünden als Behandlungsalternativen innerhalb des festgelegten Festbetrages jedes Generika-Candesartan oder andere Substanzgruppen zur Verfügung. Mit welchen Behandlungsalternativen die Klägerin bereits therapiert worden sei, sei nicht ersichtlich.
Die M hat mit Schreiben vom 24.04.2020 über ein Langzeit-EKG im Juni 2018 und eine persönliche Untersuchung im Oktober 2018 sowie ein Belastungs-EKG im Mai 2019 berichtet. Es sei eine arterielle Hypertonie bekannt, die mit einer halben Tablette Atacand® 16/12,5 behandelt werde. Im Langzeit-EKG hätten sich Herzrhythmusstörungen iS von ventrikulären Extrasystolen gezeigt. Die durchgeführte Echokardiographie habe einen Normalbefund erbracht. Es hätten sich keine Bluthochdruckveränderungen am Herzen gefunden. Das Belastungs-EKG habe keinen Hinweis auf Durchblutungsstörungen des Herzmuskels ergeben. Die Versorgung der Klägerin mit einem blutdrucksenkenden Medikament sei medizinisch erforderlich. Gut verträglich seien Blutdruckmedikamente aus der Gruppe der Sartane, zu der auch Candesartan zähle, der Inhaltsstoff des Atacand®. Candesartan sei ein blutdrucksenkender Wirkstoff aus der Gruppe der Sartane zur Behandlung von Bluthochdruck und einer Herzinsuffizienz. Die Wirkungen beruhten auf der selektiven Blockierung des AT 1-Rezeptors und der Aufhebung der Wirkungen von Angiotensin II. Candesartan werde einmal täglich unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen. Zu den häufigsten möglichen unerwünschten Wirkungen gehörten Atemwegsinfektionen, Benommenheit, Schwindel, Kopfschmerzen, tiefer Blutdruck und Rückenschmerzen. Candesartan sei in Form von Tabletten im Handel (Atacand®, Blupress und Generika). Es werde auch fix mit Hydrochlorothiazid kombiniert (Atacand® plus, Blupress plus und Generika). Sämtliche Generika, die Candesartan bzw Hydrochlorothiazid beinhalteten, stünden im Falle der Klägerin zur Verfügung. Ihr - M - seien keine objektiven Gründe bekannt, aus denen die Behandlungsalternativen im Falle der Klägerin ausschieden. Die Behandlungsalternativen seien vom Hausarzt verordnet worden. Ihr sei nicht bekannt, welche dies gewesen seien. Die Klägerin habe angegeben, im Frühjahr ein Generikum eingenommen und dieses nicht vertragen zu haben. Die Herzrhythmusstörungen seien subjektiv häufiger aufgetreten. Diesbezüglich habe sie keine Behandlungsunterlagen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28.10.2020 abgewiesen. Der Bescheid vom 19.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2018 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für das Arzneimittel Atacand® Plus über den Festbetrag hinaus. Zulässiger Streitgegenstand sei der Anspruch auf Vollversorgung mit dem Festbetragsarzneimittel Atacand® Plus, nicht die zugrundeliegende Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel mit Kombinationen von Angiotensien-II-Antagonisten mit Hydrochlorothiazid als Wirkstoff. Dabei unterliege die Versorgung mit Festbetragsarzneimitteln iS von § 35 SGB V einem zweigeteilten Rechtsschutzkonzept. Seien betroffene Versicherte mit der Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel nicht einverstanden, müssten sie unmittelbar die Festbetragsfestsetzung selbst gerichtlich überprüfen lassen (§ 35 Abs 7 Satz 2 SGB V). Berufe sich die Versicherte - wie hier - für sich selbst auf einem atypischen Einzelfall, in dem sie trotz genereller Achtung der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben für Festbeträge keine hinreichende Arzneimittelversorgung zum Festbetrag erhalte, könne sie die konkrete Leistung eines Arzneimittels gesondert auf dem dafür regelhaft vorgesehenen Weg eines Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens gegen die Krankenkasse geltend machen. Dementsprechend könne die Klägerin, die die Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel mit Kombinationen von Angiotensien-II- Antagonisten mit Hydrochlorothiazid als Wirkstoff nicht in Zweifel ziehe, die Vollversorgung mit dem Festbetragsarzneimittel Atacand® Plus im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage als Sachleistung für die Zukunft und ggf als Sachleistung ersetzende Kostenerstattung für die Vergangenheit (§ 13 Abs 3 Satz 1 SGB V) einfordern (Hinweis auf BSG 03.07.2012, B 1 KR 22/11 R). Das SG hat zunächst auf die Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass die Festbetragsregelung Ausdruck des Wirtschaftlichkeitsgebots sei (§ 12 Abs 1 SGB V). Arzneimittel, die über das Maß des Notwendigen hinausgingen und unwirtschaftlich seien, weil sie gegenüber gleich geeigneten, ausreichenden und erforderlichen Arzneimitteln teurer seien, seien aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich ausgeschlossen. Die Reichweite des Wirtschaftlichkeitsgebots begrenze zugleich die Wirksamkeit der Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel. Die Versicherten hätten unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots Anspruch auf eine in der Qualität gesicherte Vollversorgung durch Sachleistung aus einer Pflichtversicherung, die durch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge solidarisch finanziert werde. Die Versicherten müssten sich nicht mit Teilkostenerstattungen zufriedengeben. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit bedinge im Sinne des Minimalprinzips den Beleg, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notweniger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher seien. Das Wirtschaftlichkeitsgebot greife aber nicht ein, wenn lediglich überhaupt nur eine Leistung in Rede stehe. Hier entspreche es dem Wirtschaftlichkeitsgebot, bei gleicher Eignung im individuellen Fall ein anderes, nicht unter die Festbetragsregelung fallendes preisgünstigeres Arzneimittel beanspruchen zu können. Diesem Grundprinzip trage die Festbetragsregelung des § 35 SGB V Rechnung. Sie garantiere für die Versicherten im Wesentlichen eine Gleichbehandlung, indem sie die Rechtsgrundlage schaffe, um typische Fälle in Gruppen zusammenzufassen. Dies erleichtere auch die Erfüllung der Aufgabe, die Versicherten nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Erkenntnis oder dem Stand der Technik angemessen zu versorgen. Die Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots durch das Verfahren nach §§ 35, 36 SGB V mache das Verwaltungshandeln der Krankenkassen für die Teilnehmer am Gesundheitsmarkt effektiver und vorhersehbarer. Die Festbetragsfestsetzung gelte jeweils für eine Gruppe von Arzneimitteln (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB V) und setze hierfür die Geldbeträge fest, mit denen einerseits eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet, andererseits aber im Preiswettbewerb unter den Herstellern ermöglicht werden solle (§ 35 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V). Die gesetzlich vorgegebenen Kriterien der Festbetragsfestsetzung seien nicht an den individuellen Verhältnissen des einzelnen Patienten ausgerichtet, sondern orientierten sich in generalisierender Weise an allen Versicherten. Dementsprechend seien die Festbeträge so festzusetzen, dass sie lediglich „im Allgemeinen“ eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisteten (§ 35 Abs 5 Satz 1 SGB V; BSG 03.07.2012, B 1 KR 22/11 R). Gehe es dagegen um einen atypischen Ausnahmefall, in dem - trotz Gewährleistung einer ausreichenden Arzneimittelversorgung durch die Festbetragsfestsetzung im Allgemeinen - aufgrund der ungewöhnlichen Individualverhältnisse keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich sei, greife die Leistungsbeschränkung auf den Festbetrag nicht ein. Aufgrund ungewöhnlicher Individualverhältnisse sei keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag mehr möglich, wenn die zum Festbetrag erhältlichen Arzneimittel unerwünschte Nebenwirkungen verursachten, die über bloße Unannehmlichkeiten oder Befindlichkeitsstörungen hinausgingen und damit die Qualität einer behandlungsbedürftigen Krankheit (§ 27 Abs 1 Satz 1 SGB V) erreichten. Die Beurteilung der Verursachung richte sich nach der im Sozialrecht maßgeblichen Theorie der wesentlichen Bedingung. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen müsse im Gerichtsverfahren grundsätzlich zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen. Lediglich für die zu prüfenden Kausalzusammenhänge genüge die überwiegende Wahrscheinlichkeit. Nach allgemeinen Grundsätzen trügen die Versicherten hierfür die objektive Beweislast (BSG 03.07.2012, B 1 KR 22/11 R). Übertragen auf den vorliegenden Rechtstreit bedeute dies, dass im Falle der Klägerin kein atypischer Ausnahmefall vorliege, in dem keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich sei. Der als sachverständige Zeuge befragte Arzt S1 habe in seiner Auskunft vom 06.08.2019 festgestellt, bei der Klägerin könne jedes Sartan oder Präparate anderer Wirkstoffe versucht werden. Die von der Klägerin genannten Angaben seien nicht objektivierbar gewesen. Auch die Internistin M habe in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 20.04.2020 angegeben, dass sämtliche Generika mit den Wirkstoffen Candesartan bzw Hydrochlorothiazid im Falle der Klägerin zur Verfügung stünden. Ihr seien keine objektiven Gründe bekannt, aus denen die Behandlungsalternativen im Falle der Klägerin ausschieden. Über vorgetragene und subjektiv häufig auftretende Herzrhythmusstörungen habe sie keine Behandlungsunterlagen. Damit sei nicht nachgewiesen, dass bei der Klägerin aufgrund ungewöhnlicher Individualverhältnisse keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich sei. Die behaupteten unerwünschten Nebenwirkungen hätten von den behandelnden Ärzten nicht objektiviert werden können.
Gegen den ihrer damaligen Bevollmächtigten am 04.11.2020 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer am 12.11.2020 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung, mit der sie unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens die Versorgung mit dem Arzneimittel Atacand® Plus über den Festbetrag hinaus begehrt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 28.10.2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.10.2018 zu verurteilen, sie abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung mit dem Arzneimittel Atacand® Plus ohne Beschränkung auf den Festbetrag zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat zur Begründung auf den angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen.
Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 23.11.2021 darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage davon ausgegangen werde, dass die Klägerin allein einen Anspruch auf Vollversorgung mit dem Fertigarzneimittel Atacand® Plus als Sachleistung für die Zukunft geltend mache. Eine sachleistungsersetzte Kostenerstattung für die Vergangenheit sei bisher nicht begehrt worden, ein Erstattungsanspruch nicht beziffert worden (Hinweis auf BSG 03.07.2012, B 1 KR 22/11 R). Weiter hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass das SG auf Grundlage der sachverständigen Stellungnahmen der behandelnden Ärzte, des Fragebogens vom 17.06.2018 sowie der Gutachten des MDK und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 03.07.2012, B 1 KR 22/11 R) die Klage zu Recht abgewiesen haben dürfte. Es bestehe kein Anlass für die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 05.12.2021 dahingehend Stellung genommen, dass ihre langjährige Hausärztin R schon vor Juni 2018 ihre Praxis altershalber aufgegeben habe. Danach sei sie recht zügig in die Praxis des F gewechselt. Leider habe sie schon mit 35 Jahren eine Hypertonie entwickelt, die sie seither begleite. Im Verlauf von 30 Jahren habe sie immer wieder die Medikamente wechseln müssen, da ihre Schleimhäute überreizt gewesen seien und sie unter ständigem Husten, Allergien bis hin zu Schwindelanfällen gelitten habe. Einmal sei sie sogar per Notarzt in die Klinik eingeliefert worden. Auf einen Rat einer guten Bekannten sei sie auf Atacand® aufmerksam geworden. Bis dahin habe sie zigmal blutdrucksenkende Mittel gewechselt. R habe ihr eine Probepackung gegeben und endlich sei es ihr bessergegangen. Die letzten Mittel hätten gar nicht mehr gewirkt und sie habe über längere Zeitspannen mit zu hohem Blutdruck gelebt. Die Aufschriebe der R seien ihr nicht zugänglich. Vermutlich habe der Arzt, der den Fragebogen habe ausfüllen müssen, nicht die nötige Zeit gehabt, die jahrlangen handschriftlichen Aufschriebe durchzulesen. Sie habe jahrelang den Fehlbetrag gezahlt, um Atacand® einnehmen zu können. Als sie in Rente gegangen sei, habe sie den Versuch unternommen, das Medikament zu wechseln. Nach ein paar Tagen seien Kreislaufprobleme, Blutdruckabfall und Schwindel aufgetreten. Der Bluthochdruck habe sich ohne Einnahme eines blutdrucksenkenden Mittels binnen kurzem wieder eingestellt. Sie müsse jetzt nicht mehr um ein Rezept für das Original Atacand® kämpfen, sondern bekomme es in der Praxis problemlos mit Kreuzchen ausgestellt. Jedoch die Kosten trage sie selbst, damit es ihr gut gehe. Ihre Rente betrage monatlich ca 1200,00 €, nur diese Arznei gönne sie sich, der Sicherung ihrer Lebensqualität wegen. Die Klägerin hat einen Befundbericht des W vom 11.07.2017 (Diagnose chronische polypöse Sinusitis maxillaris und ethmoidales beidseits) sowie den Entlassbericht des Klinikums H vom 11.09.2007 (Diagnose Hypertonie bei Betablocker Einnahme mit Kollaps; wesentliche Befunde/Bemerkungen: „Pat. kommt zur stat. Aufnahme nach dem Saunabesuch, nach Blutspenden und neuerlicher Betablocker-Therapie ein Kollaps mit kurzer Bewusstlosigkeit ohne Sturz, Zungenbiss oder Einnässen erlebt. Initial deutliche Hypertonie, unter Flüssigkeitsgabe normoton unauffälliges EKG ohne Zeichen für eine kardiale Ursache. Eine stat. Überwachung wünscht die Pat. nicht, sie verlässt die Klinik gegen ärztlichen Rat“).
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die nach §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG), ist statthaft und zulässig.
Den Gegenstand des vorliegenden Rechtstreits bildet der Bescheid vom 19.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2018 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Versorgung der Klägerin mit dem Arzneimittel Atacand® Plus ohne Beschränkung auf den Festbetrag abgelehnt hat. Dagegen wendet sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG) und begehrt die Versorgung mit diesem Arzneimittel für die Zukunft ohne Begrenzung auf den Festbetrag. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Erstattung ggf in der Vergangenheit angefallener Kosten für die Beschaffung des Arzneimittels Atacand® Plus im vorliegenden Rechtstreit begehrt (vgl § 99 Abs 3 Nr 3 SGG; ferner zB BSG 26.02.2019, B 1 KR 24/18 R, BSGE 127, 240), bestehen nicht. Die Klägerin hat während des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens zu keinem Zeitpunkt Aufwendungen für die Beschaffung von Atacand® Plus beziffert oder gar belegt (vgl die entsprechende Mitwirkungsaufforderung des SG vom 24.07.2019). Auch im Berufungsverfahren hat sie - trotz Hinweises des Senats in der Verfügung vom 23.11.2021 - keinerlei Aufwendungen für Atacand® Plus geltend gemacht oder konkretisiert.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Bescheid vom 19.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2018 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vollversorgung mit dem Festbetragsarzneimittel Atacand® Plus.
Das SG hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend die Rechtsgrundlagen sowie die dazu ergangene Rechtsprechung des BSG betreffend den streitigen Anspruch auf die zukünftige festbetragsfreie Arzneimittelversorgung mit Atacand® Plus ausführlich dargestellt und zutreffend einen Anspruch der Klägerin auf eine Versorgung ohne Begrenzung auf den Festbetrag verneint. Es hat insbesondere nach Durchführung der Beweisaufnahme zutreffend einen atypischen Ausnahmefall, in dem - trotz Gewährleistung einer ausreichenden Arzneimittelversorgung durch die Festbetragsfestsetzung im Allgemeinen - aufgrund der ungewöhnlichen Individualverhältnisse keine ausreichende Versorgung der Klägerin zum Festbetrag möglich ist, verneint. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des SG als unbegründet zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs 2 SGG).
Ergänzend zum Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren weist der Senat darauf hin, dass der Anspruch einer Versicherten auf eigenanteilsfreie Versorgung mit einem nur oberhalb des Festbetrages erhältlichen Festbetragsarzneimittel davon abhängt, dass bei der Versicherten objektiv nachweisbar eine zusätzliche behandlungsbedürftige Krankheit oder eine behandlungsbedürftige Verschlimmerung einer bereits vorliegenden Krankheit nach indikationsgerechter Nutzung aller anwendbaren, preislich den Festbetrag unterschreitenden Arzneimittel eintritt, dass die zusätzliche Erkrankung bzw Krankheitsverschlimmerung zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit jeweils wesentlich durch die Anwendung der den Festbetrag im Preis unterschreitenden Arzneimittel bedingt ist und dass die Anwendung des nicht zum Festbetrag verfügbaren Festbetragsarzneimittels dagegen ohne Nebenwirkungen im Ausmaß einer behandlungsbedürftigen Krankheit bleibt und in diesem Sinne alternativlos ist (BSG 03.07.2012, B 1 KR 22/11 R, BSGE 111, 146). Das objektivierbar gesicherte Hinzutreten einer neuen Krankheit oder die Verschlimmerung einer bestehenden Krankheit nach Verabreichung eines Festbetragsarzneimittels in einem Behandlungsbedürftigkeit begründenden Ausmaß muss iS des Vollbeweises nach den Regeln der ärztlichen Kunst gesichert sein. Allein das subjektive Empfinden einer Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete (zusätzliche) Behandlungsbedürftigkeit ihres Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse und die danach zur Verfügung stehenden Methoden, um Beschwerden zu objektivieren.
Schon diese Voraussetzung liegt nicht vor. Vielmehr hat der behandelnde Arzt S1 im August 2019 ausdrücklich mitgeteilt, dass jedes Sartan oder Präparate anderer Wirkstoffe eingesetzt werden können, die von der Klägerin genannten Angaben zu Nebenwirkungen und Wechselwirkungen nicht objektivierbar waren und aus seiner Sicht keine Gründe vorlagen, die zugelassene Behandlungsalternativen im Falle der Klägerin ausschieden. Auch M hat in ihrer Stellungnahme aus dem April 2020 unmissverständlich dargelegt, dass sämtliche Generika, die Candesartan bzw Hydrochlorothiazid beinhalten, im Falle der Klägerin zur Verfügung stehen. Ihr seien keine objektiven Gründe bekannt, aus denen die Behandlungsalternativen im Falle der Klägerin ausscheiden. Zwar hat die Klägerin mit Schreiben vom 05.12.2021 nochmals das Auftreten von Nebenwirkungen wie Kreislaufprobleme, Blutdruckabfall und Schwindel anlässlich der Einnahme eines Alternativpräparates dargestellt, jedoch hat S1 die Angaben der Klägerin ausdrücklich als nicht objektivierbar beurteilt. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Befundbericht des W vom 11.07.2017 folgt nichts Anderes. Dort wird lediglich über eine größere polypöse Sinusitis berichtet, wegen der W eine „Nasonex-Kur“ in der Infektzeit (Herbst und Winter) empfahl. Auch aus dem Entlassbericht des Klinikums H vom 11.09.2007 ergibt sich keine andere Beurteilung. Dass der Kollaps mit kurzer Bewusstlosigkeit in einem Zusammenhang mit der Betablocker-Therapie stand, wobei unklar ist, welches Arzneimittel seinerzeit überhaupt zum Einsatz gekommen war, ist nicht belegt. Denn dieser kann ebenso auf die besonderen Umstände mit Saunabesuch und Blutspende mit der Folge einer hypertensiven Entgleisung zurückzuführen sein. Eine genaue Abklärung erfolgte nicht, nachdem die Klägerin gegen ärztlichen Rat die Entlassung wünschte.
Weitere Ermittlungen von Amts wegen sind nicht veranlasst. Die Klägerin hat eingeräumt, dass ihre vormals behandelnde Hausärztin R in den Ruhestand gegangen ist und sie keine weiteren medizinischen Unterlagen habe. Die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob bei der Klägerin zumindest objektiv nachweisbar eine zusätzliche behandlungsbedürftige Krankheit oder eine behandlungsbedürftige Verschlimmerung einer bereits vorliegenden Krankheit nach indikationsgerechter Nutzung aller anwendbaren, preislich den Festbetrag unterschreitenden Arzneimittel eingetreten ist, scheidet schon deshalb aus, weil dafür erforderliche Anknüpfungstatsachen über die tatsächlich zum Einsatz gekommenen Arzneimittel sowie Befunde über ggf aufgetretene Nebenwirkungen gerade nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 3949/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3580/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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