L 11 R 2169/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1067/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2169/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 02.06.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.


Tatbestand


Die Beteiligten streiten über eine rückwirkende Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für die Zeit vom 01.10.2011 bis 17.03.2016 und in diesem Zusammenhang insbesondere um die fristgerechte Antragstellung nach § 231 Abs 4b Satz 6 SGB VI.

Der Kläger ist Volljurist, zugelassener Rechtsanwalt und seit 13.05.2002 Mitglied der Rechtsanwaltskammer T. Er war vom 01.03.2002 bis 30.09.2011 als Rechtsanwalt bei der P AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, S, beschäftigt und war in dieser Zeit aufgrund eines Bescheides der Landesversicherungsanstalt für Angestellte vom 30.07.2002 für die Zeit ab dem 13.05.2002 von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI befreit. In der Zeit vom 01.10.2011 bis 19.07.2016 war der Kläger sodann bei den S1 GmbH (Beigeladene zu 2) beschäftigt.

Der Kläger beantragte im Oktober 2011 bei der Beklagten die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2) gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Weitergeltung der mit Bescheid vom 30.07.2002 und Wirkung ab 13.05.2002 ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht für die abhängige Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) mit Bescheid vom 10.11.2011 ab, da es sich nicht um eine berufsspezifische (anwaltliche) Tätigkeit handele. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 04.06.2012 zurückgewiesen. Die hiergegen zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage war dort zunächst unter dem Az S 6 R 1800/12 bzw S 10 R 1800/12 anhängig und wurde zunächst unter dem Az S 10 R 2759/17 WA und schließlich dem Az S 3 R 1648/19 fortgeführt. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 13.04.2016 unterrichtete der Kläger das SG (Eingang 15.04.2016), dass er einen Antrag auf Zulassung zum Syndikusanwalt gestellt habe. Das SG nahm dieses Schreiben zu den Gerichtsakten und verfügte „Weglegen“ des ruhenden Verfahrens. Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 04.06.2020 ab. Die eingelegte Berufung war beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg unter dem Az L 11 R 2330/20 anhängig und wurde mit Schriftsatz vom 08.06.2021 für erledigt erklärt.

Mit Beschluss der Rechtsanwaltskammer T vom 20.07.2016 wurde der Kläger auf seinen Antrag vom 17.03.2016, eingegangen dort am 18.03.2016, und nach Anhörung der Beklagten (vgl Schreiben der Rechtsanwaltskammer T vom 27.06.2016) als Syndikusrechtsanwalt nach § 46a Bundesrechtsanwaltsordnung zugelassen. Mit Bescheid vom 09.11.2016 (in der Fassung des Bescheides vom 29.11.2017) erteilte die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund der Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt mit Wirkung zum 18.03.2016.

Der Kläger beantragte die rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB VI bei der Beklagten mit Wirkung zum 01.10.2011. Der vom Kläger unterzeichnete Antrag vom 22.07.2016 ging über den Beigeladenen zu 1) (Eingang dort am 28.07.2016) am 01.08.2016 bei der Beklagten ein. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 28.07.2016 (Eingang bei der Beklagten am 01.08.2016) bat er zusätzlich um Entscheidung über den vorsorglich gestellten Rückwirkungsantrag.

Mit Bescheid vom 18.01.2017 wurde der Antrag abgelehnt, da der Kläger den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist bis zum 01.04.2016 gestellt habe.

Die Beklagte wies den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 06.02.2017 mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2017 zurück. Der Antrag sei nicht fristgerecht bis zum 01.04.2016 gestellt worden. Der am 22.07.2016 unterschriebene Formantrag sei erst am 01.08.2016 bei der Beklagten eingegangen. Der in der Widerspruchsbegründung erwähnte Schriftsatz vom 17.03.2016, mit dem der Antrag gestellt worden sei, liege der Beklagten nicht vor. Sofern dieser Schriftsatz im Klageverfahren S 10 R 1800/12 gestellt worden sei, könne selbst bei nachträglicher Übersendung an die Beklagte der beim SG eingegangene Antrag nicht mehr als fristwahrend gemäß § 16 Abs 2 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) angesehen werden.

Der Kläger hat am 04.05.2017 Klage beim SG erhoben (S 3 R 1067/17). Er hat geltend gemacht, dass die Voraussetzungen für eine rückwirkende Befreiung vorliegen würden, da er rechtzeitig einen entsprechenden Befreiungsantrag gestellt habe. Schließlich würde der bereits im Jahr 2011 bei der Beklagten gestellte Antrag auf Weitergeltung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht denselben Streitgegenstand betreffen wie die im vorliegenden Verfahren begehrte rückwirkende Befreiung ab dem 01.11.2011 nach § 231 Abs 4b SGB VI. Es sei daher nicht erforderlich gewesen, vor dem Stichtag des 01.04.2016 einen weiteren Befreiungsantrag zu stellen.

Die Beklagte hat entgegnet, dass die Befreiung als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Abs 1 Satz 1 SGB VI ab dem 18.03.2016 mit der rückwirkenden Befreiung nach § 231 Abs 4b SGB VI sowie die Befreiung nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI als Syndikusanwalt nach der bis 31.12.2015 geltenden Rechtslage zwei unterschiedliche Lebenssachverhalte beträfen. Es lägen daher zwei unterschiedliche Streitgegenstände vor mit der Folge, dass die rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs 4b SGB VI unter anderem einen neuen fristgerechten Antrag erfordere. Ein solcher Antrag sei nach Aktenlage erst am 01.08.2016 gestellt worden.

Mit Beschluss vom 20.11.2017 hat das SG das Verfahren S 10 R 1067/17 und das Verfahren S 10 R 2759/17 WA (vormals S 6 R 1800/12; später S 3 R 1648/19) über die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 SGB VI im Zeitraum vom 01.11.2011 bis 17.03.2016 unter dem Aktenzeichen S 10 R 1067/17 verbunden. Mit Beschluss vom 16.04.2018 hat das SG auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Schriftsatz vom 20.07.2018 hat die Beklagte das Verfahren wieder angerufen. Mit Beschluss vom 08.07.2019 hat das SG den Verbindungsbeschluss von Amts wegen aufgehoben.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.06.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB VI, da er den hierfür erforderlichen Antrag nicht rechtzeitig vor Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist am 01.04.2016 gestellt habe. Das SG hat auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug genommen und darüber hinaus ausgeführt, der im Jahr 2011 gestellte Antrag auf Weitergeltung der mit Bescheid vom 30.07.2002 ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht stelle keinen Antrag auf rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs 4b SGB VI dar. Dies ergebe sich schon daraus, dass der im Jahr 2011 gestellte Antrag auf Weitergeltung einer bereits erteilten Befreiung gerichtet gewesen sei und nicht auf Erteilung einer neuen, rückwirkenden Befreiung. Die Möglichkeit zur Stellung eines rückwirkenden Antrags nach § 231 Abs 4b SGB VI habe erst mit der Einführung dieser Regelung zum 01.01.2016 bestanden. Die Anträge des Klägers auf Weitergeltung der Befreiung einerseits und auf rückwirkende Befreiung andererseits sowie die hierzu ergangenen Bescheide beträfen zwei unterschiedliche Streitgegenstände. Daher sei ein fristgerechter Antrag nach § 231 Abs 4b SGB VI nicht infolge einer etwaigen Rechtswirkung aus § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entbehrlich.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 09.06.2020 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 09.07.2020 beim LSG Baden-Württemberg eingelegte Berufung des Klägers. Die Auffassung des SG, dass er verpflichtet gewesen wäre, einen erneuten Befreiungsantrag für die von ihm durchgängig ausgeübte Tätigkeit zu stellen, für die er mittlerweile zur Syndikusanwaltschaft zugelassen sei, sei unzutreffend. Er macht geltend, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinen Beschlüssen vom 19.07.2016 (1 BvR 2584/14) und 22.07.2016 (1 BvR 2534/14) die Verfassungsbeschwerden gegen die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.04.2014 nur deswegen nicht mehr zur Entscheidung angenommen habe, weil der Gesetzgeber eingegriffen habe und das Rechtsschutzziel der Beschwerdeführer, nämlich die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für die anwaltliche Tätigkeit zu erhalten, durch die gesetzliche Neuregelung ermöglicht worden sei. Das BVerfG sei erkennbar von einem einheitlichen Streitgegenstand ausgegangen, was sich insbesondere daraus ergebe, dass das BVerfG für die rückwirkende Befreiung alleine auf die Tatsache abgestellt habe, dass Mindest- oder Pflichtbeiträge in das anwaltliche Versorgungswerk geleistet worden seien. Das Gericht gehe also erkennbar davon aus, dass es Ziel des Gesetzgebers gewesen sei, hier eine einheitliche Versicherungsbiografie zu gewährleisten, wenn es sich noch um ein offenes Verfahren handele. Das Verständnis der Beklagten, dass es sich hier um zwei Streitgegenstände handele, wie es jetzt das BSG im Hinblick auf § 96 SGG vertrete, sei für ihn - den Kläger - im Hinblick auf die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen nicht nachvollziehbar. Es komme zu einer rechtswidrigen Ungleichbehandlung. Hätte sein Arbeitgeber (Beigeladene zu 2)) einfach die Beiträge an das Versorgungswerk abgeführt und nicht zur Beklagten angemeldet, wären diese Beiträge aufgrund der Veröffentlichung der Deutschen Rentenversicherung vom 12.12.2014 sicher gewesen, wenn er - der Kläger - erst zum 01.01.2015 umgemeldet worden wäre. Er habe alle notwendigen Anträge rechtzeitig gestellt. Selbst wenn man von zwei Streitgegenständen ausgehe, sei die erfolgte Antragstellung beim Gericht ausreichend. Beim SG sei der sicherheitshalber gestellte formlose Antrag bereits am 11.03.2016 eingegangen. Es werde bestritten, dass er erst am 12.04.2016 bei der Beklagten eingegangen sein solle. Eine Laufzeit von einem Monat sei ungewöhnlich und nicht nachvollziehbar. Der Rechtsgedanke des § 91 SGG sei anzuwenden. Diese Norm stelle klar, dass die Frist für die Erhebung einer Klage auch dann als gewahrt gelte, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger eingegangen sei. Die Klageschrift sei dann unverzüglich an das Sozialgericht weiterzuleiten. Übertrage man diesen Rechtsgedanken, der ein wesentlicher Rechtsgedanke zur Fristwahrung sei, sei Folgendes festzustellen: Es gebe ein offenes Verwaltungsverfahren in Bezug auf die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 SGB VI. Aufgrund des laufenden Gerichtsverfahrens sei das Verwaltungsverfahren noch nicht rechtskräftig beendet gewesen. Er - der Kläger - sei für die streitgegenständliche Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt zugelassen worden und von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab Stellung des Zulassungsantrags gemäß § 6a Abs 2 Nr 4 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) für die Zukunft befreit worden. Der vorsorglich gestellte Befreiungsantrag sei fristgerecht beim SG eingegangen und von diesem unverzüglich an die Deutsche Rentenversicherung Bund als Beklagte weitergeleitet worden. Der Kläger habe davon ausgehen dürfen, dass im laufenden Gerichtsverfahren diese Information im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 91 SGG ausreichend sei. Ein Hinweis von der Beklagten, dass ein erneuter Antrag im laufenden Verwaltungsverfahren notwendig sein solle, sei nicht erfolgt, obwohl dies der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen wäre. § 16 Abs 1 SGB I gelte nur für den Fall, dass erstmals Leistungen bei einem Rentenversicherungsträger beantragt werden.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 02.06.2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.01.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn für die Tätigkeit bei den S1 GmbH vom 01.11.2011 bis zum 17.03.2016 gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI evtl in Verbindung mit § 231 Abs 4b SGB VI von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

 die Berufung zurückzuweisen.

Der Annahme, dass ein nach alter Rechtslage gestellter Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI bereits einen Antrag auf rückwirkende Befreiung nach dem erst zum 01.01.2016 in Kraft getretenen § 231 Abs 4b SGB VI beinhalten solle, habe das BSG eine Absage erteilt (Hinweis auf BSG 22.03.2018, B 5 RE 12/17 B und BSG 28.06.2018, B 5 RE 2/17 R). Das BSG differenziere ausdrücklich zwischen einer Befreiung mit dem Status als Rechtsanwalt/Patentanwalt und einer Befreiung mit dem Status als Syndikusrechtsanwalt/Syndikuspatentanwalt und messe den dazu erteilten Bescheiden jeweils eine eigene Regelungswirkung zu. Es handele sich um unterschiedliche Streitgegenstände. Andernfalls wäre die Antragsbezogenheit nach § 231 Abs 4b Satz 6 SGB VI entbehrlich gewesen, da es sich um Sachverhalte gehandelt habe, bei denen regelmäßig in der Vergangenheit bereits nach der alten Rechtslage Befreiungsanträge bei den Rentenversicherungsträgern gestellt worden seien. Soweit die Rechtsansicht vertreten werde, das BVerfG sei in seinen Beschlüssen vom 19.07.2016 bzw vom 22.07.2016 (1 BvR 2584/14 und 1 BvR 2534/14) von einem einheitlichen Streitgegenstand ausgegangen, könnten sich diese Beschlüsse schon wegen des Zeitpunkts ihres Erlasses nicht mit den BSG-Entscheidungen befassen. Außerdem beträfen die verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht den (hier strittigen) § 96 SGG, sondern § 231 Abs 4b SGB Vl. Die Vorschrift des § 91 SGG fingiere lediglich die Einhaltung der Klagefrist bei Eingang der Klage bei einer unzuständigen Stelle. Für weitere Anträge während des Verfahrens gelte § 91 SGG nicht mehr. Warum § 16 Abs 1 SGB I nur Anwendung finden solle, wenn "erstmals Leistungen bei einem Rentenversicherungsträger beantragt werden", erschließe sich gleichfalls nicht. Eine solche Einschränkung gäben weder Gesetz noch Rechtsprechung her. Soweit der Klägerbevollmächtigte darüber hinaus ausführe, der § 16 Abs 1 SGB I diene dem Schutz des Betroffenen vor dem Hintergrund der "vielfach undurchschaubaren behördlichen Zuständigkeiten", sei angemerkt, dass der Kläger - im Übrigen selbst rechtskundig - durchgehend anwaltlich vertreten gewesen sei. Dem Klägervertreter wäre es ein Leichtes gewesen, einen entsprechenden Antrag auf rückwirkende Befreiung - zumindest vorsorglich - fristgerecht (auch) bei der Beklagten und nicht (nur) bei Gericht zu stellen.

Mit Beschluss vom 04.06.2021 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 06.08.2021 das Verfahren wieder aufgerufen.

Mit Beschluss vom 01.10.2021 hat der Senat das Versorgungswerk für Rechtsanwälte in B und die S1 GmbH zum Rechtsstreit beigeladen. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 21.10.2021, die Beigeladene zu 1) unter dem 25.10.2021, der Kläger mit Schriftsatz vom 09.11.2021 und die Beigeladene zu 2) unter dem 02.12.2021 das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten des hiesigen Verfahrens als auch des Verfahrens L 11 R 2330/20 Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter entscheidet, ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden und im Übrigen statthaft (§§ 143, 144 Abs 1 SGG).

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 18.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2017 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Befreiung des Klägers von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 231 Abs 4b Satz 1 SGB VI iVm § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI abgelehnt hat. Diese Bescheide sind nicht bereits gemäß § 96 SGG Gegenstand des beim SG anhängig gewesen Verfahrens S 3 R 1648/19 (vormals S 2 R 1800/12 bzw S 10 R 1800/12 und S 10 R 2759/17 WA) und dem sich anschließenden Berufungsverfahren L 11 R 2330/20 geworden mit der Folge der entgegenstehenden Rechtshängigkeit (§§ 94 SGG, 17 Abs 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz) bzw nach Rücknahme nunmehr Bestandskraft (§ 77 SGG).

Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt (§ 96 Abs 1 SGG).

Der Bescheid vom 18.01.2017 änderte den dort streitigen Bescheid vom 10.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2012 weder ab noch ersetzte er diesen. Eine Änderung liegt vor, wenn der Verwaltungsakt teilweise aufgehoben und durch eine Neuregelung ersetzt wird; Ersetzung ist gegeben, wenn der neue Verwaltungsakt vollständig an die Stelle des bisherigen tritt (vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Auflage 2020, § 96 Rn 4 ff mwN). Abändern oder ersetzen setzt dabei voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit dem des früheren identisch ist, was durch Vergleich der in beiden Verwaltungsakten getroffenen Verfügungssätze festzustellen ist (BSG 28.06.2018, B 5 RE 2/17 R, SozR 4-2600 § 6 Nr 17, Rn 16). Ausweislich des Vergleichs der Verfügungssätze der hier maßgeblichen Bescheide liegt aber keine Identität der Regelungsgegenstände vor. Mit Bescheid vom 10.11.2011 hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Weitergeltung der mit Bescheid vom 30.07.2002 und Wirkung ab 13.05.2002 ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht für die abhängige Beschäftigung als Controller bei der Beigeladenen zu 2) abgelehnt. Mit Bescheid vom 18.01.2017 hat die Beklagte hingegen den "Antrag vom 01.08.2018 auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB VI" abgelehnt. Beide Bescheide betreffen zwar die Ablehnung der Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht für die Zeit seit dem 10.11.2011 für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 2). Allerdings bezieht sich der erste Bescheid vom 10.11.2011 auf den Status des Klägers als Rechtsanwalt, der zweite Bescheid vom 18.01.2017 auf den Status als Syndikusrechtsanwalt.

Die Auslegung eines Verwaltungsakts hat ausgehend von seinem Verfügungssatz und der Heranziehung des in § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgedrückten allgemeinen Rechtsgedankens zu erfolgen, dass es nicht auf den Buchstaben, sondern auf den wirklichen Willen der Behörde bzw des Verwaltungsträgers ankommt, soweit er im Bescheid greifbar seinen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens sind dabei auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die dem Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht. Maßstab der Auslegung ist insofern der verständige und Zusammenhänge berücksichtigende Beteiligte (BSG 20.03.2013, B 5 R 16/12 R, juris Rn 18; BSG 22.03.2018, B 5 RE 12/17 B, juris Rn 29).

Hieran gemessen ist der Bescheid vom 10.11.2011 dahin zu verstehen, dass er die Ablehnung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht wegen Nichtausübens einer anwaltlichen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) betrifft. Dies ergibt sich aus dem Verfügungssatz, der die Ablehnung ausdrücklich auf die abhängige Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2) bezieht, und der Begründung, dass es sich hierbei um keine berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit handele. Der Kläger bezog sich in dem zugrundeliegenden Antrag zwar auf seine Tätigkeit als „Syndikusanwalt“, beantragte jedoch zugleich die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bzw Satz 5 SGB VI aufgrund seiner gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft in der berufsständischen Kammer. Die Beigeladene zu 2) hat seine Tätigkeit als Rechtsanwalt in ihrem Unternehmen auf dem Antragsformular bestätigt. Antrag und Bescheid beziehen sich mithin auf die geltend gemachte Beschäftigung des Klägers als Rechtsanwalt bei der Beigeladenen zu 2).

Der Bescheid vom 18.01.2017 bezieht sich hingegen auf den neu erworbenen Status als Syndikusrechtsanwalt. Dies ergibt sich durch die Bezugnahme des Bescheides auf den Antrag des Klägers vom 01.08.2016, mit dem er unter Hinweis auf die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt hat, und zum anderen durch den Verweis des Bescheides auf § 231 Abs 4b SGB VI, der sich auf die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt bezieht.

Eine Identität der Regelungsgegenstände der Bescheide liegt aufgrund der unterschiedlichen Statusbezogenheit nicht vor (siehe ausführlich BSG 22.03.2018, B 5 RE 12/17 B, juris Rn 24 ff; BSG 23.07.2019, B 5 RE 5/19 B, juris Rn 12 ff; BSG 04.08.2020, B 5 RE 4/20 B, juris Rn 9). Fehlt es an einer Identität des Regelungsgegenstandes, liegt aber auch keine Änderung oder Ersetzung iSv § 96 Abs 1 SGG vor. Vielmehr ist der Bescheid vom 18.01.2017 neben den Bescheid vom 10.11.2011 getreten und entfaltet seine eigene, statusbezogene Regelungswirkung.

Gegen den Bescheid vom 18.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2017 wendet sich der Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG; ferner BSG 23.09.2020, B 5 RE 3/19 R, BSGE 131, 31, juris Rn 10).

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 18.01.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2017 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 231 Abs 4b Sätze 1, 2 SGB VI für die Zeit vom 01.11.2011 bis 17.03.2016.

Eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt oder Syndikuspatentanwalt nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI, die unter Berücksichtigung der BRAO oder der Patentanwaltsordnung (PAO) jeweils in der ab dem 01.01.2016 geltenden Fassung erteilt wurde, wirkt gemäß § 231 Abs 4b Satz 1 SGB VI auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand (§ 231 Abs 4b Satz 2 SGB VI). Der Antrag auf rückwirkende Befreiung kann nur bis zum Ablauf des 01.04.2016 gestellt werden (§ 231 Abs 4b Satz 6 SGB VI). Entsprechend der Rechtsnatur des Antrags als empfangsbedürftiger Willenserklärung sind hinsichtlich des Zugangs ebenfalls die Regelungen des BGB, insbesondere § 130 BGB anwendbar. Der Antrag ist gestellt, wenn er in den Machtbereich des Sozialleistungsträgers gelangt, sofern nicht ausnahmsweise die Regelung in § 16 Abs 2 Satz 2 SGB I zur Anwendung gelangt (BSG 26.01.2000, B 13 RJ 37/98 R, SozR 3-5910 § 91a Nr 7; BSG 26.06.2001, B 2 U 31/00 R, juris Rn 19 f; BSG 22.06.2021, B 5 RE 9/21 B, juris Rn 15).

Der Kläger hat den Antrag jedoch erst am 01.08.2016 bei der Beklagten gestellt. Ein früherer Eingang eines entsprechenden Antrags bei der Beklagten ist nicht ersichtlich.

Ein Antrag beim SG ist nicht, insbesondere nicht vor dem 01.04.2016 erfolgt. Es befindet sich weder in der erstinstanzlichen Akte zum hiesigen Verfahren noch zum Verfahren S 3 R 1648/19 (vormals S 2 R 1800/12 bzw S 10 R 1800/12 und S 10 R 2759/17 WA) ein vom Kläger im Widerspruchsschreiben erwähnter Schriftsatz vom 17.03.2016 und ebenso wenig ein in der Berufungsbegründung erwähnter Schriftsatzeingang vom 11.03.2016. In den Akten des SG ist lediglich ein Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 13.04.2016 (Eingang beim SG am 15.04.2016) enthalten, mit dem er das SG unterrichtete, dass „der Kläger einen Antrag auf Zulassung zum Syndikusrechtsanwalt gestellt hat“. Weder enthält dieses Schreiben einen Antrag auf rückwirkende Befreiung iSd § 231 Abs 4b Satz 6 SGB VI noch ging dieser vor dem Ablauf des 01.04.2016 beim SG ein.

Aber selbst wenn vor dem 01.04.2016 ein Befreiungsantrag nach § 231 Abs 4b SGB VI beim SG eingegangen wäre, wäre dies unerheblich. 
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf § 16 Abs 2 Satz 2 SGB I berufen. Nach § 16 Abs 1 Satz 1 SGB I sind Anträge auf Sozialleistungen beim zuständigen Sozialleistungsträger zu stellen. Sie werden auch von allen anderen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen (§ 16 Abs 1 Satz 2 SGB I). Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten (§ 16 Abs 2 Satz 1 SGB I). Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist (§ 16 Abs 2 Satz 2 SGB I).

§ 16 Abs 2 Satz 2 SGB I soll den für die Betroffenen im gegliederten System vielfach undurchschaubaren behördlichen Zuständigkeiten für die Erbringung von Sozialleistungen Rechnung tragen (BSG 22.06.2021, B 5 RE 9/21 B, juris Rn 15). Eine vergleichbare Situation hinsichtlich des Antrags eines - zur qualifizierten Rechtsberatung berufenen - Syndikusrechtsanwalts, der sich im Verfahren über die Rückwirkung seiner Befreiung von der Rentenversicherungspflicht durch einen fachkundigen Rechtsanwalt vertreten lässt, besteht hingegen nicht. Darüber hinaus stellt das SG auch keine Stelle iSv § 16 Abs 1 SGB I dar, insbesondere handelt es sich nicht um einen Leistungsträger im Sinn dieser Vorschrift. Die Sozialleistungsträger werden in § 12 iVm §§ 18 bis 29 SGB I abschließend aufgeführt (Bayerisches LSG 17.03.2021, L 13 R 364/20, juris Rn 41; LSG Baden-Württemberg 03.03.2021, L 5 R 1764/19, juris Rn 35).

Mit Schriftsatz vom 17.03.2018 hat der Kläger zwar bei der Rechtsanwaltskammer T die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt beantragt. Hiermit ist jedoch nicht zugleich ein Befreiungsantrag verbunden. Sollte zugleich ausdrücklich ein Befreiungsantrag gestellt worden sein, den die Rechtsanwaltskammer nicht an die Beklagte weitergeleitet hat, wäre dies jedoch ebenfalls aus den vorgenannten Gründen unerheblich. Die Rechtsanwaltskammer ist keine Stelle und insbesondere kein Leistungsträger iSv § 16 Abs 1 SGB I.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht. Unabhängig davon, ob es sich um eine Ausschlussfrist handelt (so KassKomm/Gürtner, 114. EL Mai 2021, SGB VI § 231 Rn 19; LSG Nordrhein-Westfalen 27.01.2021, L 4 R 616/19, juris Rn 29; aA wohl LSG Nordrhein-Westfalen 20.07.2021, L 2 R 97/20, juris Rn 31; Bayerisches LSG 17.03.2021, L 13 R 364/20, juris Rn 44), in die keine Wiedereinsetzung gewährt werden kann, liegen auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht vor. Nach § 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Kläger war jedoch nicht "ohne Verschulden" verhindert. Er hat den Antrag erst am 22.07.2016 unterzeichnet und anschließend eingereicht (Eingang bei der Beklagten am 01.08.2016). Es ist nicht erkennbar, dass es nicht möglich gewesen sein sollte, ihn rechtzeitig bei der Beklagten einzureichen. Dies wurde von ihm auch nicht behauptet. Selbst wenn ein Schriftsatz vom 17.03.2016 mit einem entsprechenden Antrag existiert, ist nicht ersichtlich, warum der Kläger diesen nicht unverzüglich in Richtung Beklagte versandt hat.

Auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann die rechtzeitige Antragstellung nicht fingiert werden. Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl Öndül in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB I, 3. Auflage, Stand: 25.05.2021, § 14 Rn 52). Eine Beratungspflicht bestand jedoch nicht. Der Kläger war sich bewusst, einen Antrag stellen zu müssen. Dass vorliegend ein Antrag direkt bei der Beklagten bis zum Fristablauf zu stellen war und ein Antrag gegenüber dem Gericht oder der Rechtsanwaltskammer nicht ausreichend sein würde, ist nicht Gegenstand der Beratungspflicht.

Eine entsprechende Anwendung des Rechtsgedankens des § 91 SGG verhilft dem Kläger ebenfalls nicht zum Erfolg. Gemäß § 91 SGG gilt die Frist für die Erhebung einer Klage zum Sozialgericht auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland eingegangen ist, wobei die Klageschrift unverzüglich an das zuständige Gericht der Sozialgerichtsbarkeit abzugeben ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Auch eine (doppelt) analoge Anwendung kommt nicht in Betracht. Wegen seines engen systematischen Bezugs zur Klageerhebung gilt § 91 SGG ausdrücklich nicht für Anträge im laufenden Klageverfahren (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 91 Rn 1). Einer (doppelt) analogen Anwendung stehen neben dem eindeutigen Wortlaut auch Gesetzessystematik und Sinn und Zweck der Regelung entgegen. Die Vorschrift dient allein dem Schutz rechtsunkundiger oder verfahrensrechtlich ungewandter, mit der Behördenzuständigkeit wenig vertrauter Kläger. Sie soll aber nicht dem mit der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten befassten Anwalt planmäßig eine ihm - aus welchen Gründen auch immer - vorteilhaft erscheinende Verfahrensweise ermöglichen (vgl BSG 20.04.1999, B 1 SF 1/98 B, SozR 3-1500 § 91 Nr 1 S 3; BSG 25.04.2018, B 8 SO 23/16 R, SozR 4-1500 § 91 Nr 1 Rn 18; BSG 22.06.2021, B 5 RE 9/21 B, juris Rn 16).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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