Gesetzlich angeordnete Verfügungsbeschränkungen wie zB eine Testamentsvollstreckung über Gesellschaftsanteile, die ein unabänderliches Vetorecht in der Gesellschafterversammlung begründen, müssen auch bei der sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung von Geschäftsführern beachtet werden, selbst wenn sie nicht im Handelsregister eingetragen wurden.
I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 24.08.2023
gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 04.08.2023 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 12.928,31 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 24.08.2023 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 04.08.2023.
Die Antragstellerin ist eine GmbH und Co. KG (Wohn- und Gewerbebau) mit Sitz in A-Stadt. Betriebszweck ist die Konzeption, Planung und Organisation der Einrichtung von Handelsimmobilien wie z.B. von Fachmarktzentren oder von Fachmärkten. Persönlich haftender Gesellschafter ist seit 24.03.2017 die K. Beteiligungs-GmbH. Kommanditist ist Herr Y. K. (geb. 16.02.1994).
Herr U. K. ist Geschäftsführer der Antragstellerin (Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 22.12.2003 und Übernahmevereinbarung vom 01.09.2005). Gleichzeitig ist Herr U. K. Geschäftsführer der Komplementär GmbH (bis 23.03.2017 Komplementär-GmbH WG Wohn- und Gewerbebau GmbH und ab 24.03.2017 Komplementär-GmbH K. Beteiligungs-GmbH). Gemäß § 8 des Gesellschaftsvertrages werden Beschlüsse in der Komplementär-GmbH grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst. Die abstimmungsrelevanten Stimmanteile in der Gesellschafterversammlung der Wohn- und Gewerbebau GmbH und der K. Beteiligungs-GmbH werden zu 100 % Y. K. gehalten. Die Hälfte der abstimmungsrelevanten Gesellschaftsanteile hat er im Wege der Gesamtrechtsnachfolge von seinem Großvater (Herrn E. K.) geerbt (zum chronologischen Ablauf der Änderung der Gesellschafterliste vgl. den Schriftsatz des Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren vom 08.09.2022 S. 5 ff., Blatt I 21 Rückseite ff. Verwaltungsakte)
Der Geschäftsführer Herr U. K. wurde zum Testamentsvollstrecker über den Nachlass (u.a. Stimmanteile in Höhe von 50 % der Komplementär-GmbH) des am 13.10.2003 verstorbenen Herrn E. K. benannt (Testamentsvollstreckerzeugnis vom 11.11.2003 in der Fassung vom 04.05.2012). Es wurde angeordnet, dass die Testamentsvollstreckung andauert bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres des Erben (Y. K. geb. 16.02.1994), mindestens aber bis zum Tode des Testamentsvollstreckers U. K. Ferner hat der Erblasser angeordnet,
- dass der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt ist,
- dass der Testamentsvollstrecker ergänzend zu den gesetzlichen Aufgaben und Befugnissen über die Verwaltung des Nachlasses nach eigenem Ermessen entscheidet,
- dass der Testamentsvollstrecker auch berechtigt ist, Unternehmen oder Unternehmensteile, die zum Nachlass gehören, zu verkaufen,
- dass der Testamentsvollstrecker gegenüber dem Erben bevollmächtigt ist, alle vermögensrechtlichen und mitgliedschaftlichen Rechte des Erben bei den Beteiligungen des Erblassers auszuüben,
- dass der Testamentsvollstrecker alle Rechte des Erben an den vom Erblasser vererbten Gesellschaftsbeteiligungen auszuüben hat.
Die Antragsgegnerin erließ nach Anhörung der Antragstellerin am 28.04.2023 im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV für den Prüfzeitraum 01.01.2017 bis 28.02.2023 einen Beitragsbescheid vom 04.08.2023 mit einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 51.713,25 EUR. Die Antragsgegnerin führte dabei aus, Herr U. K. führe die Tätigkeit als Fremdgeschäftsführer der GmbH & Co. KG aus. Die Tätigkeit werde weisungsgebunden und eingegliedert in eine fremde Arbeitsorganisation erbracht. Bei der Ausführung der Geschäftsführertätigkeit unterliege Herr U. K. den Weisungen des Gesellschafters der Komplementär-GmbH. Ihm werde im Gesellschaftsvertrag der KG darüber hinaus kein maßgeblicher Einfluss auf sämtliche Entscheidungen innerhalb der KG eingeräumt. Alleingesellschafter der jeweiligen Komplementär-GmbH sei Herr Y. K. Innerhalb der jeweiligen Komplementär-GmbH habe Herr U. K. als Fremdgeschäftsführer keinen maßgeblichen Einfluss auf die Beschlüsse der Gesellschafter der GmbH. Er könne Beschlüsse des Gesellschafters gegen sich nicht verhindern. Er unterliege daher bei der Ausführung seiner Geschäftsführertätigkeiten für die KG den Weisungen des Gesellschafters der jeweiligen Komplementär-GmbH. Zwar sei Herr U. K. zum Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 13.10.2003 verstorbenen Herrn E. K. benannt worden. Jedoch seien alle im Zeugnis über die Ernennung zum Testamentsvollstrecker des Amtsgerichts A-Stadt vom 04.05.2012 genannten Befugnisse vorliegend nicht entscheidungserheblich für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung, da die Testamentsvollstreckung nicht ins Handelsregister eingetragen worden sei. Zur Bestimmung der Rechtsmacht sei allein auf die Eintragung im Handelsregister abzustellen. Schließlich würden auch die Regelungen im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen.
Die Antragstellerin legte gegen den Bescheid vom 04.08.2023 Widerspruch ein, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden wurde. Gleichzeitig wurde die Aussetzung der Vollziehung der festgestellten Beitragsforderung beantragt. Mit Schreiben vom 31.08.2023 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass nach summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides bestehen würden.
Mit Schriftsatz vom 18.09.2023 hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Landshut beantragt. Der Geschäftsführer der Antragstellerin sei nicht abhängig beschäftigt. Es sei weder in die Arbeitsorganisation eingegliedert, noch unterliege er den Weisungen des Gesellschafters der Komplementärin der Antragstellerin. Der Gesellschafter der Komplementärin hat die Hälfte der ihm zustehenden Stimmanteile im Wege der Gesamtrechtsnachfolge von seinem Großvater geerbt. Im seinem Testament habe der Großvater Testamentsvollstreckung angeordnet und den Geschäftsführer, Herrn U. K., zum Testamentsvollstrecker ernannt. Als Testamentsvollstrecker stehe dem Geschäftsführer in Bezug auf die zum Nachlass gehörenden Geschäftsanteile das alleinige Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der Komplementärin zu. Der Geschäftsführer habe kraft 50-prozentigen Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung der Komplementärin die Rechtsmacht, Beschlüsse, die gegen seine Maßnahmen als alleiniger, einzeln vertretungsbefugter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer gerichtet sind, zu verhindern. Die Testamentsvollstreckung sei im Übrigen bis heute nicht beendet worden.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 04.08.2023 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin begründe das Amt als Testamentsvollstrecker und die damit einhergehende Verfügungsmacht über die Gesellschaftsanteile keine Rechtsmacht im sozialversicherungsrechtlichen Sinne. Nach den gesetzlichen Vorgaben bestehe für den Testamentsvollstrecker keine derart unanfechtbare Rechtsposition, die ihm ein Agieren nur im eigenen Interesse und ohne Rücksichtnahme auf bzw. gegen die Interessen Dritter und seiner gesetzlichen Verpflichtungen ermöglichen würde. Nach summarischer Prüfung sei der angegriffene Bescheid nicht rechtswidrig.
Beigezogen waren die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Akten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 24.08.2023 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 04.08.2023 ist zulässig und begründet.
1.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise dennoch durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses der Antragstellerin einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen der Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen und ob die Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
§ 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG verlagert das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten. Es können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Maßgebend hierfür ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids spricht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.07.2016 - L 8 R 977/15 B ER m.w.N., BayLSG, Beschluss vom 17.09.2020 - L 14 BA 78/20 B ER). Das Interesse der Antragsgegnerin an einer sofortigen Vollziehung ihrer Beitragsforderung ist dem Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung bis zur endgültigen Klärung des Rechtstreits gegenüber zu stellen. Dabei hat das Gericht nach der in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes gebotenen pauschalen Prüfung der Sach- und Rechtslage nach dem Inhalt der Akten zu entscheiden und eine Interessenabwägung zu treffen. Die Prüfung des Gerichts erfolgt dabei nicht aufgrund eines starren Prüfungsschemas. Vielmehr gilt: Je größer die Erfolgsaussichten sind, umso geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteresse zu stellen. Bei der Abwägung sind die Vorgaben des Gesetzgebers über das Regel-Ausnahmeverhältnis zu berücksichtigen (MKS/Keller, 14. Aufl. 2023, SGG § 86b Rn. 12 e ff). Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig und der Betroffene durch ihn in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht besteht (LSG NRW 13.6.2016 - L 11 KA 76/15 B ER). Bei offenbarer Rechtswidrigkeit ist für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers, anders als bei Entscheidungen nach Abs. 2, keine besondere Eilbedürftigkeit erforderlich (LSG NRW 19.5.2014 - L 11 KA 99/13 B ER, MedR 2015, 371 (374); LSG Bln-Bbg 15.9.2017 - L 14 AS 1469/17 B ER; Burkiczak in jurisPK-SGG Rn. 195). Ist der Rechtsbehelf in der Hauptsache aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei der Grad der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen ist (LSG MV 21.6.2018 - L 9 AY 1/18 B ER, BeckRS 2018, 51839 Rn. 40). Es gilt somit der Grundsatz: Je größer die Erfolgsaussichten sind, umso geringer sind die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers (SchlHLSG 2.5.2019 - L 5 BA 37/19 B ER; LSG LSA 19.5.2019 - L 2 AS 125/19 B ER).
2.
Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen nach summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides, die einen Erfolg des von der Antragstellerin eingelegten Rechtsbehelfs überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Eine abschließende Prüfung muss jedoch auf Grund der vorliegenden erbrechtlichen (ua. Testamentsvollstreckung) und gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten (Auswirkungen der Anteilsübertragung an die Gesellschaft in der Komplementär-GmbH) einem möglichen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
a)
Rechtsgrundlage für die Feststellung der Versicherungspflicht und der Beitragsforderung ist § 28p Abs. 1 S. 1 SGB IV idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009 (BGBl. I 2009, 3710). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (S. 1). Sie erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (S. 5). Ausgehend von den zu § 7 SGB IV geltenden Maßstäben, den vom BSG aufgestellten Kriterien der Statusprüfung bei Geschäftsführern und unter Berücksichtigung der Besonderheiten der gesetzlichen Vorgaben der Rechtsfolgen einer Testamentsvollstreckung unterlag Herr U. K. im streitgegenständlichen Zeitraum 01.01.2017 bis 28.02.2023 in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Antragstellerin nicht aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in den hier streitigen Zweigen der Sozialversicherung. Auf Grund der angeordneten Testamentsvollstreckung bezüglich 50 % der Stimmanteile in der Komplementär-GmbH verfügte er kraft Gesetzes - und nicht nur schuldrechtlich - gem. §§ 2205 S. 1, 2211 BGB über die Rechtsmacht Weisungen ihm gegenüber zu verhindern. Die Antragsgegnerin hat deshalb nach summarischer Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu Unrecht Beiträge und Umlagen nachgefordert.
Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI idF des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006, BGBl. 2006 I 926 sowie § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III). Nach § 7 Abs. 1 SGB IV (idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009, BGBl. 2009 3710) ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (S. 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (S. 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Arbeitgeberin unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Diese Abgrenzungsmaßstäbe gelten grundsätzlich auch für Geschäftsführer einer GmbH und wie vorliegend einer GmbH & Co. KG (stRspr; vgl. BSGE 133, 245 = NJW 2022, 3245).
Ist ein Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft das wesentliche Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit (zu den ähnlichen Kriterien des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs EuGH NZA 2011, 143 Danosa; EuGH NZG 2015, 963 = NJW 2015, 2481 Balkaya; EuGH NZG 2015, NZG 2015, 1199 Holterman Ferho Exploitatie; BGHZ 221, 325 = NZG 2019, 930). Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der zumindest 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag über eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität verfügt. Ein selbstständig tätiger Gesellschafter-Geschäftsführer muss in der Lage sein, einen maßgeblichen Einfluss auf alle Gesellschafterbeschlüsse auszuüben und dadurch die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassend mitbestimmen zu können. Ohne diese Mitbestimmungsmöglichkeit ist der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer nicht im "eigenen" Unternehmen tätig, sondern in weisungsgebundener, funktionsgerecht dienender Weise in die GmbH als seine Arbeitgeberin eingegliedert (stRspr; vgl. nur BSG NJW 2022, 3596; BSG NZS 2023, 158).
Ebenso wie bei einer GmbH gilt bei einer KG der Grundsatz, dass nicht als Gesellschafter beteiligte Fremdgeschäftsführer grundsätzlich versicherungspflichtig beschäftigt sind. Ein Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG ist deshalb nur dann nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wenn er wiederum über die Rechtsmacht verfügt, Weisungen an sich als Geschäftsführer zu verhindern. Ist ein Geschäftsführer z.B. kraft seiner Stellung als Gesellschafter der Komplementär-GmbH in der Lage, Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen in der GmbH & Co KG zu nehmen, so kann dies grundsätzlich auch eine abhängige Beschäftigung ausschließen, wenn die Rechtsmacht des Geschäftsführers im Gesellschaftsrecht wurzelt, durch Gesellschaftsvertrag geregelt ist und unmittelbar auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis durchschlägt (so BSG Urteil vom 08.07.2020, B 12 R 2/19 R, BeckRS 2020, 18965). Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG sind also dann selbstständig, wenn sie die Rechtsmacht haben sich Weisungen zu entziehen. Dies kann sich nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG aus der Kommanditistenstellung oder aus einer beherrschenden Kapitalbeteiligung an einer Gesellschaft ergeben, die die Entscheidungen der GmbH & Co. KG maßgeblich zu beeinflussen vermag (Entscheidungsserie des BSG 8.7.2020: B 12 KR 1/19, BeckRS 2020, 37848; B 12 R 4/19 R, BeckRS 2020, 37884; B 12 6/19 R, BeckRS 2020, 37885).
b)
Der Geschäftsführer U. K. verfügt vorliegend nach summarischer Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über einen die abhängige Beschäftigung ausschließenden beherrschenden Einfluss auf die antragstellende GmbH & Co KG. Die hierfür erforderliche Rechtsmacht ist ihm durch die angeordnete Testamentsvollstreckung bezüglich der Gesellschaftsanteile bzw. Stimmanteile in Höhe von 50 % in der Komplementär-GmbH vermittelt.
aa)
Entscheidend für die Statusbeurteilung ist, dass der Geschäftsführer die beständige Rechtsmacht hat, auf Beschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Dabei kann es keine Rolle spielen, ob er diese Rechtsmacht aus einer Gesellschafterstellung in der von ihm geführten Gesellschaft, aus seiner Beteiligung an einer anderen Gesellschaft oder wie vorliegend aus einer kraft Gesetz (hier §§ 2205 S. 1, 2211 BGB) angeordneten und unbeschränkten Verfügungs- und Rechtsmacht ableitet. Hat ein Erblasser hinsichtlich einer Beteiligung an einer Gesellschaft unbeschränkte Testamentsvollstreckung angeordnet, sind die Erben kraft Gesetzes - und nicht nur schuldrechtlich - gem. §§ 2205 S. 1, 2211 BGB von der Ausübung der Gesellschafterbefugnisse ausgeschlossen. Die den Geschäfts-/Gesellschaftsanteil betreffenden Verwaltungs- und Vermögensrechte werden allesamt von dem Testamentsvollstrecker ausgeübt, der hierbei an den Willen der Erben nicht gebunden ist und in seinen Kompetenzen lediglich durch die Verbote der unentgeltlichen Verfügung nach § 2205 S. 3 BGB und der Begründung einer persönlichen Haftung der Erben (§ 2206 BGB) sowie durch seine generelle Pflichtenstellung gegenüber den Erben eingeschränkt ist (BGH, Urteil vom 13. Mai 2014 - II ZR 250/12 -, BGHZ 201, 216-230). Sind dem Testamentsvollstrecker die Verwaltungsbefugnisse übertragen, so ist er, unter Ausschluss der Erben, zu allen Rechtshandlungen und Rechtsgeschäften (z.B. auch Satzungsänderungen) berechtigt, welche die Gesellschafterstellung des oder der Erben mit sich bringt. Vorliegend wurden Herrn U. K. durch die Testamentsvollstreckung weitgehende Rechte zur Ausübung der Gesellschafterrechte übertragen. Der Erblasser hat u.a. angeordnet, dass Herr U. K. in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt ist und dass er sogar berechtigt ist, Unternehmen oder Unternehmensteile, die zum Nachlass gehören, zu verkaufen. Bei einer wie vorliegend unbeschränkt angeordneten Testamentsvollstreckung ist somit im erbrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Erben und dem Testamentsvollstrecker nach den Bestimmungen der § 2205, § 2211 BGB nur der Testamentsvollstrecker zur Ausübung der Gesellschafterrechte befugt. Er nimmt an den Gesellschafterversammlungen teil und übt das Stimmrecht aus. Solange und soweit er gesellschaftsrechtlich befugt ist, die Gesellschafterrechte wahrzunehmen, können die Erben nicht selbst in der Gesellschaft Rechte ausüben (BGH, Urteil vom 13. Mai 2014 - II ZR 250/12 -, BGHZ 201, 216-230).
Konsequenz der Anordnung einer Testamentsvollstreckung an GmbH-Geschäftsanteilen ist die Möglichkeit einer Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker auch hinsichtlich der Komplementärbeteiligung einer KG. Durch den Weg über die GmbH wird eine vollumfängliche Verwaltung der Gesellschaftsbeteiligungen auch in der Personengesellschaft bewirkt. Herr U. K. ist somit vorliegend auch in der KG befähigt an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen und Stimmrechte auszuüben. Er kann auf die Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH Einfluss nehmen und damit die Geschicke der GmbH & Co. KG insoweit bestimmen, als dass ihm gegenüber keine Weisungen erteilt werden können, da er über ein umfassendes Vetorecht verfügt. Ein Geschäftsführer der zugleich Testamentsvollstrecker an weisungsrelevanten Gesellschaftsanteilen bzw. Stimmanteilen ist, steht somit nicht in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zu irgendeinem Arbeitgeber und ist auch nicht dessen Weisungen unterworfen.
Gesetzlich angeordnete Verfügungsbeschränkungen, die ein unabänderliches Vetorecht in der Gesellschafterversammlung begründen, müssen auch bei der sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung beachtet werden, selbst wenn sie nicht im Handelsregister eingetragen wurden. Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zu rein schuldrechtlichen - jederzeit kündbaren - Vereinbarungen, die vom BSG als nicht statusrelevant anerkannt werden, solange sie nicht im Handelsregister eingetragen wurden.
bb)
Nach der summarischen Prüfung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens besteht vorliegend auch kein Verbot der Ausübung der Gesellschafterrechte für die Zeit der Testamentsvollstreckung soweit z.B. Weisungsrechte der Gesellschafterversammlung an den Geschäftsführer betroffen sind. So hat der BGH bereits entschieden, dass die Teilnahme eines Testamentsvollstreckers, der als solcher Anteilsrechte einer GmbH verwaltet, an der Beschlussfassung über seine Bestellung zum Geschäftsführer und der Ausübung dieser Tätigkeit nicht an § 47 Abs. 4 GmbHG zu messen ist, sondern unter dem Gesichtspunkt des § 181 BGB zu beurteilen ist (BGH NJW 2023, 1350; BGHZ 51, 209 (214 ff.) = NJW 1969, 841). Vorliegend wurde auch eine Befreiung von § 181 BGB erteilt.
cc)
Die kraft Gesetzes entstehende Rechtsmacht entsprechende Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern, ist auch für das Sozialversicherungsrecht zu beachten, selbst wenn die Testamentsvollstreckung nicht in die Gesellschafterliste eingetragen wurde. Zwar ist es - worauf auch die Antragsgegnerin hingewiesen hat - mittlerweile ständige Rechtsprechung des BSG, dass im Sinne der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit sozialversicherungsrechtlicher Tatbestände eine Selbstständigkeit nur dann anzunehmen ist, wenn durch Gesellschaftsrecht bzw. Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit besteht, unangenehme Weisungen der Gesellschafterversammlung nicht ausführen zu müssen. Hintergrund dieser Rechtsprechung ist im Wesentlichen, dass rein schuldrechtliche Vereinbarungen, die ggf. jederzeit kündbar sind, keinen Einfluss auf die sozialrechtliche Statusbeurteilung haben sollen (mwH. BSG v 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183-189, Rn. 22; BSG v 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R, Rn 27; zu Stimmbindungsabreden, BSG v. 11.11.2015 - B 12 KR 13/14 R Rn. 25; zu Treuhandabreden BSG v. 12.5.2020 - B 12 R 11/19 R - Rn. 17, Anm. Kern NZS 2020, 959). Vorliegend geht es aber nicht um schuldrechtliche - jederzeit kündbare - und damit unbeständige Verfügungsbeschränkungen, sondern um gesetzlich angeordnete und unbeschränkte Verfügungsbeschränkungen, die im Erbrecht wurzeln. Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 24.2.2015 - II ZB 17/14) besteht im Übrigen auch kein Rechtsanspruch die Testamentsvollstreckung in die Gesellschafterliste einzutragen. Natürlich ist der Nachweis rechtlich relevanter Umstände besonders komfortabel, wo es sich um ins Handelsregister einzutragende Umstände und zum Handelsregister einzureichende Unterlagen handelt. Indessen fehlt es an jeder Grundlage für den Umkehrschluss, dass nur derart formal abgesicherte und leicht nachweisbare Aspekte als Anknüpfungsgesichtspunkte für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Erwerbstätigkeit in Betracht kommen könnten. Wie sich etwa aus BGH 24.2.2015 (II ZB 17/14, NJW 2015, 1303 ff., Rn. 12) ergibt, hat der Gesetzgeber die Gesellschafterliste gerade nicht als allgemeines Register zur Information des Rechtsverkehrs über die Verhältnisse in der Gesellschaft ausgestaltet, sondern die Wirkungen der Aufnahme eines Inhabers von Geschäftsanteilen in die Liste gegenständlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft beschränkt. Schon insofern ergibt sich bereits im unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm aus der Liste nur, wer Träger des Stimmrechts ist, nicht etwa auch, wer etwa im Fall der Testamentsvollstreckung zu dessen Ausübung berechtigt ist. Auch über das Erbrecht vermittelte unbeschränkte Stimmrechte müssen bei der sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung berücksichtigt werden.
Somit bestehen zumindest nach summarischer Prüfung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom 04.08.2023. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist daher anzuordnen. Eine abschließende Prüfung muss - wie bereits ausgeführt - auf Grund der vorliegenden erbrechtlichen (ua. Testamentsvollstreckung) und gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten (Auswirkungen der Anteilsübertragung an die Gesellschaft in der Komplementär-GmbH) einem möglichen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Dort sind ggf. noch weitere Sachverhaltsermittlungen (zB Beiziehung Testament usw) vorzunehmen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 HS. 1 Alternative 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 4 GKG. Bei der Festsetzung des Streitwertes orientiert sich das Gericht an der Rechtsprechung, wonach im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes regelmäßig ein Streitwert in Höhe von 1/4 des Wertes der Hauptsache (1/4 von 51.713,25 EUR) anzusetzen ist (vgl. BayLSG vom 18.03.2020, L 14 BA 20/20 B ER). Dies ist vorliegend ein Betrag von 12.928,31 €.
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Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht statthaft.
Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 Landshut, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Landshut in elektronischer Form einzulegen. Rechtsanwälte, Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse müssen die Beschwerde als elektronisches Dokument übermitteln (§ 65d Satz 1 SGG). Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d Satz 2 SGG).
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form eingelegt wird.
Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 65a Abs. 4 SGG eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung.