L 10 KR 44/21

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 8 KR 474/18
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 10 KR 44/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Die Auftragsvergabe an einen Leistungserbringer für Hilfsmittel ist ein Verwaltungsakt, der bei Bekanntgabe über den Leistungserbringer durch den Versicherten angefochten werden kann, wenn die Krankenkasse den Versicherten nicht gesondert bescheidet.

2. Es gibt keinen allgemein anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse, dass bei vorübergehendem Haarverlust durch Chemotherapie nur Haarersatz aus Echthaar zu verwenden ist.

3. Ein Versorgungsvertrag iSd § 127 SGB V darf vorsehen, dass bei vorübergehendem Haarverlust durch Chemotherapie kein regelhafter Anspruch auf Haarersatz aus Echthaar besteht, sondern ein solcher nur mit ärztlicher Begründung geltend gemacht werden kann.

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Kostenerstattung für Haarersatz, den sich die Klägerin bei dem Leistungserbringer beschaffte.

 

Der Leistungserbringer bietet in N___________ medizinischen Haarersatz an und ist Mitglied des Bundesverbands der Zweithaarspezialisten eV (BVZ). Zwischen dem Verband der Ersatzkassen (vdek), dessen Mitglied die beklagte Krankenkasse ist, und dem BVZ bestand seit dem 1. Mai 2017 ein Vertrag über die Versorgung gesetzlich Krankenversicherter mit Haarersatz (Versorgungsvertrag). Der Vertrag listete Haarersatz aus Kunsthaar bei der Indikation „krankheitsbedingter vorübergehender Haarverlust“ (Tragedauer mindestens 6 Monate) zu einem Vertragspreis von 404,60 Euro (brutto) und Haarersatz aus Echthaar bei der Indikation „krankheitsbedingter endgültiger Haarverlust“ (Tragedauer mindestens 12 Monate) zu einem Preis von 934,15 Euro (brutto) auf. Dabei gelte Haarersatz aus Echthaar nur in Ausnahmefällen, wenn die Versorgung mit den vorangegangenen Positionen nicht möglich ist, wofür eine eingehende Begründung erforderlich sei, ggf auch vom Arzt (§ 3 Abs 2 Anhang 1 des Versorgungsvertrages – Preisvereinbarung).

 

Der Leistungserbringer versorgte die bei der Beklagten versicherte Klägerin im März 2018 mit Haarersatz (Empfangsbestätigung nebst Mehrkostenerklärung datierend auf den 5. März 2018; Rechnung vom 14. März 2018 iHv 1.685 Euro minus 394,60 Euro) und übersandte der Klägerin mit der Rechnung ein Schreiben vom 14. März 2018 mit dem Inhalt „In der Anlage übersenden wir Ihnen die Differenzrechnung zwischen dem derzeitigen Krankenkassenzuschuss und dem tatsächlichen Preis für das Ihnen zustehende Hilfsmittel "medizinischer Echthaarersatz". Wie mit Ihnen vereinbart, werden diese Mehrkosten in Ihrem Namen gegenüber der Krankenkasse als Kostenerstattung geltend gemacht. Bis zu der Erstattung dieser weiteren Kosten durch Ihre Kasse ist eine Zahlung Ihrerseits wie besprochen nicht notwendig.“ Für die Klägerin wurde am 12. Juli 2023 ein Betrag in Höhe von 529,55 Euro (Differenzbetrag zwischen den Vertragspreisen für die Versorgung mit Haarersatz aus Kunsthaar bzw Echthaar) auf das Konto des Leistungserbringers überwiesen.

 

Der Versorgung der Klägerin lag eine ärztliche Verordnung vom 9. Januar 2018 für „1 Perücke“ mit der Diagnose „Chemotherapie bei Mammakarzinom“ zugrunde. Diese reichte der Leistungserbringer zusammen mit einem Kostenvoranschlag vom 7. Februar 2018 für Echthaarersatz iHv 1.685 Euro für die Versorgung der Versicherten mit Haarersatz aus Echthaar bei der Beklagten ein, wobei auch angegeben wurde, dass ein Bedarf „über einen längeren Zeitraum“ bestehe. Die Beklagte erklärte dem Leistungserbringer gegenüber mit Schreiben vom 27. Februar 2018 die Kostenübernahme für Haarersatz in Höhe von 394,60 Euro (Preis der Hilfsmittelposition für Haarersatz aus Kunsthaar abzüglich gesetzlicher Zuzahlung iHv 10,00 Euro), wobei die Versicherte – die Klägerin – keinen weiteren Eigenanteil zu zahlen habe, und beauftragte ihn mit der Versorgung. Der Klägerin gegenüber teilte die Beklagte keine Entscheidung mit. Der Leistungserbringer bat die Beklagte mit Schreiben vom 6. März 2018 um Nachbewilligung bis zu einem Betrag in Höhe von 924,15 Euro (Preis der Hilfsmittelposition für Haarersatz aus Echthaar). Ferner legte die Klägerin – anwaltlich vertreten – mit Schreiben vom 15. März 2018 Widerspruch gegen die Teilbewilligung vom 27. Februar 2018 ein, da sie einen Anspruch auf Versorgung mit Echthaarersatz habe. Nachdem der beauftragte MDK in seinem Gutachten vom 19. April 2018 zu dem Ergebnis gelangt war, dass bei Haarausfall nach Chemotherapie zwar eine Indikation für die Versorgung mit Haarersatz bestehe, jedoch eine Kunsthaarperücke ausreichend und zweckmäßig sei, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2018 mit dieser Begründung und unter Verweis auf die geltenden Vertragspreise zurück.

 

Mit der am 2. August 2018 bei dem Sozialgericht Lübeck (SG) eingegangenen Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Februar 2018 idF des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2018 zur Erstattung von Kosten in Höhe von 1.685 Euro abzüglich der geleisteten Zuzahlung in Höhe von 10 Euro und des bewilligten Betrages in Höhe von 394,60 Euro zu verpflichten und zur Begründung ihr Vorbringen wiederholt.

 

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. Dezember 2020 abgewiesen. Die Versorgung sei nicht unaufschiebbar gewesen. Ferner werde der bei Haarverlust nur zu leistende mittelbare Behinderungsausgleich bereits durch die Versorgung mit Haarersatz aus Kunsthaar zu den Vertragspreisen gewährleistet.

 

Gegen den ihr am 9. Februar 2021 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 19. Februar 2021 eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie zunächst ihren bisherigen Klageantrag aufrecht und an ihrer Auffassung festgehalten hat, dass eine notwendige Versorgung zum Vertragspreis für Echthaar unzureichend sei. Sie geht zuletzt noch davon aus, dass bei vollständigem Haarverlust nach Chemotherapie ein Haarersatz aus Kunsthaar völlig ungeeignet sei. Daher macht sie die Differenz zum Vertragspreis für Haarersatz aus Echthaar geltend.

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 14. Dezember 2020 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2018 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Kosten in Höhe von 529,55 Euro für die Versorgung mit Zweithaar zu erstatten,

 

die Revision zuzulassen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest. Insbesondere sei bei vorübergehendem Haarverlust infolge Chemotherapie Haarersatz aus Kunsthaar ausreichend und zweckmäßig. Besondere Umstände des Einzelfalls, zB Unverträglichkeit von Kunsthaar, seien weder vorgetragen noch nachgewiesen worden. Bei Bedarf könne ein weiterer Haarersatz aus Kunsthaar beschafft werden. Die Beklagte hat auf Nachfrage mitgeteilt, dass die Klägerin vom 23. Januar bis 22. Mai 2018 chemotherapeutisch und vom 27. August bis 5. Oktober 2018 strahlentherapeutisch behandelt wurde.

 

Die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe B_______ hat auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass die Klägerin von Februar bis Juli 2018 Haarverlust hatte und die Haare im Anschluss langsam neu nachwuchsen. Auf vertiefte Nachfrage des Senats nach denkbaren Gründen für eine Versorgung mit Haarersatz aus Echthaar verneinte sie medizinische Gründe für eine Versorgung mit Haarersatz aus Echthaar (Berichte vom 3. Januar 2023, 17. Januar 2023).

 

Der Senat hat ferner das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) allgemein dazu befragt, welche Mindest- oder Regelbehandlungsdauer mit der Behandlung eines Mammakarzinoms einhergehen, innerhalb welchen Zeitraums nach der letzten Behandlungseinheit der Chemotherapie durchschnittlich mit dem Wiederbeginn des Haarwachstums zu rechnen sei, wie lange und regelmäßig dann das Haarwachstum bis zu einer Länge von etwa 4 bis 5 cm andauere und ob eine Chemotherapie allgemein weitere Auswirkungen auf die Kopfhaut, zB Talg- und Schweißbildung, habe, die bei der Auswahl von Haarersatz aus Kunsthaar oder Echthaar allgemein zu bedenken seien und für oder gegen die eine oder andere Variante sprechen könnten.

 

Dr. W________ hat für das DKFZ in der Antwort vom 22. März 2023 mitgeteilt, dass die Dauer der Chemotherapie regelmäßig von der individuellen Krebserkrankung und dem Therapieverlauf abhänge. Das Haarwachstum könne nach zwei bis vier Wochen oder erst nach etwa drei bis sechs Monaten wiedereinsetzen. Nach Ende der Chemotherapie kämen Frauen und Männer in der Regel sechs Monate nach Ende der Chemotherapie wieder ohne Haarersatz aus, im Einzelfall entscheidend seien die individuellen Verhältnisse. Durch eine Chemotherapie könnten auch Schweißdrüsen oder Hautzellen geschädigt werden, wobei es sich in der Regel um eine Schädigung von vegetativen Nerven handele, welche die Tätigkeit von Schweißdrüsen und Hautgefäßen steuere. Solche Nebenwirkungen verursachten häufig die bei Brustkrebs eingesetzten Taxane. Ferner wurde auf deren Homepage verwiesen.

 

Prof. Dr. K__________ hat für die DGGG im Mai 2023 geantwortet, die durchschnittliche Therapiedauer sei abhängig davon, ob eine kurative (Dauer 18 bis 24 Wochen) oder keine kurative Therapieintention (Dauer 6 bis 12 Wochen) verfolgt werde. Nach Ende einer im Anschluss an eine Operation durchgeführten anthrazyklin-taxan-haltigen Chemotherapie liege die durchschnittliche Zeit bis zum erneuten Haarwachstum bei ca 3 Monaten. Die mittlere Zeit bis zum Beginn des erneuten Haarwachstums liege nach einer Arbeit (Umfrage unter etwa 1700 Patienten) aus dem Jahr 2019 konkret bei 3,3 Monaten nach Abschluss der Therapie. Bei einer mittleren Wiederaufnahme des Haarwachstums von 3 Monaten sei nach etwa 4 weiteren Monaten – insgesamt nach circa 7 Monaten nach Ende der Chemotherapie – von ca 4 cm Haarlänge auszugehen, wobei auch mitgeteilt wurde, dass es länger gedauert habe, bis die vormalige Haardichte wieder erreicht worden sei. Es gebe keine systematische Untersuchung, inwiefern entweder Kunsthaar- oder Echthaarperücken in bestimmten Situationen zum Einsatz kommen sollten. Bei vielen Patientinnen würden durch die Chemotherapie Hitzewallungen hervorgerufen werden, die zum Schwitzen (auch) an der Kopfhaut führen können. Diese und andere chemotherapieassoziierte Symptome könnten Argumente für eine Echthaarperücke darstellen.

 

Schließlich hat der Senat aus dem Verfahren L 10 KR 122/17 das Gutachten des Sachverständigen für das Friseurhandwerk – Schwerpunkt Zweithaar – K1______ vom 20. September 2021 zu diesem Verfahren beigezogen. Dieser hat in der Erfüllung des dortigen Beweisbeschlusses ua ausgeführt, dass Echthaarersatz – im Gegensatz zu Kunsthaarersatz – die Fähigkeit habe, Feuchtigkeit durch transepidermalen Wasserverlust aufzunehmen, so dass Wärme- und Feuchtigkeitsstauung beim Echthaar überwiegend vermieden würden. Unter Kunsthaarersatz könne es zu Wärme- und Feuchtigkeitsstauung kommen, die sich je nach Disposition der Haut auch nachteilig auf das Hautbild auswirke, zu einer Erweichung der oberen Epidermisschichten führe und Bakterien, Viren und Pilzen eine Eintrittspforte biete, wenn die Tragezeit ab einer Tragedauer von 7 Stunden täglich und mehr die Konzentration der Schweißbildung begünstige. Bei sensibler Haut könne diese Folge auch bei kürzerer Tragedauer eintreten.

 

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die aktenkundigen Unterlagen und Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) eingegangen. Dabei ist es unerheblich, dass die Klägerin ihr Begehren im Laufe des Berufungsverfahrens absenkte, weil es insoweit gemäß § 202 SGG iVm § 4 Abs 1 S 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur auf den Umfang der sozialgerichtlichen Entscheidung und das anfängliche Berufungsbegehren des Rechtsmittelführers ankommt (BSG, Urteil vom 26. Januar 2006 – B 3 KR 4/05 R – Rn 10). Das Begehren der Klägerin war bei Eingang der Berufung am 19. Februar 2019 noch darauf gerichtet, Kostenerstattung in Höhe von 1.280,40 Euro zu erhalten. Ihr Begehren überstieg damit den Betrag von 750 Euro, so dass die Berufung nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG nicht der Zulassung im Urteil des SG bedurfte. Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet.

 

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, insbesondere frist- und formgerecht (§§ 87, 90 SGG) erhoben worden (dazu unter 1.). Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung der Beklagten vom 27. Februar 2018 idF des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2018 ist rechtmäßig, da die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der zuletzt noch geltend gemachten Kosten hat (dazu unter 2.).

 

1. Die Klage ist zulässig, da die Sachurteilsvoraussetzungen einer Anfechtungsklage – Verwaltungsakt (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) und Widerspruchsentscheidung (§ 78 Abs 1 Satz 1 SGG) – vorliegen. Die Entscheidung der Beklagten vom 27. Februar 2018 ist ein Verwaltungsakt <dazu a)>, der der Klägerin auch bekannt gegeben wurde <dazu b)> und gegen den sie fristgemäß Widerspruch eingelegt hat <dazu c)>.

 

a) Die Beklagte entschied zu dem Kostenvoranschlag des Leistungserbringers vom 7. Februar 2018 iHv 1.685 Euro (Eingang am 12. Februar 2018) am 27. Februar 2018, Kosten in Höhe von 404,60 Euro anzuerkennen, abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung für Versicherte in Höhe von 10 Euro Kosten in Höhe von 394,60 Euro zu übernehmen und den Leistungserbringer mit der Versorgung der Versicherten zu beauftragen (Auftrag im Sinne von § 4 Abs 2 Versorgungsvertrag). Die Entscheidung übermittelte sie nur dem Leistungserbringer. Diese Entscheidung war kein Verwaltungsakt mit Drittwirkung gegenüber dem Leistungserbringer <dazu aa)>, wirkte jedoch gegenüber der Klägerin gleichermaßen wie ein Verwaltungsakt <dazu bb)>.

 

aa) Da sich Leistungserbringer für Hilfsmittel und gesetzliche Krankenkassen bei Fragen zu Modalitäten und Bedingungen der Leistungserbringung sowie bei Fragen rund um die Höhe von Vergütungsansprüchen der Leistungserbringer oder eines Erstattungsanspruchs der Krankenkassen in einem Gleichordnungsverhältnis gegenüberstehen, kommt ein Verwaltungsakt iSv § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Regelung dieser Aspekte ihrer Rechtsbeziehung nicht in Betracht (vgl BSG, Urteil vom 20. Dezember 2018 – B 3 KR 2/17 R –, Rn 14; BSG, Urteil vom 20. April 2016 – B 3 KR 23/15 R –, Rn 14; BSG, Urteil vom 22. November 2012 – B 3 KR 10/11 R –, Rn 11). Danach hat die Entscheidung der Beklagten vom 27. Februar 2018 zur Auftragsvergabe und Kostenübernahme nicht den Charakter eines Verwaltungsaktes iSv § 31 SGB X gegenüber dem Leistungserbringer. Folglich hat diese Entscheidung nicht den Charakter eines begünstigenden Verwaltungsaktes mit Drittwirkung, der den Leistungserbringer und die Klägerin bezüglich der Bewilligung dem Grunde nach gleichermaßen begünstigt, der Höhe nach jedoch gleichermaßen belastend wirkt (zu diesem Charakter Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 31 SGB X -Stand: 7. Oktober 2021-, Rn 53) und dazu führt, dass die Klägerin als Drittbetroffene ein Widerspruchsrecht hat.

 

bb) Gleichwohl hat die Auftragsvergabe und Kostenübernahmeerklärung der Beklagten vom 27. Februar 2018 an die Leistungserbringerin auch den Charakter eines durch die Klägerin anfechtbaren Verwaltungsaktes.

 

Ein Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 31 Satz 1 SGB X). Ob ein Verwaltungsakt vorliegt, bestimmt sich dabei nicht nach dem Willen der Behörde, sondern ist eine Frage seiner Auslegung und damit der Rechtsanwendung im Einzelfall, wobei auf den objektiven Sinngehalt der Erklärung, wie ihn also der Erklärungsempfänger bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles zu deuten hatte, abzustellen ist (BSG, Beschluss vom 6. August 2009 – B 3 KR 4/09 B –, Rn 7, juris; Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 31 SGB X -Stand: 7. Oktober 2021-, Rn 56). Die Maßnahme muss ferner – in Abgrenzung zu lediglich innenrechtlichen Maßnahmen – auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sein (Luthe aaO Rn 61). Unmittelbare Außenwirkung ist gegeben, wenn die Rechtsstellung des Adressaten ohne weiteren Umsetzungsakt geregelt oder festgesetzt wird (Luthe aaO Rn 62). Gemessen an diesen Voraussetzungen regelt eine Krankenkasse mit einer Auftragsvergabe und Kostenübernahmeerklärung an einen Leistungserbringer für ein von dem Versicherten nach Beratung ausgewähltes Hilfsmittel auch für den jeweiligen Versicherten einen Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit Außenwirkung, indem sie ihm das ausgewählte Hilfsmittel jedenfalls dem Grunde nach bewilligt. Dabei trifft sie eine unmittelbar umsetzbare Entscheidung.

 

Für das Ergebnis, in der Auftragsvergabe und Kostenübernahmeerklärung an den Leistungserbringer gleichzeitig den Charakter eines Verwaltungsaktes gegenüber dem Versicherten zu sehen, spricht die Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs 4 Grundgesetz. Das gilt insbesondere dann, wenn die Krankenkasse den Kostenvoranschlag eines Leistungserbringers nicht billigt und mit der Auftragsvergabe und Kostenübernahmeerklärung das Hilfsmittel zwar dem Grunde nach bewilligt, jedoch ankündigt, für das konkret ausgewählte Hilfsmittel weniger Kosten zu übernehmen. Denn dann hat der Versicherte die Entscheidung zu treffen, sich doch ein anderes Hilfsmittel auszusuchen oder eine Auseinandersetzung mit der Krankenkasse auf dem Rechtsweg zu suchen. Dem kann sich eine Krankenkasse nicht dadurch entziehen, dass sie dem Versicherten selbst keinen an ihn adressierten Verwaltungsakt übermittelt.

 

b) Die Entscheidung der Beklagten vom 27. Februar 2018 wurde der Klägerin auch bekanntgegeben.

 

Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist (§ 37 Abs 1 Satz 1 SGB X). Eine wirksame Bekanntgabe iSv § 37 Abs 1 SGB X ist zu bejahen, wenn die Behörde willentlich dem Adressaten vom Inhalt des Verwaltungsakts Kenntnis verschafft und der Adressat zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Die Bekanntgabe setzt somit eine zielgerichtete Mitteilung des Verwaltungsakts durch die Behörde voraus. Daraus folgt zwar, dass weder die zufällige Kenntnisnahme der Beteiligten vom Inhalt des Verwaltungsakts, etwa durch Mitteilung seitens eines Dritten, noch diejenige durch eine spätere Akteneinsicht im Gerichtsverfahren für eine wirksame Bekanntgabe ausreichen (BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 2/13 R –, Rn 22; BSG, Urteil vom 14. April 2011 – B 8 SO 12/09 R –, Rn 12). Allerdings tritt Heilung ein, wenn eine in Richtung auf eine bestimmte Person abgegebene Entscheidung so in den Machtbereich der betroffenen Person gelangt, dass mit einer Kenntnisnahme durch sie zu rechnen ist, sie tatsächlich über Umwege Kenntnis erlangt oder eine Person gegen einen sie betreffenden Verwaltungsakt den gegebenen Rechtsbehelf einlegt (Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 37 SGB X -Stand: 21. Dezember 2020-, Rn 163, 166, 170 mwN).

 

Die Bekanntgabe der Entscheidung der Beklagten vom 27. Februar 2018 gegenüber der Klägerin erfolgte offenkundig über den Leistungserbringer, da die Klägerin gegen die Entscheidung Widerspruch eingelegt hat. Da der Senat – wie ausgeführt – davon ausgeht, dass die Krankenkasse mit der Auftragserteilung und Kostenübernahmeerklärung an einen Leistungserbringer für das ausgewählte Hilfsmittel regelmäßig auch einen Verwaltungsakt über die Genehmigung dem Grunde und der Höhe nach für den Versicherten erlässt, kann dieser Verwaltungsakt dem Versicherten durch den Leistungserbringer übermittelt werden. Der Leistungserbringer ist kein unbeteiligter Dritter. Er ist vielmehr unmittelbar in die Erfüllung des Leistungsanspruchs Versicherter eingebunden, um das Sachleistungsprinzip (§ 2 Abs 2 Satz 2 SGB V) umzusetzen (vgl §§ 33 Abs 6, 126, 127 SGB V; § 4 Abs 2 des Versorgungsvertrages). Dieser Weg der Bekanntgabe einer Entscheidung der Krankenkasse an die Versicherten über den Leistungserbringer tritt (faktisch) zurück, wenn die Krankenkasse direkt an ihre Versicherten adressierte Verwaltungsakte iSv § 31 SGB X verfassen und ihren Versicherten bekanntgeben. In dem Fall ist entscheidend, wann diese Verwaltungsakte bekanntgegeben wurden und nicht, wann der Leistungserbringer die Entscheidung der Krankenkasse dem Versicherten mitteilte.

 

c) Gegen den Verwaltungsakt vom 27. Februar 2018 legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein. Angesichts des zwischen der Kostenübernahmeerklärung vom 27. Februar 2018 und der Einlegung des Widerspruchs vom 15. März 2018 verstrichenen Zeitraums von weniger als einem Monat wurde die Frist des § 84 Abs 1 Satz 1 SGG faktisch gewahrt. Es bedurfte daher keiner weitergehenden Aufklärung, ob der Klägerin beim Empfang des Haarersatzes am 5. März 2018, mit der Rechnung vom 14. März 2018 oder zu einem anderen Zeitpunkt die Entscheidung der Beklagten vom 27. Februar 2018 von dem Leistungserbringer übermittelt wurde.

 

2. Unter Berücksichtigung der Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch <dazu a)>, der Anspruchsgrundlagen für die Versorgung mit Hilfsmitteln <dazu b)>, der Qualifizierung von Haarverlust als Behinderung <dazu c)>, der Ausgestaltung des im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Prinzips der Sachleistung durch Leistungserbringer <dazu d)> und des Umfangs des Versorgungsanspruches auf Haarersatz bei vorübergehendem Haarverlust <dazu e)> hat die Klägerin keinen weitergehenden Anspruch auf Haarersatz als er bereits mit der streitgegenständlichen Entscheidung vom 27. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2018 gewährt und erfüllt wurde <dazu f)>.

 

a) Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch ist hier § 13 Abs 3 SGB V (in der vom 11. April 2017 bis 10. Mai 2019 geltenden Fassung). Konnte danach die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs 3 Satz 1 SGB V). Maßstab für einen Kostenerstattungsanspruch ist dabei der Grundsatz, dass über die Geltendmachung einer Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V kein weitergehender Anspruch erreicht werden kann als bei einer Versorgung mit einer Sachleistung, die den Regelfall der Versorgung darstellt (vgl § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V). Ein Kostenerstattungsanspruch setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl BSG, Urteil vom 18. Dezember 2018 – B 1 KR 34/17 R – Rn 10 juris).

 

Der Klägerin sind für den Haarersatz Kosten in zuletzt noch geltend gemachter Höhe von 529,55 Euro entstanden, die am 12. Juli 2023 beglichen wurden. Die Versorgung im Februar / März 2018 war angesichts des nach Beginn der Chemotherapie am 23. Januar 2018 aufgetretenen Haarverlustes nicht aufschiebbar. Allerdings lässt der Senat dahinstehen, ob sich aus den Einlassungen der Klägerin am 25. Juli 2023 zum zeitlichen Ablauf der Versorgung mit Haarersatz bei dem Leistungserbringer bereits eine Vorfestlegung ergab, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Leistungsablehnung der beklagten Krankenkasse vom 27. Februar 2018 und den – schriftlich erstmals am 5. März 2018 bzw 14. März 2018 dokumentierten – angefallenen Kosten und damit einen Kostenerstattungsanspruch bereits dem Grunde nach ausschloss. Eine rechtlich relevante Vorfestlegung und Selbstbeschaffung liegt nicht bereits in einer getroffenen Auswahlentscheidung, sondern sie liegt erst dann vor, wenn sich der Versicherte unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Versorgung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hat, wenn er also fest entschlossen ist, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte, so dass er ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft mit dem Leistungserbringer abschließt (stRSpr BSG, Urteil vom 10. März 2022 – B 1 KR 6/21 R –, Rn 17 mwN; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R –, Rn 45; BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R –, Rn 44). Ob die Klägerin in dem genannten Sinne vor der Entscheidung der Beklagten vom 27. Februar 2018 fest entschlossen war, sich (nur) den in der Rechnung vom 14. März 2018 genannten Haarersatz zu beschaffen, ließ sich mit den vorliegenden Unterlagen und Einlassungen nicht abschließend feststellen. Angesichts der nachfolgenden Gründe, aus denen die Beklagte einen weitergehenden Anspruch der Klägerin mit dem Verwaltungsakt vom 27. Februar 2018 idF des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2018 rechtmäßig ablehnte, war eine abschließende Aufklärung aus Sicht des Senats allerdings entbehrlich.

 

b) Rechtsgrundlage für einen Sachleistungsanspruch der Klägerin auf Versorgung mit dem Hilfsmittel Haarersatz sind § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V sowie § 33 SGB V (in der vom 11. April 2017 bis 10. Mai 2019 gültigen Fassung). Nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen (§ 33 Abs 1 Satz 4 SGB V). Dem vollständigen Haarersatz dienende Vollperücken sind keine allgemeinen Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, weil sie für die speziellen Bedürfnisse an totalem Haarverlust leidender Menschen hergestellt und nur von diesem Personenkreis benutzt werden. Als vollständiger Haarersatz sind Perücken teilweise anders gearbeitet (zB mit einer anderen Art der Befestigung) und dienen auch einer anderen Zweckbestimmung, nämlich dem optischen Ausgleich des fehlenden natürlichen Haupthaares (vgl BSG, Urteil vom 22. April 2015 – B 3 KR 3/14 R – Rn 14).

 

c) Unter dem Gesichtspunkt des vollständigen Ausfalls des biologischen Prozesses "Neubildung und Wachstum der Haare" wird totaler Haarausfall zwar nicht als eine behandlungsbedürftige Krankheit bewertet, weil die Haarlosigkeit nicht zu einer Beeinträchtigung von Körperfunktionen führt und zudem weder die Perücke noch ein anderes Mittel der Krankenbehandlung dem Betroffenen die verlorene Körperbehaarung, hier speziell das Kopfhaar, wieder zu beschaffen vermag (vgl BSG, Urteil vom 22. April 2015 – B 3 KR 3/14 R – Rn 22); dennoch misst das BSG dem Totalverlust der Haare bei Frauen Krankheitswert iS des § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V unter dem Aspekt der entstellenden Wirkung zu (vgl BSG, Urteil vom 22. April 2015 – B 3 KR 3/14 R – Rn 25 ff; ebenso BSG, Urteil vom 23. Juli 2002 – B 3 KR 66/01 R – Rn 14). Ein Mensch sei – so das BSG – wegen seiner Kahlköpfigkeit teilhaberechtlich behindert, wenn der körperliche Zustand entstellend wirke und er deshalb ohne ausgleichende Maßnahmen an der uneingeschränkten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gehindert sei (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). Kahlköpfigkeit habe bei Frauen eine entstellende Wirkung, die zwar nicht zum Verlust oder zur Störung einer motorischen oder geistigen Funktion führe, es einer Frau aber erschwere oder gar unmöglich mache, sich frei und unbefangen unter den Mitmenschen zu bewegen; eine kahlköpfige Frau ziehe „naturgemäß" ständig alle Blicke auf sich und werde zum Objekt der Neugier. Dies habe in aller Regel zur Folge, dass sich die Betroffene aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehe und zu vereinsamen drohe. Ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ist beeinträchtigt. Deshalb haben unter Kahlköpfigkeit leidende Frauen regelmäßig einen Anspruch gegen ihre Krankenkasse auf Versorgung mit einer Echthaarperücke in einer Qualität, die den Verlust des natürlichen Haupthaares für einen unbefangenen Beobachter nicht sogleich – nach einem kurzen Blick – erkennen lässt. Ein Anspruch im Sinne einer möglichst umfassenden Rekonstruktion des ursprünglichen Aussehens durch den Haarersatz bestehe jedoch nicht, so dass auch der Wunsch der Versicherten nach einer bestimmten Frisur dann nicht maßgeblich ist, wenn er mit Mehrkosten verbunden ist. Ein ausreichender Behinderungsausgleich werde bei der Perückenversorgung nicht bereits in Frage gestellt, wenn einige wenige vertraute Personen oder Fachleute das Haar als „künstlich“ erkennen (vgl zu alledem BSG, Urteil vom 23. Juli 2002 – B 3 KR 66/01 R – Rn 20).

 

Dieser Rechtsprechung des BSG hat sich der erkennende Senat für nicht nur vorübergehenden Haarverlust angeschlossen (Urteile vom 9. November 2021, L 10 KR 92/18 und L 10 KR 122/17). Gleiches gilt jedoch dem Grunde nach für einen Anspruch auf Haarersatz bei vorübergehendem Haarverlust zB durch eine Chemotherapie. Dabei besteht ein Anspruch von Beginn des therapiebedingten Haarverlustes an bis zu dem Zeitpunkt ab dem die Haare wieder in dem Umfang nachgewachsen sind, so dass der vorangegangene Haarverlust nicht mehr offensichtlich ist und nicht mehr die Blicke anderer auf sich zieht.

 

d) Nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2 Abs 2 Satz 3 SGB V). Für die jeweils notwendige Versorgung mit Hilfsmitteln können die Versicherten alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind (§ 33 Abs 6 Satz 1 SGB V). Hat die Krankenkasse Verträge nach § 127 Abs 1 SGB V über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen, erfolgt die Versorgung durch einen Vertragspartner, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist (§ 33 Abs 6 Satz 2 SGB V). Der Abschluss eines Vertrages nach §§ 126, 127 SGB V mit Leistungserbringern für die Versorgung mit Hilfsmitteln führt dazu, dass die Krankenkasse für die Hilfsmittel die jeweils vertraglich vereinbarten Preise übernimmt (siehe § 33 Abs 7 SGB V). Aus dem gesetzlich vorgesehenen und durch die nach § 127 SGB V abgeschlossenen Verträge sichergestellten Sachleistungsprinzip folgt, dass Leistungserbringer die Versicherten, die sich an sie wenden, zu den vertraglich vereinbarten Preisen mit Hilfsmitteln zu versorgen haben, die den Anforderungen an den jeweiligen Behinderungsausgleich gerecht werden und dabei die individuelle gesundheitliche Konstitution berücksichtigen, ohne dass sie – abgesehen von den gesetzlichen Zuzahlungsregelungen – (zusätzliche) Zahlungsverlangen an die Versicherten richten können. Eine trotzdem mit dem Versicherten getroffene Honorarvereinbarung über die Kassenleistung ist regelmäßig nichtig: Sie weicht zum Nachteil des Versicherten vom Prinzip kostenfreier Sach- und Dienstleistungsgewährung ab (§ 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I). Das hat außerhalb der gesetzlichen Zuzahlungsregelungen generell zu gelten und kann nicht auf die Fälle beschränkt sein, in denen Krankenkassen und Leistungserbringer Entsprechendes autonom selbst geregelt haben, wie es in § 18 Abs 1 Satz 2 und Abs 8 Bundesmantelvertrag-Ärzte der Fall ist. Die Nichtigkeit der Honorarvereinbarung erfasst regelmäßig nicht den restlichen Behandlungs- bzw Versorgungsvertrag. An Stelle von Honoraransprüchen kommen in solchen Situationen nach der Rechtsprechung des BSG auch keine gesetzlichen Ansprüche - insbesondere auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670, 683 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) - gegen den Versicherten in Betracht. Das würde auch die gesetzliche Regelung des Naturalleistungsprinzips unterlaufen (vgl zum Vorstehenden BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 – B 1 KR 9/05 R – Rn 13 juris). Nur wenn Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen wählen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 Satz 5 SGB V).

 

Die Regelung in § 33 Abs 1 Satz 5 SGB V konkretisiert im Bereich der Hilfsmittelversorgung das Wirtschaftlichkeitsgebot, das sich aus § 12 Abs 1 SGB V ergibt und das die Krankenkassen, die Leistungserbringer und die Versicherten bei der Inanspruchnahme von Leistungen zu beachten haben (vgl § 2 Abs 4 SGB V). Diesem Zweck dienen auch die nach § 127 SGB V abgeschlossenen Verträge von Hilfsmittellieferanten und gesetzlichen Krankenkassen. Die Versorgung zu Vertragspreisen ist für den Versicherten verbindlich, soweit der Vertragspreis für den Behinderungsausgleich objektiv ausreichend ist (Urteil des Senats vom 9. November 2021, L 10 KR 92/18; so auch das Hessische Landessozialgericht <LSG>, Urteil vom 11. November 2020, L 8 KR 31/20 Rn 23 – die erstinstanzliche Entscheidung insoweit bestätigend). Anhaltspunkte dafür, dass im März 2018 eine Versorgung gesetzlich Versicherter mit Haarersatz aus Kunsthaar, der einen objektiven Dritten nicht sogleich auf den ersten Blick erkennen lässt, dass sie kein natürliches Haupthaar, sondern einen Haarersatz tragen, zu dem vereinbarten Vertragspreis in objektiv ausreichendem Umfang nicht möglich war, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

 

e) Den durch vorübergehenden Haarverlust nach Chemotherapie bedingten Anspruch auf Haarersatz erfüllt eine Krankenkasse auch durch die Gewährung von Haarersatz aus Kunsthaar. Im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs bei Haarverlust durch Chemotherapie begründet die Vertragsgestaltung des Versorgungsvertrages keinen Anspruch auf Haarersatz aus Echthaar <dazu aa)>. Der Vertrag widerspricht keinem allgemein anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse <dazu bb)>. Auch unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Dauer des Haarverlustes bei Chemotherapie <dazu cc)> setzt der Vertrag das Wirtschaftlichkeitsgebot in nicht zu beanstandender Weise um <dazu dd)>.

 

aa) Zunächst ist die im Vertrag aufgeführte Tragedauer – mindestens 6 Monate oder mindestens 12 Monate – kein Auswahlkriterium für den Anspruch eines Versicherten auf Haarersatz aus Echthaar oder Kunsthaar, da auch Versicherte mit einem weniger als 6 Monate andauernden Haarverlust einen Anspruch auf Haarersatz haben und ihnen dieser gesetzliche Anspruch nicht durch die Angabe einer Mindesttragedauer im Versorgungsvertrag abgeschnitten werden kann. Die Angabe der Tragedauer ist daher lediglich ein Hinweis darauf, wann Versicherte – von Einzelfallumständen abgesehen – Anspruch auf Folgeversorgung für einen funktionsunfähig gewordenen Haarersatz haben. Dazu passt auch die divergierende Regelung zur Gewährleistung bei der Versorgung mit Kunsthaar einerseits und Echthaar andererseits, für die eine Frist von 6 bzw 12 Monaten gilt (§ 2 Abs 8 Versorgungsvertrag).

 

Ausgehend von den hier maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem vdek und dem BVZ (Preisvereinbarung) ist für die Auswahlentscheidung zwischen einem Anspruch auf Haarersatz aus Kunsthaar oder Echthaar vielmehr nach der Indikation „Krankheitsbedingter vorübergehender Haarverlust“ oder „Krankheitsbedingter endgültiger Haarverlust“ zu differenzieren. Ferner bedenkt der Senat, dass die Preisvereinbarung in § 3 vorsieht, dass die Hilfsmittelpositionen 24.00.18.0013 und 24.00.18.0014 (für Haarersatz aus Echthaar) nur in Ausnahmefällen gelten, wenn die Versorgung mit den vorangegangenen Positionen – 24.00.18.0005 und 24.00.18.0006 für Haarersatz aus Kunsthaar – nicht möglich ist, wobei eine eingehende Begründung erforderlich sei, ggfs auch vom Arzt. Die Verordnung von Echthaarersatz durch einen Arzt allein reicht dabei nicht aus, da sich aus einer vertragsärztlichen Verordnung keine individualisierte Leistungsverpflichtung der Krankenkasse ergibt (vgl BSG, Urteil vom 29. September 1997 – 8 RKn 27/96 –, Rn 41; BSG vom 23. Juli 2002, B 3 KR 66/01 R, Rn 19). Erforderlich ist danach eine weitergehende ärztliche Erläuterung oder Stellungnahme, sofern sich nicht im Einzelfall bereits mit einer ärztlich diagnostizierten Erkrankung der Kopfhaut ein Anspruch auf Haarersatz aus Echthaar begründen lässt.

 

bb) Diese vertragliche Ausgestaltung des Anspruchs gesetzlich Versicherter auf Haarersatz ist nicht zu beanstanden. Der Senat hat derzeit keinen Anlass anzunehmen, dass es für die Versorgung mit Haarersatz bei vorübergehendem Haarverlust bei Chemotherapie dem allgemein anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse iSv § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V entspricht, die Versicherten mit Haarersatz aus Echthaar zu versorgen und unter diesem Gesichtspunkt ein regelhafter Anspruch darauf besteht, mit solchem Haarersatz versorgt zu werden. Diese Überzeugung (§ 128 SGG) stützt der Senat auf die Antworten der DGGG, des DKFZ und das Gutachten des Sachverständigen für das Friseurhandwerk K1______. Es gibt nach der Antwort der DGGG keine systematische Untersuchung, auf deren Grundlage der Grundsatz aufgestellt werden kann, dass bei vorübergehendem Haarverlust nach Chemotherapie nur eine Versorgung mit Haarersatz aus Echthaar den Anspruch einer Versicherten erfüllen kann. Es gibt lediglich Gründe, die Haarersatz aus Echthaar gegenüber Haarersatz aus Kunsthaar als vorteilhaft erscheinen lassen können. Daher kommt bei vorübergehendem Haarverlust durch eine Chemotherapie ein Anspruch auf Echthaarersatz – wie auch die Beklagte dem Grunde nach anerkennt – in Betracht, wenn ein Haarersatz aus Kunsthaar aufgrund der individuellen Konstitution einer erkrankten Versicherten nicht vertragen wird. Anhaltspunkte dafür können Unverträglichkeitsreaktionen der Kopfhaut auf Haarersatz aus Kunsthaar sein, die entweder durch das Material des Haarersatzes selbst oder die Kombination von verstärktem Schwitzen durch die Chemotherapie und das Material entstehen können, was der Sachverständige für das Friseurhandwerk K1______ in seinem Gutachten vom 20. September 2021, nachvollziehbar erklärt hat. Schwitzen allein stellt zur Überzeugung des Senats jedoch keine Erkrankung der Kopfhaut dar, sondern ist ein natürlicher körperlicher Vorgang.

 

cc) Diesem Ergebnis stehen auch die Ermittlungen des Senats bei der DGGG und dem DKFZ zu der Dauer eines vorübergehenden Haarverlustes infolge einer Chemotherapie nicht entgegen. Selbst wenn dabei eine durchschnittliche Dauer der Chemotherapie (18 bis 24 Wochen), eine durchschnittliche Dauer bis zum Wiederbeginn des Haarwachstums (3 Monate) und eine Dauer des Haarwachstums bis zu einer Länge von 4 cm, die den vorangegangenen Haarverlust nicht mehr als sogleich erkennbar werden lässt, einbezogen werden (weitere 4 Monate), und bei Haarverlust durch Chemotherapie daher eine mittlere Tragezeit von einem Jahr beobachtet werden kann, begründet dieser Umstand keinen regelhaften Anspruch auf die Versorgung mit Haarersatz aus Echthaar. Denn die prognostische Tragedauer ist – wie oben beschrieben – kein relevantes Abgrenzungskriterium zwischen einem Anspruch auf Haarersatz aus Echthaar und Haarersatz aus Kunsthaar.

 

dd) Schließlich setzt das dargestellte vertragliche Stufensystem – grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Haarersatz aus Kunsthaar und nur bei Unmöglichkeit der Versorgung mit einem solchen Haarersatz gibt es einen Anspruch auf Versorgung mit Haarersatz aus Echthaar – den Versorgungsanspruch der Versicherten unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§§ 2 Abs 1 Satz 1, 12 Abs 1 SGB V) bei vorübergehendem Haarverlust in nicht zu beanstandender Weise um. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs 1 S 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist (BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 – B 3 KR 5/12 R – Rn 34). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine kostenaufwendige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels. Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. März 2011 – L 9 KR 302/07 – Rn 26, juris zu Hörgeräten; BSG, Urteil vom 6. Juni 2002 – B 3 KR 68/01 R – Rn 13 bis 15 zur Prothese C-Leg). Für die Versorgung im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs sind die gleichen Maßstäbe heranzuziehen.

 

Nach der genannten Rechtsprechung des BSG wird bei Haarverlust ein ausreichender Behinderungsausgleich bei der Perückenversorgung nicht bereits dadurch in Frage gestellt, wenn einige wenige vertraute Personen oder Fachleute das Haupthaar als „künstlich“ erkennen; das wäre erst dann der Fall, wenn diese Eigenschaft auch jedem unbefangenen Beobachter nach kurzem Blick auffällt. Auch wenn das BSG in der zitierten Entscheidung aufgrund der konkreten Fallgestaltung über einen Anspruch auf die stattgefundene Versorgung mit Haarersatz aus Echthaar entschieden hat, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen, dass das BSG sich differenziert mit Unterschieden in der Versorgung mit Haarersatz aus Kunsthaar oder Echthaar auseinandergesetzt hat und nur eine Versorgung mit Haarersatz aus Echthaar für zulässig hält, um bei Kahlköpfigkeit den Anspruch auf mittelbaren Behinderungsausgleich zu erfüllen. Danach scheidet Haarersatz aus Kunsthaar nach Auffassung des Senats nicht per se als Hilfsmittel aus, solange Haarersatz aus Kunsthaar den dabei maßgeblichen Behinderungsausgleich – der Haarverlust ist für einen unbefangenen Dritten nicht sogleich bei kurzem Blick erkennbar – gleichermaßen erfüllt. Das ist dem Grunde nach der Fall, solange der Haarersatz aus Kunsthaar nicht solche Abnutzungserscheinungen aufweist, dass bereits bei kurzem Blick der Haarersatz als aus Kunsthaar gefertigt erkennbar ist mit der Folge, dass der Verlust natürlichen Haupthaares bei kurzem Blick offenbar wird. Wann Haarersatz aus Kunsthaar bei kurzem Blick erkennbare Abnutzungserscheinungen aufweist, hängt nach den Ausführungen des Sachverständigen für das Friseurhandwerk K1______, dessen Gutachten im Wege des Urkundenbeweises (§ 118 Abs 1 SGG, § 415 ZPO) verwertet wird, maßgeblich von der Tragedauer, der Beanspruchung und der Pflege des Haarersatzes ab. Haarersatz aus Kunsthaar erscheint insbesondere bei langer Tragedauer, starker Beanspruchung und unzureichender Pflege schneller stumpf als Haarersatz aus Echthaar. Das bedeutet jedoch nicht, dass Haarersatz aus Kunsthaar unter Berücksichtigung des (nur) maßgeblichen Behinderungsausgleichs bereits dem Grunde nach ausscheidet.

 

Darüber hinaus gehende relevante Gebrauchsvorteile von Haarersatz aus Echthaar gegenüber Haarersatz aus Kunsthaar erkennt der Senat nicht. Der Sachverständige für das Friseurhandwerk K1_______ hat zwar die Unterschiede in der Beschaffenheit und der Pflege zwischen Haarersatz aus Echthaar und Haarersatz aus Kunsthaar in seinem Gutachten vom 20. September 2021 aufgelistet. Allerdings weist danach Haarersatz aus Echthaar gegenüber Haarersatz aus Kunsthaar in der Pflege keine derart bedeutsamen Gebrauchsvorteile auf, dass Haarersatz aus Kunsthaar in der Folge aus diesen Gründen aus der Versorgung nach dem SGB V ausscheidet und ungeeignet ist, den maßgeblichen Versorgungsanspruch der Versicherten unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu erfüllen.

 

Ausgehend von den vereinbarten Vertragspreisen für Haarersatz aus Kunsthaar zur Versorgung bei vorübergehendem Haarverlust nach Chemotherapie ist schließlich selbst bei vorzeitigem Verschleiß die Versorgung mit zwei Kunsthaarperücken günstiger als diejenige mit einer Echthaarperücke. Wenn sich im Einzelfall herausstellt, dass die stattgefundene Versorgung mit Haarersatz aus Kunsthaar zu Hauterkrankungen führt, geht der Senat davon aus, dass mit entsprechender ärztlicher Begründung ein Anspruch auf Ersatzversorgung mit Haarersatz aus Echthaar bestehen kann.

 

f) Nach den aufgezeigten Grundsätzen wurde die Klägerin in dem ihr nach § 33 SGB V zustehenden Umfang mit Haarersatz versorgt. Die Klägerin wurde ausweislich der Empfangsbestätigung am 5. März 2018 durch den Leistungserbringer mit der im Kostenvoranschlag vom 7. Februar 2018 genannten Echthaarperücke versorgt. Die Klägerin litt nicht an dauerhaftem Haarverlust, sondern nur an vorübergehendem Haarverlust aufgrund einer Chemotherapie zur Behandlung eines Mammakarzinoms. Den dadurch bedingten Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit Haarersatz hat die Beklagte mit ihrer Entscheidung vom 27. Februar 2018, der Klägerin die Versorgung zu dem Vertragspreis für Haarersatz aus Kunsthaar zu gewähren, erfüllt. Sofern bei Haarverlust durch Chemotherapie allenfalls individuelle Umstände einen Anspruch auf Versorgung mit Haarersatz aus Echthaar begründen können, liegen solche bei der Klägerin nicht vor. Zwar nahm der Leistungserbringer zur Begründung eines Anspruchs der Klägerin auf Haarersatz im Antrag vom 7. Februar 2018 einen Bedarf der Klägerin für „einen längeren Zeitraum“ an; die Tragedauer ist nach der oben dargelegten Vertragsbedingungen allerdings nicht maßgebend. Allein maßgebliche medizinische Gründe für die Versorgung der Klägerin mit Haarersatz aus Echthaar hat die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe B_______ auf explizite Nachfrage des Senats jedoch nicht gesehen. Weitere zu befragende Ärzte waren in die Versorgung der Klägerin mit Haarersatz nicht eingebunden.

 

Nach den Ausführungen steht fest, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten für die Versorgung mit Haarersatz im März 2018 hatte.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

 

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 SGG) liegen nicht vor. Der Senat weicht insbesondere nicht von der Rechtsprechung des BSG in dessen Urteilen vom 23. Juli 2002 – B 3 KR 66/01 R – und vom 22. April 2015 – B 3 KR 3/14 R – ab (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Der Senat zieht den vom BSG aufgestellten Maßstab für den mittelbaren Behinderungsausgleich bei Kahlköpfigkeit heran. Der Senat erkennt mit dem BSG bei an Kahlköpfigkeit leidenden Frauen einen Anspruch auf Haarersatz an, der mit Haarersatz aus Echthaar gedeckt werden kann, wenn ein dauerhafter Haarverlust vorliegt. Allerdings lag hier kein Sachverhalt einer nach dauerhaftem Haarverlust an Kahlköpfigkeit leidenden Versicherten vor, sondern es bestand lediglich eine vorübergehende Kahlköpfigkeit der versicherten Klägerin infolge einer Chemotherapie.

 

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) waren in diesem Verfahren auch unter Berücksichtigung dieses Unterschiedes nicht zu klären. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist, dh eine für den zu entscheidenden Fall erhebliche, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage mit Breitenwirkung zu entscheiden ist (BSG, Beschluss vom 1. September 2020 – B 3 KR 8/20 B –, Rn 6; BSG, Beschluss vom 15. März 2018 – B 3 KR 41/17 B –, Rn 10). Das ist hier nicht der Fall. Dabei reicht es nicht aus, dass eine Mehrzahl von Fällen streitig oder anhängig ist, denen eine vergleichbare Fallkonstellation zugrunde liegt (vglbar BSG, Beschluss vom 26. Mai 2021 – B 6 KA 26/20 B –, Rn 29; BSG, Beschluss vom 15. Dezember 2020 – B 12 KR 58/20 B –, Rn 11; BSG, Beschluss vom 24. September 2003 – B 6 KA 57/03 B –, Rn 10). Es ist daher nicht ausreichend, dass ein Leistungserbringer mehrere Versicherte verschiedener Krankenkassen bei Haarverlust nach Chemotherapie mit Haarersatz aus Echthaar versorgt. In den weiteren dem erkennenden Senat bekannten Verfahren ist es überdies nicht allein entscheidend, welche Beschaffenheit der angeschaffte Haarersatz haben darf.

 

Rechtskraft
Aus
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