L 13 AS 135/17

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Aurich (NSB)
Aktenzeichen
S 15 AS 1051/10
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 13 AS 135/17
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgericht Aurich vom 1. Februar 2017 geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung von Kosten für einen Frauenhausaufenthalt im Jahr 2009.

Die beteiligten Landkreise sind seit dem 1. Januar 2011 zugelassene kommunale Träger i. S. des § 6 a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zuvor bestanden im Landkreis J. Arbeitsgemeinschaften zur Wahrnehmung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende i. S. des § 44 b SGB II a. F. und im Landkreis K. wurden die Aufgabe in getrennter Trägerschaft wahrgenommen. In der im Kreisgebiet des Klägers liegenden Stadt J. befindet sich ein Frauenhaus, dessen Träger das L., M. J. ist. Mit diesem hatte der Kläger eine Vereinbarung vom 26. Februar 2008 geschlossen. Danach beteiligte sich der Kläger an der Finanzierung des Frauenhauses mit einem jährlichen Budget (§ 6). Das Frauenhaus hatte das Sozialamt des Klägers unverzüglich, spätestens am nächsten Werktag, zwecks „Einholung von Kostenanerkenntnissen und Durchführung von Kostenerstattungsverfahren“ von einer Aufnahme zu unterrichten (§ 3). Eine Vergütungsvereinbarung existierte nicht. Kostenrechnungen erteilte das Frauenhaus nicht. Leistungsbescheide erhielten die Personen, die sich im Frauenhaus aufhielten, von der zuständigen Arbeitsgemeinschaft (ARGE) J. seinerzeit nicht.

Die 1981 in Deutschland geborene Frau N. (nachfolgend: Y), welche wie ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann einer türkischen Familie aus dem yesidischen Kulturkreis entstammt, lebte bis zum 5. Januar 2009 mit ihrem Ehemann und ihren beiden minderjährigen Kindern in O. (Landkreis K.). Die Familie stand als Bedarfsgemeinschaft im aufstockenden Leistungsbezug nach dem SGB II, wobei zuletzt aufgrund eines am 18. Dezember 2008 gestellten Weiterbewilligungsantrags Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2009 bewilligt worden waren. Auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann befand sich Y mit ihren Kindern zunächst im Frauen- und Kinderschutzhaus P.. Nach dem Suizid ihres Ehemanns, welche einen sog. Blutracheschwur von Familienangehörigen auslöste, fand Y am 16. Januar 2009 Aufnahme im Frauenhaus J., wo sie mit ihren Kindern bis zum 5. November 2009 blieb. Ihren Wegzug sowie den Tod des Ehemannes teilte Y der Agentur für Arbeit Q. mit, worauf die SGB II-Leistungen eingestellt wurden. Entsprechende Änderungsbescheide konnten nicht bekannt gegeben werden, da sie an den Ehemann unter der Anschrift in Bergen adressiert waren und es zu Postrückläufen kam.

Ausweislich eines Telefonvermerks des Klägers teilte die Leiterin des Frauenhaus J. ihm am 22. Januar 2009 die Aufnahme der Y nebst Kindern mit, schilderte die Gründe für die Aufnahme und bat darum, von der Geltendmachung von Kosten zunächst abzusehen, da absolute Geheimhaltung zur Abwendung von Gefahren für die Familie erforderlich sei. Aufgrund dieser Meldung wurde von dem Kläger zunächst keine weitere Veranlassung getroffen. Y selbst stellte bei der ARGE J. keinen förmlichen Leistungsantrag.

Der Beklagte erkannte mit Schreiben vom 16. November 2009 seine Kostenerstattungspflicht für die Dauer des Frauenhausaufenthalts an und bat um Bezifferung unter Vorlage der Leistungsbescheide und der „Frauenhausrechnung“. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 66.150 € geltend, welchen er auf der Grundlage eines Tagessatzes von jeweils 75 € für drei Personen und 882 Aufenthaltstage errechnet hatte. Nachdem der Beklagte die Kostenerstattung abgelehnt hatte, da ein Erstattungsanspruch nach § 36 a SGB II nur individuelle Aufwendungen für die hilfebedürftigen Personen umfasse (Schreiben vom 12. Februar 2010), hat der Kläger am 9. September 2010 bei dem Sozialgericht (SG) Aurich Klage auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 66.150 € erhoben. Er hat vorgetragen, dass er sämtliche Personal- und Sachkosten für das Frauenhaus trage, Einzelfallabrechnungen daher nicht erstellt würden, und er vor dem Hintergrund seiner Leistungspflicht als kommunaler Träger für die Unterkunfts- und Betreuungskosten mit der ARGE J. und der ARGE R. vereinbart habe, dass diesbezügliche Kostenerstattungsansprüche von ihm – dem Kläger – geltend gemacht würden. Die Leistungsbewilligung erfolge „konkludent durch die Aufnahme und Betreuung“. Im vorliegenden Fall würden nur die in kommunaler Trägerschaft zu erbringenden Leistungen in Form von Unterkunft und Betreuung im Frauenhaus über den Tagessatz abgerechnet. Wie ein am 8. Dezember 2010 mit Y geführtes Gespräch ergeben habe, habe diese aus Angst vor Entdeckung SGB II-Leistungen nicht beantragt und dementsprechend die aus Bundesmitteln zu erbringenden Regelleistungen nicht in Anspruch genommen. Sie habe von dem Kindergeld und noch vorhandenen finanziellen Reserven gelebt. Im Juli 2009 habe sie eine Teilzeitbeschäftigung aufgenommen und mit Bescheiden vom 11. September 2009 habe der Rentenversicherungsträger rückwirkend zum 15. Januar 2009 Hinterbliebenenrenten bewilligt und entsprechende Nachzahlungen Ende Oktober/Anfang November 2009 erbracht.

Auf Nachfrage des SG hat der Kläger die Berechnung des Tagesssatzes von 75 € dahingehend erläutert, dass dieser anhand der im Jahr 2002 für das Frauenhaus erbrachten Gesamtaufwendungen (Personalkosten = 87,14 % und Unterkunftskosten = 12,86 %) und der Belegungstage errechnet worden sei und sich in Betreuungskosten von 65,35 € und Unterkunftskosten von 9,65 € aufschlüssele.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass ein Kostenerstattungsanspruch nur für rechtmäßig erbrachte Leistungen bestehe, woran es hier fehle, da Leistungsbescheide nicht erstellt worden seien und dementsprechend auch die Hilfebedürftigkeit nicht geprüft worden sei.

Mit Urteil vom 1. Februar 2007 hat das SG den Beklagten verurteilt, 56.700 € an den Kläger zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 36 a SGB II seien erfüllt, insbesondere habe Y einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gehabt. Die erforderliche Antragstellung liege vor. Zwar sei ein Leistungsantrag bei der zuständigen ARGE J. weder ausdrücklich noch konkludent gestellt worden, allerdings sei eine Antragstellung bei dem Kläger erfolgt, da die telefonische Aufnahmemitteilung der Leiterin des Frauenhauses vom 22. Januar 2009 als konkludente Antragstellung zu werten sei. Diese Mitteilung umschließe nach ihrem Inhalt und unter Berücksichtigung des Konzepts des Frauenhauses eine Antragstellung der Familie Y im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft und der Betreuung. Sowohl für die Unterkunftskosten als auch für die Betreuungsleistungen sei der Kläger als kommunaler Träger zuständig gewesen, darüber hinaus liege ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II auch dann vor, wenn das Leistungsbegehren nicht bei dem Grundsicherungsträger, sondern bei einem anderen Sozialleistungsträger, z. B. dem Sozialhilfeträger, angebracht werde. Entscheidend sei allein, dass der Antragsteller geltend mache, wegen Bedürftigkeit auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Ferner habe Familie Y im Zeitraum bis zum 30. September 2009 auch die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, insbesondere habe Hilfebedürftigkeit vorgelegen, da das zur Verfügung stehende Einkommen noch nicht einmal die (nicht beantragten) Regelleistungen abgedeckt habe. Für den nachfolgenden Zeitraum habe der Kläger die Hilfebedürftigkeit nicht substantiiert dargelegt. Zu den für den Zeitraum bis zum 30. September 2009 gemäß § 36 a SGB II zu erstattenden Leistungen gehörten auch die erbrachten Leistungen der psychosozialen Betreuung nach § 16 a SGB II, deren Erbringung im vorliegenden Fall erforderlich gewesen sei. Auch sei die Aufenthaltsdauer unter Berücksichtigung der besonderen Fallumstände gerechtfertigt. Durch die Genehmigung der konkreten Dauer des Aufenthalts bei gleichzeitiger Leistung eines Finanzierungsanteils liege eine faktische Leistungsbewilligung vor. Für den Zeitraum vom 22. Januar 2009 (Antragstellung) bis 30. September 2009 errechne sich auf der Grundlage des Tagessatzes von 75 € ein Erstattungsanspruch von 56.700 €.

Gegen das ihm am 21. Februar 2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 17. März 2017 Berufung eingelegt. Er macht geltend, dass der Erstattungsanspruch nach § 36 a SGB II eine rechtmäßige Leistungserbringung voraussetze, woran es hier bereits in Ermangelung eines Leistungsantrags fehle. Zuständiger Leistungsträger sei die ARGE J. gewesen, dort sei ein Leistungsantrag weder ausdrücklich noch konkludent gestellt worden. Ferner seien die Feststellungen des SG zur Hilfebedürftigkeit in dem ausgeurteilten Zeitraum unzureichend, Einkommensnachweise lägen überhaupt nicht vor und eine Vermögensprüfung (evt. Erbschaft) sei gänzlich unterblieben. Auch habe der Kläger im Hinblick auf vorrangige Ansprüche (Kinderwohngeld, Unterhalt, Hinterbliebenenleistungen) und den Erstattungsanspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger gegen den Interessenwahrungsgrundsatz verstoßen. Schließlich sei bei dem von dem Kläger gewählten Finanzierungsmodell ein Erstattungsanspruch ohnehin ausgeschlossen, da die Zuschussfinanzierung unabhängig von der Belegung des Frauenhauses erfolge und dem Kläger damit keine Kosten entstünden, die den aufgenommenen Personen individuell zugeordnet werden könnten.

 

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

das Urteil das SG Aurich vom 1. Februar 2017 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

       die Berufung zurückzuweisen.

 

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht ergänzend geltend, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bereits die Zuflucht in das Frauenhaus den Kostenerstattungsanspruch auslöse. Die Frauen suchten regelmäßig in akuten Notlagen Zuflucht und verfügten normalerweise nicht über finanzielle Mittel. Das Aufnehmen eines Antrags und die Prüfung der finanziellen Verhältnisse würden dem Ziel der unbürokratischen und schnellen Hilfegewährung zuwiderlaufen. Vor diesem Hintergrund sei auf die Einschaltung der damaligen ARGE und eine damit einhergehende vollumfängliche Anspruchsprüfung verzichtet worden. Ferner sei die Notwendigkeit einer Vergütungsvereinbarung im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Mai 2012 (B 14 AS 156/11 R) anzuzweifeln.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden als Einzelrichter einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beteiligten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Mit dem Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senatsvorsitzende als für das vorliegende Berufungsverfahren zuständiger Berichterstatter anstelle des Senats über die Berufung (§ 153 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) haben sich die Beteiligten ebenfalls einverstanden erklärt.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist begründet.

Das SG hat der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) zu Unrecht teilweise stattgegeben. Die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 36 a SGB II haben nicht vorgelegen.

Die genannte Vorschrift (hier anwendbar in der mit Art. 1 Nr. 32 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2016 zum 1. August 2006 geänderten Fassung) ist eine gegenüber §§ 102 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) spezial-gesetzliche Kostenerstattungsregelung im SGB II (vgl. BSG, Urteile vom 23. Mai 2012 – B 14 AS 190/11 R – juris Rn. 16 und – B 14 AS 156/11 R – juris Rn. 15). Sucht danach eine Person in einem Frauenhaus Zuflucht, ist der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort verpflichtet, dem durch die Aufnahme im Frauenhaus zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus zu erstatten.

Ist der Beklagte als Herkunftskommune dem Grunde nach erstattungspflichtige Kommune und der Kläger als aufnehmende Kommune erstattungsberechtigte Kommune, sind nach dem Wortlaut des § 36 a SGB II „die Kosten für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus zu erstatten“. Erstattungsfähig sind mithin nur solche Kosten, die aufgrund der Zufluchtnahme der betroffenen Person im Frauenhaus beim hierfür zuständigen kommunalen Träger verursacht worden sind (vgl. Böttiger in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 36 a Rn. 36). Dem Kläger sind indes – worauf der Beklagte zutreffend hinweist - durch die Zufluchtnahme der Y mit ihren Kindern im Frauenhaus J. keine Kosten entstanden. Vielmehr waren sämtliche Personal- und Sachkosten des Frauenhauses durch das vereinbarte jährliche Budget pauschal abgegolten, so dass dem Kläger im Aufnahmefall keine (zusätzlichen) Kosten entstanden und dementsprechend seitens des Frauenhauses auch nicht in Rechnung gestellt wurden. Das jährliche Budget zahlte der Kläger unabhängig davon, wie viele Personen im Frauenhaus tatsächlich aufgenommen wurden (vgl. zum fehlenden Erstattungsanspruch bei einem derartigen Finanzierungsmodell: SG Osnabrück, Urteil vom 28. Mai 2014 – S 24 AS 28/12 - juris). Für eine Abrechnung eines fiktiven Tagessatzes – wie hier – ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Vielmehr folgt aus dem Umstand, dass das Frauenhaus für den Aufenthalt keinen Tagessatz berechnete, dass die ARGE J. – wäre sie mit der Leistungsangelegenheit befasst worden – in Ermangelung eines Zahlungsverlangens des Frauenhauses auch keine Leistungen für Unterkunft und Heizung hätte bewilligen dürfen. Eine rechtmäßige Leistungsgewährung ist indes Voraussetzung für den Erstattungsanspruch nach § 36 a SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2012 – B 14 AS 190/11 R - juris Rn. 23; vgl. zur Notwendigkeit eines ernsthaften Zahlungsbegehrens des Einrichtungsträgers bei Unterbringung in einer stationären Einrichtung für den Anspruch nach § 22 SGB II: BSG, Urteil vom 5. Juni 2014 – B 4 AS 32/13 R – juris Rn. 18, 36).

Hinsichtlich der psychosozialen Betreuung, die von dem Kläger als Personalkosten fiktiv in Rechnung gestellt werden, scheitert der Erstattungsanspruch ferner auch daran, dass keine Vergütungsvereinbarung mit dem Träger des Frauenhauses bestand. Diese ist, wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 23. August 2017 - L 13 AS 66/15), Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 36 a SGB II. Nach der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 17 Abs. 2 SGB II ist der Träger der Leistung zur Eingliederung in Arbeit zur Vergütung der von einem Dritten erbrachten Leistung, für die im Dritten Buch keine Anforderungen geregelt sind, nämlich nur dann verpflichtet, wenn mit dem Dritten oder seinem Verband eine Vereinbarung insbesondere über

1. Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen,

2. die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzen kann, und

3. die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen

besteht. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen. Die Vorschrift ist auch auf die durch Dritte erbrachte psychosoziale Betreuung gemäß § 16 a Nr. 3 SGB II anwendbar (vgl. Landessozialgericht – LSG – Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 24. November 2016 – L 6 AS 736/16 –, juris Rn. 44 m. w. N. und vom 16. Februar 2017 – L 7 AS 1299/15 – juris Rn. 29 ff.). Zwar dürfen keine zu hohen Anforderungen an die Vereinbarung gestellt werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. Mai 2015 – L 12 AS 1955/14 –, juris Rn. 74). Dies ergibt sich zum einen aus einer Zusammenschau von § 17 SGB II als Ganzes, wo in Abs. 1 festgelegt wird, dass, wenn möglich, keine neuen Einrichtungen geschaffen werden sollen, soweit geeignete Einrichtungen vorhanden sind (Satz 1), und dass die Träger der freien Wohlfahrtspflege angemessen unterstützt werden sollen (Satz 2). Dieser Zielsetzung würden zu strenge Anforderungen an den Inhalt der Vereinbarungen zuwiderlaufen. Die Vereinbarung muss jedoch nicht nur die vom Leistungsträger zu übernehmende Vergütung, die sich aus Pauschalen und aus Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt, benennen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II), sondern sie muss auch die Gegenleistung regeln (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II) sowie eine Prüfungsvereinbarung enthalten, also eine Regelung über eine Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung durch den Leistungsträger (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II), wodurch die vertragsgemäße Leistungserbringung durch die Einrichtung sichergestellt werden soll. Die Vorgabe, dass die Vereinbarung im Rahmen einer „Leistungsvereinbarung“ i. S. des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II den Inhalt, den Umfang und die Qualität der in der Einrichtung zu erbringenden Leistung festschreiben muss (LSG Baden-Württemberg, a. a. O., juris Rn. 74 f.), ist ebenso wie die dort enthaltene Prüfungsvereinbarung i. S. der Nr. 3 eine Voraussetzung für den Vergütungsanspruch des Dritten. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und hierüber besteht in Rechtsprechung und Schrifttum im Ausgangspunkt auch Einigkeit.

Die erstinstanzlich vorgelegte Vereinbarung vom 26. Februar 2008 enthält – wie bereits festgestellt - keine Vergütungsregelungen i. S. von Fallpauschalen bzw. Tagessätzen. Soweit der Kläger meint, dem Urteil des BSG vom 23. Mai 2012 (B 14 AS 156/11 R) Hinweise zur fehlenden Notwendigkeit einer Vergütungsvereinbarung entnehmen zu können, erschließt sich dies nicht, da sich das BSG in der genannten Entscheidung mit dieser Frage überhaupt nicht befasst hat.

Darüber hinaus scheitert der Kostenerstattungsanspruch des Klägers, soweit er die Zeit vom 1. Juli bis 5. November 2009 betrifft, auch daran, dass für diesen Zeitraum ein wirksamer Leistungsantrag i. S. des § 37 SGB II nicht vorlag. Von der Erstattungspflicht nach § 36 a SGB II werden nur die Leistungen erfasst, die vom kommunalen Träger nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II an die leistungsberechtigte Frau und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus rechtmäßig erbracht werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2012 – B 14 AS 190/11 R - juris Rn. 23). Erstattung kann mithin nur verlangt werden, wenn der dem Grunde nach erstattungsberechtigte Träger die Leistungen seinerseits in Übereinstimmung mit den leistungsrechtlichen Vorschriften des SGB II erbracht hat (vgl. Groth in: Hohm, GK-SGB II, § 36 a Rn. 21; Böttiger in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 36 a Rn. 37; Aubel in: Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB II, 2. Aufl. 2017, § 36 a Rn. 8). Rechtswidrige Leistungen darf kein Leistungsträger nach dem SGB II bewirken und er kann sie dementsprechend erst recht nicht von einem anderen Träger erstattet verlangen.

Eine den Erstattungsanspruch nach § 36 a SGB II ausschließende rechtswidrige Leistungserbringung liegt vor, wenn Leistungen ohne Antrag oder für Zeiten vor Antragstellung erbracht werden. Denn nach § 37 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Leistungen nur auf Antrag erbracht und sie werden nach § 37 Abs. 2 S. 1 nicht für Zeiten vor Antragstellung erbracht. Eine Notlage allein ist – anders als der Kläger offenbar meint – für den Zeitpunkt des Leistungsbeginns im SGB II nicht ausreichend, sondern es bedarf eines konstitutiven Akts des Antrags desjenigen, der Leistungen nach dem SGB II begehrt (vgl. BSG, Urteile vom 28. Oktober 2009 – B 14 AS 56/08 R - juris Rn. 16, vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 99/10 R – juris Rn. 17, vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 166/11 R – juris Rn. 15 und vom 2. April 2014 – B 4 AS 29/13 R - juris Rn. 12). Mit dem konstitutiven Akt der Antragstellung wird das Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt und ab diesem Zeitpunkt hat der Leistungsträger die – hier versäumte – Verpflichtung, das Bestehen des Leistungsanspruchs zu prüfen und zu bescheiden (BSG a. a. O.). Der Antrag kann – wie bereits das SG ausgeführt hat – formlos gestellt werden, auch eine konkludente Antragstellung ist möglich (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 166/11 R - juris Rn. 14).

Für Y und die Kinder war zuletzt am 18. Dezember 2008 ein Weiterbewilligungsantrag bei der seinerzeit zuständigen Agentur für Arbeit Q. gestellt worden, welcher zu einer Leistungsbewilligung für die Zeit von Januar bis Juni 2009 führte. Der durch die Flucht in das Frauenhaus J. eingetretene Wechsel der örtlichen Zuständigkeit ließ die Wirksamkeit des gestellten Leistungsantrags unberührt (vgl. Nahtlosigkeitsregelung des § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X), eine wirksame Aufhebung der Leistungsbewilligung ist in der Folgezeit nicht erfolgt, da entsprechende Bescheide nicht bekannt gegeben wurden, und einen Verzicht, welcher gemäß § 46 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) der Schriftform bedarf, hat Y nicht erklärt. Fehlte es danach für die Zeit bis zum 30. Juni 2009 nicht an dem erforderlichen Leistungsantrag, hätte indes für den nachfolgenden Zeitraum ein Weiterbewilligungsantrag gestellt worden müssen. Dies ist nicht geschehen.

Der Kläger hat erstinstanzlich unter Bezugnahme auf einen Gesprächsvermerk vom 9. Dezember 2010 ausdrücklich vorgetragen, dass Y für sich und ihre Kinder – aus Angst vor Entdeckung – keine SGB II-Leistungen in J. beantragt habe. Er geht mithin selbst davon aus, dass der Y und ihren Kindern Unterkunft und Betreuung im Frauenhaus J. gewährt wurden, ohne dass dem ein bei der nunmehr zuständigen ARGE J. gestellter Antrag nach dem SGB II zugrunde lag. Soweit der Kläger – im Widerspruch hierzu – geltend macht, dass durch die Inanspruchnahme der Leistungen des Frauenhauses ein konkludenter Leistungsantrag nach dem SGB II gestellt worden sei, kann dem nicht gefolgt werden. Der Antrag nach dem SGB II ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung (BSG a. a. O.). Soweit danach mit einem bestimmten Verhalten des Hilfesuchenden der Wille zum Ausdruck gebracht worden sein soll, dass Leistungen vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt werden, muss dies dem zuständigen Träger auch bekannt werden, damit dieser hieraus die entsprechenden Schlüsse ziehen kann. Hier ist der zuständigen ARGE J. aber zu keinem Zeitpunkt bekannt geworden, dass sich Y mit ihren Kindern in das Frauenhaus Aurich begeben hatte und dort bis zum 5. November 2009 verblieb. Zudem mag zwar die weit überwiegende Zahl der Frauenhausbewohnerinnen Leistungen nach dem SGB II erhalten können, es ist allerdings keineswegs ausgeschlossen, dass eine betroffene Frau im Einzelfall über Einkommen und/oder Vermögen verfügt, mit dem sie ihren Lebensunterhalt und die Kosten des Frauenhausaufenthalts bestreiten kann. Damit kann allein von der Inanspruchnahme der Leistungen eines Frauenhauses keineswegs darauf geschlossen werden, dass Leistungen nach dem SGB II beantragt werden sollen, zumal derartige Leistungen nach dem System des Forderns und Förderns auch mit Pflichten verbunden sind (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: BSG, Urteil vom 2. April 2014 – B 4 AS 29/13 R - juris Rn. 17). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass Y ausweislich des von dem Beklagten vorgelegten Gesprächsvermerks ausdrücklich erklärt hat, von der Beantragung von SGB II-Leistungen aus Angst vor Entdeckung bewusst abgesehen zu haben, so dass der Inanspruchnahme von Leistungen des Frauenhauses keine von wirklichen Willen abweichende Willenserklärung beigemessen werden kann.

Vor diesem Hintergrund kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass bereits am 22. Januar 2009 telefonisch durch die Leiterin des Frauenhauses ein Leistungsantrag für Y und die Kinder bei dem Beklagten gestellt wurde, welcher ggf. auch als Folgeantrag für die Zeit ab dem 1. Juli 2009 gewertet werden könnte. Wenn Y ausdrücklich keine Leistungen nach dem SGB II an ihrem Zufluchtsort beantragen wollte, kann sie die Leiterin des Frauenhauses auch nicht nach § 13 SGB X bevollmächtigt haben, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Dessen ungeachtet wäre für eine wirksame Antragstellung durch die Frauenhausleiterin auch erforderlich, dass eine Erklärung abgegeben worden ist, die vom kommunalen Träger der Leistungen so verstanden werden konnte, dass namens und in Vollmacht der aufgenommenen Personen ein - ggf. unverzüglich an die zuständige ARGE J. weiterzuleitender (§ 16 Abs. 2 S. 1 SGB I) - Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gestellt werden sollte (vgl. zu den Anforderungen an eine wirksame Antragstellung durch einen Vertreter: BSG, Beschluss vom 4. April 2017 - B 11 AL 93/16 B - Rn. 19). Dem aktenkundigen Telefonvermerk kann indes eine derartige Erklärung nicht entnommen werden, da es sich nach dem Wortlaut nur um eine Aufnahmemitteilung, wie sie in § 3 S. 4 der Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem DRK vom 26. Februar 2008 vorgesehen war, handelte und nach dem vereinbarten Procedere eine Prüfung und Bescheidung eines Leistungsbegehrens nach dem SGB II durch die örtliche ARGE auch gar nicht vorgesehen war. Dementsprechend ist die Aufnahmemitteilung vom Kläger ganz offensichtlich auch nicht als – an die ARGE J. weiterzuleitender - Leistungsantrag nach dem SGB II aufgefasst worden. Vielmehr hat der Kläger die Aufnahmemitteilung zunächst lediglich zu den Akten genommen.

Zwar kann eine Antragstellung nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bei Verletzung von Beratungspflichten fingiert werden. Auch wenn ein Beratungs- oder Auskunftsbegehren des Leistungsberechtigten – wie hier – nicht vorgelegen hat, besteht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dann eine Hinweis- und Beratungspflicht des Leistungsträgers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung in einem Sozialrechtsverhältnis dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Leistungsberechtigter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 – B 4 AS 29/13 R - juris Rn. 29 m. w. N.). Im vorliegenden Fall ist Y aber eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit – Antragstellung nach dem SGB II – nicht verborgen geblieben, sondern sie hat in Kenntnis dieser Gestaltungsmöglichkeit bewusst von ihrer Wahrnehmung abgesehen.

Der Einwand des Beklagten, eine Antragsaufnahme und die Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse würden dem Ziel der unbürokratischen und schnellen Hilfegewährung zuwiderlaufen, überzeugt nicht. § 36 a SGB II normiert – wie ausgeführt – lediglich einen Erstattungsanspruch, modifiziert aber nicht die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II und das Antragserfordernis. Das Leistungssystem des SGB II knüpft strikt an die Hilfebedürftigkeit des Anspruchsstellers an, so dass für Leistungen, die an Hilfesuchende im Frauenhaus gewährt werden, keine anderen Maßstäbe gelten können. Dementsprechend hat das BSG in den beiden genannten Urteilen vom 23. Mai 2012, die Erstattungsansprüche nach § 36 a SGB II betreffen, auch jeweils die Leistungsberechtigung der betroffenen Frauen nach dem SGB II geprüft und darauf hingewiesen, dass Ziel des § 36 a SGB II nicht die umfassende Finanzierung von Frauenhäusern ist. Es erschließt sich auch nicht, aus welchen Gründen die nach dem SGB II erforderliche Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse einer schnellen und unbürokratischen Hilfegewährung entgegenstehen soll. Die Frage der Kostenübernahme kann nach erfolgter Aufnahme geklärt werden und für das Frauenhaus J. kommt hinzu, dass die Finanzierung durch das vom Beklagten belegungsunabhängig zur Verfügung gestellte pauschale Budget ohnehin gesichert war mit der Folge, dass – wie der Kläger selbst vorträgt - durch die Aufnahme einer Frau keine Kostenansprüche des Frauenhauses ausgelöst wurden.

Nach alledem wäre von Seiten des Klägers darauf hinzuwirken gewesen, dass Y bei der zuständigen ARGE J. einen (Weiterbewilligungs-)Antrag stellte. Dabei ist die damalige Bedrohungslage der Y und ihrer Kinder nicht zu verkennen, allerdings hat Y während ihres Aufenthalts im Frauenhaus ausweislich der aktenkundigen Berichte des Frauenhaues und der vom Beklagten übersandten Leistungsakte durchaus Behördenangelegenheiten geregelt – u. a. die Agentur für Arbeit Q. telefonisch und schriftlich kontaktiert - und auch durch die nunmehr örtlich zuständige ARGE J. hätten Vorkehrungen dafür getroffen werden können, dass der Aufenthaltsort der Y und ihrer Kinder Dritten nicht bekannt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

Rechtskraft
Aus
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