Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 31.08.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine Rente wegen voller beziehungsweise teilweiser Erwerbsminderung.
Die 1965 geborene Klägerin hat eine Ausbildung zur Laborantin absolviert und zog 1994 aus Kasachstan in die Bundesrepublik Deutschland. Seither war sie als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 17.02.2020 ist die Klägerin arbeitsunfähig.
Vom 01.07.2020 bis zum 29.07.2020 war die Klägerin stationär im SRH Gesundheitszentrum H1 zur medizinischen Rehabilitation. Im Entlassungsbericht vom 04.08.2020 wurden eine Lumboischialgie, eine Gonarthrose beidseits, eine Polyarthrose, eine arterielle Hypertonie sowie eine Polyarthrose der Finger diagnostiziert. Die Klägerin sei unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden leistungsfähig. Vom 21.09.2020 bis 13.01.2021 absolvierte die Klägerin eine ambulante medizinische Rehabilitation in der R1-Reha-Tagesklinik F1. Im Entlassungsbericht vom 14.01.2021 wurden eine Lumboischialgie, eine Gonarthrose beidseits, eine Polyarthrose sowie eine Polyarthrose der Finger diagnostiziert.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 08.10.2020 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab an, dass sie sich seit dem Jahr 2005 infolge einer Polyarthrose sowie aufgrund von Lähmungserscheinungen der Finger, am Sprunggelenk sowie Arthrose im Knie für erwerbsgemindert halte.
Die Beklagte zog Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte bei und ließ sie am 01.06.2021 von M1 begutachten. Dieser kam zum Ergebnis, dass die Klägerin trotz der Polyarthrose beider Hände mit Z.n. Zugschraubenarthrodese am PIP-Gelenk am linken Zeigefinger, rezidivierendem Lumbalsyndrom bei degenerativen LWS-Veränderungen, Knorpelschäden beider Kniegelenke und Adipositas noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden verrichten könne. Ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Reinigungskraft sei ihr nur noch unter 3 Stunden täglich möglich.
Dieser ärztlichen Einschätzung folgend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.11.2020 den Antrag der Klägerin ab. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht eingeschränkt. Als Reinigungskraft sei sie nur noch unter 3 Stunden leistungsfähig, jedoch komme eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht in Betracht, da die Klägerin nach dem 02.01.1961 geboren sei.
Die Klägerin legte hiergegen am 24.11.2020 Widerspruch ein und führte an, dass sich ihr gesundheitlicher Zustand rapide verschlechtert habe und sie mit beiden Händen nur noch bedingt bis gar nicht greifen könne und sie unter Dauerschmerzen leide.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2021 zurück und führte aus, dass die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt seien.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 27.08.2021 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Er hat zur Klagebegründung vorgetragen, dass die Einschätzung des Gutachters unzutreffend und die Klägerin erwerbsgemindert sei. Er hat einen Bericht über eine Ganzkörperszintigraphie vom 02.12.2019 sowie Berichte des behandelnden M2 eingereicht.
Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen.
Der P1 hat mit Schreiben vom 20.01.2022 mitgeteilt, dass eine depressive Störung mit phasenweisen leichten Stimmungsschwankungen im Wesentlichen konstant vorhanden sei. Von orthopädischer Seite seien die Beschwerden in den Füßen und oberen Sprunggelenken hinzugekommen. Die Beschwerden durch die Polyarthrosen der Finger, die Wirbelsäulenbeschwerden und die Fibromyalgie seien konstant vorhanden. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, eine leichte Tätigkeit von 6 Stunden und mehr pro Tag auszuüben. Das Leistungsvermögen liege unter 3 Stunden. Die Klägerin habe schon Mühe, sich selbst zu versorgen.
Der B1 hat in seiner Stellungnahme vom 20.01.2022 ausgeführt, dass er seit 2020 eine Achillodynie links, eine Plantarfasziitis links, einen Fersensporn links, einen Hohl-Spreizfuss bds., eine chronische Lumbago bei Skoliose der LWS, Osteochondrosen der LWS L4-S1 und nach kaudal zunehmende Facettengelenksarthrosen diagnostiziert habe. Als vorbestehende Diagnosen vor 2020 bestünden eine bekannte mediale Gonarthrose bds., eine bekannte chronisch rezidivierende Cervicalgie bei degenerativen Veränderungen der HWS sowie eine bekannte Fibromyalgie. Die Klägerin sei in der Lage, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit mit leichter körperlicher Arbeit nachzugehen.
Der Prozessbevollmächtigte hat weitere Befundberichte eingereicht, darunter einen Operationsbericht vom 01.03.2022 über eine Ringbandspaltung und Tenolyse von J1 mit der Diagnose einer Tendovaginitis stenosans A1/D1 links sowie ein Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) B2 vom 04.02.2022 infolge der Corona-Pandemie nach Aktenlage im Rahmen eines Telefoninterviews über die Feststellung eines Pflegegrades II.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 07.04.2022 eine sozialmedizinische Stellungnahme des M3 vom 05.04.2022 eingereicht, wonach sich aus den vorgelegten Berichten keine Erwerbsminderung ergebe und eine telefonisch durchgeführte MDK-Pflegebegutachtung keine Begutachtung ersetze, wie sie von M1 durchgeführt worden sei.
Die Klägerin hat weitere Befundberichte über die Nachbehandlung nach der Operation am 01.03.2022 eingereicht.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 19.08.2022 unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme des M3 vom 18.08.2022 an der bisherigen Bewertung des Sachverhaltes festgehalten.
Das SG hat die Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 31.08.2022 abgewiesen. Die Klägerin sei trotz ihren gesundheitlichen Einschränkungen in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten und es liege daher keine rentenrechtlich relevante Erwerbsminderung vor. Während die behandelnde Hausärztin ein herabgesunkenes Leistungsvermögen von unter 6 Stunden annehme, gehe der behandelnde B1 davon aus, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten mehr als 6 Stunden auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne. Diese Einschätzung des Facharztes sei überzeugend, da sowohl B1 als auch P1 den Schwerpunkt der Beeinträchtigungen auf orthopädischen Fachgebiet sähen. Daher folge das SG der Einschätzung des B1. Auch stehe dies in Übereinkunft mit dem Gutachten des M1 sowie dem Rehaentlassungsbericht vom 04.08.2020. In dem Bericht der B3 vom 19.04.2021 werde die weitere Besserung der Beschwerdesymptomatik, überwiegend der somatischen Beschwerden, durch die Rehabilitation in H1 bestätigt. Insoweit überzeuge es nicht, warum das Leistungsvermögen von der B3 auf unter 3 Stunden eingeschätzt worden sei. Aus den im Klageverfahren eingereichten Befundberichten ergäben sich qualitative, aber keine quantitativen Einschränkungen. Die Belastungsinkontinenz Grad II bei Beckenbodeninsuffizienz sei durch eine retropubische Bandeinlage mit unkompliziertem Verlauf behandelt und gebessert worden.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat gegen den ihm 06.09.2022 zugestellten Gerichtsbescheid am 06.10.2022 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Das SG sei sachwidrig zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin trotz ihren gesundheitlichen Einschränkungen in der Lage sei, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten und daher keine Erwerbsminderung vorliege. Dies sei falsch. Es sei ein Obergutachten einzuholen und die Klägerin sei anzuhören.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 31.08.2022 sowie den Bescheid vom 12.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 17.08.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsminderung, ggf. auf Zeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid verwiesen. Die Beklagte hat ergänzend einen Rehaentlassungsbericht vom 03.01.2023 über eine ganztägig ambulante Rehabilitationsmaßnahme vom 12.12.2022 bis zum 03.01.2023 in der R1-RehaTagesklinik F1 eingereicht, welcher folgende Diagnosen enthält:
Lumbalgie bei Bandscheibenvorfall L3/4 und L5/S1 sowie relativer Stenose L4/5 und rezessale Enge L4/5 (MRT: 12.10.22),
degenerative LWS-Veränderungen mit Spondylarthrosen, Osteochondrose, Skoliose LWS,
Knieschmerzen rechts bei primärer med. Gonarthrose. Bewegungs- und Gehstreckeneinschränkung (Röntgen:07/1),
Polyarthrose Fingergelenke links > rechts mit Z.n. Versteifung D2 li. mit deutlicher Funktionseinschränkung,
Schulterschmerzen rechts unklarer Ursache,
Fibromyalgie, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Tendovaginitis.
Der Klägerin seien noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im zeitlichen Umfang von 6 Stunden arbeitstäglich zumutbar.
Der Senat hat S1 mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In seinem am 04.02.2023, aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 01.02.2023 erstellten Gutachten hat S1 fortgeschrittene Fingergelenkarthrosen beidseits, eine Osteochondrose und Spondylarthrose der LWS, eine mediale Gonarthrose rechts sowie eine Akromioklavikulargelenkarthrose rechts diagnostiziert. Die Klägerin könne noch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, überwiegend sitzend mit gelegentlichem Gehen und Stehen 6 Stunden arbeitstäglich verrichten.
Die Klägerin hat weitere Befundberichte eingereicht.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheiden konnte, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.
Der angefochtene Bescheid vom 12.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 17.08.2021 ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin wird hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt. Sie hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung. Daher hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Anspruchsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich – bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche - ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Ausgehend hiervon lässt sich für den Zeitraum seit der Antragstellung eine volle oder auch nur teilweise Erwerbsminderung der Klägerin nicht zur Überzeugung des Senats nachweisen, so dass der geltend gemachte Anspruch nicht besteht. Das Gericht entscheidet dabei nach § 128 Abs. 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Absolute Gewissheit ist nicht erforderlich, aber an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Gewisse Zweifel sind unschädlich, so lange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (MKLS/Keller SGG 13. Aufl. 2020 § 128 Rdnr. 3b).
Grundlage dieser Überzeugung sind das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von M1 vom 01.06.2021 sowie die Rehaentlassungsberichte vom 04.08.2020, vom 14.01.2021 sowie vom 03.01.2023, welche der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet sowie das im Berufungsverfahren eingeholte orthopädische Gutachten von S1 vom 04.02.2023. Der Senat stellt fest, dass die Klägerin an fortgeschrittenen Fingergelenkarthrosen beidseits, einer Osteochondrose und Spondylarthrose der LWS, einer mediale Gonarthrose rechts sowie einer Akromioklavikulargelenkarthrose rechts leidet. Eine Erwerbsminderung liegt jedoch nicht vor. Auch das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 31.08.2022 zutreffend dargelegt, dass der Klägerin noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 6 Stunden und mehr arbeitstäglich zumutbar sind.
Der Senat kann anhand den von M1 auf orthopädischem Fachgebiet erhobenen Befunden keine zeitliche Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten feststellen. Die Schultergelenke waren frei beweglich, der Nacken- und Schürzengriff problemlos durchführbar. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule in der Rotation und Seitneigung war leicht eingeschränkt. Das Lasèguesche Zeichen als möglicher Hinweis für eine Wurzelkompression war beidseits negativ. Die wesentliche Einschränkung zeigte sich im Bereich der Fingergelenke durch die arthrotischen Veränderungen. So war der Faustschluss beidseitig nicht vollständig durchführbar und die grobe Kraft deutlich herabgesetzt. Hieraus resultiert eine qualitative Leistungseinschränkung für die Tätigkeiten mit Anforderungen an die Handkraft sowie Feinmotorik. Es lag jedoch noch keine vollständige Gebrauchsunfähigkeit der Hände vor. Dies belegt auch die Tatsache, dass keine nennenswerten Muskelatrophien im Bereiche der Arme erkennbar waren. Im Übrigen lagen keine höhergradigen Einschränkungen der Beweglichkeit der unteren Extremitäten vor. M1 kommt somit schlüssig zum Ergebnis, dass noch leichte Tätigkeiten 6 Stunden arbeitstäglich zumutbar sind. Diese Einschätzung entspricht auch der Leistungsbeurteilung im Rehaentlassungsbericht vom 04.08.2020 von V1 von der Rehaklinik H1. Danach bestand noch ein 6- stündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten, vorzugsweise im Wechselrhythmus. Auszuschließen sind häufiges Heben und Tragen von Lasten über 10 kg des Körpergewichts, das Ersteigen von Leitern und Gerüsten sowie andauernde körperliche Zwangshaltungen, ständig oder überwiegend im Gehen oder Stehen zu verrichtende Tätigkeiten, Arbeiten in einseitiger Haltungskonstanz, ständig im Sitzen zu verrichtende Arbeiten, Arbeiten mit besonderer Anforderung an die Stand- und Gangunsicherheit sowie Tätigkeiten mit Handbelastungen oder Zwangsbewegungen. Auch der ab 2021 regelmäßig behandelnde B1 hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 20.01.2022 gegenüber dem SG noch ein ausreichendes Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten bestätigt. Soweit der P1 das Leistungsvermögens als auf unter 3 Stunden abgesunken ansieht, ist dies nicht nachvollziehbar, da nach seinen Aussagen die Diagnostik und Behandlung hauptsächlich durch die Fachärzte erfolgt. P1 hat keine eigenen Befunde mitgeteilt, welche eine abweichende Leistungsbeurteilung rechtfertigen könnten. Bezüglich der von P1 mitgeteilten depressiven Episode stellt der Senat mit dem Bericht der seit dem 09.03.2020 behandelnden B3 vom 19.04.2021 fest, dass die Symptomatik durch Rehabilitationsmaßnahme leicht gebessert wurde. Sofern die B3 das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter 3 Stunden ansetzt, überzeugt dies auch unter Berücksichtigung der von ihr mitgeteilten Befunde nicht. So entnimmt der Senat dem Bericht vom 19.04.2021, dass ein wesentlicher Auslöser für die depressive Symptomatik eine schwierige Arbeitsplatzsituation war. Der bei M1 mitgeteilte Tagesablauf ist dagegen unauffällig mit noch erhaltener sozialer Partizipation und guter sozialer und familiärer Integration. Auch konnten bei der Rehabilitationsmaßnahme in H1 im Juli 2020 keine Anhaltspunkte für eine depressive Verstimmung bzw. kognitive oder mnestischen Defizite festgestellt werden. Weitere Befunde auf psychiatrischem Fachgebiet liegen nicht vor. Der Senat kann daher auch auf diesem Fachgebiet keine schwerwiegende und dauerhafte Leistungsbeeinträchtigung feststellen. Der Senat schließt sich daher der Leistungseinschätzung des SG unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung, die der Senat nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage für zutreffend erachtet, an und sieht in der Folge von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Lediglich ergänzend führt der Senat aus, dass die Leistungseinschätzung des SG durch die Beweiserhebung des Senats im Berufungsverfahrens bestätigt wird. Der Senat stellt mit dem Gutachten von S1 vom 04.02.2023 fest, dass die Klägerin an fortgeschrittenen Fingergelenkarthrosen beidseits, einer Osteochondrose und Spondylarthrose der LWS, einer mediale Gonarthrose rechts sowie einer Akromioklavikulargelenkarthrose rechts leidet, sie jedoch noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten im zeitlichen Umfang von 6 Stunden arbeitstäglich zu verrichten. S1 führt bezüglich der von der Klägerin angegeben Einschränkungen im Schultergelenk aus, dass die aktive Beweglichkeit stark eingeschränkt demonstriert worden sei. Passiv sei die Beweglichkeit nahezu frei, dabei spanne die Klägerin aktiv gegen die Untersuchungsrichtung an. Der Muskelaufbau an Unter- und Oberarm beidseits war normentsprechend, was gegen eine tatsächliche Schonung des Gelenkes spricht. Die Belastbarkeitsminderung der Fingergelenke zeigte sich auch bei der Untersuchung durch S1. Der Faustschluss war beidseits nur inkomplett möglich mit deutlicher Schwellung und Deformierung sämtlicher Fingergelenke und Zustand nach Versteifung des PIP - Gelenks. Die Beschwielung der Hände war leicht vermindert. Allerdings konnte auch S1 keine vollständige Aufhebung der Funktionsfähigkeit der Hände feststellen. So waren der Spitzgriff, Schlüsselgriff und Grobgriff zwar beidseits erschwert, aber noch möglich. Es bestanden auch keine Hinweise auf motorische, sensible oder vaskuläre Störungen im Bereich der Hände. S1 konnte somit keine Verschlechterung der Einsatzfähigkeit der Fingergelenke im Vergleich zur den Rehaentlassungsberichten sowie der Begutachtung bei M1 feststellen. Im Bereich der Wirbelsäule lagen keine schwerwiegenden Bewegungseinschränkungen oder Hinweise auf Nervenwurzelreizerscheinungen vor. Das Zeichen nach Lasègue war negativ. Der durch die vorhandenen degenerativen Veränderungen reduzierten Belastbarkeit ist daher durch den Ausschluss von schweren und mittelschweren Tätigkeiten ausreichend Rechnung getragen. Auch die Hüft- und Kniegelenke waren gut beweglich ohne Hinweise auf eine sozialmedizinisch relevante Funktionseinschränkung. S1 sieht im Ergebnis keine wesentliche Verschlechterung des Zustandes der Klägerin im Vergleich zur Rehabilitationsmaßnahme im Juli 2020. Er kommt daher für den Senat schlüssig und überzeugend zum Ergebnis, dass der Klägerin noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, überwiegend im Sitzen mit gelegentlichem Gehen und Stehen noch 6 Stunden arbeitstäglich zumutbar sind.
Auch aus dem Rehaentlassungsbericht vom 03.01.2023 von W1 lässt sich keine Absenkung des Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten auf unter 3 Stunden ableiten. Leichte Tätigkeiten im zeitlichen Umfang von 6 Stunden werden unter Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen für zumutbar erachtet. Der Belastungsminderung der Fingergelenke wird durch den Ausschluss von Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Handkraft Rechnung getragen. Auch ist bezüglich der vorgetragenen Verschlechterungen insbesondere der depressiven Symptomatik zu beachten, dass während der Rehabilitationsmaßnahme eine regelrechte und ausgeglichene Stimmungslage ohne fassbare mnestische Einbußen mit normalem Antrieb verzeichnet wurden. Zugleich wurde notiert, dass ein deutlich geäußerter Versorgungswunsch und Rentenbegehren bestehe. Auch entnimmt der Senat dem Bericht, dass die Psychotherapie der Klägerin gutgetan hat und daher die Durchführung einer psychosomatischen Rehabilitation empfohlen wird. Die Symptomatik ist daher Behandlungsmaßnahmen zugänglich. Auch liegt nach den anamnestischen Angaben bei der Begutachtung durch S1 noch keine höhergradige Antriebsminderung oder ein sozialer Rückzug vor. Die Klägerin hat einen geregelten Tagesablauf mit Interessen/Hobbies für Blumen, Katzen, Spazierengehen im zeitlichen Umfang von maximal einer Stunde sowie Training auf dem Heimtrainer angegeben. Auch verrichtet sie leichtere Tätigkeiten im Haushalt zusammen mit der Tochter und dem Ehemann und verbringt Zeit mit den Enkelkindern. Eine Interessenlosigkeit, Antriebsminderung oder soziale Desintegration bestehen nicht. Der Senat kann daher keine höhergradige Einschränkung durch die depressive Erkrankung feststellen. Der neurologische Bericht vom 09.02.2023 zur Abklärung einer subjektiv wahrgenommenen Gedächtnis- und Orientierungsstörung von S2 konnte keine konkrete Ursache benennen. Die Kriterien für eine dementielle Entwicklung waren nicht erfüllt. Bei der Begutachtung durch S1 war die Klägerin indes noch in der Lage, die Fragen des Gutachters zu verstehen und zu beantworten. Eine kognitive Leistungseinschränkung ist daher diagnostisch nicht gesichert. Angesichts der auch von S1 erwähnten Aggravationstendenzen mit betonter, klagender Schmerzäußerung und teilweise ruckartigem Gegenspannen gegen die Untersuchungsrichtung kann allein auf der Grundlage einer von der Klägerin subjektiv wahrgenommenen Gedächtnis- und Orientierungsstörung ohne diagnostische Verifizierung keine Erwerbsminderung angenommen werden.
Insgesamt konnte der Senat unter Berücksichtigung der festgestellten Gesundheitsstörungen feststellen, dass die Klägerin noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes leichte Tätigkeiten arbeitstäglich 6 Stunden auszuüben. Sie hat jedoch die in den Rehaentlassungsberichten sowie in den Gutachten von M1 und S1 dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen zu beachten. Der Senat konnte dieses Leistungsvermögen bezogen auf den Zeitpunkt des Rentenantrages sowie seither ununterbrochen feststellen. Insoweit führen auch weder körperliche und seelische Erkrankungen und Behinderungen zu einer zeitlichen, also quantitativen Limitierung des Leistungsvermögens noch ergibt sich aus den qualitativen Leistungseinschränkungen einzeln oder in Kombination eine solche zeitliche (quantitative) Einschränkung der Leistungsfähigkeit oder eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes. Es liegt auch weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die trotz zeitlich nicht relevant eingeschränktem Leistungsvermögen eine rentenrechtliche Erwerbsminderung annehmen lassen. Eine solche spezifische Leistungseinschränkung folgt insbesondere nicht aus der Belastbarkeitsminderung der Fingergelenke. Der Senat kann mit den Gutachten von M1 und S1 keine vollständige Aufhebung der Gebrauchsfähigkeit der Fingergelenke feststellen. Die Bewegungseinschränkung und Kraftminderung führt somit nur zum Ausschluss von Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen die Fingerkraft und Feinmotorik. Eine spezifische Leistungseinschränkung liegt dagegen nicht vor.
Der Senat kann auch keine Einschränkung der Wegefähigkeit feststellen. Fehlende Wegefähigkeit liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 Meter mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.10.2017 – L 1 R 435/14 –, juris). S1 konnte bei seiner Begutachtung keine Einschränkung der Wegefähigkeit feststellen. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit liegt somit nicht vor.
Die Klägerin ist damit nicht erwerbsgemindert. Sie hat daher keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI. Auch für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI liegen die Voraussetzungen nicht vor.
Einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit steht der 1965 geborenen Klägerin schon aus Rechtsgründen nicht zu (§ 240 Abs. 1 SGB VI).
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben zusammen mit dem Gutachten von M1 aus dem Verwaltungsverfahren sowie dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten von S1 dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren hat keinen Anlass zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen gegeben.
Die Berufung der Klägerin war daher in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2619/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 2952/22
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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