B 2 U 1/23 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Unfallversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 39 U 353/15
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 185/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 1/23 R
Datum
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

1. Ein über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereichtes Dokument ist erst dann wirksam bei Gericht eingegangen, wenn es ausweislich der dem Absender zu erteilenden automatisierten Eingangsbestätigung auf dem gerade für dieses Gericht eingerichteten Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach gespeichert worden ist.

2. Es gehört zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten, das Kanzleipersonal dahingehend zu belehren und zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen, dass Erhalt und Inhalt der Eingangsbestätigung nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs stets zu kontrollieren sind.

3. Ein elektronisches Dokument, das aus einem beA versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden, wenn die das Dokument signierende und somit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt.

4. Inhaber eines beA dürfen das Recht, nicht qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nicht auf andere Personen, auch nicht auf Kanzleimitarbeiter übertragen.

5. Ein Verstoß gegen das Überlassungsverbot führt zur Unwirksamkeit formgebundener Rechtsmittel.

 

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 16. September 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

G r ü n d e :

I

1
Die Beteiligten streiten ua über die Anerkennung eines Sturzes der Klägerin am 5.5.2015 als Arbeitsunfall im Rahmen der Schülerunfallversicherung. Die Beklagte lehnte dies sowie die Erstattung von Kosten für Heilbehandlung ab dem 8.8.2015 ab (Bescheid vom 7.8.2015; Widerspruchsbescheid vom 3.11.2015). Das SG hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen, das LSG die Berufung zurückgewiesen (Gerichtsbescheid vom 5.11.2019; Urteil vom 16.9.2021). Der Senat hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin die Revision bzgl der Anerkennung des Ereignisses vom 5.5.2015 als Arbeitsunfall zugelassen und die Nichtzulassungsbeschwerde im Übrigen als unzulässig verworfen (Beschluss vom 10.11.2022). Der Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22.11.2022 zugestellt worden.

2
Mit Schriftsatz vom 19.12.2022, eingegangen beim BSG am 10.1.2023, hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten gegen das Urteil des LSG Revision eingelegt. Mit Schriftsatz vom 9.1.2023, eingegangen beim BSG am 10.1.2023, hat sie beantragt, ihr wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zugleich hat sie nochmals Revision eingelegt und diese begründet.

3
Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ua ausgeführt, sich nach Eingang des Zulassungsbeschlusses am 22.11.2022 von der Eintragung der Frist zur Einlegung der Revision am 22.12.2022 und von der Vorfrist am 15.12.2022 in den Fristenkalender persönlich überzeugt zu haben. Am 14.12.2022 habe er die Revisionseinlegung diktiert. In der Nacht zum 15.12.2022 sei er erkrankt. Am 15.12.2022 habe sein Hausarzt eine Lungenentzündung festgestellt, ihn an einen Lungenfacharzt überwiesen und ihm strikte Bettruhe verordnet. Er habe die Kanzlei unterrichtet, alle Termine absagen lassen und zugleich ua die Anweisung erteilt, die angefertigten Entwürfe ihm zur Unterzeichnung vorzulegen. Am 19.12.2022 habe ihn die Kanzleiangestellte R in seiner Wohnung aufgesucht und ihm die Revisionsschrift im gegenständlichen Verfahren zur Unterzeichnung vorgelegt. Die unterzeichnete Revisionsschrift habe sie an sich genommen und die Wohnung verlassen. Später am selben Tag habe die Kanzleiangestellte ihn über den Versand der Revisionsschrift über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) unterrichtet, die Absendung sei im beAOrdner "Gesendet" aufgeführt. Am 22.12.2022 habe die Kanzleiangestellte ihn weisungsgemäß kurz vor Dienstschluss angerufen und sei mit ihm die Eintragungen im Fristenkalender durchgegangen. Für das gegenständliche Verfahren habe sie mitgeteilt, dass die Revisionsschrift abgesendet, der Zugang am BSG geprüft und die Frist am 19.12.2022 gestrichen worden sei. Am 28.12.2022 habe der Bevollmächtigte einen Anruf des BSG erhalten und ihm sei mitgeteilt worden, dass eine Revisionsschrift nicht eingegangen sei.

4
Die Kanzleiangestellte sei seit November 2006 in der Kanzlei beschäftigt und habe bisher stets zuverlässig gearbeitet. Sie unterliege der ständigen Überwachung des Bevollmächtigten durch regelmäßige Einzelfallkontrollen anhand des Fristenkalenders. Sie habe sich bis zur Führungskraft der Rechtsanwaltsfachangestellten und Auszubildenden hochgearbeitet, leite seit 2017 die anderen Fachangestellten der Kanzlei an und überwache diese. Die Kontrolle habe der Bevollmächtigte auf die Leitungstätigkeit ausgedehnt. Die Kanzleiangestellte habe auch anlässlich früherer Erkrankungen des Bevollmächtigten, verbunden mit Bettlägerigkeit, beanstandungs und tadellos gearbeitet. Regelmäßige Überwachungsmaßnahmen und Kontrollen durch den Bevollmächtigten hätten nie Anlass zu Beanstandungen gegeben.

5
Mit Eidesstattlicher Versicherung vom 2.1.2023 hat die Kanzleiangestellte ausgeführt, dass sie am 19.12.2022 nach Rückkehr vom erkrankten Bevollmächtigten die von ihm unterzeichnete Revisionsschrift eingescannt habe. Anschließend habe sie das beAProgramm geöffnet und die verlangte Geheimzahl zweimal eingegeben. Das Programm habe sich geöffnet und die Arbeit mit ihm zugelassen. Sie habe die Revisionsschrift vom 19.12.2022 und die Nichtzulassungsbeschwerde vom 6.1.2022 hochgeladen und sich im Anschluss über das Feld "der Lupe" davon überzeugt, dass beide Schriftsätze vollständig eingelesen gewesen seien. Dann habe sie diese gesendet und sich unter dem Postfach "Gesendet" davon überzeugt, dass die Nachricht abgegangen sei. Dort sei der Zugang für die gleiche Zeit der Absendung vermerkt gewesen. Die Kanzleiangestellte habe dann die Frist aus dem Fristenkalender gestrichen und dem Bevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, dass die Revision abgesandt worden sei, sie die Absendung überprüft habe und das Programm ihr angezeigt habe, dass die Revision abgesandt worden sei. Am 22. und 23.12.2022 seien sie zusammen in der Wohnung des Prozessbevollmächtigten Fristen durchgegangen und sie habe ihn davon unterrichtet, dass auch die Schriftsätze im gegenständlichen Verfahren abgesandt seien.

6
Am 2.1.2023 sei sie vom Prozessbevollmächtigten angesprochen und über den Anruf des BSG informiert worden, wonach eine Revisionsschrift nicht eingegangen sei. Er habe ihr mitgeteilt, in dem Postfach "Gesendet" einen Sendenachweis nicht aufgefunden zu haben. Sie habe dem Prozessbevollmächtigten die eingescannte und unter dem 19.12.2022 dokumentierte Datei gezeigt. Sie könne sich nicht erklären, weshalb die Nachricht dort nicht mehr auffindbar sei. Sie habe gehört, dass am Amtsgericht (AG) Dresden mehr als 1000 Nachrichten verschwunden seien und es auch keine Kontrolle wegen versendeter Nachrichten gebe. Sie ordne das Ganze einem Programmfehler zu, sie sei mit dem Programm geübt und nutze es seit ca zwei Jahren, auch im Zeitraum 18.12. bis 23.12.2022 habe sie das Programm bzgl ein und ausgehender Schriftsätze, Briefe und Verfügungen usw genutzt.

7
Die Klägerin hat sich im Weiteren auf § 130d ZPO berufen, der einen eigenständigen Wiedereinsetzungsgrund beinhalte. Zudem schreibe § 53 Abs 1 Nr 2 BRAO keine generelle Vorsorge vor, sondern verlange erst ein Einschreiten, wenn ein Anwalt länger als eine Woche gehindert sei, seinen Beruf auszuüben. Die Beschaffung einer beAKarte für einen Vertreter nehme eine Woche in Anspruch, sie wäre daher bei Bestellung am 15.12.2022 erst am 22.12.2022 eingetroffen. Die Zugangskontrolle sei wirksam und ausreichend gewesen. Es gebe keine rechtliche Verpflichtung, unverzüglich ein Prüfprotokoll abzurufen und zu archivieren. Die Archivierungen lasse das Programm drei Monate lang zu, diese Tätigkeit habe der Bevollmächtigte der Kanzleiangestellten überlassen, die ihrerseits darin geübt sei. Schließlich sei das beAVerfahren immer noch sehr fehlerbehaftet, wie er in Verfahren vor dem AG Dresden mitbekommen habe. Es gebe auch chronologische Störungsprotokolle, aus denen sich die Häufigkeit der Programmausfälle ergebe.

8
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Revision wegen Verfristung unzulässig ist und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren ist. Die Kanzleiangestellte habe nur die Kontrolle der Versendung des Schriftsatzes dargelegt, nicht dagegen die Kontrolle auch des Empfangs beim BSG. Ein entsprechendes Prüfprotokoll sei nicht exportiert und archiviert worden. Eine dahingehende Einweisung des Prozessbevollmächtigten sei offenbar nicht erfolgt. Der Deutsche Anwaltverein habe Empfehlungen für die Verfahrensweise beim Versenden aus dem beA ausgesprochen, die nicht beachtet worden seien. Unabhängig davon hätte die Revisionsschrift elektronisch nur von der Person versandt werden dürfen, die sie unterzeichnet und die Verantwortung dafür übernommen hat. Der Prozessbevollmächtigte hätte vorliegend auch noch rechtzeitig eine anwaltliche Vertretung einschalten können.


II

9
Die Revision ist durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist (§ 169 SGG). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.

10
1. Die Revision ist nicht fristgerecht eingelegt worden. Nach § 164 Abs 1 SGG ist die Revision beim BSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich einzulegen. Die Klägerin hätte daher nach Zustellung des mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschlusses des Senats vom 10.11.2022 über die Zulassung der Revision an ihren Prozessbevollmächtigten am 22.11.2022 bis zum Ablauf des 22.12.2022 die Revision einlegen müssen (§ 160a Abs 4 Satz 4 iVm § 64 Abs 1, 2 SGG). Dem genügt die auf den 19.12.2022 datierte, aber erst am 10.1.2023 beim BSG eingegangene Revisionsschrift nicht. Kann bei Gericht - wie hier - ein fristwahrender Eingang einer elektronisch eingereichten Rechtsmittelschrift nach § 65a Abs 1 SGG nicht festgestellt werden, obliegt es zunächst dem Rechtsmittelführer, den Eingang durch Vorlage der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 65a Abs 5 Satz 2 SGG darzulegen. Ein elektronisch eingereichtes Dokument ist erst dann gemäß § 65a Abs 5 Satz 1 SGG wirksam bei Gericht eingegangen, wenn es auf dem gerade für dieses Gericht eingerichteten EmpfängerIntermediär im Netzwerk für das Elektronische Gerichts und Verwaltungspostfach (EGVP) gespeichert worden ist. Den Nachweis darüber erbringt die dem Absender zu erteilende automatisierte Eingangsbestätigung nach § 65a Abs 5 Satz 2 SGG, die vom Absender zu kontrollieren und zu Nachweiszwecken zu archivieren ist. Sobald eine Nachricht über das beA im EGVP eingeht, wird an den Absender eine Eingangsbestätigung übermittelt, die ihm unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschafft, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind (vgl zB zu der gleichlautenden Vorschrift des § 130a Abs 5 Satz 1 ZPO BGH Beschlüsse vom 30.3.2023  III ZB 13/22  juris RdNr 10 ff, vom 30.11.2022  IV ZB 17/22  juris RdNr 8, 10 und vom 11.5.2021  VIII ZB 9/20  juris RdNr 18, 22, 47; zu § 46c Abs 5 Satz 2 ArbGG BAG Beschluss vom 7.8.2019  5 AZB 16/19  BAGE 167, 221 = juris RdNr 23; Müller, NZS 2023, 586, 587; Radke, jM 2022, 449, 454; BTDrucks 17/12634 S 37 iVm S 26). Der bloße Vortrag des Prozessbevollmächtigten und seiner Kanzleiangestellten, diese habe am 19.12.2022 sowohl den Status "Gesendet" als auch einen Zugang am BSG geprüft, genügt daher nicht den Anforderungen an einen Nachweis eines Eingangs auf dem Intermediär iS von § 65a Abs 5 Satz 1 SGG.

11
2. Der Klägerin ist auch nicht antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionseinlegungsfrist zu gewähren (§ 67 Abs 1 SGG). Denn sie hat entgegen § 67 Abs 2 Satz 2 SGG nicht glaubhaft gemacht, dass sie iS von Abs 1 dieser Vorschrift ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Einlegungsfrist gehindert war, weil auch ein gewissenhaft und sachgerecht Prozessführender, der so sorgfältig handelt, wie die konkrete Situation es verlangt, die Einlegungsfrist unvermeidbar versäumt hätte (BSG Beschluss vom 19.4.2022  B 2 U 70/21 B  juris RdNr 5 mwN; zu diesem Maßstab grundsätzlich BSG Beschluss vom 10.12.1974 GS 2/73 BSGE 38, 248 = SozR 1500 § 67 Nr 1 = juris RdNr 18 mwN). Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten selbst ist einem Prozessbeteiligten stets zuzurechnen (§ 73 Abs 6 Satz 7 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO). Ein Verschulden weiterer von dem Prozessbevollmächtigten herangezogenen Bediensteten ist einem Prozessbeteiligten nur dann nicht zuzurechnen, wenn deren Fehlverhalten Aufgaben betrifft, die auf sie delegiert werden durften und wenn sie sorgfältig ausgewählt, angeleitet und überwacht wurden (BSG Beschlüsse vom 19.4.2022  B 2 U 70/21 B  juris RdNr 8, vom 1.11.2017  B 14 AS 26/17 R  juris RdNr 5 und vom 29.4.2014  B 10 ÜG 5/13 R  juris RdNr 5, jeweils mwN).

12
Die Klägerin macht zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags geltend, dass ihr Prozessbevollmächtigter den Versand der  von ihm durch handschriftliche Unterschrift signierten  Revisionsschrift vom 19.12.2022 mittels seines beAZugangs der bewährten Kanzleiangestellten überlassen hat, die ihrerseits den Sendevorgang kontrolliert habe. Dieser Vortrag erlaubt indes nicht den Schluss auf die Einhaltung der Sorgfalt eines gewissenhaft und sachgerecht Prozessführenden.

13
Der Prozessbevollmächtigte muss alles ihm Zumutbare tun und veranlassen, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird. In seiner eigenen Verantwortung liegt es, das Dokument gemäß den gesetzlichen Anforderungen entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) zu versehen oder die Einreichung des einfach signierten elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übermittlungsweg vorzunehmen (vgl BGH Beschluss vom 19.1.2023  V ZB 28/22  juris RdNr 16 mwN).

14
Hier hat der Prozessbevollmächtigte indes durch die aktive Überlassung des beAZugangs (einschließlich der ZertifikatsPIN) (dazu a) sowie durch mangelhafte Anweisung an seine Mitarbeiterin (Organisationsverschulden) (dazu b) diese Pflichten schuldhaft verletzt. Eine "Wiedereinsetzung" wegen § 65d Satz 3 SGG scheidet ebenfalls aus (dazu c).

15
a) Der Zugang der Revisionsschrift vom 19.12.2022 hat nach dem Vortrag des Bevollmächtigten am 22.12.2022 stattgefunden. Ein Eingang konnte beim BSG jedoch nicht verzeichnet und vom Prozessbevollmächtigten auch nicht dargelegt werden (dazu bereits 1). Unabhängig davon hätte eine solche Revisionsschrift auch bei feststellbarem Eingang die Formerfordernisse des § 65a SGG einhalten müssen.

16
Gemäß § 164 Abs 1 Satz 1 SGG ist die Revision beim BSG schriftlich einzulegen. Nach § 65a Abs 1 SGG kann anstelle des Schriftsatzes ein elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Seit dem 1.1.2022 sind insbesondere Rechtsanwälte und Behörden zur Übermittlung eines elektronischen Dokuments verpflichtet; die Einreichung als Schriftstück oder Telefax wahrt seitdem nicht mehr die vorgeschriebene Form (vgl § 65d Satz 1 SGG idF von Art 4 Nr 4 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 mWv 1.1.2022, BGBl I 3786; s auch BTDrucks 17/12634 S 14, 37 iVm S 27, BTDrucks 17/13948 S 16). Das elektronische Dokument muss von der verantwortenden Person entweder mit einer qeS versehen sein (§ 65a Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGG) oder von ihr (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 65a Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGG). Ein sicherer Übermittlungsweg ist ua der Übermittlungsweg zwischen einem beA nach § 31a BRAO und der elektronischen Poststelle des Gerichts (65a Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGG; s auch § 19 Abs 1 Satz 1 der Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer  Rechtsanwaltsverzeichnis und -postfachverordnung  RAVPV).

17
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wurde in der Rechtsmittelbelehrung des Zulassungsbeschlusses vom 10.11.2022 auf die zwingenden Formerfordernisse hingewiesen. Nach seinem Vortrag wollte er diese dadurch einhalten, dass seine Kanzleiangestellte am 19.12.2022 die von ihm handschriftlich unterschriebene Revisionsschrift mittels seines beAZugangs unter Verwendung seiner ZertifkatsPIN an das EGVP des BSG übermitteln sollte. Die handschriftliche Unterzeichnung mit nachfolgendem Einscannen erfüllte zwar die Voraussetzungen der einfachen Signatur iS von § 65a Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGG (BSG Beschlüsse vom 18.1.2023  B 2 U 74/22 B  juris RdNr 9 mwN und vom 16.2.2022  B 5 R 198/21 B  juris RdNr 9 mwN). Während qualifiziert elektronisch signierte Schriftsätze indes von jedermann versendet werden dürfen (§ 65a Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGG), müssen Schriftsätze mit einer einfachen Signatur von der Person versendet werden, die den Schriftsatz verantwortet ("Personenidentität", § 65a Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGG). Die das Dokument signierende und somit verantwortende Person muss mit der des tatsächlich Versendenden übereinstimmen (zB BSG Beschlüsse vom 18.1.2023  B 2 U 74/22 B  juris RdNr 8, vom 16.2.2022  B 5 R 198/21 B  juris RdNr 7 mwN und vom 18.11.2020  B 1 KR 1/20 B  SozR 41500 § 65a Nr 6 RdNr 11 mwN; s auch BTDrucks 17/12634 S 37 iVm S 25; Tiedemann, jM 2023, 16, 17). Anderenfalls wäre nicht hinreichend gesichert, dass der Versand des nur einfach signierten Dokuments von demjenigen, der es verantwortet und daher signiert hat, authentifiziert war. So war es auch Wille des Gesetzgebers bei der Einführung von § 65a SGG, dass die das Dokument verantwortende Person das Dokument entweder mit einer qeS versieht oder einen sicheren Übermittlungsweg wählt. Beides richtet sich an die das Dokument verantwortende Person. Durch die (einfache) Signatur wird die Identifizierung des Urhebers des Dokuments ermöglicht sowie dessen unbedingter Wille zum Ausdruck gebracht, die volle Verantwortung für den Inhalt des Dokuments zu übernehmen und es bei Gericht einzureichen (BTDrucks 17/12634 S 37 iVm S 25; s auch BSG Beschlüsse vom 18.1.2023  B 2 U 74/22 B  juris RdNr 8 und vom 16.2.2022  B 5 R 198/21 B  juris RdNr 10 mwN; BGH Beschluss vom 19.1.2023  V ZB 28/22  juris RdNr 10 mwN; BVerwG Beschluss vom 12.10.2021  8 C 4/21  juris RdNr 4 mwN; BAG Beschluss vom 5.6.2020  10 AZN 53/20  BAGE 171, 28 = juris RdNr 14 ff). Bei der Übermittlung eines Dokuments mit einer nichtqualifiziert elektronischen Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg durch einen Rechtsanwalt muss daher für den Empfänger feststellbar sein, dass die Nachricht von dem Rechtsanwalt selbst versandt wurde (§ 20 Abs 3 RAVPV). Entsprechend dürfen Inhaber eines beA gemäß § 23 Abs 3 Satz 5 RAVPV das Recht, nichtqualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nicht auf andere Personen übertragen. Sie dürfen das für sie erzeugte Zertifikat keiner weiteren Person überlassen und haben die dem Zertifikat zugehörige ZertifikatsPIN geheim zu halten (§ 26 RAVPV).

18
Der Versand von (nur) einfach signierten Schriftsätzen darf demnach auch nicht Kanzleimitarbeitern überlassen werden (BSG Beschluss vom 18.1.2023  B 2 U 74/22 B  juris RdNr 8; BVerwG Beschluss vom 12.10.2021  8 C 4/21  juris RdNr 4 ff; s auch Radke, jM 2022, 449, 453; BRDrucks 417/16, S 36, 39, 41). Die absolute Höchstpersönlichkeit des Versandes durch die signierende Person im Fall des § 65a Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGG folgt neben dem Wortlaut der Norm aus deren Sinn und Zweck. Denn nur dann, wenn der Empfänger im Zeitpunkt des Zugangs sichergehen kann (§ 20 Abs 3 RAVPV), dass das Dokument mit Wissen und Wollen des Verantwortlichen versandt wurde, wird der Sinn des Formerfordernisses gewahrt. Müssten Empfänger einfach signierter Dokumente ggf erst durch Nachfrage beim Versender klären, ob Dritte zum Versand bevollmächtigt wurden, würde dieser Zweck verfehlt (vgl zur Relevanz des Zeitpunktes des Zugangs BSG Beschluss vom 18.1.2023  B 2 U 74/22 B  juris RdNr 9; zustimmend Müller, NZS 2023, 586, 587). Mit diesem Sinn und Zweck korrespondiert zum einen § 31a Abs 3 Satz 1 BRAO. Danach hat die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) sicherzustellen, dass der Zugang zu dem beA nur durch ein sicheres Verfahren mit zwei voneinander unabhängigen Sicherungsmitteln möglich ist (vgl BTDrucks 17/12634 S 38 zu § 31a Abs 2 BRAOE). Insbesondere aber folgt der Höchstpersönlichkeitsgrundsatz bei Versand einfach signierter Dokumente aus § 23 Abs 3 Satz 5 RAVPV, der die Weitergabe der persönlichen beAZugänge zu diesem Zweck auf andere Personen ausdrücklich untersagt. Die Nichtbeachtung von § 23 Abs 3 Satz 5 RAVPV führt wegen Verstoßes gegen zwingende gesetzliche Formvorschriften (§ 65d Satz 1 iVm § 65a Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGG) zur Formunwirksamkeit elektronisch einzureichender Dokumente (zB BSG Beschlüsse vom 16.2.2022  B 5 R 198/21 B  juris RdNr 3 ff und vom 18.11.2020  B 1 KR 1/20 B  juris RdNr 5 ff; BGH Beschluss vom 20.9.2022  IX ZR 118/22  juris RdNr 14; BAG Beschluss vom 5.6.2020  10 AZN 53/20  juris RdNr 33; s auch BTDrucks 17/12634 S 37 iVm S 27).

19
Nach seinem Vortrag, der durch die Kanzleiangestellte in ihrer Eidesstattlichen Versicherung bestätigt wird, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seine beAZugangsdaten vollständig an die Kanzleiangestellte weitergegeben, damit diese seinen beAZugang nutzen und darüber elektronisch einfach signierte Schriftsätze versenden konnte. Damit hat er gegen § 23 Abs 3 Satz 5 RAVPV verstoßen.

20
Dies erfolgte auch schuldhaft. Der Prozessbevollmächtigte hat hierzu nicht einmal behauptet, dass ihm die gesetzlichen Anforderungen nicht bekannt gewesen seien, insbesondere dass eine Weitergabe der Zugangsdaten untersagt ist. Aber auch wenn er diesbezüglich einem Rechtsirrtum unterlegen wäre, ist dieser nicht unverschuldet. Ein Rechtsanwalt muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn der Beteiligte, der dem Anwalt die Verfahrensführung überträgt, darf darauf vertrauen, dass er dieser als Fachmann gewachsen ist. Selbst wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Ein Rechtsirrtum ist nur ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen, wenn er auch unter Anwendung der erforderlichen Sorgfaltsanforderungen nicht vermeidbar war (vgl zB BGH Beschluss vom 7.9.2022  XII ZB 215/22  juris RdNr 16 mwN; BVerwG Beschluss vom 12.10.2021  8 C 4/21  juris RdNr 16 mwN).

21
Ein etwa vorliegender Rechtsirrtum des Prozessbevollmächtigten der Klägerin war hier demnach nicht unverschuldet. Insbesondere mit der Einführung des beA haben die BRAK und der Deutsche Anwaltverein die Anwaltschaft über die geänderten Formerfordernisse und die dazu ergangene Rechtsprechung informiert sowie auf die erforderliche Personenidentität und das Verbot der Weitergabe des beAZugangs hingewiesen (zB BSG Beschluss vom 16.2.2022  B 5 R 198/21 B  AnwBl Online 2022, 342; BVerwG Beschluss vom 12.10.2021  8 C 4/21  BRAKMitt 2022, 49; BAG Beschluss vom 5.6.2020  10 AZN 53/20  AnwBl Online 2020, 712; OLG Hamburg Beschluss vom 6.5.2022  12 UF 208/21  AnwBl Online 2022, 632; Dahmen/Kallenbach, AnwBl 2021, 675; Miedtank, BRAKMitt 2019, 267). Zumindest hätten diese Veröffentlichungen Zweifel an der Zulässigkeit und Wirksamkeit der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin geübten Praxis wecken müssen, die Versendung auch einfach signierter Dokumente der Kanzleiangestellten zu überlassen. Er hätte einen rechtssicheren Weg wählen müssen.

22
Die Missachtung von § 23 Abs 3 Satz 5 RAVPV ist daher dem Prozessbevollmächtigten als schuldhaftes Versäumnis zuzurechnen. Dies hat die Formunwirksamkeit eingereichter Schrift-sätze zur Folge und daher wäre auch ein feststellbarer Eingang einer Revisionsschrift vom 19.12.2022 beim BSG am 22.12.2022 hier nicht fristwahrend gewesen (vgl anders für die Zurechnung eines Empfangsbekenntnisses BSG Urteil vom 14.7.2022  B 3 KR 2/21 R  zur Veröffentlichung in BSGE 134, 265 und SozR 41500 § 65a Nr 8 vorgesehen = juris RdNr 15 mwN mit Anm Schulz, SGb 2023, 393).

23
Hieran ändert auch die nach seinem Vortrag krankheitsbedingte Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten von seinen Kanzleiräumen nichts. Insoweit hat er weder behauptet noch glaubhaft gemacht (§ 67 Abs 2 Satz 2 SGG, § 202 Satz 1 SGG iVm § 294 ZPO), bis zum Ablauf der Revisionseinlegungsfrist am 22.12.2022 an einer persönlichen Versendung iS von § 65a Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGG gehindert gewesen zu sein. Die persönliche Versendung elektronischer Dokumente erfordert keine zwingende persönliche Anwesenheit in den Kanzleiräumen. Der Prozessbevollmächtigte hätte daher dazu ausführen müssen, dass und warum ihm die Einhaltung sowohl von § 65a Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGG als auch von § 65a Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGG bis zum Ablauf der Einlegungsfrist unverschuldet nicht möglich gewesen wäre. Hierzu hätte es auch eines konkreten Vortrags dazu bedurft, warum er keinen vertretungsbereiten weiteren Rechtsanwalt zur Anfertigung und formgerechten Versendung jedenfalls einer Schrift zur Revisionseinlegung habe bevollmächtigen können, die keinem Begründungserfordernis unterliegt. Auf § 53 Abs 1 Nr 1 BRAO kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, denn Rechtsanwälte haben für den Fall einer unvorhergesehen Krankheit stets vorzusorgen. Dies gilt insbesondere, wenn sie ihre Kanzlei - wie hier - alleine betreiben (zB BSG Beschlüsse vom 16.2.2010  B 2 U 318/09 B  juris RdNr 7 mwN und vom 19.5.1976  12 RAr 53/76  SozR 1500 § 67 Nr 5 S 17 = juris RdNr 4 mwN; Jung in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 67 RdNr 41). Sofern erforderlich werden sie hierbei von der Rechtsanwaltskammer unterstützt (§ 53 Abs 3 BRAO). Da die Einreichung formwahrender Schriftsätze nach § 65a Abs 3 SGG nicht an die Einreichung mittels beA gebunden ist, vermag der Prozessbevollmächtigte auch nicht mit dem Vortrag durchzudringen, die Bestellung einer beAKarte hätte mindestens eine Woche in Anspruch genommen. Hierbei ist zu beachten, dass jedem Mitglied der BRAK gemäß § 31a Abs 1 BRAO ein beA einzurichten ist, sodass der Vortrag des Bevollmächtigten zum besonderen Aufwand der Beschaffung einer beAKarte nicht plausibel ist.

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b) Die wesentliche Ursache der Fristversäumung liegt daher im Handeln des Prozessbevollmächtigten selbst durch unbefugte Weitergabe seiner Zugangsdaten und der nachfolgenden unbefugten Nutzung durch die Kanzleiangestellte.

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Unabhängig davon ist aber auch die fehlende Feststellbarkeit eines fristwahrenden Eingangs einer Revisionsschrift vom 19.12.2022 am 22.12.2022 beim BSG mittels Eingangsbestätigung dem Verantwortungsbereich des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zuzurechnen. Denn dieser hat nach seinem Vortrag nicht dafür Sorge getragen, dass elektronisch versandte Schriftsätze durch seine Kanzleiangestellte auf den Eingang beim Empfänger hin kontrolliert werden. Daher liegt hier auch ohne den Verstoß gegen § 23 Abs 3 Satz 5 RAVPV, § 26 Abs 1 RAVPV ein Wiedereinsetzungsgrund nicht vor.

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Elektronisch versandte Schriftsätze sind nicht nur auf einen erfolgreichen Versand hin zu überprüfen, sondern auch auf einen erfolgreichen Eingang beim Empfänger. Dies geschieht durch die Kontrolle der Eingangsbestätigung nach § 65a Abs 5 Satz 2 SGG, die unmittelbar nach Eingang auf dem Intermediär übermittelt wird (dazu bereits 1). Bleibt eine Eingangsbestätigung aus, sind die Zugangshindernisse zu dokumentieren und ggf weitere Schritte einzuleiten (vgl § 65d Satz 3, 4 SGG). Die Übermittlung des elektronischen Dokuments ist zu wiederholen. Bereits deshalb gehört es entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten, das Kanzleipersonal dahingehend zu belehren und zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen, dass Erhalt und Inhalt der Eingangsbestätigung nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs stets zu kontrollieren sind (zu alldem vgl BGH Beschlüsse vom 11.1.2023  IV ZB 23/21  juris RdNr 14 ff, vom 24.5.2022  XI ZB 18/21  juris RdNr 12 und vom 11.5.2021  VIII ZB 9/20  juris RdNr 22, 24; BAG Beschluss vom 7.8.2019  5 AZB 16/19  BAGE 167, 221 = juris RdNr 23; VerfGH RheinlandPfalz Beschluss vom 24.9.2019  VGH B 23/19  juris RdNr 8 mwN). Da der Erhalt der Eingangsbestätigung zu Nachweiszwecken zu archivieren ist (dazu ebenfalls bereits 1), müssen Anweisungen an das Kanzleipersonal sowie die Stichproben auch diese Archivierung umfassen.

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Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin kann nach diesen Grundsätzen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hier nicht begründen. Seine Angaben sowie die der Kanzleiangestellten bleiben hierzu unkonkret. Der Prozessbevollmächtigte trägt vor, seine Angestellte habe ihm telefonisch am 22.12.2022 mitgeteilt, den Zugang der Revisionsschrift beim BSG im Postfach "Gesendet" geprüft zu haben. Die Nachricht ist aber, wie von der Kanzleiangestellten bestätigt, bereits im Januar 2023 dort nicht auffindbar gewesen. Die Angaben der Kanzleiangestellten enthalten dabei keine konkreten Ausführungen dazu, anhand welcher Merkmale sie den Zugang der Revisionsschrift geprüft hat (vgl dazu BGH Beschluss vom 18.4.2023  VI ZB 36/22  juris RdNr 14 mwN; https://www.brak.de/fileadmin/05_zur_rechtspolitik/newsletter/beanewsletter/2019/ausgabe312019v17102019.html, zuletzt abgerufen am 8.9.2023). Unabhängig von diesen Angaben hat der Prozessbevollmächtigte jedenfalls nicht einmal behauptet, dass es in der Kanzlei konkrete Anweisungen und zumindest Stichproben über die Einhaltung von Anweisungen dahin gegeben hat, elektronisch versandte Schriftsätze auf ihren Eingang mittels Kontrolle gerade der elektronischen Eingangsbestätigung hin zu überprüfen und diese zu archivieren. Dies ist auch schuldhaft erfolgt, denn dem Bevollmächtigten hätte durch Veröffentlichungen von Rechtsprechung und Fachliteratur bekannt sein müssen, dass es auf die Kontrolle der Eingangsbestätigung nach § 65a Abs 5 Satz 1 SGG nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs ankommt (zB BGH Beschlüsse vom 20.9.2022  XI ZB 14/22  AnwBl 2022, 686 und vom 24.5.2022  XI ZB 18/21  AnwBl 2022, 489; BAG Beschluss vom 7.8.2019  5 AZB 16/19  BAGE 167, 221  AnwBl Online 2019, 929; VerfGH RheinlandPfalz Beschluss vom 24.9.2019  VGH B 23/19  BRAKMitt 2019, 293). Wenn der Prozessbevollmächtigte im Weiteren ausführt, die Einlegungsschrift vom 19.12.2022 müsse verlorengegangen sein, handelt es sich diesbezüglich um ein bloße Behauptung, der wegen der nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten nicht mehr rekonstruierbaren Eingangsbestätigung nicht weiter nachzugehen ist (zum Erfordernis der Vorlage der Eingangsbestätigung s auch VerfGH RheinlandPfalz Beschluss vom 24.9.2019  VGH B 23/19  juris RdNr 9; BGH Beschluss vom 30.3.2023  III ZB 13/22  juris RdNr 11, 14; Müller in Ory/Weth, jurisPKERV Band 3, 2. Aufl 2022, § 65a SGG RdNr 461 mwN <Stand 14.8.2023>). Wenn also tatsächlich eine Eingangsbestätigung eingesehen wurde von der Kanzleiangestellten, hätte sie diese zu Nachweiszwecken archivieren müssen. Die Eidesstattliche Versicherung genügt bereits angesichts der unklaren Schilderungen nicht.

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c) Sofern sich der Prozessbevollmächtigte schließlich auf § 130d ZPO, gemeint hier § 65d Satz 3, 4 SGG, beruft, kann auch dies keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellen. Danach bleibt dann, wenn eine Übermittlung des elektronischen Dokuments aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten stellt indes auf eine krankheitsbedingte Verhinderung ab, die kein Fall einer technischen Störung iS dieser Vorschrift ist (dazu auch Radke, jM 2022, 449, 452 mwN auf KG Beschluss vom 25.2.2022  6 U 218/21  juris RdNr 15). Für diesen Fall hätte es überdies einer fristwahrenden Ersatzeinreichung bedurft, die hier nicht erfolgte.

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3. Da der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzgl der Frist zur Einlegung der Revision abzulehnen war, ist auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzgl der Begründungsfrist nach § 164 Abs 2 Satz 1 SGG abzulehnen.

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4. Angesichts des Fehlens von Wiedereinsetzungsgründen kann es der Senat hier dahinstehen lassen, ob Verstöße gegen § 23 RAVPV die Kompromittierung des beAZugangs bewirken mit der Folge, dass sämtliche weitere formbedürftige Schriftsätze, wie hier der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, unwirksam sind (vgl dazu Tiedemann, jM 2023, 16,19).

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5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
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