Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31.01.2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten noch über die Anerkennung von Unfallfolgen im Bereich des rechten Unterschenkels.
Der 1963 geborene Kläger war bei der R1 G1 GmbH als Monteur versicherungspflichtig beschäftigt, als er im Rahmen seiner Tätigkeit am 30.01.2009 aus einer Höhe von etwa 3,5 m von einer wegrutschenden und umfallenden Leiter fiel. Der unter der Leiter liegende Kläger konnte zunächst nicht allein aufstehen, nach etwa fünf Minuten kam ihm eine weitere Person zu Hilfe (S. 1 und 8 Verwaltungsakte - VerwA).
Etwa drei Stunden später stellte sich der Kläger in der orthopädischen Gemeinschaftspraxis. T1 / M1 / O1 / V1 vor. Im H-Arztbericht vom Unfalltag (S. 1 VerwA) wurden folgende Diagnosen gestellt: Nasenbeinprellung, Prellung linkes Handgelenk und rechtes Kniegelenk, Exkorreation und Prellung beide Schienbeine. Als Befund wurde u.a. beschrieben: Im Bereich des Übergangs mittleres zum oberen Unterschenkeldrittel Exkorreation, prätibiale Schwellung, lokale Druckdolenz, kein axialer Stauchungsschmerz der rechten unteren Extremität. Am linken Unterschenkel prätibial ca. 10 x 1 cm Hautexkorreation, keine Schwellung. Wegen persistierender Beschwerden stellte sich der Kläger wiederholt in der orthopädischen Gemeinschaftspraxis. T1 und K2. vor, wobei zunehmend Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) in den Vordergrund rückten (s. Verlaufsbericht vom 03.02.2009, S. 3 VerwA; Zwischenbericht vom 15.03.2009, S. 9 VerwA; Verlaufsbericht vom 07.04.2009, S. 24 VerwA; Verlaufsbericht vom 17.04.2009, S. 26 VerwA).
Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis bei (S. 32 bis 40 VerwA), welches u.a. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vom 12.11. bis 15.11.1985 wegen Schulter-, Rücken- und Beinschmerzen, vom 21.11.1988 bis 16.07.1989 wegen Myotendopathie, Wadenmuskelriss, Lumbalsyndrom, Algodystrophie und Sudeck-Syndrom und vom 27.09. bis 06.10.1989 wegen eines Schulter-Arm-Syndroms auswies. Dieses Vorerkrankungsverzeichnis betraf indes - damals noch nicht erkannt - nicht den Kläger, sondern einen namensgleichen Versicherten.
Am 22.04.2009 stellte sich der Kläger in der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T2 (BGU) vor. Im Untersuchungsbericht vom 27.04.2009 (S. 42 ff. VerwA) diagnostizierte.. W1 eine HWS-Distorsion, einen Bandscheibenvorfall im Segment HWK 6/7, eine Protrusion im Bereich HWK 4/5, eine Nasenbeinfraktur sowie eine Prellung des linken Hand- und rechten Kniegelenks und empfahl die Durchführung einer komplexen stationären Rehabilitation (KSR). Diese wurde vom 27.04. bis 20.05.2009 in der BGU durchgeführt mit neurologischer Konsiliaruntersuchung durch.. S1 am 30.04.2009. In dessen neurologischen Befundbericht vom 06.05.2009 (S. 53 ff. VerwA) wurden keine Beschwerdeangaben des Klägers zum rechten Unterschenkel erwähnt. Der neurologische Befund war hinsichtlich Motorik, Sensibilität und Koordination unauffällig bzw. regelrecht, Zehen- und Fersengang wurden als tadellos beschrieben. Im Entlassungsbericht zur KSR vom 26.05.2009 (S. 57 ff. elektronische VerwA - eVerwA) wurde ausgeführt, dass die intensive Therapie die Beschwerden nicht habe lindern können. Der Kläger habe berichtet, bereits 2007 einen Arbeitsunfall erlitten zu haben, bei dem er auf den Kopf gefallen sei. Da keine nachweisbaren Veränderungen in der MRT vom 29.04.2009 (S. 27 eVerwA) gegenüber der MRT von 2007 vorhanden seien, sei der Vorzustand im Bereich der HWS wieder eingetreten und die Behandlung somit abzuschließen. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigender Höhe werde nicht verbleiben.
Mit Bescheid vom 15.10.2009 (S. 79 f. VerwA) anerkannte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (zukünftig nur Beklagte) als Folgen des Arbeitsunfalls vom 30.01.2009 eine Stauchung der HWS, Prellungen beider Handgelenke, beider Schienbeine, des rechten Kniegelenks und eine Nasenbeinfraktur. Ein Anspruch auf Übernahme von Heilbehandlung und Verletztengeld bestehe bis 26.03.2009. Nicht als Unfallfolgen würden anerkannt degenerative Veränderungen im Bereich der HWS mit Steilstellung und Arthrose sowie Bandscheibenvorfällen. Rente sei wegen der berücksichtigten Folgen nicht zu gewähren. Hiergegen legte der Kläger am 27.10.2009 Widerspruch ein (S. 82 VerwA).
Am 18.01.2010 stellte sich der Kläger erneut in der BGU vor mit einer Schmerzsymptomatik im Bereich des rechten Unterschenkels. Klinisch war das rechte Kniegelenk und rechte obere Sprunggelenk frei beweglich, am Unterschenkel fanden sich keine Prellmarken oder Hämatome und keine Hautverfärbungen; im mittleren Drittel medialseitig an der Tibia bestand ein Druckschmerz; die Radiologie war ohne einen Anhalt für eine frische oder stattgehabte Fraktur, es bestand keine Veränderung der Knochenstruktur (Zwischenbericht vom 02.02.2010, S. 1 f. eVerwA). Eine nachfolgende neurologische Untersuchung zeigte keine motorischen oder sensiblen Ausfälle, die Stand- und Gangproben waren sicher, jedoch ergab sich in der Elektroneurographie eine Amplitudenminderung des Nervus (N.) peronaeus rechts bei Normalbefund links, weshalb die. D1 eine MRT des rechten Unterschenkels veranlasste (Arztbrief vom 29.01.2010, S. 77 eVerwA). Die MRT des rechten Unterschenkels vom 04.02.2010 ergab eine unauffällige Darstellung der Knochenmarkräume der Tibia und Fibula, eine vollständig unauffällige Darstellung auch der muskulären Strukturen ohne Auffälligkeiten im Verlauf der Gefäßnervenscheide, insbesondere auch nicht des N. peronaeus, kein posttraumatisches Neurom. Wörtlich führt der V2 im Arztbrief vom 04.02.2010 (S. 47 eVerwA) weiter aus: „Fast nur in Kenntnis der vom Patienten angegebenen Schmerzlokalisation lässt sich eine leichte Verdickung und Signalabsenkung des Unterhautfettgewebes auf Höhe der Unterschenkelmitte (17 cm oberhalb des OSG-Spaltes) ventral erkennen, hier an die Schienbeinvorderkante und die Muskelfaszie des Muskulus tibialis anterior angrenzend. Zwar keine Hinweise auf einen perifokalen Reizzustand, dennoch könnte eine leichte narbige Verklebung der Muskelfaszie vorliegen, was ja grundsätzlich zu der beklagten Schmerzsymptomatik vor allem bei Dorsal-Extension des Fußes passen würde.“
Bei der Vorstellung in der BGU am 10.03.2010 klagte der Kläger über persistierende Schmerzen im Bereich des rechten Unterschenkels (Zwischenbericht vom 29.03.2010, S. 6 f. eVerwA: Schmerzangabe im Bereich der Vorderkante bei längerem Gehen und Treppensteigen; bei klinischer Untersuchung reizfreie Weichteilverhältnisse, aktive Fußhebung und -beugung gegen Widerstand kräftig vorhanden). Bei der Kontrolluntersuchung am 04.05.2010 war die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität in allen Extremitäten vollständig intakt, die Unterschenkelmuskulatur war rechts deutlich stärker ausgeprägt als links (Zwischenbericht vom 11.05.2010, S. 20 f. eVerwA).
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2010 (S. 3 eVerwA) wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 07.04.2010 erhob der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage, mit welcher er die Anerkennung weiterer Unfallfolgen (Bursitis subacromialis, Schmerzen im rechten Unterschenkel in Folge einer leicht narbigen Verklebung der Muskelfaszie) und die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. für die Zeit vom 01.08.2009 bis 16.03.2011 begehrte. Das SG befragte behandelnde Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen, u.a. D1 (Antwort vom 22.06.2010, S. 89 ff. eVerwA) und M1 (Antwort vom 25.06.2010, S. 92 ff. eVerwA).
Mit Urteil vom 15.05.2013 (S 21 U 2129/10) wies das SG die Klage ab. Es sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die vom Kläger angeführten Schulter- und Unterschenkelbeschwerden auf den anerkannten Arbeitsunfall vom 30.01.2009 zurückzuführen seien. Angesichts des Lebensalters und der Geltendmachung erst zwei Jahre nach dem Unfall liege die Möglichkeit nahe, dass eine degenerative Vorschädigung bereits bestanden habe. Im Vorerkrankungsverzeichnis fänden sich entgegen der Angabe des Klägers, vor dem Unfall nie Schulterbeschwerden gehabt zu haben, entsprechende Eintragungen. Eine narbige Verklebung der Muskelfaszie sei nicht nachgewiesen, da die behandelnden Ärzte lediglich von einer entsprechenden Möglichkeit ausgegangen seien. Eine MdE sei von keinem der Ärzte angenommenen worden.
Am 24.06.2013 legte der Kläger Berufung ein, mit welcher er allein noch Unfallfolgen im Bereich des rechten Unterschenkels und eine Verletztenrente geltend machte. Die Beklagte legte im Berufungsverfahren eine beratungsärztliche Stellungnahme von H1 vom 01.07.2014 (S. 238 ff. eVerwA) vor, die ausführte, dass in der Akte erstmals im Februar 2010 eine Schmerzhaftigkeit am rechten Unterschenkel auftauche. Auffällig sei, dass diese sich in den Vorberichten nicht finde, da Prellungen normalerweise folgenlos ausheilten. Die in der MRT gesehene leichte Verdickung und Signalabsenkung im Fett grenze an die Muskelfaszie an, werde aber mit Sicherheit nicht für die jetzigen Beschwerden verantwortlich sein. An dieser Stelle liefen keine relevanten Strukturen, die Faszie sei unbeeinträchtigt und der Knochen weit weg. Beschwerden beim Hochziehen des Fußes habe der Versicherte gar nicht exakt geklagt, vielmehr einen Schmerz an der Vorderseite des Schienbeines angegeben; die Kollegin habe trotz fehlender Hinweise auf einen Reizzustand in der Region zu einer Arbeitshypothese gegriffen, die nicht zu dem MRT-Befund passe.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) holte ein Sachverständigengutachten bei dem R2Krankenhauses K1 ein mit radiologischen Zusatzgutachten von G1 vom 03.03.2015 (S. 264 ff. eVerwA; Röntgen, u.a. rechter Unterschenkel) und 10.03.2015 (S. 268 ff. eVerwA; MRT rechter Unterschenkel). K1 ging in seinem Gutachten vom 19.03.2015 (S. 271 ff. eVerwA) von folgenden Unfallfolgen aus: HWS-Distorsion, Prellung der Schienbeine beidseits und Prellung des linken Handgelenks. Nach klinischer Untersuchung und Diagnostik mittels Röntgen, Sonographie und MRT bestehe kein Hinweis auf eine narbige Verklebung der Muskelfaszie. Die Beschwerden am rechten Unterschenkel seien am ehesten im Sinne eines funktionellen Kompartmentsyndroms zu sehen, hierfür sei nach der Literatur aber kein Zusammenhang mit einem Trauma herstellbar. Drei Wochen nach dem Unfall hätten keine Beschwerden hinsichtlich der Unfallfolgen mehr bestanden.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das LSG ein weiteres unfallchirurgisches Gutachten bei B1 N1 ein. Dieser führte in seinem Gutachten vom 23.06.2016 (S. 324 ff. eVerwA) aus, Unfallfolgen seien nicht verblieben (abgeheilte Schürfung am Unterschenkel rechts, abgeheilte Nasenprellung, keine Residuen der Prellung am linken Hand- und rechten Kniegelenk) und es bestehe kein Anhalt für eine Verklebung der Muskelfaszien. Ein von K1 angedachtes Kompartmentsyndrom halte er angesichts der einwandfreien Durchblutung und der sehr kräftigen Muskulatur an beiden Waden und im Bereich der Tibialis anterior Muskulatur für fraglich, jedenfalls lasse sich kein Zusammenhang zwischen dem Trauma und den geschilderten Beschwerden durch objektive Befunde herstellen.
Mit Beschluss vom 26.10.2016 (L 9 U 2630/13) wies das LSG die Berufung als unbegründet zurück. Soweit der Kläger die Anerkennung von Schmerzen am rechten Unterschenkel als Unfallfolge begehre, sei die Klage schon unzulässig, da diese Unfallfolge von der Beklagten im angefochtenen Bescheid nicht abgelehnt worden sei und daher keine Klagebefugnis bestehe. Hinsichtlich der geltend gemachten Verletztenrente sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Außer den anerkannten Gesundheitsstörungen lägen keine weiteren Unfallfolgen vor, die eine MdE begründen könnten. Der Nachweis einer narbigen Verklebung an der Muskelfaszie sei nicht geführt worden (unter Hinweis auf die MRT vom 03.03.2015 mit Gutachten G1 und die Gutachten K1 und des B1). Ein Kompartmentsyndrom sei. K1 lediglich als Möglichkeit angesprochen worden, jedoch zugleich mit dem Hinweis, dass sich ein Zusammenhang mit einem Trauma nicht herstellen lasse, so dass weitere Ermittlungen nicht angezeigt gewesen seien. Zudem habe B1 schlüssig darauf hingewiesen, dass die klinische Symptomatik gegen das Vorliegen eines solchen Syndroms spreche. Aus den anerkannten Unfallfolgen ergäben sich über den 26.03.2009 hinaus keine Funktionseinschränkungen.
Am 04.01.2017 meldete sich der Kläger telefonisch bei der Beklagten und fragte nach, woher die Beklagte Informationen zu einer siebenmonatigen Zeit der Arbeitsunfähigkeit in der Vergangenheit habe; er sei von seiner Krankenkasse diesbezüglich befragt worden. Tatsächlich sei er nie so lange krank gewesen (s. Aktenvermerk S. 412 eVerwA). Am 16.01.2017 schrieb die AOK B3 an die Beklagte, dass im April 2009 falsche Daten übermittelt worden seien und fügte eine Leistungsübersicht des Klägers bei (S. 415 ff. eVerwA).
Am 25.07.2017 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2010 wegen der Anerkennung von Unfallfolgen (Schmerzen im rechten Unterschenkel und Bursitis subacromialis) und der Gewährung von Verletztenrente (S. 431 ff. eVerwA). Eine Überprüfung der Bescheide sei angebracht, da es im Verfahren zu einer Personenverwechslung gekommen sei. Auch das LSG habe im Beschluss vom 26.10.2016 auf die Vorerkrankungen Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 23.11.2017 (S. 484 ff. eVerwA) lehnte die Beklagte (1.) die Anerkennung der behaupteten Schmerzen im rechten Unterschenkel als Unfallfolge und (2.) die Rücknahme des Bescheids vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2010 ab. Soweit die Anerkennung von Schmerzen im rechten Unterschenkel als weitere Folge des Arbeitsunfalls beantragt werde, werde auf die Ausführungen des LSG verwiesen. Eine Gesundheitsstörung, welche Ursache für die vorgebrachten Schmerzen sein könne, habe sich nicht beweisen lassen. Hierbei habe das (falsche) Vorerkrankungsverzeichnis keine Rolle gespielt. Für die Ablehnung des Zusammenhangs zwischen der Schleimbeutelerkrankung im rechten Schultergelenk und dem Arbeitsunfall sei das falsche Vorerkrankungsverzeichnis nicht von wesentlicher Bedeutung gewesen im Hinblick auf den fehlenden zeitlichen Zusammenhang, die fehlende Eignung des Unfallereignisses und eigene Angaben über Beschwerden vor dem 30.01.2009. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2018 (S. 499 f. eVerwA) zurück.
Hiergegen richtet sich die am 11.04.2018 zum SG erhobene Klage, die das SG mit Urteil vom 31.01.2019 (S 26 U 1864/18) abgewiesen hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, soweit der Kläger die Anerkennung der Bursitis subacromialis als Unfallfolge begehre, sei die Klage unzulässig, da die Beklagte hierüber weder im Bescheid vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2010 noch im Bescheid vom 23.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2018 eine Regelung getroffen habe. Soweit der Kläger die Anerkennung der Schmerzen im rechten Unterschenkel als Folge des Arbeitsunfalls vom 30.01.2009 begehre, sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Hierbei hat sich das SG auf die im Verfahren L 9 U 2630/13 eingeholten Gutachten von K1 und B1 gestützt. Aus dem H-Arztbericht vom 30.01.2009, in dem eine Exkoriation und Prellung der Schienbeine diagnostiziert worden sei, lasse sich nicht ableiten, dass die erstmals ca. vier Monate nach dem Unfall geklagten Beschwerden von der Prellung herrührten, zumal der Nachweis einer Gesundheitsschädigung im Bereich des Unterschenkels überhaupt nicht habe geführt werden können. Das falsche Vorerkrankungsverzeichnis spiele insoweit keine Rolle. Es bestehe auch kein Anspruch auf Aufhebung des Erstbescheids im Rahmen des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Zwar habe ein falsches Vorerkrankungsverzeichnis vorgelegen, allerdings habe dies nicht dazu geführt, dass dem Kläger zu Unrecht keine Verletztenrente gewährt worden sei.
Gegen das seinen damaligen Bevollmächtigten am 11.02.2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 07.03.2019 eingelegte Berufung des Klägers. Der Kläger beanstandet, dass das SG auf eigene Sachverständige verzichtet und sich auf Gutachten aus einem längst abgeschlossenen Berufungsverfahren bezogen habe. Bereits die Feststellungen T1. und K2 (Verletzungen der beiden Schienbeine und des rechten Kniegelenks mit deutlichen Druckschmerzen) seien geeignet gewesen, schon damals den Folgen auf den Grund zu gehen. Die vorgenommenen radiologischen und neurologischen Untersuchungen seien als nicht ausreichend zu qualifizieren; S1 habe sich ausschließlich dem Schulter- und Armbereich gewidmet. Besonders eklatant sei im gesamten Vorprozess die Verwechslung der namensgleichen Person gewesen. Im neurologischen Bericht D1 vom 29.01.2010 fänden sich zwar keine motorischen oder sensiblen Ausfälle, jedoch habe V2 in der MRT vom 04.02.2010 eben jene Verdickung und Signalabsenkung im Unterhautfettgewebe erkannt. Ohne dies konsequent weiterzuverfolgen, sei in der Folge nur noch mit Wahrscheinlichkeiten argumentiert worden, was inakzeptabel sei. Es erstaune, dass ein Kompartmentsyndrom im Raum stehe, eine weitere Recherche hierzu jedoch unterbleibe. Der Kläger habe lediglich beim Liegen und Sitzen keine Probleme, schon nach kurzem Gehen werde der Schmerz, vom Schienbein/Wadenbein bis zum Knöchel intensiver und schnell sei ein Anheben des Fußes dann gar nicht mehr möglich. Zweifelsohne habe er vor dem Unfall derartige Beschwerden nicht gekannt.
Der Kläger beantragt (S. 49 Senatsakte),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 31.01.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2018 zu verurteilen, unter teilweiser Rücknahme des Bescheids vom 15.10.2009 als Unfallfolge Schmerzen am rechten Unterschenkel anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren Vortrag in erster Instanz und die Gründe des angefochtenen Urteils.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Senat ein neurologisches Gutachten L1 eingeholt. Im Gutachten vom 24.06.2020 hat diese ausgeführt, im Bereich des N. peronaeus liege ein alter Schaden vor, der zu einer Funktionseinschränkung im Bereich der Zehenhebung rechts führe, vornehmlich der Zehen II bis V. Auch der Muskulus tibialis anterior sei leichtgradig betroffen, jedoch ohne wesentliche Funktionseinschränkungen. Im Rahmen des Schadens am N. peroneaus sei prinzipiell eine Schmerzentstehung möglich, die beschriebenen Schmerzen entsprächen jedoch keinem neuropathischen Charakter, neuropathischer Schmerz wäre zudem dauerhaft zu erwarten und nicht belastungsbetont. Für eine mechanische Bedrängung des N. peronaeus im Bereich des Fibulaköpfchens bzw. der Kniekehle hätten sich bislang keine Anhaltspunkte ergeben, zudem wären Veränderungen in der Kniekehle nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen. Eine Schädigung des N. peronaeus durch das Unfallereignis erscheine möglich, bei Abwägung aller Umstände spreche jedoch eindeutig mehr gegen einen Zusammenhang. Die Herstellung eines zeitlichen Zusammenhangs sei nicht möglich, der Unfallhergang spreche eher gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Zudem hätte ein frischer Peronaeus-Schaden bei den Untersuchungen durch unterschiedliche Ärzte auffallen müssen und es sei fraglich, inwieweit sich die Schmerzen überhaupt auf den Peronaeus-Schaden zurückführen ließen.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 28.01.2021 zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter angehört.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge und der beigezogenen Gerichtsakten L 9 U 2630/13 Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und nach den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 23.11.2017 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2018, dies indes nur insoweit, als die Beklagte damit die Anerkennung von Schmerzen am rechten Unterschenkel als weitere gesundheitliche Folge des Ereignisses vom 30.01.2009 abgelehnt hat. Die Entscheidung zur Überprüfung des Bescheids vom 15.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.03.201 im Rahmen des § 44 SGB X, die ebenfalls Regelungsgegenstand des Bescheids vom 23.11.2017 war, ist damit nicht angegriffen, denn der Ausgangsbescheid verhielt sich nicht zur Anerkennung der hier allein noch streitigen Schmerzen im Bereich des rechten Unterschenkels als Unfallfolge, weshalb die Klage im vorangegangenen Verfahren insoweit als unzulässig behandelt worden war (LSG 26.10.2016, L 9 U 2630/13). Da die hier streitige Anerkennung von Unfallfolgen einen Gesundheitsschaden voraussetzt, versteht der Senat das nicht näher konkretisierte Begehren auf Anerkennung von Schmerzen am Unterschenkel dahingehend, dass es dem Kläger um die Anerkennung einer Schädigung des N. peronaeus bzw. einer leichten narbigen Verklebung der Muskelfaszie verbunden mit Schmerzen am rechten Unterschenkel geht. Der Arbeitsunfall am 30.01.2009 und dessen Folgen Stauchung der HWS, Prellungen beider Handgelenke, beider Schienbeine, des rechten Kniegelenks und Nasenbeinfraktur sind bereits mit dem Bescheid vom 15.10.2009 von der Beklagten bestandskräftig anerkannt worden (vgl. Bundessozialgericht - BSG - 28.06.2022, B 2 U 9/20 R, zitiert - wie alle nachfolgenden Entscheidungen - nach juris).
Das SG hat die auf die nunmehr allein noch streitige Anerkennung von weiteren Unfallfolgen in Bezug zu Schmerzen am rechten Unterschenkel gerichtete, als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG; vgl. dazu nur BSG 05.07.2011, B 2 U 17/10) statthafte und auch im Übrigen zulässige, Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 23.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2018 ist - soweit angefochten - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung der von ihm geltend gemachten Schmerzen im Bereich des rechten Unterschenkels als weitere Unfallfolge wegen des Arbeitsunfalls vom 30.01.2009.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich (BSG 30.01.2007, B 2 U 8/06 R), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründen-den Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Gesundheitsschaden geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können; sie müssen daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (vgl. u.a. BSG 20.12.2016, B 2 U 16/15 R). Nur hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung sowie der schädigenden Einwirkung und dem Gesundheitsschaden genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, a.a.O.; vgl. auch BSG 30.04.1985, 2 RU 43/84, mit weiteren Ausführungen zur Begründung); hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG 02.11.1999, B 2 U 47/98 R, und 02.05.2001, B 2 U 16/00 R). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG 28.06.1988, 2/9b RU 28/87).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG 12.04.2005, B 2 U 27/04 R). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob neben der versicherten Ursache weitere Ursachen im naturwissenschaftlichen Sinn (erste Stufe) zum Gesundheitsschaden beitrugen. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG 27.06.1991, 2 RU 31/90).
Bei dem anerkannten Arbeitsunfall vom 30.01.2009 erlitt der Kläger ausweislich des H-Arztberichts vom gleichen Tag - was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist - im Bereich der rechten unteren Extremität eine Prellung des Kniegelenks und des Schienbeins mit Palpationsschmerz am Kniegelenk präpatellar, ohne Prellmarke, ohne Weichteilschwellung und ohne Meniskuszeichen bei freier Beweglichkeit des Kniegelenks und stabiler Bandführung sowie eine Exkorreation im Bereich des Übergangs mittleres zum oberen Unterschenkeldrittel mit prätibialer Schwellung und lokaler Druckdolenz. Ein Gesundheitserstschaden (sog. Primärschaden) liegt somit vor. Damit ist aber nicht zugleich die Annahme gerechtfertigt, dass die vom Kläger - erstmals in der BGU am 18.01.2010 (S. 1 eVerwA) - geltend gemachten Beschwerden im Bereich des rechten Unterschenkels ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind.
Das SG hat unter Zugrundelegung der oben dargestellten rechtlichen Maßstäbe in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils unter Würdigung der aktenkundigen Unterlagen und insbesondere gestützt auf die (urkundsbeweislich verwertbaren) Gutachten der K1 vom 19.03.2015 und G1 vom 03.03. und 10.03.2015 B1 vom 23.06.2016 zutreffend dargelegt, dass schon ein Gesundheitsschaden im Bereich des rechten Unterschenkels in Form einer narbigen Verdickung der Muskelfaszie nicht nachgewiesen ist. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Es obliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung, die in dem früheren gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten im Wege des Urkundsbeweises zu verwerten (vgl. BSG 13.07.2010, B 9 VH 1/10 B). Diese Gutachten erfüllen ohne jeden Zweifel die Mindestanforderungen an wissenschaftliche Gutachten. Nachdem der Kläger selbst nichts dazu vorgetragen hat, dass oder warum diese Gutachten fehlerhaft sein sollten, erschließt sich nicht, was gegen die Verwertung dieser Gutachten zu erinnern sein sollte. Auch der Senat stützt sich daher auf die genannten, urkundsbeweislich zu verwertenden Gutachten.
Die erlittenen Hautabschürfungen waren bereits bei der Untersuchung am 03.02.2009 reizfrei (S. 3 VerwA) und spielten - wie auch die Prellungen - bei den nachfolgenden Untersuchungen keine Rolle mehr; entsprechende Beschwerden wurden bei der ausführlichen Untersuchung in der BGU am 22.04.2009 (S. 42 ff. VerwA) nicht einmal mehr erwähnt. Das zwischen Prellungen, Schürfungen und den nahezu ein Jahr später aufgetretenen Beschwerden liegende zeitliche Intervall ist ganz untypisch für abgelaufene Prellungen und Schürfungen, die normalerweise folgenlos verheilen. Der Senat stützt sich insoweit auf die beratungsärztliche Stellungnahme H1 vom 01.07.2014 (S. 238 ff. eVerwA), die als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen im Rahmen der Gesamtwürdigung berücksichtigt wird, und weist darauf hin, dass eine insoweitige, irgendwie geartete Atypik auch keiner der mit der Unfallursache des Klägers befassten Ärzte auch nur für wahrscheinlich gehalten hat. Ein Zusammenhang zwischen den Prellungen und den Schürfungen und den Unterschenkelschmerzen ist damit nicht wahrscheinlich zu machen. Auch ein funktionelles Kompartmentsyndrom ist zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Ein solches wurde eher als theoretische Möglichkeit K1 erwähnt, ist nach den überzeugenden Ausführungen B1 allerdings nicht plausibel zu machen, denn dagegen spricht der klinische Befund mit einer einwandfreien Durchblutung und der sehr kräftigen Muskulatur an beiden Waden und im Bereich der Tibialis anterior Muskulatur. Damit kann dahinstehen, dass nach der übereinstimmenden Einschätzung K1 B1 jedenfalls ohnehin kein Zusammenhang zwischen dem angeschuldigten Ereignis und einem Kompartmentsyndrom herzustellen wäre.
Soweit schließlich beim Kläger ein alter inkompletter Schaden im Bereich des N. peronaeus communis rechts vorliegt, lässt sich weder feststellen, dass dieser durch das angeschuldigte Ereignis verursacht worden ist, noch, dass er überhaupt für die vom Kläger geltend gemachte Schmerzsymptomatik verantwortlich ist. Der Senat stützt sich insoweit auf das im Berufungsverfahren eingeholte gerichtliche Sachverständigengutachten L1 Diese hat im Rahmen der elektrophysiologischen Untersuchungen einen Schaden des N. peronaeus communis rechts festgestellt, der zu einer leichten Kraftminderung im Bereich der Zehenhebung rechts, vorwiegend Zehen II bis V führt. Hinsichtlich der Großzehenhebung ist nach den Ausführungen der Sachverständigen nicht von einem relevanten Kraftdefizit auszugehen, was sie überzeugend und für den Senat nachvollziehbar damit begründet hat, dass die Kraftprüfung klinisch wegen deutlicher Wechselinnervation nicht genau möglich, bei mehrfacher Aufforderung aber eine Kraftaufbringung gegen deutlichen Widerstand zumindest kurzfristig möglich gewesen ist. Entsprechend hat sie auch insgesamt auf recht deutliche Verdeutlichungstendenzen hingewiesen, so auf Simulationstendenzen beim Finger-Nase-Versuch (zielsicher auf die Stirn gezeigt), auf ein flüssiges und unauffälliges Gangbild initial und beim Verlassen der Praxis gegenüber deutlichem Rechtshinken während der Untersuchung sowie die unklare Darstellung bei Prüfung des Fersen-, Zehen- und Einbeinstandes. Den elektrophysiologischen Auffälligkeiten im Seitenvergleich zum Muskulus tibialis anterior rechts hat die Sachverständige nachvollziehbar keine funktionellen Auswirkungen zugemessen angesichts der seitengleich gut ausgeprägten Muskeltrophik bei gleichem Unterschenkelumfang und seitengleich gutem Ultraschallbefund. Dies entspricht auch den K1 B1 beschriebenen Befunden im Bereich des rechten Unterschenkels, die beide auch auf die seitengleich kräftig ausgeprägte Tibialis anterior und Wadenmuskulatur hingewiesen haben. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang des Peronaeusschadens mit dem Arbeitsunfall spricht auch der Unfallhergang, denn die übliche Schädigungsstelle des N. peronaeus liegt im Bereich der äußeren Kniekehle, die jedoch bei dem Sturz weder nach der Schilderung des Unfallhergangs noch nach dem H-Arztbericht vom Unfalltag betroffen war (Druckschmerz präpatellar und prätibial, nicht in der Kniekehle). Der Senat stützt sich auch insoweit auf das Gutachten L1 Hinzu kommt, dass bei sämtlichen neurologischen Untersuchungen 2009 und 2010 keine klinische Symptomatik festzustellen war. Der von S1 erhobene Befund vom 30.04.2009 (S. 53 ff. VerwA) betrifft entgegen der Behauptung des Klägers keineswegs nur Schulter und Arm („Die Muskulatur ist an den Beinen seitengleich und kräftig ausgeprägt. Die Hocke vollständig erreicht. Das Gangbild ist flüssig, die Mitbewegungen seitengleich.“… „Regelrechte Kraftentfaltung der Hüftbeuge-und Streckmuskulatur sowie Kniestrecker. Zehen- und Fersengang tadellos, Muskeltonus ungestört, keine zentral motorischen oder peripher motorischen Paresen.“ Die Oberflächen- und Tiefensensibilität werden als seitengleich und regelrecht angegeben). Auch die D1 hat keinerlei motorische oder sensible Ausfälle feststellen können, lediglich in der Elektroneurographie ergab sich eine leichte Amplitudenminderung im Bereich des rechten N. peronaeus (Arztbrief vom 29.01.2010, S. 77 eVerwA). Gegenüber dem SG hat sie als sachverständige Zeugin bestätigt, dass keine neurologischen Auffälligkeiten bestanden haben und auf die unauffällige Darstellung des N. peronaeus in der MRT hingewiesen (S. 89 ff. eVerwA). Ebenso M1 wenn er die Beschwerden des Klägers auch für glaubhaft hielt, ausgeführt, ein eindeutiges patho-morphologisches Korrelat für die Beschwerden habe sich in der klinischen Untersuchung nicht gefunden (S. 92 f. eVerwA). Entsprechend war auch bei der Untersuchung in der BGU am 10.03.2010 „die aktive Fußhebung und Beugung gegen Widerstand kräftig vorhanden“ (S. 7 eVerwA) und ebenfalls in der nachfolgenden Untersuchung am 04.05.2010 war die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität in allen Extremitäten vollständig intakt (S. 21 eVerwA). Dass die nunmehr nachgewiesene (alte) Schädigung des N. peronaeus auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist, ist nach alledem allenfalls möglich, was jedoch nicht ausreicht. Insbesondere gibt es auch keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem (hier schon nicht mehr gegebenen) zeitlichen Zusammenhang die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG 09.05.2006, B 2 U 1/05 R).
Unabhängig davon lässt sich die vom Kläger geschilderte Schmerzsymptomatik nach den überzeugenden Darlegungen der gerichtlichen Sachverständigen L1 auch nicht mit einem Beschwerdebild in Einklang bringen, das einem neuropathischen Schmerz entspräche. Worauf letztlich die vom Kläger reklamierten belastungsabhängigen Schmerzzustände beruhen, bedarf keiner weitergehenden Klärung, denn sie lassen sich jedenfalls nicht auf die stattgehabten, allein unfallbedingten Prellungen und Hautabschürfungen zurückführen. Ob eine mechanische Reizung des N. peronaeus im Bereich der Kniekehle besteht, wofür nach den vorhandenen chirurgisch-orthopädischen Gutachten allerdings keine Anhaltspunkte vorliegen, bedarf ebenfalls keiner weiteren Aufklärung, da eine solche auch nach dem Gutachten L1 jedenfalls nicht unfallbedingt wäre.
Soweit der Kläger des Weiteren gemeint hat, er habe vor dem Unfall derartige Beschwerden im Bereich des Unterschenkels nicht gekannt, führt auch dies nicht weiter. Denn - wie ebenfalls schon oben dargelegt - kann ein ursächlicher Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinn nicht rein zeitlich begründet werden, sondern muss sachlich-inhaltlich nachvollziehbar sein. Entsprechend den obigen Ausführungen genügt eben nicht, dass ein Ursachenzusammenhang nur möglich ist bzw. nicht ausgeschlossen werden kann.
Schließlich spielt für die hier allein streitige Feststellung von Unfallfolgen im Bereich des rechten Unterschenkels das im vorangegangenen Verfahren verwendete falsche Vorerkrankungsverzeichnis keinerlei Rolle.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 26 U 1864/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 809/19
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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