Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 16.01.2019 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zustimmung der Beklagten zu der Rücknahme eines in einen Rentenantrag umgedeuteten Rehabilitationsantrags (§ 116 Abs. 2 SGB VI).
Der am 00.00.1956 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er erkrankte am 26.11.2014 arbeitsunfähig. Zunächst bezog er bis zum 16.01.2015 Entgeltfortzahlung. Vom 17.01.2015 bis zum 18.11.2015 gewährte die Beklagte ihm Krankengeld, wobei er vom 23.06.2015 bis zum 24.08.2015 Übergangsgeld bezog. In jenem Zeitraum bewilligte ihm die Beigeladene aufgrund eines nach entsprechender Aufforderung durch die Beklagte am 22.05.2015 gestellten Antrags eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme (Bescheid vom 02.06.2015). Vom 19.11.2015 bis zum 08.12.2017 bezog der Kläger Leistungen der Bundesagentur für Arbeit.
Am 20.09.2017 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beigeladene deutete den Rehabilitationsantrag vom 22.05.2015 sodann in einen Rentenantrag um (§ 116 SGB VI) und bewilligte dem Kläger ab 01.06.2015 zunächst befristet bis zum 31.05.2018 (Bescheid vom 02.01.2018) und schließlich auf Dauer bis zum Beginn der Regelaltersrente am 28.02.2022 (Bescheid vom 25.06.2018) Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls am 26.11.2014. Einen gegen den Bescheid der Beigeladenen vom 02.01.2018 erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2019 als unbegründet zurück; hiergegen hat der Kläger am 17.05.2019 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben (vgl. zum Vorstehenden das Urteil des SG Köln vom 25.01.2022 – S 26 R 692/19).
Am 22.01.2018 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihre Zustimmung dazu zu erteilen, dass „der Reha-Antrag vom 22.05.2015 nicht als Rentenantrag“ gelte. Das Hinausschieben des Rentenbeginns bewirke eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs. Dies stelle ein berechtigtes Interesse an der Zustimmung dar. Durch Bescheid vom 15.02.2018 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 07.12.2004 – B 1 KR 6/03 R) der Umstand, dass der Kläger eine Verbesserung seines Rentenanspruchs erreichen wolle, kein berechtigtes Interesse im Hinblick auf die Erteilung der Zustimmung zur Rücknahme des Reha-Antrags darstelle.
Am 19.02.2018 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, er begehre, dass die Rente als Regelaltersrente erst am 01.03.2022 beginne. In diesem Fall, so habe eine Berechnung der Beigeladenen ergeben, betrage die monatliche Altersrente 768,99 Euro im Vergleich zu der Regelaltersrente mit vorheriger Erwerbsminderungsrente in Höhe von 692,94 Euro; mithin ergebe sich ein monatlicher Mehrbetrag in Höhe von 76,05 Euro. Es müsse berücksichtigt werden, dass er aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ein Krankengeld lediglich im Zeitraum von ca. 7 ½ Monaten bezogen habe. Jedenfalls habe die Beklagte sein bezeichnetes Interesse vollkommen übergangen und das ihr obliegende Ermessen nicht hinreichend ausgeübt. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2018 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für eine Aufforderung zur Rehabilitation (§ 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V) seien gegeben gewesen, denn der MDK habe am 12.05.2015 festgestellt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers erheblich gefährdet sei. Die darauf durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme sei nicht erfolgreich verlaufen. Der Antrag habe somit als Rentenantrag gegolten. Soweit der Kläger die Zustimmung der Beklagten zur Rücknahme des Rehabilitationsantrags begehre, könne er sich nicht auf ein berechtigtes Interesse im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 07.12.2004 – B 1 KR 6/03 R) berufen. Ein Ausnahmetatbestand im Sinne dieser Rechtsprechung liege nicht vor. Bei der Ausübung des Ermessens seien die Interessen der Versichertengemeinschaft höher bewertet worden, als das Begehren des Klägers. Dieser verlange den völligen Verzicht auf eine volle Erwerbsminderungsrente, um sich einen höheren Anspruch auf Altersrente zu sichern. Die Verbesserung der monatlichen Rente um ca. 76,00 Euro monatlich reiche nicht aus. Rentenabschläge halte der Gesetzgeber für eine zumutbare Belastung. Demgegenüber stehe der Erstattungsanspruch der Krankenkasse gegen den Rentenversicherungsträger aufgrund der Krankengeldzahlungen im Zeitraum vom 01.06.2015 bis zum 18.11.2015, die nicht unerheblich seien und sich auf 6.023,44 Euro beliefen. Die Beklagte bewerte ihr Interesse an einer Erstattung höher als das Interesse des Klägers an einer (höheren) Altersrente.
Mit seiner am 04.09.2018 vor dem Sozialgericht Köln erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und betont, dass die Beklagte das ihr obliegende Ermessen in Bezug auf die Erteilung der Zustimmung nicht in hinreichendem Maße ausgeübt habe.
Der Kläger hat in der Antragsfassung des Sozialgerichts beantragt,
den Bescheid vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zustimmung zu erteilen, dass der Reha-Antrag vom 02.05.2015 nicht als Rentenantrag gelte.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig gehalten.
Das Sozialgericht hat die Klage (nach vorheriger Anhörung der Beteiligten) mit Gerichtsbescheid vom 16.01.2019 abgewiesen. Es hat ausgeführt:
„Das Gericht hat ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 SGG entscheiden können, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher gehört worden (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagte vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechte (§ 54 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur weiteren Disposition des gestellten Reha-Antrags bzw. auf Zustimmung, dass der Reha-Antrag vom 22.05.2015 nicht als Rentenantrag gilt.
Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte in einem Fall, in dem die Wirksamkeit der Reha-Antragsrücknahme bzw. der Ausschluss der Rentenantragsfiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI von der Zustimmung der Krankenkasse abhängt, eine förmliche Entscheidung der Kasse darüber herbeiführen, ob sie diese Zustimmung erteilt oder nicht. Die Krankenkasse ist in ihrer Entschließung über diesen Antrag nicht völlig freigestellt, sondern hat ihre Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (vgl. BSGE 52, 26, 31 = SozR 2200 § 1248 Nr. 33 S 77 mwN; BSGE 69, 187, 190 = SozR 3-2200 § 183 Nr 2 S 8 mwN; Höfler in: Kasseler Kommentar, § 51 SGB V RdNr 8). Die Entscheidung ist nach Maßgabe des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG auf Ermessensfehler hin sozialgerichtlich überprüfbar (zu den im Rahmen des § 51 SGB V geltenden Maßstäben allgemein vgl zB Noftz, aaO, K § 51 RdNr. 22 f). Kann der Versicherte ein berechtigtes Interesse am Hinausschieben des Rentenbeginns geltend machen, das die Belange der Krankenkasse überwiegt, muss die Kasse ihre Zustimmung erteilen. Ein solches berechtigtes Interesse des Versicherten kommt nach der Rechtsprechung vor allem in Betracht, wenn "eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs erreicht werden kann, z-B- durch eine evtl. noch mögliche Erfüllung der Voraussetzungen für eine Erhöhung der Rentenbemessungsgrundlage" (BSG, Urteil vom 07.12.2004, B 1 KR 6/03 R).
Ergänzend dazu führt das BSG zu den Anforderungen an die der Beklagten obliegenden Ermessensausübung aus:
„Bei der Ausübung muss die Krankenkasse alle Umstände des Einzelfalls sorgfältig abwägen und die Belange der Versicherten beachten. Das Gesetz räumt bei der Abwägung zwischen den Gestaltungsmöglichkeiten des Versicherten und den Befugnissen der Krankenkasse nach § 51 SGB V allerdings grundsätzlich den Interessen der Krankenkasse den Vorrang ein (so zutreffend Höfler in: Kasseler Kommentar, § 51 SGB V RdNr 8). Eine Entscheidung zu Gunsten des Versicherten erfordert daher, dass seine Belange den bei Dauerzuständen gesetzlich typisierten Vorrang der Krankenkasseninteressen an einer Begrenzung der Krankengeldaufwendungen sowie der Überantwortung der Kompensation krankheitsbedingten Entgeltausfalls an die Rentenversicherungsträger überwiegen.
Unter diesem Blickwinkel könnten Gesichtspunkte, die in die Richtung eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger gehen, daher bewusst zum Nachteil der Versichertengemeinschaft der Krankenversicherung getroffen worden wären, nicht zu einer dem Versicherten günstigen Entscheidung führen (vgl schon BSG SozR 3- 1300 § 86 Nr 3 S 10). Im ähnlichen Sinne wären zu Lasten der Versichertengemeinschaft gehende Manipulationen zwischen Arbeitgeber und Versichertem nicht schützenswert; solche könnten zB vorliegen, wenn Arbeitsvertragsparteien ein "betriebsbedingtes Ausscheiden" vereinbaren, obwohl beiden bereits klar ist, dass eine Rückkehr des Versicherten an seinen Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen ausscheidet und mit der Abrede nur leistungsrechtliche Verschiebungen erreicht werden sollen (ähnlich zur fehlenden Bindungswirkung arbeitsgerichtlicher Vergleiche im Arbeitsförderungsrecht: BSG SozR 3-4100 § 119a Nr 1 S 2; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 75). Umgekehrt könnte ein "Erschleichen" der Reha-Antragstellung durch die Krankenkasse dadurch, dass sie dem Versicherten bei der Aufforderung nach § 51 Abs 1 SGB V pflichtwidrig erkennbar wichtige Informationen vorenthält, die spätere Verweigerung der Zustimmung nicht rechtfertigen.
Da die Krankenkasse - wie beschrieben - nach der gesetzlichen Wertung ihr Interesse an einem frühzeitigen Wegfall des Krankengeldes und an möglichen Erstattungsansprüchen gegen den Rentenversicherungsträger aktiv wahrnehmen soll, ist das bloße Interesse des Versicherten, weiterhin und möglichst lange das im Vergleich zu Rentenleistungen höhere Krankengeld in Anspruch nehmen zu wollen, nicht schützenswert und kann regelmäßig kein durchgreifender Umstand für das Abgehen von der Antragsfiktion sein (vgl zB Marschner in: GK-SGB V, § 51 RdNr 18). Im gleichen Sinne würde das Interesse an höheren Rentenleistungen, die sich aus der Berücksichtigung zusätzlicher Anrechnungszeiten wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (vgl § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) bzw Beitragszeiten wegen Krankengeldbezugs (vgl § 247 Abs 1 SGB VI) ergeben soll, nicht für die Zustimmung ausreichen (ähnlich LSG Berlin Breithaupt 1987, 811).
(...)
In diesem Zusammenhang muss erwogen werden, ob die Versicherte nach den Regelungen über das tarifliche Überbrückungsgeld nicht ohnehin gegenüber ihrem Arbeitgeber verpflichtet war, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beantragen. Wäre letzteres der Fall - wofür es hier Anhaltspunkte gibt -, könnten aus dem vorgetragenen Wunsch nach gleichwohl möglichst umfassender Ausschöpfung der Überbrückungsgeldhöchstdauer auch im Rahmen der Entscheidung über die Zustimmung zum Ausschluss der Rentenantragsfiktion keine Vorteile hergeleitet werden. Die Vorinstanzen haben insoweit allerdings nicht festgestellt, welcher Tarifvertrag (TV) Grundlage der Überbrückungsgeld-Zahlungen war. In dem in den SG-Akten befindlichen Aufhebungsvertrag vom 11. April 1997 ist insoweit in Bezug genommen der "Tarifvertrag Nr 1 (DTAG) - Überbrückungsgeld- Tarifvertrag". Sollte dieser TV (vom 2. März 1995) uneingeschränkt auf das Verhältnis zwischen der Versicherten W. und ihrem Arbeitgeber Anwendung finden, könnte Folgendes gelten: Nach § 4 Abs 2 TV bestand Anspruch auf Überbrückungsgeld für maximal 60 Kalendermonate, "längstens jedoch bis zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Beginns einer gesetzlichen Rente wegen Alters ... oder wegen Erwerbsunfähigkeit"; nach § 4 Abs 4 TV galt zudem, dass dann, wenn kein Rentenantrag gestellt wird, "obwohl die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente iS des § 4 Abs 2 erfüllt sind", der Anspruch auf das Überbrückungsgeld ab dem Zeitpunkt entfällt, "der bei rechtzeitiger Beantragung der Rente als Rentenbeginn maßgebend gewesen wäre". Sollte sich insoweit ergeben, dass W. arbeitsrechtlich verpflichtet war, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit so früh wie möglich zu beantragen, könnte ihr jetziges Begehren keinen Erfolg haben. Hierzu wird die Beklagte Erwägungen anzustellen und zu berücksichtigen haben, dass trotz der tariflichen Regelungen ein dem Kläger günstiges Ergebnis in Betracht käme, wenn im Arbeitgeberbetrieb eine vom Tarifvertrag abweichende betriebliche Übung praktiziert wurde, der mit Blick auf das Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs 3 Tarifvertragsgesetz - TVG -) Vorrang zukommen könnte.“
BSG (Urteil vom 07.12.2004, B 1 KR 6/03 R)
Vorliegend macht der Kläger jedoch allein ein aus seiner Sicht „berechtigtes Interesse“ in Hinblick auf eine höhere Rentenzahlung geltend. Jedoch soll gerade das Interesse an höheren Rentenleistungen, die sich aus der Berücksichtigung zusätzlicher Anrechnungszeiten wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) bzw. Beitragszeiten wegen Krankengeldbezugs (vgl. § 247 Abs. 1 SGB VI) ergeben soll, nicht für die Zustimmung ausreichen (BSG, aaO). Das BSG stellt insofern im Vergleich zu der vom Klägerbevollmächtigten zitierten Ausführungen zu Randnummer 24 der Entscheidung klar, dass nur eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs ein berechtigtes Interesse begründen kann. Für eine solche erhebliche Verbesserung ist hingegen allein die höhere Rentenleistung wegen der Berücksichtigung zusätzlicher Anrechnungszeiten - wie vorliegend geltend gemacht wird - gerade nicht ausreichend.
Auch im Übrigen hat die Beklagte nach Auffassung der Kammer hinreichende Ermessenserwägungen angestellt, um die Zustimmung ermessensfehlerfrei zu verweigern. So hat die Beklagte unter Beachtung der höheren Rentenzahlung von ca. 76 € im Monat ab dem Jahr 2022 auch das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Erstattung der bereits erbrachten Krankengeldleistungen ab dem 01.06.2015 in Höhe von ca. 6.000 € berücksichtigt und bei ihren Erwägungen mit einbezogen.
Zusammenfassend hat die Beklagte damit alle Umstände bei der ihr obliegenden Ermessensentscheidung beachtet und hinreichend gewürdigt. In der von Seiten der Beklagten vorgebrachten Begründung ist weder ein Ermessensfehlgebrauch noch eine Ermessensunter- bzw. Überschreitung erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.“
Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.01.2019 fristgerecht Berufung eingelegt. Zur Begründung nimmt er im Wesentlichen Bezug auf sein bisheriges Vorbringen. Vertiefend führte er (in der Sache) aus, die Entscheidung des Sozialgerichts sei widersprüchlich. Einerseits gehe es ausweislich des Gerichtsbescheids davon aus, dass ein Anspruch auf Zustimmung bestehe, wenn eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs erreicht werden könne, z.B. durch eine eventuell noch mögliche Erfüllung der Voraussetzungen für eine Erhöhung der Rentenbemessungsgrundlage. Andererseits behaupte das Sozialgericht, dass gerade das Interesse an höheren Rentenleistungen, die sich aus der Berücksichtigung zusätzlicher Anrechnungszeiten wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bzw. Beitragszeiten wegen Krankengeldbezugs ergeben sollten, nicht für die Zustimmung ausreiche. Entscheidend sei, dass nach der Rechtsprechung des BSG eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs ausreiche, um das berechtigte Interesse des Versicherten zu bejahen. Ferner habe das Sozialgericht keine ordnungsgemäße Ermessensprüfung durchgeführt. Der Beklagten sei hier ein Ermessensfehler in Form der Ermessensunterschreitung vorzuwerfen, weil die Beklagte überhaupt kein Ermessen ausgeübt habe. Überdies stehe aufgrund einer Falschberatung durch die Beigeladene ein Anspruch auf Rente ohne die erfolgte Kürzung der Entgeltpunkte zu.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 16.01.2019 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2018 zu verpflichten, ihre Zustimmung zur Rücknahme des fiktiven Rentenantrags vom 22.05.2015 zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und nimmt im Wesentlich darauf, sowie auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug.
Mit Beschluss vom 21.09.2021 hat der Senat die Deutsche Rentenversicherung Rheinland beigeladen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Mit Urteil vom 25.01.2022 hat das Sozialgericht Köln (S 26 R 692/19) die Beigeladene verpflichtet, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls am 20.09.2017 zu gewähren, da sich unter Zugrundelegung der medizinischen Ermittlungen ein aufgehobenes Leistungsvermögen vor September 2017 nicht begründen lasse. Eine hiergegen durch die Beigeladene eingelegte Berufung (LSG Nordrhein-Westfalen L 14 R 119/22) ist anhängig.
Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der ebenfalls beigezogenen Verfahrensakte SG Köln S 23 KR 1348/18 verwiesen.
Entscheidungsgründe
A. I. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
II. Streitgegenständlich ist ausweislich des Vortrags und des erstinstanzlichen Antrags des Klägers die Erteilung der Zustimmung der Beklagten zur Rücknahme des fiktiven Rentenantrags vom 22.05.2015. Dahingehend war das Begehren des Klägers auszulegen (§ 123 SGG). Soweit der Kläger teilweise schriftsätzlich vorgetragen hat, ihm stehe aufgrund einer Falschberatung durch die Beigeladene ein Anspruch auf Rente ohne die erfolgte Kürzung der Entgeltpunkte zu, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der Kläger dieses Begehren zum Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits gemacht hat. Vielmehr verortet der Senat dieses Begehren in den zwischen dem Kläger und der Beigeladenen anhängigen Rechtsstreit (L 14 R 119/22) und legt die in dem vorliegenden Rechtsstreit insoweit gemachten Ausführungen des Klägers so aus, dass diese informatorisch sind und der Einordnung dienen. Ein Begehren des Klägers, seinen erstinstanzlichen Antrag insoweit zu erweitern (§ 99 Abs. 1 SGG) vermag der Senat aus den Ausführungen des Klägers nicht zu extrahieren; eine Verurteilung der Beigeladenen (§ 75 Abs. 5 SGG) schiede vorliegend überdies schon deshalb aus, weil der streitige Anspruch gegen die Beklagte und ein so verstandener Anspruch gegen die Beigeladene nicht in Wechselwirkung zueinander stünden (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Auflage 2020, § 75 Rn. 18 m.w.N.).
III. Der Senat war an einer Entscheidung nicht deshalb gehindert, weil auf den Antrag des Klägers das Ruhen des Verfahrens anzuordnen war (§ 202 SGG i.V.m. § 251 ZPO). Es fehlt insoweit bereits an einem entsprechenden Antrag der Beklagten (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Auflage 2020, Vor § 114 Rn. 4 m.w.N.).
B. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht Köln hat die zulässig erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) des Klägers zu Recht abgewiesen.
Der Bescheid der Beklagten vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2018, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, ihre Zustimmung dazu zu erteilen, dass „der Reha-Antrag vom 22.05.2015 nicht als Rentenantrag“ gelte, ist rechtmäßig. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auszuführen: Der Kläger kann den auf Aufforderung der Beklagten (§ 51 Abs. 1 SGB V) gestellten Rehabilitationsantrag wirksam nur mit Zustimmung der Beklagten zurücknehmen (vgl. BSG vom 07.12.2004 – B 1 KR 6/03 R Rn. 22 m.w.N.). Bei der Entscheidung über einen Antrag des Versicherten auf Erteilung dieser Zustimmung ist die Beklagte nicht völlig frei, sondern hat ihre Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Die Entscheidung ist nach Maßgabe des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG auf Ermessensfehler hin sozialgerichtlich überprüfbar. Das Interesse der Krankenkasse an dem Übergang der Leistungszuständigkeit an den Rentenversicherungsträger hat nach dem Normzweck des § 51 SGB V grundsätzlich Vorrang. Das allgemeine Interesse des Versicherten, möglichst lange das zumeist höhere Krankengeld zu beziehen oder evtl. zugleich Vorteile für eine spätere Rente zu erlangen, ist gegen das sich aus dem Schutzzweck der § 51 Abs. 1 SGB V ergebende Solidarinteresse abzuwägen, das grundsätzlich Vorrang hat (LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.11.2017 – L 16 KR 261/16 Rn. 57 m.w.N.). Kann der Versicherte ein berechtigtes Interesse am Hinausschieben des Rentenbeginns geltend machen, das die Belange der Krankenkasse überwiegt, muss die Krankenkasse ihre Zustimmung erteilen. Als bei der Ermessensentscheidung der Krankenkasse ausschlaggebende berechtigte Interessen der Versicherten werden nur solche anerkannt, die nicht in erster Linie darauf ausgerichtet sind, die der Krankenkasse zustehenden Befugnisse zu schmälern. Das bloße Interesse des Versicherten an der (Weiter-) Zahlung des im Vergleich zu anderen Leistungen regelmäßig höheren Krankengeldes begründet demgemäß keine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Versicherten (LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.11.2017 – L 16 KR 261/16 Rn. 57 m.w.N.). Ein solches berechtigtes Interesse des Versicherten kommt vor allem in Betracht, wenn eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs erreicht werden kann, z.B. durch eine eventuell noch mögliche Erfüllung der Voraussetzungen für eine Erhöhung der Rentenbemessungsgrundlage (BSG vom 07.12.2004 – B 1 KR 6/03 R Rn. 24 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jede Verbesserung des Rentenanspruchs, die sich durch ein Herausschieben des Rentenbeginns und die dadurch herbeigeführten zusätzlichen rentenrechtlich bedeutsamen Zeiten ergibt, ein derartiges berechtigtes Interesse darstellt (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.11.2017 – L 16 KR 261/16 Rn. 58), weil ansonsten das Recht der Beklagten aus § 51 Abs. 1 SGB V weitgehend leer liefe. Insbesondere ist eine erhebliche Verbesserung der Rente nicht allein dann anzunehmen, wenn durch die Verschiebung des Rentenbeginns (nur) ein höherer Betrag zur Auszahlung kommt (vgl. auch BSG vom 07.12.2004 – B 1 KR 6/03 R Rn. 34, wonach das bloße Interesse des Versicherten, weiterhin und möglichst lange das im Vergleich zu Rentenleistungen höhere Krankengeld in Anspruch nehmen zu wollen, nicht schützenswert ist und regelmäßig kein durchgreifender Umstand für das Abgehen von der Antragsfiktion sein kann und Entsprechendes für das Interesse an höheren Rentenleistungen gilt, die sich aus der Berücksichtigung zusätzlicher Anrechnungszeiten wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ergeben).
Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist danach nicht zu beanstanden. Aus dem Vorgesagten wird deutlich, dass das – wie hier allein auf dem Hinausschieben des Antrags fußende – Hinzutreten weiterer rentenrechtlicher Zeiten gerade nicht ausreichend ist. Ein Fall, in dem durch das Hinausschieben des Rentenbeginns ein anderer rentenrechtlich bedeutsamer Tatbestand erfüllt wird, der dem Kläger den Bezug einer höheren Rente ermöglicht, liegt hier gerade nicht vor. Der Kläger erstrebt lediglich eine höhere Rente dadurch, dass er auf den Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung verzichtet und stattdessen Leistungen Dritter (Bundesagentur für Arbeit, Jobcenter) bis zum Eintritt in die Regelaltersrente begehrt. Auch ein Vergleich mit anerkannten, in Betracht kommenden Interessenslagen (Arbeitsplatzverlust bei Antragstellung, Verlust des Anspruchs auf eine Zusatz- oder Betriebsrente, Erreichung der Wartezeit für eine Altersrente, Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in der Krankenversicherung der Rentner durch weitere Beitragszeiten; LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.11.2017 – L 16 KR 261/16 Rn. 59 m.w.N.) zeigt, dass es nicht nur um den geringeren Auszahlungsbetrag gehen kann. Das Interesse des Versicherten an höheren Rentenleistungen, die sich aus der Berücksichtigung zusätzlicher Beitragszeiten wegen Krankengeldbezuges ergeben oder das Interesse, länger das höhere Krankengeld in Anspruch zu nehmen, rechtfertigen die Zustimmung deshalb grundsätzlich nicht (LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.11.2017 – L 16 KR 261/16 Rn. 59).
Des ungeachtet stellt zur Überzeugung des Senats die ausweislich der Vergleichsberechnung der Beigeladenen im Raum stehenden Erhöhung der Rente um ca. 76 Euro monatlich (einer Erhöhung um ca. 11% entsprechend) keine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs im oben genannten Sinne dar. Denn allein die Regelungen über die Minderung der Rente nach den Vorschriften über den Zugangsfaktor zeigen, dass der Gesetzgeber es für eine zumutbare Belastung hält, dass Versicherte bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine derartige Rentenminderung hinnehmen müssen. Eine Rentenminderung kann danach grundsätzlich nicht als wesentliche Belastung und ihre Abwendung durch einen späteren Rentenbeginn nicht als zu berücksichtigende Verbesserung angesehen werden, die eine Verschiebung des Rentenbeginns rechtfertigt (LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.11.2017 – L 16 KR 261/16 Rn. 59 m.w.N.).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
D. Gründe für eine Revisionszulassung im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.