L 8 AY 18/23 B ER

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Asylbewerberleistungsgesetz
1. Instanz
SG Hannover (NSB)
Aktenzeichen
S 54 AY 16/23 ER
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 8 AY 18/23 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Wegen der sich aus der Entscheidung des BVerfG zu der Sonderbedarfsstufe 2 für Leistungsberechtigte in Sammelunterkünften nach § 2 Abs 1 S 4 Nr 1 AsylbLG (BVerfG v. 19.10.2022 - 1 BvL 3/21 - juris Rn 74 ff.) ergebenden Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Parallelvorschrift § 3a Abs 1 Nr 2 lit b AsylbLG bzw. § 3a Abs 2 Nr 2 lit b AsylbLG und der damit ganz überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind in Eilverfahren insoweit keine hohen Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) zu stellen (Aufgabe von LSG Niedersachsen-Bremen v 09.07.2020 - L 8 AY 52/20 B ER - juris Rn. 28 ff.).

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 26. April 2023 geändert: Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig vom 1. März 2023 bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch vom 9. Februar 2023 gegen den Bescheid vom 23. Januar 2023, längstens bis zum 31. Juli 2023, den Antragstellern zu 2 bis 4 Leistungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII und der Antragstellerin zu 1 Leistungen nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen zu gewähren. Im Übrigen wird der Eilantrag abgelehnt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat 4/5 der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für beide Instanzen zu erstatten.

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt J., K., beigeordnet. Ratenzahlung wird nicht angeordnet.

 

 

Gründe:

Die am 26.5.2023 eingelegte Beschwerde der am 25.12.2017 nach Deutschland eingereisten montenegrinischen Antragsteller vom Volke der Roma (die 1988 geborene Antragstellerin zu 1 und ihre in den Jahren 2012, 2013 bzw. 2014 geborenen Kinder, die Antragsteller zu 2 bis 4) gegen den Beschluss vom 26.4.2023, mit dem das Sozialgericht (SG) Hannover ihren Eilantrag vom 1.3.2023, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig statt der mit Bescheid vom 23.1.2023  für den Zeitraum vom 1.3. bis zum 31.7.2023 bewilligten Leistungen nach § 3 AsylbLG sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG i.V.m. mit dem SGB XII zu gewähren, ist zulässig und hat betreffend die Antragsteller zu 2 bis 4 in vollem Umfang sowie betreffend die Antragstellerin zu 1 teilweise in der Sache Erfolg.

Das SG hat den Eilantrag betreffend die Antragsteller zu 2 bis 4 zu Unrecht und betreffend die Antragstellerin zu 1 nur teilweise zu Recht abgelehnt.

Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Die streitigen Rechtsverhältnisse sind hier dadurch begründet, dass die Antragsteller gegen den Bescheid der insoweit für die Antragsgegnerin handelnden Stadt L. vom 23.1.2023 am 9.2.2023 Widerspruch erhoben haben, über den noch nicht entschieden ist.

Die Antragsteller zu 2 bis 4 haben einen Anspruch auf die begehrten Leistungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII glaubhaft gemacht. Sie sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG leistungsberechtigt nach dem AsylbLG, weil jeder von ihnen - wie auch die Antragstellerin zu 1 - im Besitz einer bis zum 24.2.2024 gültigen Duldung nach § 64a AufenthG ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sind abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Antragsteller zu 2 bis 4 halten sich bereits seit ihrer Einreise im Dezember 2017 und damit im Zeitpunkt des Beginns der streitigen Leistungsgewährung am 1.3.2023 weit länger als die erforderlichen 18 Monate ohne wesentliche Unterbrechung in Deutschland auf. Auch im Zeitpunkt der gesetzlichen Verlängerung der Wartefrist von 15 auf 18 Monate mit Wirkung vom 21.8.2019 war die neue Wartefrist von 18 Monaten bereits erfüllt, sodass die vertrauensschützende Übergangsregelung des § 15 AsylbLG nicht Anwendung findet (vgl. Opperman in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 15 AsylbLG, Stand: 7.3.2023, Rn. 23). Die Antragsteller zu 2 bis 4 haben ihren Aufenthalt in Deutschland auch nicht i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG selbst rechtsmissbräuchlich beeinflusst. Das Tatbestandsmerkmal der Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer enthält ein höchstpersönliches Element. Der Leistungsberechtigte muss das vorgeworfene Verhalten persönlich zu verantworten haben. Dasselbe gilt für ein vorwerfbares Unterlassen (z.B. mangelnde ausländerrechtliche Mitwirkung). Der Vorwurf des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens darf also nicht über das Verhalten Dritter zugerechnet werden. Damit scheidet insbesondere eine Zurechnung des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Eltern als gesetzlicher Vertreter zulasten der Kinder aus, wenn diese selbst keinen eigenen Beitrag an dem inkriminierten Verhalten geleistet haben (vgl. BSG Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rn. 48; Oppermann/Filges in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 2 AsylbLG, Stand: 21.12.2022, Rn. 69, 250 und 251). So liegt der Fall hier. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten ihrer Mutter, der Antragstellerin zu 1, ist den Antragstellern zu 2 bis 4 nicht zurechenbar und ihnen selbst kann ein vorsätzlich rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht vorgeworfen werden. Als rechtsmissbräuchliches Verhalten kommen die Angabe falscher Personalien (im Wesentlichen Angabe des Familiennamens M. statt richtig B. für sämtliche Antragsteller sowie die Angabe eines unrichtigen Geburtsdatums für die Antragstellerin zu 1, N. statt O.) nach der Einreise im Dezember 2017 gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Asylverfahren und gegenüber der Landesaufnahmebehörde (LAB) Niedersachsen und der Ausländerbehörde bis zur Identitätsklärung durch die Antwort der montenegrinischen Behörden vom 13.9.2018 auf ein Rücknahmeersuchen der LAB Niedersachsen, das ihre für den 3.3.2020 vorgesehene Abschiebung verhindernde Untertauchen der Antragsteller sowie ihre allgemein unzureichende Mitwirkung im ausländerrechtlichen Verfahren in Betracht. Die falschen Angaben zu ihrer Identität haben nicht die bei ihrer Einreise erst 3, 4 bzw. 5 Jahre alten Antragsteller gemacht, sondern die Antragstellerin zu 1 als ihre Mutter, deren rechtmissbräuchliches Verhalten (dazu später) ihnen nicht zuzurechnen ist. Auch das Untertauchen der Antragsteller hat allein die Antragstellerin zu 1 zu verantworten. Sie hatte das Aufenthaltsbestimmungsrecht über die damals 6, 7 bzw. 8 Jahre alten Antragsteller zu 2 bis 4, die gezwungen waren, mit ihrer Mutter unterzutauchen. Zu eigenem Mitwirken im ausländerrechtlichen Verfahren zur Beschaffung von Identitätspapieren waren die minderjährigen Antragsteller zu 2 bis 4 nicht verpflichtet. Diese Verpflichtung hatte allein die Antragstellerin zu 1 als ihre sie gesetzlich vertretende Mutter. Auch eine Verletzung dieser Verpflichtung wäre den Antragstellern zu 2 bis 4 nicht zuzurechnen.

Wegen des existenzsichernden Charakters der Analogleistungen ist für die Antragsteller zu 2 bis 4 auch der erforderliche Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Die Antragstellerin zu 1 hat keinen Anordnungsanspruch auf Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. dem SGB XII glaubhaft gemacht. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass sie die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG selbst beeinflusst hat.

Nach der Rechtsprechung des BSG (grundlegend: Urteil vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rn. 32 ff.) setzt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG in objektiver Hinsicht ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus, das in subjektiver Hinsicht vorsätzlich im Bewusstsein der objektiv möglichen Aufenthaltsbeeinflussung getragen ist. Dabei genügt angesichts des Sanktionscharakters des § 2 AsylbLG nicht schon jedes irgendwie zu missbilligende Verhalten. Art, Ausmaß und Folgen der Pflichtverletzung wiegen für den Ausländer so schwer, dass auch der Pflichtverletzung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein erhebliches Gewicht zukommen muss. Daher kann nur ein Verhalten, das unter jeweiliger Berücksichtigung des Einzelfalls, der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland und der besonderen Eigenheiten des AsylbLG unentschuldbar ist (Sozialwidrigkeit), zum Ausschluss von Analog-Leistungen führen. Die Angabe einer falschen Identität stellt einen typischen Fall des Rechtsmissbrauchs dar (BSG, a.a.O., Rn. 34). Eine Ausnahme ist zu machen, wenn eine etwaige Ausreisepflicht des betroffenen Ausländers unabhängig von seinem Verhalten ohnehin in dem gesamten Zeitraum des Rechtsmissbrauchs nicht hätte vollzogen werden können (BSG, a.a.O., Rn. 44). Die objektive Beweislast für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten trägt der Leistungsträger (Oppermann/Filges, a.a.O., Rn. 140 ff.)

Davon ausgehend ist es nach summarischer Prüfung auf der Grundlage des gegenwärtigen Sach- und Streitstandes überwiegend wahrscheinlich, dass sich im Hauptsacheverfahren wird feststellen lassen, dass die Antragstellerin zu 1 die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat, indem sie durch Angabe falscher Personalien (im Wesentlichen Angabe des Familiennamens M. statt richtig B. für sämtliche Antragsteller sowie die Angabe ihres Geburtsdatums N. statt zutreffend O.) nach der Einreise im Dezember 2017 gegenüber dem BAMF, der LAB Niedersachsen und der Ausländerbehörde bis zur Identitätsklärung durch die Antwort der montenegrinischen Behörden vom 13.9.2018 über ihre Identität (und auch diejenige der Antragsteller zu 2 bis 4) getäuscht hat. Ein Übermittlungsfehler oder ein Missverständnis bei der Aufnahme der Personalien wegen der Blindheit der Antragstellerin zu 1 ist unwahrscheinlich, weil ausweislich des Protokolls ihrer mit Hilfe eines Dolmetschers am 19.1.2018 durchgeführten Anhörung durch das BAMF die „Angaben zum Teil 1 der Niederschrift zum Asylantrag“ (persönliche Daten der Antragsteller, u.a. zu der Antragstellerin zu 1: Familienname M., geb. am N.) mit ihr abgeglichen und von ihr als korrekt bestätigt worden sind. Ein Vollzug der Ausreisepflicht der Antragstellerin zu 1 ist nicht in dem gesamten Zeitraum des Rechtsmissbrauchs unabhängig von ihrem rechtsmissbräuchlichen Verhalten schon wegen der Augenerkrankung des Antragstellers zu 2 unmöglich gewesen. Die Augenerkrankung wurde vom 19. bis zum 21.2.2019 erfolgreich stationär in der Medizinischen Hochschule P. behandelt (Entlassungsbericht vom 21.2.2019) und war - wie auch weitere kurzfristige Erkrankungen der Kinder - allenfalls kurzfristig ein Abschiebungshindernis.

Der Antragstellerin zu 1 sind allerdings ausgehend von der Wechselwirkung zwischen dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund (je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, desto geringer sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und umgekehrt, vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 86b Rn. 27 m.w.N.) im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig höhere Leistungen nach §§ 3, 3a AsylblG zuzusprechen. Sie hat einen Anspruch auf höhere als die ihr mit Bescheid vom 23.1.2023 wegen ihrer Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 lit. b und § 3a Abs. 2 Nr. 2 lit. b AsylbLG nur in Höhe von 164,00 € bzw. 205,00 € bewilligten Leistungen glaubhaft gemacht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie in der Hauptsache statt dieser Leistungen erfolgreich solche nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG in Höhe von 182,00 € bzw. 228,00 € geltend machen kann. Das BVerfG hat mit seinem am 23.11.2022 veröffentlichten Beschluss vom 19.10.2022 - 1 BvL 3/21 - entschieden, dass die Sonderbedarfsstufe 2 für eine in einer Sammelunterkunft untergebrachte alleinstehende erwachsene Person nach der Parallelvorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 AsylbLG mit dem Grundgesetz (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) unvereinbar ist (Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums). Die Annahme des Gesetzgebers, den Leistungsberechtigten sei es möglich und zumutbar, in den Unterkünften eröffnete Möglichkeiten zu gemeinsamem Wirtschaften zu nutzen, sowie die Berücksichtigung von dadurch erzielbaren Einsparungen bei der Bemessung des existenznotwendigen Bedarfs (vgl. BT-Drs. 19/10052, S. 24 f.), sei zwar im Ausgangspunkt verfassungsrechtlich nach dem Nachranggrundsatz nicht zu beanstanden. Diese Obliegenheit gemeinsamen Wirtschaftens sei aber nur dann verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn hinreichend gesichert ist, dass in den Sammelunterkünften auch tatsächlich die Voraussetzungen dafür vorliegen, diese zu erfüllen und so Einsparungen in entsprechender Höhe erzielen zu können. Dafür haben sich bei einem gemeinsamen Aufenthalt in einer Gemeinschaftsunterkunft (§ 53 AsylG) oder Aufnahmeeinrichtung (§ 44 AsylG) keine Anhaltspunkte ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.10.2022 - 1 BvL 3/21 - juris Rn. 74 ff.). Das BVerfG hat eine Übergangsregelung angeordnet, nach der für alleinstehende Erwachsene, die in einer Gemeinschaftsunterkunft oder in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht sind, unter den Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 Nr. 1 AsylbLG ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt wird und nicht in Höhe der Regelbedarfsstufe 2. Daraus ergibt sich ohne Zweifel auch die Verfassungswidrigkeit des § 3a Abs. 1 Nr. 2 lit. b AsylbLG bzw. § 3a Abs. 2 Nr. 2 lit. b AsylbLG und die Notwendigkeit, in diesen Fällen die Leistungssätze von § 3a Abs. 1 Nr. 1 und § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG anzuwenden. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber eine entsprechende verfassungskonforme Regelung schaffen wird. Wegen der ganz überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache hält der Senat in Fällen wie dem vorliegenden an seiner restriktiven, an der Glaubhaftmachung der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) ausgerichteten Rechtsprechung im einstweiligen Rechtsschutz (vgl. Beschluss vom 9.7.2020 - L 8 AY 52/20 B ER - juris Rn. 28 ff.) nicht mehr fest (vgl. zum Ganzen auch Frerichs in juris-PK SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 3a AsylbLG, Stand: 25.5.2023, Rn. 44.16 ff.).

Ein Anspruch der Antragstellerin zu 1 auf höhere Leistungen wegen Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung gemäß § 6 Abs. 1 AsylbLG ist nicht von vornherein ausgeschlossen. Allerdings bedarf es aufgrund ihrer Unterbringung gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester noch der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer alleinigen Sorge für die Pflege und Erziehung der Antragsteller zu 2 bis 4 erfüllt ist (vgl. BSG, Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - juris Rn. 14). Es besteht aber schon kein Anspruch auf eine pauschale Mehrbedarfsgewährung; maßgeblich ist vielmehr der konkret-individuelle Bedarf (Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 6 AsylbLG, Stand: 25.5.2023, Rn. 56, 54 m.w.N.). Einen solchen Bedarf hat die Antragstellerin zu 1 nicht glaubhaft gemacht. Er kann auch nicht ohne weiteres wegen der Schwerbehinderung der erblindeten Antragstellerin zu 1 (GdB 100; Merkzeichen G, H, Bl. und RF) angenommen werden, weil sie mit ihren Kindern zusammen mit der sie unterstützenden Mutter und Schwester in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht ist. Jedenfalls ist deshalb ein Anordnungsgrund, die besondere Eilbedürftigkeit der Sache nicht glaubhaft gemacht. Daher war auch dem umfangreichen erstinstanzlichen Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller zu einem Mehrbedarf wegen Alleinerziehung nicht weiter nachzugehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) erfolgt gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der nicht mutwilligen Beschwerde ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen. Die Antragsteller erfüllen auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH. Die Beiordnung des Rechtsanwalts erfolgt gemäß § § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.

Rechtskraft
Aus
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