L 28 KR 432/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
28.
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 282/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 KR 432/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Führt allein das Verschieben eines zu einem Rentenantrag gemäß §  116 Abs. 2 SGB VI umgedeuteten Antrags auf medizinische Rehabilitation, den Versicherte nach Aufforderung der Krankenkasse gemäß § 51 SGB V gestellt haben, nicht zu einem höheren Rentenanspruch, haben die Versicherten keinen Anspruch auf (Wieder-)Einräumung ihres Gestaltungsrechts.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichtes Potsdam vom 30. August 2021 wird zurückgewiesen.

 

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Zustimmung der Beklagten zur Einräumung des Gestaltungsrechts über einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente.

 

Die Klägerin ist am 10. November 1949 geboren. Sie war als Servicekraft in der Gastronomie des Kaufhauses X in B beschäftigt und ist bei der Beklagten kranken- sowie bei der beigeladenen Deutschen Rentenversicherung Bund (im Folgenden: die Beigeladene) rentenversichert. Am 29. Dezember 2010 erlitt sie während ihrer Berufstätigkeit einen Unfall und war seitdem arbeitsunfähig (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 18. Januar 2011 mit Bescheinigung eines Arbeitsunfalles, konkret wegen Zerrung des rechten Kniegelenks, Verdacht auf Seitenbandüberdehnung und eines Meniskusrisses).

 

Die Beklagte zahlte der Klägerin zunächst ab dem 1. März 2011 Verletztengeld im Auftrag des Unfallversicherungsträgers (Mitteilung an die Klägerin vom 18. März 2011). Am 23. März 2011 teilte die für die Unfallversicherung zuständige Berufsgenossenschaft der Beklagten mit, dass die Klägerin eine Heilbehandlung abgebrochen habe und forderte diese auf, kein Verletztengeld mehr zu zahlen. Gleichzeitig teilte die Berufsgenossenschaft der Klägerin mit, dass nach einem Befundbericht des behandelnden Arztes sich die Feststellung ergebe, dass der Befund seit dem 7. Februar 2011 nicht mehr Folge des Arbeitsunfalles sei, Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit infolge des Arbeitsunfalles endeten am 7. Februar 2011. Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin ab dem ab dem 1. März 2011 Krankengeld.

 

Nach Einholung einer Arbeitsplatzbeschreibung beim Arbeitgeber sowie einer sozialmedizinischen Empfehlung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK, heute MD) vom 18. August 2011 forderte die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 24. August 2011 auf, einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen, da ihre Erwerbsfähigkeit nach Einschätzung des MDK erheblich gefährdet oder gemindert sei und eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation ihre Situation verbessern würde. Die Klägerin wurde dazu aufgefordert, ihren Antrag binnen einer Woche an die Beklagte zu senden, die diesen dann an die Beigeladene weiterleiten werde. Der Bescheid wies des Weiteren darauf hin, dass der Krankengeldanspruch der Klägerin enden könne, wenn diese den Reha-Antrag nicht innerhalb von zehn Wochen nach Erhalt dieses Schreibens stelle oder den Antrag danach ohne Zustimmung der Beklagten zurückziehe. Außerdem verwies die Beklagte in dem Bescheid auf ein beiliegendes Beratungsblatt „Leistungen zu Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben – was ist wichtig?“. In diesem wurde die Klägerin u.  a.  darauf hingewiesen, dass in dem Fall, in welchem von der Leistung zur medizinischen Rehabilitation kein Erfolg zu erwarten sei oder die Maßnahme nicht den gewünschten Erfolg erbracht habe, der Antrag auf Gewährung der Rehabilitationsleistung als Rentenantrag gelte. Außerdem wurde sie darauf hingewiesen, dass sie für eine Rücknahme des Antrags die Zustimmung der Beklagten benötige, das gelte auch in dem Fall, in dem der Antrag als Rentenantrag gelte. Der Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

 

Am 26. Oktober 2011 erinnerte die Beklagte die Klägerin an die Rücksendung des Antrags auf Leistungen der Rehabilitation und setzte ihr eine Frist bis zum 7.  November 2011 mit dem Hinweis, dass zu diesem Zeitpunkt die Frist für die Stellung des Antrags von zehn Wochen ende. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass der Krankengeldanspruch enden werde, wenn die Klägerin den Antrag nicht bis zu diesem Tag stelle oder einen bereits gestellten Antrag ohne Zustimmung der Beklagten zurückziehe. Das Schreiben enthielt erneut keine Rechtsbehelfsbelehrung, gleichzeitig wies es erneut auf das o.  g.  beigefügte Beratungsblatt hin.

 

Gemäß einem Telefonvermerk vom 26. Oktober 2011 wollte die Klägerin nur ambulant und nur in Teltow an einer Maßnahme der Rehabilitation teilnehmen; am 3.  November 2011 wurde sie anlässlich eines Telefonats auf die Einhaltung der Frist am 7. November 2011 hingewiesen und alternativ auf die Möglichkeit verwiesen, ein ärztliches Attest einzureichen, wonach für sie keine Reha indiziert sei.

 

Die Klägerin übersandte der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation vom 4. November 2011, den die Beklagte an die Beigeladene weiterleitete. Gleichzeitig meldete die Beklagte bei der Beigeladenen einen Erstattungsanspruch für den Fall der Rentengewährung an und wies auf das eingeschränkte Gestaltungsrecht der Klägerin hin (Schreiben vom 9. November 2011).

 

Die Beigeladene bewilligte der Klägerin eine (ambulante) Leistung zur medizinischen Rehabilitation, an welcher die Klägerin vom 16. Januar 2012 bis zum 13. Februar 2012 teilnahm. Die Entlassung erfolgte gemäß dem Rehabilitationsentlassungsbericht arbeitsunfähig. Die Klägerin sei für die letzte Tätigkeit als Servicekraft unter drei Stunden täglich leistungsfähig, hingegen noch leistungsfähig für körperliche leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen, konkret eine gelenk- und rückengerechte Arbeitsweise, im Umfang von täglich sechs Stunden und mehr. Möglichkeiten einer beruflichen Neuorientierung und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sollten geprüft werden. Auf der Grundlage einer Stellungnahme des sozialmedizinischen Dienstes der Beigeladenen zum Rehabilitationsbericht und den Voraussetzungen des § 116 Abs. 2 SGB VI wurde ein Rentenverfahren von der Beigeladenen zunächst nicht eingeleitet.

 

Am 7. Mai 2012 forderte die Beklagte die Klägerin auf, einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen. Nach Einschätzung des MDK sei die Erwerbsfähigkeit der Klägerin erheblich gefährdet und eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben könne die Situation verbessern. Die Klägerin wurde aufgefordert, den Antrag innerhalb einer Woche an die Beklagte zurückzusenden. Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid keinen Widerspruch. Sie beantragte am 30. Juli 2012 bei der Beigeladenen die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Beigeladene bewilligte der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Gestalt eines Eingliederungszuschusses (Bescheid vom 22. Oktober 2012).

 

Am 23. Mai 2012 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass ihr Krankengeldanspruch am 16. Juli 2012 ende, da zu diesem Zeitpunkt die 78-Wochen-Frist, ausgehend vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 18. Januar 2011, erreicht sei. Die Klägerin wurde zur Vermeidung von Nachteilen aufgefordert, sich bei Agentur für Arbeit vorzustellen. Die Klägerin bezog nach Ende der Krankengeldzahlung ab dem 16. Juli 2012 bis zum 30. April 2013 Leistungen der Bundesagentur für Arbeit.

 

Am 4. Juli 2012 stellte die Klägerin bei der Beigeladenen einen Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

 

Die Beigeladene zog ein von der Bundesagentur für Arbeit erstelltes Gutachten vom 18. Juli 2012 und einen Befundbericht bei. Nach dem Gutachten der Bundesagentur für Arbeit lägen wiederkehrende Beschwerden im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates und eine Verschlechterung des Allgemeinbefindens auf dem Hintergrund einer privaten Konfliktsituation vor. Es bestehe eine Minderung der Leistungsfähigkeit, die eine täglich mindestens dreistündige Tätigkeit dauerhaft ausschließe.

 

Mit Bescheid vom 12. April 2013 bewilligte die Beigeladene nach Einholung eigener Befundberichte und einer darauf beruhenden Änderung des beratungsärztlichen Votums (Erwerbsminderung wegen „Multimorbidität“) der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. November 2011 bis zum 1. Juni 2013 in Höhe von monatlich 957,48 Euro, bzw. 856,95 Euro (Zahlbetrag). Dazu deutete sie den Antrag auf Gewährung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation vom 4.  November 2011 in einen Rentenantrag um und berücksichtigte den Eintritt der Erwerbsminderung im Januar 2011 (als Beginn der Arbeitsunfähigkeit).

 

Die Beklagte meldete bei der Beigeladenen einen Erstattungsanspruch (in Höhe von insgesamt 6.349,60) für die Zeit der Krankengeldzahlung vom 1. November 2011 bis zum 16. Juli 2012 an.

 

Die Klägerin erhob gegen den Rentenbescheid Widerspruch und Klage und wandte sich mit diesem gegen den frühen Zeitpunkt des Rentenbeginns. Die Rente wegen Erwerbsminderung solle erst ab dem 4. Juli 2012 beginnen, dem Tag ihrer eigenen Rentenantragstellung. Ein vor dem Sozialgericht Potsdam anhängiger Rechtsstreit der Klägerin gegen die Beigeladene, gerichtet auf einen späteren Beginn der bewilligten Rente wegen Erwerbsminderung (S 17 R 680/16), ruht im Einverständnis der Beteiligten im Hinblick auf den Rechtsstreit gegen die Beklagte.

 

Seit dem 1. März 2015 bezieht die Klägerin eine Regelaltersrente von der Beigeladenen.

Mit Antrag vom 15. Mai 2014 und vom 14. August 2014 begehrte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Rücknahme ihres Gestaltungsrechts. Zum Zeitpunkt des Reha-Antrags im November 2011 sei noch gar nicht ersichtlich gewesen, ob eine Erwerbsminderung gegeben sei. Der Rehabilitationsentlassungsbericht vom 13. Februar 2012 habe nur eine Arbeitsunfähigkeit mit einer nicht absehbaren Perspektive festgestellt, dagegen sei eine Erwerbsminderung zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesehen oder festgestellt worden. Diese habe sich erst im Zuge der verschiedenen erfolglos gebliebenen (weiteren) Behandlungen ergeben, was dann auch in ihrem Rentenantrag vom 4. Juli 2012 seinen Ausdruck gefunden habe. Die beigeladene Deutsche Rentenversicherung Bund habe der Klägerin im Rentenverfahren mitgeteilt, dass sie im Hinblick auf die Einschränkung des Gestaltungsrechts der Klägerin nicht über eine Änderung des Zeitpunktes des Rentenbeginns entscheiden könne. Die Beklagte werde daher gebeten, die Einschränkung des Gestaltungsrechts zurückzunehmen, sodass die Beigeladene den Zeitpunkt des Rentenbeginns auf den 4. Juli 2012 ändern könne.

 

Die Beklagte lehnte eine rückwirkende Aufhebung des eingeschränkten Gestaltungsrechts der Klägerin mit Bescheid vom 24. September 2014 ab. Gemäß §  51 SGB V müssten berechtigte Interessen des Versicherten vorliegen, damit der begehrten Aufhebung zugestimmt werden könne. Für die Krankenkasse sei eine rückwirkende Zustimmung zur Aufhebung der Einschränkung des Gestaltungsrechts immer mit finanziellen Nachteilen verbunden, da in diesem Fall eine Erstattung der Krankengeldzahlung aus Rentenzahlbeträgen unterbleibe. Für die Beklagte ergebe sich im Fall der Klägerin auf der Grundlage des umgedeuteten Reha-Antrags in einen Rentenantrag ein Abrechnungszeitraum der Rente für den Zeitraum vom 1. November 2011 bis zum Ende der Krankengeldzahlung am 30. Juli 2012 Die Entscheidung sei von der Beklagten nach Ermessen zu treffen. Gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 7. Dezember 2004 (B 1 KR 6/03 R) sei für die Frage, ob Versicherte trotz eingeschränktem Gestaltungsrecht den Rentenbeginn hinausschieben könnten, maßgeblich, ob sie ein berechtigtes Interesse geltend machen könnten, welches die Belange der Krankenkasse überwiege. In diesem Fall müsse die Krankenkasse die Zustimmung erteilen. Ein solches Interesse komme z.  B.  in Betracht, wenn ein Rentenantrag nach tarifvertraglichen Regelungen automatisch zum Arbeitsplatzverlust führe, wenn ein Anspruch auf Betriebsrente durch einen frühzeitigen Rentenbeginn verlorengehe, wenn eine qualifizierte Wartezeit als Voraussetzung für einen Rentenanspruch mit dem späteren Rentenbeginn noch erreicht werden könne oder die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) noch erfüllbar seien. Gemessen daran könne die Beklagte dem Antrag der Klägerin auf Einräumung des Gestaltungsrechts nicht zustimmen.

 

Auf den Widerspruch der Klägerin (vom 27. Oktober 2014) berief sich die Beklagte zunächst auf die Bestandskraft ihrer Aufforderung vom 26. Oktober 2011 (19.  November 2014). Am 4. Januar 2018 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Potsdam und beantragte, die Beklagte zu verurteilen, über ihren Widerspruch zu entscheiden (Aktenzeichen: S 3 KR 7/18).

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 24. September 2014 zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dürfe ein nach § 51 SGB V initiierter Rentenantrag infolge der Feststellung aussichtsloser Rehabilitationsmaßnahmen i.  S.  von § 116 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI von Versicherten ohne Zustimmung der Krankenkasse nicht zurückgenommen werden. Die Beklagte könne dem Begehren der Klägerin auf Zustimmung zur Rücknahme des Antrags auch unter Ausübung ihres Ermessens nicht entsprechen. In dem vorliegenden Verfahrensstadium, in welchem der Reha-Antrag tatsächlich in einen Rentenantrag umgedeutet und der Träger der Rentenversicherung eine Rente bewilligt habe, weil die Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen sei, könne der Einwand, dass eine Erwerbsfähigkeit zu Unrecht verneint worden sei, nur noch gegenüber dem Träger der Rentenversicherung geführt werden. Denn dieser stelle den Zeitpunkt fest, ab dem eine Erwerbsminderung eingetreten sei. Das Gesetz räume bei der Abwägung zwischen den Gestaltungsmöglichkeiten von Versicherten und den Befugnissen der Krankenkasse grundsätzlich den Interessen der Krankenkassen den Vorrang ein. Eine Entscheidung zu Gunsten Versicherter erfordere daher, dass deren Interessen den bei Dauerzuständen gesetzlich typisierten Vorrang der Krankenkasseninteressen an der Begrenzung der Krankengeldaufwendungen sowie der Überantwortung der Kompensation krankheitsbedingten Entgeltausfalls an die Rentenversicherungsträger überwögen. Das bloße Interesse Versicherter, weiterhin und möglichst lange das im Vergleich zu Rentenleistungen höhere Krankengeld in Anspruch zu nehmen, sei nicht schützenswert. Im gleichen Sinne würde das Interesse an höheren Rentenleistungen, die sich aus der Berücksichtigung zusätzlicher Anrechnungszeiten wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bzw. Beitragszeiten wegen Krankengeldbezugs ergeben, nicht für die Zustimmung der Krankenkasse ausreichen. Die darüber hinaus vom Bundessozialgericht bestimmten Sachverhaltskonstellationen, in denen regelmäßig ein berechtigtes Interesse Versicherter an einer Zustimmung der Krankenkasse bestehe, lägen bei der Klägerin nicht vor. Danach sei das Interesse der Klägerin an der Berentung auf der Grundlage des deutlich günstigeren ab dem 1. Juli 2014 geltenden Rechts, verbunden mit der Berücksichtigung zusätzlicher Anrechnungszeiten wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bzw. weiterer Beitragszeiten wegen Krankengeldbezugs nicht schützenswert. Beginne eine Rente mehr als zwei Jahre später als eigentlich angedacht, sei es normal, dass der monatliche Auszahlungsbetrag durch Berücksichtigung weiterer (Anrechnungs-)Zeiten und eines höheren Rentenwertes ansteige. Die Rentenminderung gemäß § 77 SGB VI könne grundsätzlich nicht als wesentliche Belastung und ihre Abwendung durch einen späteren Rentenbeginn im Allgemeinen nicht als zu berücksichtigende Verbesserung angesehen werden, welche eine Verschiebung des Rentenbeginns zu Lasten der Krankenkasse rechtfertige (Hinweis auf Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Mai 2015 – L 1 KR 221/13). Diese Wertung gelte entsprechend, wenn Versicherte forderten, dass das ab dem 1. Juli 2014 deutlich günstigere Rentenrecht für sie Anwendung finden müsse. Entgegen der mit dem Widerspruch vertretenen Auffassung sei der Bescheid vom 26. Oktober 2011 in Bestandskraft erwachsen. Daher seien die Schreiben vom 15. Mai 2014 und vom 14. August 2014 als Antrag auf Einräumung des Gestaltungsrechts und nicht als Widerspruch auszulegen.

 

Die Klägerin hat am 6. Juli 2018 Klage zum Sozialgericht Potsdam erhoben. Die Beklagte habe bereits am 28. Februar 2012 bei der Beigeladenen einen Antrag auf Prüfung einer Umdeutung des Reha-Antrags der Klägerin vom 4. November 2011 gestellt. Gleichwohl habe sie danach die Klägerin noch am 12. Mai 2012 erneut zur Stellung eines zweiten Reha-Antrags mit Integrierung ins sofortige Arbeitsleben aufgefordert. Mit Blick auf den im Juli 2012 endenden Krankengeldbezug, habe die Klägerin bei der Beigeladenen diesen zweiten Reha-Antrag gestellt. Diese Tatsache spreche dafür, dass zu diesem Zeitpunkt die Beklagte selbst die Voraussetzungen des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente bei der Klägerin noch nicht für gegeben erachtet habe. Gleichwohl habe die Beigeladene am 12. April 2013 die volle Erwerbsminderung rückwirkend zum 1. November 2011 festgestellt. Da die Klägerin in der Zwischenzeit Leistungen der Arbeitsagentur bezogen habe, seien diese verrechnet worden. Auf ihren Widerspruch gegen den Rentenbescheid habe die Beigeladene mitgeteilt, dass sie nur dann eine andere Entscheidung zum Rentenbeginn treffen könne, wenn die Beklagte das eingeschränkte Gestaltungsrecht zurücknähme. Sie sei im Anschluss an die Rehabilitation als arbeitsunfähig, aber nicht als vermindert erwerbsfähig entlassen worden. Ihr berechtigtes Interesse auf Zustimmung zur Rücknahme des fiktiven Rentenantrags ergebe sich aus ihrer absoluten Unkenntnis hinsichtlich ihres Handelns. Darüber hinaus sei sie von der Beklagten zur Stellung des Reha-Antrags genötigt worden. Beides führe dazu, dass die angefochtene Entscheidung der Beklagten zu ihren Gunsten zu ändern sei.

 

Mit Urteil vom 30. August 2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Weigerung der Beklagten, einem späteren Rentenbeginn zuzustimmen, sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie sei auch nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Die Klägerin habe im vorliegenden Fall am 4. November 2011 bei der Beigeladenen eine (stationäre) Rehabilitationsmaßnahme beantragt. Die Beklagte habe (zuvor) die Dispositionsfreiheit der Klägerin eingeschränkt. Der Bescheid vom 26. Oktober 2011 sei insoweit bestandskräftig geworden.

 

Die Beklagte habe den Antrag der Klägerin auf Zustimmung zu einem späteren Rentenbeginn ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die Voraussetzungen für ein überwiegendes Interesse der Klägerin seien nicht erfüllt. Allein ihr Interesse an einer höheren Rentenleistung durch weiteren Krankengeldbezug oder Leistungen der Arbeitslosenversicherung oder aufgrund einer Gesetzesänderung, die z.  B.  ab dem 1. Juli 2014 eine Berentung ab dem 63. Lebensjahr vorsehe, rechtfertige keine Zustimmung der Krankenkasse. Der Gesetzgeber halte es auch für zumutbar, dass Versicherte bei Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung eine Rentenminderung (dauerhaft) hinnehmen müssten. Die Beklagte habe das ihr zustehende Ermessen erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt. Sie habe jedenfalls im Widerspruchsbescheid Ermessenserwägungen angestellt. In diesen habe sie sich mit den Argumenten der Klägerin auseinandergesetzt. Diese sei seit Januar 2011 arbeitsunfähig erkrankt. Die zu Lasten der Beigeladenen durchgeführte medizinische Rehabilitationsmaßnahme sei nicht erfolgreich gewesen, die Klägerin sei aus ihr arbeitsunfähig und mit einem untervollschichtigen Leistungsvermögen entlassen worden, was die Voraussetzungen für eine volle Erwerbsminderung darstelle. Die Beklagte habe auch ohne Rechtsfehler berücksichtigt, dass das Interesse der Klägerin an einer wegen weiteren Krankengeldbezugs höheren Rentenleistung zurückzutreten habe.

 

Die Klägerin hat gegen das ihr am 1. November 2021 zugestellte Urteil am 23.  November 2021 Berufung eingelegt.

 

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Das Sozialgericht habe nicht erkannt und gewürdigt, dass ihr Reha-Antrag wegen Falschberatung und Drohungen rückwirkend in einen Rentenantrag umgedeutet worden sei. Die Beklagte habe ihr mitgeteilt, sie müsse ihren Widerspruch (gegen den Rentenbescheid) zurücknehmen, da sie ansonsten für alle Kosten des Verfahrens aufkommen müsse. Sie habe das als Drohung empfunden. Sie sei ferner nicht darüber informiert worden, dass sie bei einer Umdeutung des Reha-Antrags in einen Rentenantrag Abschläge bei der Höhe der Erwerbsminderung hinnehmen müsse.

 

Im Hinblick auf die Leistungseinschätzung des Rehabilitationsentlassungsberichts vom Februar 2012, in welchem sie zwar arbeitsunfähig für ihren bisherigen Beruf, aber mit einem Leistungsvermögen von über sechs Stunden täglich eingestuft worden sei, könne man den Leistungsfall nicht auf den 18. Januar 2011 datieren. Vor dem Hintergrund einer im Mai 2012 erneut an sie ergangenen Aufforderung, einen Rehabilitationsantrag zu stellen, müsse davon ausgegangen werden, dass die Beteiligten, auch die Beklagte und die Beigeladene, seinerzeit noch davon ausgegangen seien, dass ihre Arbeitskraft wieder herstellbar gewesen sei. Hätte man diese Zeit als solche der Arbeitsunfähigkeit gewertet, wären ihr die fehlenden Entgeltpunkte korrekt zugerechnet worden. Sie sei somit gegen ihren Willen in die vorgezogene Rente gezwungen worden. Der tatsächliche Leistungsfall sei erst Ende 2012 eingetreten.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung ihres Bescheides vom 24. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2018 das Gestaltungsrecht über ihren Antrag auf Erwerbsminderungsrente einzuräumen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verweist auf die zutreffende rechtliche Würdigung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

 

Der Senat hat die Rentenakte der Beigeladenen beigezogen (2 Bände).

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.

 

I. Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 24. September 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2018. Mit dem Bescheid hat es die Beklagte abgelehnt, ihre Zustimmung zur Verschiebung des Rentenantrags der Klägerin zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung (rückwirkend) zu erteilen. Die Klägerin hat diesen Bescheid angefochten.

 

Nicht Streitgegenstand sind dagegen die vorausgegangenen Bescheide der Beklagten vom 24. August 2011 und vom 26. Oktober 2011, mit welchen die Klägerin von der Beklagten jeweils aufgefordert worden war, eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation zu beantragen. Zwar ist eine auf der Grundlage des § 51 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erfolgte Aufforderung der Krankenkasse an arbeitsunfähige und Krankengeld beziehende Versicherte, einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen der Rehabilitation innerhalb der dort genannten Frist zu stellen, um ihre gesundheitliche Situation zu verbessern, bereits mit Blick auf die an diese Aufforderung vom Gesetz geknüpften möglichen krankenversicherungsrechtlich wirkenden Rechtsfolgen ein grundsätzlich anfechtbarer Verwaltungsakt. Denn gemäß § 51 Abs. 3 SGB V kann ein (laufender) Anspruch auf Krankengeld bei einem nach der Aufforderung nicht fristgerecht gestellten Reha-Antrag entfallen. Dies gilt auch in dem Fall, in dem die Aufforderung ihrer äußeren Form nach nicht als Verwaltungsakt erscheint, z.  B., weil sie nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist (zur Verwaltungsaktqualität der Aufforderung nach §  51 SGB V vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Dezember 2004 - B 1 KR 6/03 R - BSGE 94, 26 ff., juris, Rdnr. 24 mit weiteren Hinweisen; Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Juni 2008 - B 13 R 141/07 R – juris, Rdnr. 23).

 

Die Klägerin hat die beiden o.  g.  2011 ergangenen Aufforderungen der Beklagten zur Stellung eines Reha-Antrags nicht angefochten, sondern den geforderten Reha-Antrag fristgerecht gestellt und die bewilligte medizinische Rehabilitation durchgeführt. Die beiden Aufforderungen sind, da sie jeweils keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielten, gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 SGG i.  V.  m.  § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG mit Ablauf der Jahresfrist nach ihrer Bekanntgabe bestandskräftig geworden.

 

Die bereits im Verwaltungsverfahren rechtskundig durch den vdk vertretene Klägerin hat schließlich mit ihrem Antrag vom 15. Mai 2014 keinen Antrag nach §  44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf Überprüfung der Aufforderungen vom 24. August und 26. Oktober 2011 gestellt, sondern ausdrücklich um „Rücknahme des Gestaltungsrechts“ mit Blick auf die zwischenzeitlich bewilligte Erwerbsminderungsrente gebeten. Die Klägerin hat mit ihrem Antrag eine neue und eigenständige Verwaltungsentscheidung der Beklagten beantragt und auch erhalten (vgl. zur Unterscheidung zur Anfechtung einer Aufforderung gemäß § 51 SGB V, Bundessozialgericht, Beschluss vom 11. Dezember 2006 – B 1 KR 93/06 B, Rn. 7, zitiert nach beckonline).

 

II. Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG gegen die verweigerte Zustimmung.

 

III. Die Bundesagentur für Arbeit war zu dem Rechtsstreit nicht notwendig beizuladen. Dies würde gemäß § 75 Abs. 2 SGG voraussetzen, dass die Bundesagentur für Arbeit als Dritte an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich erfolgen kann. Das ist zwar in Bezug auf die beigeladene Rentenversicherung der Fall, nicht jedoch im Verhältnis zur Bundesagentur für Arbeit.

 

<Denn hinsichtlich der Beigeladenen hängt der Beginn der Erwerbsminderungsrente untrennbar davon ab, ob und wann ein Reha-Antrag im Wege der Umdeutung wirkt. Ist die Dispositionsbefugnis eines Versicherten für einen Reha- oder Rentenantrag streitig, kann die Entscheidung über seinen Anspruch auf Zustimmung zur Verschiebung eines im Wege der Fiktion (gemäß § 116 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI) als Rentenantrag wirkenden Reha-Antrags gegenüber dem Träger der Rentenversicherung wegen der Maßgeblichkeit des Antrags für den Rentenbeginn (§ 99 Abs. 1 SGB VI) nur einheitlich ergehen. Außerdem endet mit dem Rentenbeginn kraft Gesetzes die Leistungspflicht der Krankenkasse für das Krankengeld (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V sowie § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V). Der Träger der Rentenversicherung ist notwendig beizuladen (Kater, in: BeckOGK, 1.3.2019, SGB VI § 116 Rn. 18).>

 

Für die Bundesagentur gilt das nicht im gleichen Maße. Soweit die Klägerin ab 17. Juli 2012 Arbeitslosengeld bezogen hat, ist die Entscheidung über den Beginn der Rentenleistung zwar maßgeblich dafür, ob und in welchem Umfang die Bundesagentur für Arbeit gegenüber dem Träger der Rentenversicherung einen Erstattungsanspruch hat. Die Entscheidung über einen Rentenanspruch ist jedoch nicht Gegenstand des Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten und des hier anhängigen Rechtsstreits, sondern die Frage des Anspruchs auf Zustimmung zur Verschiebung des nach § 116 Abs. 2 SGB VI bereits umgedeuteten Reha-Antrags. Der Umstand, dass der Erstattungsanspruch der Bundesagentur mittelbar von der Zustimmung zur Verschiebung des Rentenbeginns und damit des Rentenanspruchs selbst in seinem Umfang abhängt, rechtfertigt keine notwendige Beiladung. Die Tatsache, dass ein Leistungsträger kraft Erstattungsvorschriften berechtigt ist, auf Leistungsansprüche eines Versicherten gegen einen anderen Leistungsträger zuzugreifen, begründet nicht die Notwendigkeit der Beiladung in einem Rechtsstreit zwischen dem Versicherten und dem anderen Leistungsträger um die Leistungsansprüche. Selbiges gilt für einen Rechtsstreit, in dem es um die Wirksamkeit eines für den Beginn des Leistungsanspruchs notwendigen Antrags geht. Es fehlt insoweit an der Identität des Streitgegenstandes (vgl. zum Ganzen, Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 1 KR 6/03 R, Rn. 19).

 

IV. Die Beklagte hat die Zustimmung gegenüber der Klägerin ohne Rechtsfehler versagt. Diese hat keinen Anspruch darauf, über den Beginn der Erwerbsminderungsrente frei zu disponieren.

 

1. Die Entscheidung der Beklagten beruht auf § 51 SGB V. Dieser ermächtigt die Krankenkasse ausdrücklich dazu, nach Ermessen ihren Versicherten, die Krankengeld beziehen und deren Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, eine Frist von zehn Wochen zu setzen, innerhalb derer die Versicherten einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen haben (§ 51 Abs. 1 SGB V). Stellen Versicherte innerhalb der Frist den Antrag nicht, entfällt der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist. Wird der Antrag später gestellt, lebt der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tag der Antragstellung wieder auf (§ 51 Abs. 3 SGB V). Nach Sinn und Zweck will § 51 SGB V damit die doppelte Gewährung von Sozialleistungen vermeiden und gleichzeitig eine sachgerechte Abgrenzung von Krankenkasse und Rentenversicherung im Fall der länger andauernden Arbeitsunfähigkeit insoweit vornehmen, als Rentenzahlungen im Fall einer dauerhaften Erwerbsminderung gegenüber den Krankengeldleistungen einen Vorrang haben (grundlegend dazu, Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 1 KR 6/03 R, Rn. 22). Zu diesem Zweck wird der Krankenkasse mit dem Instrumentarium des § 51 SGB V das Recht eingeräumt, Einfluss auf den Beginn der antragsabhängigen Rente wegen Erwerbsminderung zu nehmen und einen Wegfall ihrer Leistungszuständigkeit bereits vor dem Ende des Höchstanspruchs auf Krankengeld (vgl. dazu § 48 SGB V) aktiv herbeizuführen. Um der Krankenkasse dieses Recht effektiv zu erhalten und es gegen anderweitige (gegenläufige) Dispositionen (u.  a.  der Versicherten) abzusichern, folgt aus § 51 SGB V, ohne dass dies ausdrücklichen Niederschlag im Gesetzestext gefunden hätte, nach Sinn und Zweck, dass Versicherte einen einmal auf die Aufforderung der Krankenkasse gestellten Reha- oder Teilhabeantrag nur mit Zustimmung der (auffordernden) Krankenkasse zurücknehmen oder beschränken dürfen (näher Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 1 KR 6/03 R, Rn. 22/23 auch zur Kritik an der Auslegung; zur Vorgängerbestimmung des § 183 Abs. 8 Reichsversicherungsordnung – RVO – unter Berufung auf die Gesetzesbegründung, Bundessozialgericht, Urteil vom 4. Juni 1981 – 3 RK 50/80, BSGE 52, 26-31, Rn. 16, zitiert nach juris).

 

Diese Einschränkung des Gestaltungsrechts gilt auch für die Fiktion nach § 116 SGB VI. Nach dessen Abs. 2 gilt ein Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als Antrag auf Rente, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben. § 116 Abs. 2 SGB VI selbst belässt damit Versicherten trotz der Fiktion grundsätzlich das Recht, im Rahmen ihrer allgemeinen Dispositionsbefugnis z.  B.  zu bestimmen, dass ein (bereits gestellter) Reha-Antrag entgegen § 116 Abs. 2 SGB VI nicht die Wirkung eines Rentenantrags haben soll (Bundessozialgericht, a.  a.  O.  Rn. 21). Denn § 116 Abs. 2 SGB VI bezweckt den Schutz der Versicherten, dagegen keine Einschränkung ihrer Dispositionsfreiheit. Diese besteht allerdings dann nicht, wenn die Stellung des Reha-Antrags auf einer zuvor erfolgten Aufforderung der Krankenkasse gemäß § 51 SGB V beruht. In diesem Fall ist das Dispositionsrecht, auch soweit es die Fiktion betrifft, eingeschränkt und bedürfen Versicherte dafür, die Fiktion auszuschließen, auch der Zustimmung der Krankenkasse (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. November 2017 – L 16 KR 261/16, Rn. 51 f. und Rn. 56).

 

Um einen solchen Fall handelt es sich im Fall der Klägerin. Die Beklagte hat die Klägerin 2011 zur Stellung eines Antrags auf medizinische Leistungen der Rehabilitation gemäß § 51 SGB V aufgefordert. Der daraufhin erfolgte Reha-Antrag der Klägerin wurde von der Beigeladenen nach Abschluss der medizinischen Rehabilitation (Februar 2012) gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI in einen Rentenantrag umgedeutet. Die Klägerin begehrt mit ihrem Antrag an die Beklagte vom Mai 2014 die Zustimmung dazu, dass der Reha-Antrag vom 4. November 2011 entgegen §  116 Abs. 2 SGB VI, den die Beigeladene ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, nicht als Rentenantrag gelten soll. Die Klägerin selbst hat am 4. Juli 2012 einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gestellt. Kann sie die Fiktion ausschließen, so wäre der Rentenantrag vom 4. Juli 2012 der gemäß § 99 Abs. 1 SGB VI maßgebende und könnte die Rente bereits deshalb nicht bereits im November 2011 beginnen.

 

2. Die Entscheidung über die Zustimmung zum Ausschluss der Fiktion bzw. zur zeitlichen Verschiebung des Rentenantrags vom 4. November 2011 hat die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (Bundessozialgericht, Urteil vom 7.  Dezember 2004 – B 1 KR 6/03 R, Rn. 24). Wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, führt dies dazu, dass die Entscheidung der Krankenkasse, die Zustimmung zu versagen, gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG auf Ermessensfehler gerichtlich überprüfbar ist. Die Ermessensausübung ist konkret darauf zu überprüfen, ob überhaupt Ermessen ausgeübt worden ist (Ermessensausfall), ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind (Ermessensüberschreitung) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (Ermessensfehlgebrauch, § 39 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I). Die Zustimmung ist im Fall des § 51 Abs. 1 SGB V zu erteilen, wenn Versicherte ein berechtigtes Interesse am Hinausschieben des Rentenantrags zur Seite steht, welches das Interesse der Kasse, den Krankengeldbezug zu beenden, überwiegt (Ermessensreduzierung auf Null).

 

a. Gemessen daran liegt ein Ermessensausfall im Fall der Klägerin nicht vor. Denn die Beklagte hat – jedenfalls im Widerspruchsbescheid – Ermessenserwägungen angestellt (zur Beachtlichkeit von Erwägungen noch im Widerspruchsbescheid, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. November 2017 – L 16 KR 261/16, Rn 64). Diese Erwägungen sind nicht fehlerhaft, sondern am Zweck des § 51 SGB V orientiert (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG), so die Erwägung, dass Versicherte den Einwand, dass ihre Erwerbsfähigkeit zu Unrecht verneint wurde, gegenüber dem Träger der Rentenversicherung geltend machen müssen. Diese Erwägung durfte die Beklagte ermessensfehlerfrei anstellen, denn § 51 SGB V hat den Fall einer gefährdeten oder geminderten Erwerbsfähigkeit vor Augen. Die Krankenkasse darf hinsichtlich der Frage, wann ihre Zuständigkeit endet, auf die letztverbindliche Entscheidung des Rentenversicherungsträgers abstellen, ob und ab wann eine dauerhafte Erwerbsminderung vorliegt. Es ist daher im Fall der Klägerin auch unschädlich, dass die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid davon ausging, dass die Erwerbsfähigkeit bereits mit Ende der Rehabilitationsmaßnahme, gemessen am allgemeinen Arbeitsmarkt, zeitlich gemindert war, wohingegen der Rehabilitationsentlassungsbericht insoweit noch von einem erhaltenen Leistungsvermögen ausging (zur Bedeutung des Eintritts der Erwerbsminderung im Fall der Klägerin noch im Folgenden).

 

b. Die Klägerin hat nicht deshalb einen Anspruch auf Zustimmung, weil ihr Interesse dasjenige der Beklagten überwiegt. Das Sozialgericht hat bereits die Fallkonstellationen ausgeführt, in denen ein solches (überwiegendes) berechtigtes Interesse der Versicherten in Betracht kommt. Eine solche Ausgangslage liegt im Fall der Klägerin (unstreitig) nicht vor. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

 

Eine den vom Bundessozialgericht beispielhaft aufgezählten Fallkonstellationen gleichzustellende ähnliche Sachverhaltskonstellation ist im Fall der Klägerin nicht gegeben. Allgemein kommt ein überwiegendes Versicherteninteresse u.  a.  in Betracht, wenn durch die Verschiebung des Rentenbeginns eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs erreicht werden kann, z.  B.  durch eine noch mögliche Erfüllung der Voraussetzungen für eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage (so Bundessozialgericht, Urteil vom Urteil vom 4. Juni 1981 – 3 RK 50/80, BSGE 52, 26-31, Rn. 20 zitiert nach juris, für Versicherungsfälle, die nach einem bestimmten Stichtag eintreten und deshalb gemäß wegen einer Rechtsänderung im Rentenrecht zur Maßgeblichkeit einer günstigeren Bemessungsgrundlage führen).

 

aa. Die Klägerin kann eine erhebliche Verbesserung ihres Rentenanspruchs nicht damit begründen, dass der spätere Rentenantrag für sie zu einer höheren Erwerbsminderungsrente führen würde. Das Interesse Versicherter an einem möglichst langen Krankengeldbezug, um für den Fall einer anschließenden Berentung weitere Beitrags- oder Anrechnungszeiten zu haben, ist gerade mit Blick auf § 51 SGB V, der der Krankenkasse die Möglichkeit eröffnen soll, den Krankengeldbezug bei bestehender Erwerbsminderung zu beenden, an sich nicht vorzugswürdig. Denn die Krankenkassen sollen gerade die Möglichkeit haben, mit ihrer Aufforderung auf den Beginn der Rentenleistung Einfluss zu nehmen (näher Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 1 KR 6/03 R, Rn. 33; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. November 2017 – L 16 KR 261/16, Rn. 65). Die Krankenkasse kann zwar ein entsprechendes Interesse Versicherter im Einzelfall berücksichtigen, es wäre nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie z.  B. , weil ihre Krankengeldzahlung nur kurz währt oder das Krankengeld eine geringe Höhe hat, die daraus folgende Rentensteigerung dagegen erheblich ist, dem Interesse der Versicherten an einem längeren Krankengeldbezug den Vorrang vor ihren eigenen Interessen einräumt. Sie ist dazu indes nicht verpflichtet.

 

Im Fall der Klägerin ist zudem entscheidend, dass (möglicherweise entgegen ihrer eigenen Vorstellung) allein das Verschieben des für die Rente maßgeblichen Rentenantrags nicht automatisch zu einer höheren Rente wegen Erwerbsminderung führt, wenn nicht auch der maßgebende Leistungsfall tatsächlich später eingetreten ist. Denn gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) werden bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für Beitragszeiten und Anrechnungszeiten, die nach Eintritt der hierfür maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit liegen, rentenerhöhende Entgeltpunkte nicht ermittelt. Das bedeutet, allein mit der Verschiebung des Rentenantrags ändert sich bei einem Leistungsfall, der bis zum November 2011 eingetreten ist, die Rentenhöhe im Fall der Klägerin nicht, weil Beitrags- und Anrechnungszeiten, deren Tatbestände nach November 2011 noch erfüllt werden, bei der Rentenberechnung keine rentenerhöhende Berücksichtigung finden können. Diese Zeiten finden nur dann Berücksichtigung, wenn auch der Leistungsfall nach diesem Zeitpunkt liegt. Umgekehrt benötigt die Klägerin, unterstellt, der Leistungsfall ist tatsächlich später als im November 2011 und noch nach der Rehabilitation eingetreten, keine Verschiebung des Rentenantrags, damit bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente Zeiten des Krankengeldbezugs nach November 2011 rentenerhöhend berücksichtigt werden. Maßgeblich ist – unter Berücksichtigung der Regelung in § 75 Abs. 2 SGB VI – allein, ob sich ein späterer Leistungsfall nachweisen lässt. Ist ein Leistungsfall erst nach dem Reha-Antrag vom November 2011 und auch nach Abschluss der Rehabilitation eingetreten, so beginnt die Rente trotz des früheren Reha-Antrags vom November 2011 erst später, weil ihre (materiellen) Voraussetzungen erst später vorliegen. Richtigerweise käme in diesem Fall § 116 Abs. 2 SGB VI gar nicht zur Anwendung, weil seine Tatbestandsvoraussetzungen einer verminderten Erwerbsfähigkeit und der Erfolglosigkeit einer Reha-Maßnahme nicht nachgewiesen sind. Die zeitliche Verschiebung des Rentenantrags ist damit nicht zwingende Voraussetzung für die begehrte Erhöhung der Rentenleistung, umgekehrt hilft sie der Klägerin nicht, wenn nicht gleichzeitig der Leistungsfall später eingetreten ist.

 

Mit Blick darauf, dass die Klägerin selbst (unaufgefordert) einen Rentenantrag am 4.  Juli 2012 gestellt hat, kann sie schließlich die Zustimmung der Beklagten zu einem Rentenbeginn nach diesem Zeitpunkt im Juli 2012 nicht verlangen. Denn insoweit ist der Reha-Antrag für die Gewährung der Erwerbsminderungsrente nicht mehr kausal. Außerdem endete der Bezug von Krankengeld zum 16. Juli 2012, damit auch die Einschränkung des Gestaltungsrechts (zu diesen Erwägungen vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. November 2017 – L 16 KR 261/16, Rn. 66).

 

bb. Ein überwiegendes Interesse kann die Klägerin schließlich nicht auf Rechtsfehler stützen, die bei der Aufforderung zur Stellung des Reha-Antrags 2011 stattgefunden haben, konkret einer fehlenden Beratung, einer fehlenden Anhörung oder einem nicht ausreichendem ärztlichen MDK-Gutachten.

 

Die Klägerin wurde vor der Aufforderung am 24. August 2011 nicht angehört, obwohl dies vor einem belastenden Verwaltungsakt vorgesehen ist (§ 24 Abs. 1 SGB X). Der Bescheid der Beklagten ist jedoch bestandskräftig.

 

Die Beklagte hat keine Beratungspflichten verletzt. Versicherte müssen, wenn sie zur Stellung eines Reha- (oder Renten-)Antrags von der Krankenkasse nach § 51 SGB V aufgefordert werden, mit der Aufforderung oder vor Ablauf der gesetzten Frist eine Information über die sich als Rechtsfolge ergebende mögliche Einstellung des Krankengeldes und einen Hinweis darauf erhalten, dass sie nach Stellung des geforderten Antrags vor die Situation gestellt sein können, nicht mehr ohne Weiteres über den Zeitpunkt des Rentenantrags frei disponieren zu können (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Dezember 2994 – B 1 KR 6/03 R, Rn. 28).

 

Diesen Beratungspflichten ist die Beklagte 2011 mit der Aufforderung, einen Reha-Antrag zu stellen, gerecht geworden. In dem der Aufforderung vom 24. August 2011 beigefügten begleitenden Schreiben „Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben – Was ist wichtig?“ sind sowohl der Hinweis enthalten, dass der Krankengeldanspruch bei nicht fristgerechter Antragstellung entfallen wird, als auch der Hinweis, dass der gestellte Antrag nicht ohne Zustimmung der Beklagten zurückgenommen werden kann und schließlich der Hinweis, dass dies auch dann gilt, wenn der Reha-Antrag als Rentenantrag gilt.

 

Die Beklagte hat die Klägerin bei Aufforderung nicht darüber informiert, dass eine aus dem Reha-Antrag folgende Erwerbsminderungsrente auch für die Höhe der späteren Altersrente von Bedeutung ist. Sie hat damit ihre Beratungspflichten nicht verletzt. Die Klägerin trägt dazu vor, sie habe den Reha-Antrag insoweit „in Unkenntnis“ gestellt. Zwar werden gemäß § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VI im Fall des zeitnahen Beginns einer Altersrente nach einer Erwerbsminderungsrente (bis zu 24 Monate nach Ende des Bezugs), ihr für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt (sog. Besitzschutz, vgl. Gürtner, in: BeckOGK, Stand: 1.12.2020, SGB VI § 88 Rn. 7). Allerdings führt die Regelung des §  77 Abs. 3 SGB VI dazu, dass für die Hälfte derjenigen Entgeltpunkte, die bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten der früheren Erwerbsminderungsrente waren, der frühere Zugangsfaktor für die spätere Altersrente maßgebend bleibt. Der (frühere) Zugangsfaktor für die der Klägerin bewilligte Rente wegen Erwerbsminderung ist dabei gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI um 0,108 gemindert, da diese Rente (nach derzeitigem Stand) drei Jahre vor Vollendung des 65. Lebensjahres der Klägerin (November 2014) beginnt. Diese Minderung durch den gemäß § 77 Abs. 2 SGB VI „vorzeitigen“ Rentenbezug bleibt auch bei Bezug einer oder mehrerer aufeinander folgender Renten grundsätzlich wirksam. Eine Teil-Ausnahme gilt gemäß § 77 Abs. 3 Satz 2 SGB VI allerdings dann, wenn es sich bei der „Vorrente“ um eine Erwerbsminderungsrente handelt. Mit Blick darauf, dass bei dieser nach dem Rentenartfaktor (0,5) nur quasi die halbe Rente zur Auszahlung kommt (§ 67 Nr. 2 SGB VI) und daher auch nur die Hälfte der Entgeltpunkte Grundlage einer früheren Rente i.  S.  des § 77 Abs. 3 Satz 1 SGB VI waren, wird der verminderte Zugangsfaktor nur für die Hälfte der Entgeltpunkte fortgeschrieben (Gürtner, in: BeckOGK, Stand: 1.12.2020, SGB VI § 77 Rn. 22/23). Für die andere Hälfte sind persönliche Entgeltpunkte bei Beginn der Altersrente dagegen neu zu bestimmen (von Koch, in: Kreikebohm/Roßbach SGB VI, 6. Aufl. 2021, SGB VI § 77 Rn. 22). Es ist für die Aufforderung – selbst wenn sie rentennahe Jahrgänge Versicherter wie im Fall der Klägerin betrifft – allerdings nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, neben den unmittelbar krankenversicherungsrechtlichen und unmittelbar auch rentenversicherungsrechtlich wirkenden Folgen eines Reha-Antrags auch auf jegliche Fernwirkungen eines Reha-Antrags im Fall seiner möglichen Umdeutung (gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI) hinzuweisen. Hinsichtlich des Übertrags von insoweit geminderten Entgeltpunkten von der Erwerbsminderungsrente auf eine zeitnahe Altersrente liegt es nahe, dass es bereits regelmäßig an den notwendigen fach-rechtlichen Kenntnissen der Krankenkasse fehlt. Im Übrigen ist es den Versicherten unbenommen, im Nachgang einer Aufforderung der Krankenkasse gemäß § 51 SGB V, die ihnen zehn Wochen Zeit gibt, sich insoweit zu den möglichen Fernwirkungen eines Reha-Antrags beim zuständigen Träger der Rentenversicherung zu informieren.

 

cc. Selbst wenn aber insoweit jeweils ein Anhörungs- oder Beratungsmangel angenommen würde, führen diese nicht automatisch dazu, dass die Klägerin deshalb Anspruch auf die begehrte Zustimmung hat. Denn beide Defizite wären an den rechtlichen Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu messen (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 1 KR 6/03 R, Rn. 29 und 30). Im Fall der fehlenden Anhörung bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Mangel geheilt wurde. Gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X kann ein Mangel der Anhörung, der den Verwaltungsakt nicht nichtig macht, nachgeholt werden. Hier hat zwar kein Widerspruchsverfahren stattgefunden, allerdings hat die Klägerin nach Erhalt des Schreibens vom 24. August 2011 und der nachfolgenden Aufforderung (Erinnerung mit Fristsetzung vom 26. Oktober 2011) sowohl am 26. Oktober 2011 als auch am 3. November 2011 jeweils mit der Sachbearbeiterin mit Bezug zu der Aufforderung telefoniert und ihre Einwände vorgetragen (entsprechende Telefonvermerke finden sich in der Verwaltungsakte). In diesen Telefonaten wurde die Klägerin u.  a.  darauf hingewiesen, dass sie die Möglichkeit habe, eine ärztliche Bescheinigung bei der Beklagten einzureichen, wonach eine Rehabilitation bei ihr nicht indiziert sei. Eine bestimmte zwingend schriftliche Form der nachgeholten Anhörung ist nicht vorgeschrieben.

 

Sollte dadurch keine Heilung des Anhörungsmangels eingetreten sein, muss dem Berechtigten nach dem richterrechtlich geprägten Grundsätzen zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch durch die Verletzung der Beratungs- oder Verfahrens-Pflicht (wie der Anhörung) ein sozialrechtlicher Nachteil entstanden sein und durch die Vornahme der Amtshandlung des Trägers muss auf der Rechtsfolgenseite ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 1 KR 6/03 R, Rn. 29). Die Klägerin müsste im Nachhinein so gestellt werden, als wäre die Beratung bzw. die Anhörung ordnungsgemäß erfolgt.

 

Gemessen daran hat die Klägerin selbst nicht vorgetragen, dass sie bei weiterer Anhörung oder in Kenntnis der möglichen Fernwirkungen (für die Höhe der Altersrente) den Reha-Antrag nicht gestellt hätte und stattdessen u.  a.  ein Ende des Krankengeldbezugs in Kauf genommen hätte. Außerdem hat sich der (unterstellte) Beratungsmangel auch deshalb nicht ausgewirkt, weil die Klägerin selbst im Juli 2012 bei der Beigeladenen einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung kraft eigenen Entschlusses gestellt hat. Damit hat sie auch mögliche weiterwirkende Abschläge für die Altersrente in Kauf genommen. Die o.  g.  Mängel waren damit im Ergebnis nicht kausal für eine Inanspruchnahme der Altersrente mit den Abschlägen wegen des Bezugs einer Vorrente.

 

Eine ungenügende Einschaltung des MDK vor der Aufforderung an die Klägerin vermag ihrem Interesse auf Zustimmung zur Wiedereinräumung ihrer Gestaltungsbefugnis keinen Vorrang einzuräumen. Die Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit nach § 51 SGB V muss sich vor der Aufforderung aus einem ärztlichen Gutachten ergeben. Der Begriff „Gutachten“ beinhaltet, dass es sich um eine ausführliche Beurteilung des Gesundheitszustandes, nicht nur um einen Befundbericht oder ein Attest handeln muss; die erhobenen ärztlichen Befunde müssen wenigstens summarisch wiedergegeben werden und die festgestellten Gesundheitsstörungen und dadurch bedingten Leistungseinschränkungen und ihre voraussichtlichen Dauer sollten benannt werden. Nicht genügend ist allein eine Bezugnahme auf ein anderes Gutachten, z.  B.  des Trägers der Rentenversicherung (Rieke, in: Krauskopf, 118. EL Februar 2023, SGB V § 51 Rn. 7 m.  w.  N.  aus der Rechtsprechung; LSG Baden-Württemberg, so Urteil vom 2. März 2021 - L 11 KR 1388/20).

 

Im vorliegenden Fall erfüllt die der Aufforderung zugrunde liegende aktenkundige handschriftliche Stellungnahme des MDK vom 18. August 2011 die formellen Anforderungen an ein Gutachten nicht. Der MDK gibt als Informationsbasis einen (nicht mit Datum genannten) OP-Bericht und eine Arztanfrage an, die Arbeitsplatzbeschreibung vom 5. August 2011 erwähnt er gar nicht. Seiner ärztlichen Stellungnahme ist allerdings zu entnehmen, dass er von einer ausschließlich gehenden und stehenden Tätigkeit als Serviererin mit Heben und Tragen und Transportieren kleinerer Lasten ausgeht. Diese hält er mit Blick auf den Kniegelenkschaden für auf Dauer ungünstig. Die nach dem Arbeitsunfall primär limitierenden Gesundheitsstörungen hat er damit benannt und auch ein grobes, negatives Leistungsvermögen. Er empfiehlt therapeutische Komplextherapie und Gewichtsreduktion, eine medizinische Rehabilitation (auch ambulant) hält er für indiziert zur Stabilisierung der regelmäßigen beruflichen Belastbarkeit der rechten unteren Extremität, auch sollten nach seiner Auffassung Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben geprüft werden. Unter Bezug auf die Servicetätigkeit empfiehlt er explizit ein Vorgehen nach § 51 SGB V. Damit erfüllt die ärztliche Stellungnahme gerade noch die inhaltlichen Mindestanforderungen an ein ärztliches Gutachten (vgl. zur notwendigen ärztlichen Stellungnahme insoweit Bundessozialgericht, Urteil vom 7. August 1991 - 1/3 RK 26/90, noch zu § 183 Abs. 7 RVO ergangen).

 

Selbst wenn die vorliegende ärztliche Stellungnahme aber für nicht mehr ausreichend angesehen wird, lässt sich daraus kein überwiegendes Interesse der Klägerin an der Einräumung ihrer Gestaltungsrechte begründen. Unter Heranziehung der Grundsätze zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch und Berücksichtigung der Auswirkungen einer ungenügenden ärztlichen Stellungnahme bleibt zu konstatieren, dass sich die knappe ärztliche Stellungnahme für den frühzeitigen Rentenbeginn im Ergebnis nicht ausgewirkt hat. Maßgeblich für die Rentengewährung war der Rentenantrag der Klägerin vom Juli 2012, der nicht auf der Aufforderung der Beklagten beruht sowie der Bezug von Arbeitslosengeld nach Auslaufen des Höchstanspruchs auf Krankengeld. Das ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der beigezogenen Rentenakte der Beigeladenen. Aus dieser lässt sich ersehen, dass die Beigeladene zum Zeitpunkt des Rehabilitationsentlassungsberichts vom Februar 2012 nicht von einem aufgehobenen Leistungsvermögen ausging und keine Veranlassung für eine Umdeutung des Reha-Antrags sah. Erst auf der Grundlage der weiteren medizinischen Ermittlungen der Beigeladenen, die auf dem späteren Rentenantrag der Klägerin selbst und dem Bezug von Arbeitslosgengeld beruhten, konkret um eine Divergenz mit der Leistungsbeurteilung der Bundesagentur für Arbeit auszuräumen, ergab sich ein geändertes ärztliches Votum und die Feststellung eines bereits ab Januar 2011 aufgehobenen Leistungsvermögens für sämtliche Tätigkeiten. (Ob tatsächlich schon im Januar 2011 ein aufgehobenes Leistungsvermögen vorlag, muss an dieser Stelle nicht entschieden werden.)

 

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin von der Beklagten zur Stellung des Reha-Antrags 2011 unzulässig gedrängt und damit „genötigt“ wurde, bestehen nicht. Die bloße Fristsetzung und die Erinnerung daran, verbunden mit dem Hinweis auf ein mögliches Einstellen der Krankengeldzahlung, allein sind keine unzulässigen Mittel einer Nötigung. sondern, in § 51 SGB V vorgesehen.

 

3. Im Ergebnis kommt damit im Fall der Klägerin die gesetzliche Interessensverteilung zum Zuge, wonach §  51 SGB V dem Interesse der Krankenkasse und ihren Befugnissen grundsätzlich den Vorrang einräumt (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 1 KR 6/03 R, Rn. 32). Ein Ausnahmefall, in dem nach Berücksichtigung aller Umstände keinen der von § 51 SGB V repräsentierten Interessen höheren Rang zukommt, und dann Beratungs- oder Anhörungsfehler den Ausschlag für die begehrte Einräumung des Dispositionsrechts geben können (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Dezember 2004 – B 1 KR 6/03 R, Rn. 35 a.  E. ), liegt nicht vor.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

 

 

 

 

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