L 4 AS 194/23 B

Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 3 AS 475/21
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 194/23 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Bei der Berechnung des Beschwerdewerts iSv § 172 Abs 3 Nr 2 iVm § 144 Abs 1 Satz 1 SGG ist - wenn um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gestritten wird - die Höhe der begehrten Geldleistung als Sozialleistung nach § 19a SGB I maßgeblich. Die im Fall einer Bewilligung von SGB II-Leistungen vom Grundsicherungsträger abzuführenden Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind nicht bei der Berechnung des Beschwerdewerts einzubeziehen. Die soziale Absicherung von Alg II-Empfängern ist eine Annex-Leistung zu der Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und gehört nicht zu den (auszahlbaren) SGB II-Leistungen.

 

Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

 

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

 

Gründe:

 

I.

 

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Klägerin) wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren, das beim Sozialgericht Halle (SG) anhängig ist.

 

Die 1993 geborene Klägerin ist indische Staatsangehörige und bezog gemeinsam mit ihrem im November 2015 geborenen Sohn ... als Bedarfsgemeinschaft vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Mit Bescheid vom 17. Mai 2018 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum von Mai 2018 bis Februar 2019 monatliche Gesamtleistungen von 847,76 €. Unter Berücksichtigung von 430 € für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) entfielen auf den Bedarf der Klägerin Leistungen von 635,36 € und auf den des Sohns 212,40 €. Auf den Bedarf der Klägerin (Regelbedarf, Mehrbedarf für Alleinerziehung und KdUH-Anteil) und des Sohns (Regelbedarf nach § 23 SGB II und KdUH-Anteil) rechnete der Beklagte das für den Sohn gezahlte Kindergeld von 194 € sowie Kindergeld von 194 € für ein weiteres Kind an. Mit Änderungsbescheid vom 18. November 2018 setzte der Beklagte die Regelbedarfserhöhung für Januar und Februar 2019 um, die zu einem um 10,88 € höheren Leistungsanspruch der Klägerin und einem um 5 € höheren Anspruch des Sohns führte.

 

Nach einer Veränderungsanzeige der Klägerin über die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit unter Vorlage u.a. einer Gewerbeanmeldung und der Anlage EKS mit Angaben zum erwarteten Einkommen hob der Beklagte mit Bescheid vom 14. Januar 2019 die Leistungsbewilligung ab dem 1. Februar 2019 auf. Er forderte die Klägerin mit Schreiben vom selben Tag auf, vorrangige Leistungen zu beantragen und wegen einer Bewilligung von SGB II-Leistungen weitere Unterlagen zu ihrer selbstständigen Tätigkeit vorzulegen.

 

Am 1. Februar 2019 sprach V., der Partner der Klägerin und Vater ihrer beiden Söhne, beim Beklagten vor. Wegen einer Erkrankung des Sohns bis zum 8. Februar 2019 könne die Klägerin nicht persönlich erscheinen. Er legte drei von der Klägerin als Arbeitgeberin geschlossene Arbeitsverträge mit Dritten über geringfügige Beschäftigungen als Fahrer vor.

 

Mit Bescheid vom 22. Februar 2019 lehnte der Beklagte eine vorläufige Leistungsgewährung für den Monat Februar 2019 ab, da sich aus den Angaben in der EKS ein monatliches Einkommen aus Selbstständigkeit von 1.237,08 € ergebe. Damit seien die Klägerin und der Sohn nicht mehr hilfebedürftig.

 

Am 4. März 2019 sprachen die Klägerin und ihr Partner gemeinsam bei dem Beklagten vor, weil die Klägerin für die Ausländerbehörde einen aktuellen SGB II-Leistungsbescheid benötige. Dabei wies der Beklagte – ausweislich des dazu gefertigten Aktenvermerks – auf die Aufhebung der Leistungen ab Februar 2019 wegen voraussichtlich übersteigendem Einkommen nach der vorläufigen EKS hin. Die Klägerin habe erklärt, sie habe den Aufhebungsbescheid bzw. den Bescheid vom 22. Februar 2019 erhalten. Der Bescheid sei falsch, weil das Einkommen geringer sei als vom Steuerberater in der vorläufigen EKS bescheinigt. Gemäß dem Vermerk wies der Beklagte auf die Möglichkeit eines Widerspruchs – schriftlich oder zur Niederschrift der Behörde – innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe und die Notwendigkeit der Vorlage von Belegen zum tatsächlichen Einkommen hin. Ein schriftlicher Widerspruch wurde nicht aufgenommen und in der Folgezeit auch nicht eingelegt.

 

Mit Schreiben vom 22. September 2020, das am Folgetag bei dem Beklagten einging, wandte sich die Klägerin – nun anwaltlich vertreten – an den Beklagten. Sie führte aus, ihre persönliche Vorsprache am 4. März 2020, bei der sie auf die Unrichtigkeit der Bescheide hingewiesen habe, hätte „genauso als Einspruch bearbeitet werden müssen, wie die anderen Vorsprachen innerhalb der Rechtsmittelfrist“.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2021 verwarf der Beklagte den Widerspruch gegen die Aufhebung der Leistungsbewilligung als unzulässig. Der Bescheid vom 14. Januar 2019 sei am selben Tag bei der Post aufgegeben worden und gelte gemäß § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Mithin habe die Widerspruchsfrist mit Ablauf des 17. Februar 2019 geendet. Der Widerspruch vom 23. September 2020 sei deutlich nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist eingegangen. Eine persönliche Vorsprache der Klägerin innerhalb der Widerspruchsfrist sei nicht erfolgt. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht erkennbar. Das Vorbringen werde als Überprüfungsantrag gewertet und sei an die zuständige Stelle weitergeleitet worden. Insoweit werde auf den Überprüfungsbescheid vom 16. März 2021 verwiesen.

 

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 18. März 2021 verwarf der Beklagte den Widerspruch gegen die Ablehnung von Leistungen für den Monat Februar 2019 (Bescheid vom 22. Februar 2019) als unzulässig. Trotz Belehrung bei der persönlichen Vorsprache der Klägerin gemeinsam mit dem Kindsvater am 4. März 2019, bei der sie auf die Möglichkeit der Einlegung eines Widerspruchs hingewiesen worden sei, sei kein Widerspruch erhoben worden. Das Widerspruchsschreiben des Bevollmächtigten vom 22. September 2020 sei erst deutlich nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist eingegangen. Entgegen dem Vorbringen im Schreiben sei bei der persönlichen Vorsprache kein Widerspruch eingelegt worden. Vielmehr sei die Klägerin ausdrücklich und deutlich auf die Möglichkeit einer Widerspruchseinlegung schriftlich oder auch zur Niederschrift hingewiesen worden, habe davon jedoch keinen Gebrauch gemacht. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht ersichtlich.

 

Nach Zustellung der Widerspruchsbescheide am 22. März 2021 hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 22. April 2021 Klage beim SG erhoben und die Bewilligung von PKH für das Klageverfahren beantragt. In der Klageschrift hat sie die Aufhebung der Bescheide vom 14. Januar 2019 und 22. Februar 2019 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 18. März 2021 und die Bewilligung von SGB II-Leistungen begehrt. Zur Begründung hat sie mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2021 vorgetragen, es bestehe zwischen den Beteiligten bereits seit längerem Streit über die Leistungsgewährung im Zeitraum vom 1. Februar bis zum 28. Februar 2019 und darüber hinaus bis zum 30. Juni 2019, der u.a. im Rahmen einer Klage gegen die AOK Sachsen-Anhalt (Az. S 17 KR 1982/19) von Belang sei. Sie habe keine Veränderungsanzeige zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit bei dem Beklagten abgegeben. V. sei nicht ihr Lebensgefährte, denn er habe – wie der Beklagte wisse – nie in N. gewohnt. Er habe sich immer als ihr Ehemann ausgegeben, obwohl sie nicht verheiratet seien und er nur der Vater der beiden gemeinsamen Kinder sei. Dem Beklagten sei bekannt, dass sie der deutschen Sprache nicht mächtig sei und bis Juni 2019 von Herrn V. vertreten worden sei. Dieser habe alle in den Verwaltungsakten enthaltenen Anträge etc. für sie ausgefüllt. Sie habe in Unkenntnis des Inhalts die von ihm ausgefüllten Unterlagen unterschrieben. Er habe ohne ihre Kenntnis Konten auf ihren Namen eröffnet und mutmaßlich ihre Unterschrift gefälscht. Es lägen eine Fälschungstätigkeit und Identitätsdiebstahl durch V. vor. Ihr Prozessbevollmächtigter habe die Wiederaufnahme eines bereits eingestellten Ermittlungsverfahrens gegen  V. bei der Staatsanwaltschaft E. beantragt.

 

Mit Beschluss vom 25. Mai 2023 hat das SG den PKH-Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 Zivilprozessordnung (ZPO). Der Beklagte habe zu Recht mit den Widerspruchsbescheiden vom 18. März 2021 die Widersprüche der Klägerin als unzulässig verworfen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. Belege über einen Zugang der Bescheide zu einem Zeitpunkt, der eine fristgemäße Widerspruchseinlegung am 23. September 2020 noch möglich gemacht hätte, seien nicht vorgetragen worden.

 

Gegen den Beschluss hat die Klägerin am 8. Juni 2023 beim SG Beschwerde eingelegt. Sie hat vorgetragen, die angegriffenen Bescheide gingen von falschen Voraussetzungen aus. Sie habe innerhalb der bis zum 17. Februar 2019 laufenden Widerspruchsfrist bei dem Beklagten vorgesprochen. Gerade aufgrund dieser Vorsprache sei dann der ergänzende Bescheid vom 22. Februar 2019 in Verkennung der Sachlage erlassen worden. Im Übrigen komme es hinsichtlich der Bekanntgabe der Bescheide nicht auf deren Übersendung in deutscher Schrift, sondern auf die Übersendung in einer für die Klägerin verständlichen Sprache an. Die Klägerin habe niemals ein Gewerbe ausgeübt. Im Übrigen werde für den gesamten Sachvortrag der Klägerin „deren damaliger Lebenspartner Herr V.“ als Zeuge benannt.

 

Mit Schreiben vom 27. Juli 2023 hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, die Beschwerde sei unzulässig, weil die Beschwerdewertgrenze gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht erreicht sei. Im anhängigen Klageverfahren könne es allein um den SGB II-Leistungsanspruch der Klägerin für Februar 2019, den letzten Monat des laufenden Bewilligungszeitraums, gehen. Der Leistungsanspruch des Sohns sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens, da für ihn keine Klage erhoben worden sei. Ursprünglich seien der Klägerin für den Monat Februar 2019 Leistungen von insgesamt 635,36 € bewilligt worden. Auch unter Berücksichtigung der Regelbedarfserhöhung ab Januar 2019 ergebe sich kein Leistungsbetrag, der die Beschwerdewertgrenze von 750 € überschreite.

 

Dazu hat die Klägerin am 22. August 2023 ausgeführt, die für Februar 2019 ursprünglich bewilligten Leistungen hätten sich auf 847,76 € belaufen. Einschließlich des Krankenversicherungsbeitrags ergebe sich ein Gesamtbetrag von 963,79 €. Zudem gehe es in dem Verfahren auch um eine Forderung der AOK von über 900 €, die ebenfalls als Beschwer zu berücksichtigen sei.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Beratung des Senats gewesen.

 

II.

 

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist zwar form- und fristgerecht gemäß § 172 SGG erhoben worden, jedoch nicht statthaft gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG. Nach den Ausführungen der Klägerin im zugrundeliegenden Klageverfahren und im Beschwerdeverfahren kann nicht festgestellt werden, dass der Wert der von den angegriffenen Bescheiden ausgehenden Beschwer den Grenzbetrag von 750 € übersteigt.

 

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) und § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ist die Beschwerde gegen eine Ablehnung von PKH nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes über 750 € liegt und wenn PKH (auch) wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist. Dieser Beschwerdewert beurteilt sich danach, was das SG dem Beschwerdeführer verwehrt oder wozu es ihn verpflichtet hat. Lediglich willkürlich bzw. rechtsmissbräuchlich zur Erreichung der Beschwerde- bzw. Berufungsfähigkeit erhobene Begehren sind außer Acht zu lassen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG,     13. Aufl. 2020, § 144 RN 14a, 15, 15a m.w.N.).

 

Die Klägerin hat sich mit ihrer Klage gegen die Aufhebung der Leistungen ab 1. Februar 2019 mit Bescheid vom 14. Januar 2019 sowie gegen die Ablehnung (vorläufiger) Leistungen für den Monat Februar 2019 mit Bescheid vom 22. Februar 2019 gewandt.

 

Nur die Klägerin ist in der vom Prozessbevollmächtigten gefertigten Klageschrift als Aktivpartei benannt. Daher kann es nur um ihren persönlichen SGB II-Leistungsanspruch für den vorgenannten Monat gehen. Ihr Sohn, der als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ebenfalls SGB II-Leistungen bezogen hatte, ist nicht Beteiligter im Klageverfahren. Zwar ist grundsätzlich zur Bestimmung des Inhalts einer Klageschrift nicht allein von dem Wortlaut und den enthaltenen Anträgen auszugehen; vielmehr ist der hinter diesem Wortlaut liegende wahre Wille des Begehrens zu erforschen; dafür sind das gesamte klägerische Vorbringen und alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, und es ist davon auszugehen, dass der Kläger eine möglichst weitgehende Verwirklichung seines Begehrens anstrebt (§ 123 SGG; vgl. nur BSG, Urteil vom 6. April 2011, Az. B 4 AS 119/10 R, juris RN 29). Danach kann indes vorliegend keine fristgemäße Klageerhebung des Sohns angenommen werden, weil in der vom Prozessbevollmächtigten gefertigten Klageschrift nichts auf eine Klageerhebung für eine weitere Person hindeutet. In der Klageschrift ist im Rubrum nur die Klägerin aufgeführt und aus den Ausführungen im Übrigen ist nicht zu erkennen, dass mit der Klage auch Leistungsansprüche des Sohns verfolgt werden sollten.

 

Eine ausnahmsweise Einbeziehung des Sohns in das seit April 2021 anhängige Klageverfahren ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über die PKH-Beschwerde nicht (mehr) möglich, denn die nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 7. November 2006, Az. B 7b AS 8/06 R, juris RN 11) gebotene ausnahmsweise Heranziehung des Meistbegünstigungsgrundsatzes für die Beantwortung der Frage, wer (insbesondere bei Bedarfsgemeinschaften) Kläger ist, war für eine bis zum 30. Juni 2007 laufende Übergangszeit nach der Einführung des SGB II zum Beginn des Jahres 2005 befristet (vgl. dazu zuletzt: BSG, Urteil vom 30. Januar 2019, Az. B 14 AS 12/18 R, juris RN 12).

 

Die der Klägerin bewilligten Leistungen beliefen sich auf 635,36 € (Bewilligungsbescheid vom 18. Mai 2018), bzw. nach der Regelbedarfserhöhung ab Januar 2019 auf 646,43 € (Änderungsbescheid vom 18. November 2018). Dieses Alg II ist als Sozialleistung nach § 19a SGB I eine Geldleistung im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Es handelt sich bezogen auf den jeweiligen Bewilligungszeitraum um eine laufende Leistung, weil sie wiederholt gezahlt wird, gleichartig ist und innerhalb eines Bewilligungszeitraums auf demselben Rechtsgrund beruht (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2021, Az. B 4 AS 70/20 R, juris RN 22 m. w. N.; BSG, Urteil vom 22. Juli 2010, Az. B 4 AS 77/10 B, juris RN 7).

 

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die im Fall einer Bewilligung von SGB II-Leistungen vom Beklagten abzuführenden Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (von damals monatlich 109,47 €) nicht bei der Berechnung des Beschwerdewerts zu berücksichtigen. Denn diese gehören nicht zu den (auszahlbaren) SGB II-Leistungen. Die soziale Absicherung von Alg II-Empfängern ist eine Annex-Leistung zu der Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Alg II-Bezieher sind in der gesetzlichen Kranken- und Renten- sowie der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert, soweit sie nicht ausnahmsweise auf Grund vorhergehender Befreiungstatbestände hiervon ausgenommen sind (vgl. § 26 Abs. 1 und 2 SGB II). Die soziale Absicherung im SGB II erfolgt durch die vom Grundsicherungsträger gezahlten Pflichtbeiträge (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juni 2010, Az. B 4 AS 67/09 R, juris RN 22). Durch den Bezug von SGB II-Leistungen sind die Leistungsberechtigten im o.g. Sinne sozial abgesichert, ohne dass dies für sie einen eigenständigen, kapitalisierbaren wirtschaftlichen Wert hat. Eine Barauszahlung des Krankenversicherungsbeitrags an die Klägerin ist nicht möglich. Soweit sich durch einen Bezug von SGB II-Leistungen und die Zahlung von Pflichtbeiträgen durch den Beklagten eine bestehende Forderung der AOK Sachsen-Anhalt gegen die Klägerin reduziert, handelt es sich um eine mittelbare Folge dieses Annexes zum SGB II-Leistungsbezug, die die jedoch nicht Streitgegenstand des anhängigen Klageverfahrens ist oder sein kann.

 

Streitgegenstand des Klageverfahrens ist allein die Gewährung von SGB II-Leistungen für Februar 2019. Weder dadurch, dass die Klägerin ein weiteres Klageverfahren gegen die AOK führt noch durch den Hinweis ihres Prozessbevollmächtigten auf dieses Verfahren wird eine Forderung der AOK gegen die Klägerin zum Streitgegenstand in diesem Klageverfahren. Sie ist daher bei der Berechnung des Werts des Beschwerdegegenstands nach § 172 Abs. 3 Nr.1 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht einzubeziehen. Denn maßgeblich kommt es bei der Wertberechnung unter Berücksichtigung des Klagebegehrens bei Anwendung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG und des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG auf den im streitigen Verfahren geltend gemachten prozessualen Anspruch an. Entscheidend ist der materielle Kern des Verfahrens, das mit der Klage sachlich verfolgte Ziel (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2021, a.a.O., RN 16).

 

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind vorliegend auch nicht weitere Monate neben Februar 2019 streitgegenständlich. Denn ausweislich des Bewilligungsbescheids vom 17. Mai 2018 hatte der Beklagte Leistungen für einen Bewilligungszeitraum von Mai 2018 bis Februar 2019 bewilligt. Eine weitere Leistungsbewilligung über diesen Zeitraum hinaus setzt eine entsprechende Antragstellung beim Leistungsträger, den Beklagten, vor-aus. Denn das Ende des Bewilligungszeitraums stellt eine zeitliche Zäsur dar. Leistungen nach dem SGB II werden zeitabschnittsweise bewilligt. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums ist ein neuer Leistungsantrag zu stellen, aufgrund dessen die Leistungsvoraussetzungen nach Grund und Höhe vollständig neu zu prüfen sind. (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 23. November 2006, Az. B 11b AS 9/06 R, juris RN 14; BSG, Urteil vom         30. Juli 2008, Az. B 14 AS 7/08 B, juris RN 5; BSG, Urteil vom 22. Juli 2010, a.a.O.; BSG, Urteil vom 26. September 2013, Az. B 14 AS 148/13 B, juris RN 6).

 

Hier hat der Beklagte mit den angegriffenen Bescheiden keine Entscheidung zu einem Leistungsbezug der Klägerin über den Monat Februar 2019 hinaus getroffen. Denn auch der Bescheid vom 22. Februar 2019 enthält eine Regelung nur für den Monat Februar 2019, für den der Beklagte eine vorläufige Leistungsbewilligung aufgrund des in der vorläufigen EKS mitgeteilten erwarteten übersteigenden Einkommens abgelehnt hatte.

 

Daher war die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

 

Kosten sind nach § 202 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

 

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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