Die Satzungsermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung umfasst auch die Befugnis zur Regelung eines Ausschlusses der finanziellen Förderung im Falle einer bereits absolvierten Weiterbildung.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die finanzielle Förderung einer ärztlichen Weiterbildungsassistentin.
Der Kläger ist Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin und in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Die Landesärztekammer Hessen beschloss am 06.08.2014 durch das Präsidium, dass der Kläger berechtigt ist, Ärztinnen und Ärzte im Bereich Kinder- und Jugendmedizin über den Zeitraum von einem Jahr in ihrer Praxis weiterzubilden (Weiterbildungsbefugnis, Bl. 17 d. Verwaltungsakte).
Am 02.05.2019 schloss der Kläger mit Frau Dr. med. G. M. einen Anstellungsvertrag für die Zeit vom 01.08.2019 bis zum 31.07.2021 zum Zwecke der Vermittlung der Inhalte der Weiterbildungsordnung im Fachgebiet Pädiatrie (Bl. 14 d. Verwaltungsakte).
Frau Dr. med. G. M. hat bereits die Weiterbildung zur Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie absolviert.
Mit Schreiben vom 20.05.2019 beantragte der Kläger die Genehmigung der Beschäftigung von Frau Dr. med. G. M. als Ärztin in Weiterbildung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendmedizin und die finanzielle Förderung dieser Weiterbildung (Bl. 55 d. Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 29.05.2019 genehmigte die Beklagte die Beschäftigung in der Zeit vom 01.08.2019 bis zum 31.07.2021 halbtags in der Praxis des Klägers (Bl. 57 d. Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 04.06.2019 lehnte die Beklagte den Antrag auf finanzielle Förderung ab (Bl. 59 d. Verwaltungsakte). Eine Förderung sei gemäß der Richtlinie zur Förderung weiterer fachärztlicher Weiterbildungen nur für die erste Weiterbildung zum Facharzt möglich. Frau Dr. med. G. M. habe bereits den Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie abgeschlossen. Die Voraussetzungen für eine Förderung seien nicht gegeben.
Der Kläger legte am 30.06.2019 Widerspruch ein (Bl. 64 d. Verwaltungsakte). Die KBV sehe eine Ausbildungsvergütung auch für Ausbildungsassistenten vor, welche bereits eine andere Facharztausbildung abgeschlossen hätten. Hätte die Beklagte den Kläger bereits im Vorfeld über hessen-spezifische Abweichungen informiert, hätte er die Möglichkeit gehabt, den Ausbildungsassistenzvertrag zu kündigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2020 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 73 d. Verwaltungsakte). Rechtsgrundlage sei die zum 01.10.2016 in Kraft getretene Richtlinie zur Förderung der ambulanten Weiterbildung zum Erwerb zulassungsfähiger Facharztkompetenzen in der fachärztlichen Versorgungsebene. Voraussetzung für eine Förderung sei danach, dass der Arzt in Weiterbildung noch keine Weiterbildung in einem anderen Weiterbildungsgebiet absolviert habe. Frau Dr. med. G. M. habe bereits die Weiterbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie abgeschlossen. Diese Ablehnung bedeute nicht, dass die Beendigung der Weiterbildung verwehrt sei, sondern lediglich, dass keine finanzielle Förderung erfolge.
Der Kläger hat durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten am 18.03.2020 Klage zum Sozialgericht erhoben.
Er ist der Auffassung, dass schon nach dem Wortlaut der Richtlinie die Förderung nur entfalle, wenn die erste Weiterbildung bereits gefördert worden sei. Zudem beschränke der Anspruch des Klägers nicht die Möglichkeit anderer Ärzte, sich weiterzubilden. Eine Förderung entspreche dem Ziel, die hausärztliche Versorgung zu sichern. Die Fachgruppe der Kinder- und Jugendärzt:innen sei vom bundesrechtlich aufgenommenen Förderwillen ohne Einschränkungen erfasst, es bestehe in diesem Bereich ein genereller Förderbedarf. § 75a SGB V und die Vereinbarung nach § 75a Absatz 4 SGB V geben keine Beschränkung auf erstmalige Weiterbildungen her. Die Beklagte verfüge nicht über die Kompetenz, die streitgegenständliche Beschränkung zu bestimmen. Die Regelungskompetenz in § 3 Absatz 7 der Anlage I ermächtige lediglich zur Umsetzung und Einhaltung der Maßgaben; gemeint seien lediglich Verfahrensvorschriften, nicht aber die Kompetenz zur weitergehenden Beschränkung. Zudem haben Frau Dr. M. im Bundesland Rheinland-Pfalz eine Zusage für eine Weiterbildungsförderung gehabt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 04.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2020 aufzuheben und die Weiterbildung der Ärztin Dr. G. M. für den Zeitraum vom 01.08.2019 bis zum 31.07.2021 zu fördern.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass kein Anspruch auf finanzielle Förderung bestehe. Sinn und Zweck der Vorschrift unter Ziff. 1 lit. o) der Richtlinie zur Förderung weiterer fachärztlicher Weiterbildungen, zu deren Erlass als ergänzende Vorschrift die Beklagte berechtigt gewesen sei, sei, dass Ärzte ohne Facharztabschluss eine Förderung erhalten, aber gerade nicht eine Umorientierung gefördert werde. Der Wortlaut der Richtlinie sei eindeutig. Frau Dr. M. habe deshalb keine Förderung für erste Weiterbildung erhalten, weil diese nicht in einer Weiterbildungspraxis stattgefunden habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt, § 12 Absatz 3 Satz 2 SGG.
Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 04.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf finanzielle Förderung.
Rechtsgrundlage für die Festsetzung der finanziellen Förderung fachärztlicher Weiterbildungen ist die „Richtlinie zur Förderung weiterer fachärztlicher Weiterbildungen“ der Beklagten in der hier maßgeblichen Fassung der Beschlüsse der Vertreterversammlung vom 01.10.2016, 07.10.2017, 01.12.2018 und 30.03.2019. Danach kann eine Förderung zur Beschäftigung eines Arztes in Weiterbildung gewährt werden, sofern die genannten Förderungsvoraussetzungen erfüllt sind. Ziff. 1 lit. o) der Richtlinie normiert, dass eine Förderung nur für die erste Weiterbildung zum Facharzt möglich ist.
Diese Satzungsbestimmungen beruhen ihrerseits auf der Ermächtigungsgrundlage in § 79 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 75a Absatz 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), wonach die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft das Nähere über den Umfang und die Durchführung der finanziellen Förderung nach den Absätzen 1 bis 3 vereinbart, i. V. m. der auf dieser Grundlage am 01.07.2016 in Kraft getretenen „Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung gemäß § 75a SGB V“.
§ 75a Absatz 4 Satz 2 SGB V enthält einen Katalog von Gegenständen, über die insbesondere Vereinbarungen zu treffen sind. Nähere Vorgaben für die Ausgestaltung der finanziellen Förderung macht das Gesetz nicht. Es überlässt die Art und Weise dieser Ausgestaltung vielmehr dem Gestaltungsspielraum der genannten Vertragspartner.
Die Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung gemäß § 75a SGB V enthält in § 3 Vorgaben zur Förderung fachärztlicher Weiterbildungen, zum Beispiel zur Anzahl der zu fördernden Weiterbildungsstellen (Absatz 2), zur Mindestdauer einzelner Weiterbildungsabschnitte (Absatz 3), zur maximalen Förderdauer (Absatz 6) und zur Förderfähigkeit einzelner Facharztgruppen (Absätze 7 und 8). Die Feststellung der Förderfähigkeit weiterer Facharztgruppen (Absatz 8) wird auf die regionale Ebene verlagert. § 4 verweist auf weitere Regelungen in Anlagen.
In § 3 der „Anlage I – Verfahrenswege / operative Ausführungsbestimmungen zur Förderung der Weiterbildung im vertragsärztlichen Bereich“ (Anlage I) der Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung gemäß § 75a SGB V sind Regelungen zu Fördervoraussetzungen und Förderantrag enthalten.
§ 3 Absatz 2 der Anlage I listet Fördervoraussetzungen unter folgendem Einleitungssatz auf:
Folgende Voraussetzungen der Förderung gelten unbeschadet ergänzender Vorschriften der Kassenärztlichen Vereinigungen:
§ 3 Absatz 3 der Anlage I listet Auswahlkriterien unter folgendem Einleitungssatz auf:
Für die jeweilige Auswahl der Facharztgruppen nach § 3 der Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung können regional insbesondere die nachfolgenden Kriterien und Verfahren für eine weitere Auswahl angewendet werden:
Das Auswahlkriterium aus § 3 Absatz 3 Nr. 3 lit. b. der Anlage I lautet:
[…] soll einem Stellenbewerber/einer Stellenbewerberin um eine Weiterbildungsstelle der Vorzug zu geben, wenn der Bewerber/die Bewerberin sich bereits in einem ambulanten Abschnitt befindet und/oder […]
§ 3 Absatz 7 der Anlage I lautet:
Die Kassenärztlichen Vereinigungen können ergänzende Vorschriften zur Konkretisierung, Umsetzung und Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen erlassen.
Nach dieser Maßgabe durfte die Beklagte die Vorschrift in Ziff. 1 lit. o) der Richtlinie zur Förderung weiterer fachärztlicher Weiterbildungen als Satzungsrecht erlassen. Es kann dahinstehen, ob bereits aus der allgemeinen Satzungsermächtigung aus § 79 Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 SGB V – gerade im hier einschlägigen Bereich der Leistungsverwaltung – eine entsprechende Ermächtigung der Beklagten abzuleiten ist, da jedenfalls in § 75a Absatz 4 Satz 1 SGB V i. V. m. § 3 Absatz 7 der Anlage I eine Ermächtigungsgrundlage besteht.
Bereits aus der Formulierung in § 3 Absatz 2 der Anlage I („unbeschadet ergänzender Vorschriften“) ergibt sich unzweifelhaft, dass die Vertragspartner eine Ergänzung der Fördervoraussetzungen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen zulassen wollten. § 3 Absatz 7 der Anlage I normiert, dass „ergänzende Vorschriften zur Konkretisierung“ erlassen werden dürfen. Die Vertragspartner überlassen damit die konkrete Art und Weise der Ausgestaltung im genannten Umfang dem Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers. Diese Vorgehensweise ist zur Überzeugung der Kammer rechtlich nicht zu beanstanden. Sie fällt auch unzweifelhaft unter den Begriff der Vereinbarung betreffend „das Nähere über den Umfang und die Durchführung der finanziellen Förderung“.
Die Vorschrift in Ziff. 1 lit. o) der Richtlinie zur Förderung weiterer fachärztlicher Weiterbildungen der Beklagten ist eine ergänzende Vorschrift zur Konkretisierung. Die Beklagte hat mit der streitgegenständlichen Regelung in ihrer Richtlinie den ihr eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Die Vorschrift konkretisiert das Konglomerat an Fördervoraussetzungen, indem ein konkretes Detail (Verhältnis mehrerer Weiterbildungen bei der finanziellen Förderung) präzise geregelt wird. Die Vorschrift ergänzt damit die Fördervoraussetzungen.
Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt nicht vor. Die Regelung der Beklagten steht nicht im Widerspruch zu § 75a SGB V und auch nicht zur Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung gemäß § 75a SGB V. Insbesondere besteht auch kein Widerspruch zu § 3 Absatz 3 Nr. 3 lit. b. der Anlage I, weil bereits der Einleitungssatz unzweifelhaft klarstellt, dass lediglich Orientierungspunkte genannt und keine unverrückbaren Vorgaben gemacht werden sollen („können regional insbesondere die nachfolgenden Kriterien und Verfahren für eine weitere Auswahl angewendet werden“). Der Einwand, dass ein Umstieg auf eine zweite Weiterbildung unmöglich gemacht wird, geht fehlt, weil lediglich eine Einschränkung hinsichtlich der finanziellen Förderung der zweiten Weiterbildung besteht. Eine Genehmigung ist auch im vorliegenden Fall unstreitig erfolgt. Auch ein Verstoß gegen das Willkürverbot ist für die Kammer nicht ersichtlich.
Die Kammer hat schließlich nicht zu entscheiden, ob es auch alternative Regelungen zur sorgfältigen Mittelverwendung im Bereich der Leistungsverwaltung bei der finanziellen Förderung der ärztlichen Weiterbildung gibt, die das angestrebte Ziel ebenso gut oder gar besser erfüllen. Zwar hat die Kammer erhebliche Zweifel, ob die streitgegenständliche Regelung im Lichte des übergeordneten Förderziels einer Stärkung der ambulanten Versorgung gerade für unterversorgte Bereiche ausreichend sicherstellt, dass gerade dem Mangel im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin wirksam begegnet wird. Die gerichtliche Kontrolle ist aber darauf beschränkt, ob der Normgeber einer Regelung mit dem von ihm gewählten Maßstab die Grenzen seines Gestaltungsspielraums gewahrt hat. Dies ist – wie dargelegt – der Fall. Dass der Gestaltungsspielraum der Beklagten auch eine andere als die gefasste streitgegenständliche Regelung rechtfertigen könnte, macht die derzeit geltende Regelung in der Richtlinie der Beklagten nicht rechtswidrig. Auch der Umstand, dass andere Kassenärztliche Vereinigungen im Bundesgebiet möglicherweise abweichende Regelungen getroffen haben, ist daher insoweit ohne Bedeutung (vgl. BSG, Urt. v. 17.08.2011, Az. B 6 KA 2/11 R, Juris Rn. 41).
Die Einzelfallentscheidung der Beklagten folgt auch dem Tatbestand der Richtlinie. Der Wortlaut der Vorschrift ist zur Überzeugung der Kammer eindeutig. Insbesondere in Zusammenschau mit Satz 1 der Ziff. 1 lit. o) ergibt sich zur Überzeugung der Kammer zweifelsfrei, dass grundsätzlich nur die erste Weiterbildung förderfähig ist und es für die Frage der fehlenden Förderfähigkeit einer weiteren Weiterbildung nicht darauf ankommt, ob die erste Weiterbildung auch tatsächlich finanziell gefördert wurde.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Absatz 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus §§ 143, 144 SGG.