L 4 KA 12/19

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4.
1. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 12/19
Datum
2. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 2 KA 773/15
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Unterdurchschnittlich abrechnende Arztpraxen - ob neu gegründet oder seit vielen Jahren etabliert - stellen typische Sonderfälle dar, die im Rahmen der Honrarverteilung einer Kassenärztlichen Vereinigung so häufig vorkommen, dass entsprechende Sonderbestimmungen in den Honorarverteilungsvorgaben erwartet werden können.

2. Ein über viele Jahre hinweg konstantes, unterdurchschnittliches Umsatzniveau einer Arztpraxis stellt im Rahmen einer typisierenden Betrachtung einen zuverlässigen Indikator für den gewünschten Teilnahmeumfang an der vertragsärztlichen Versorgung dar. Dieser Umstand ist eine ausreichende sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche Handhabung innerhalb der Gruppe der unterdurchschnittlich abrechnenden Arztpraxen bei der Honorarverteilung.

3. Die insoweit gerechtfertigte Privilegierung von Praxisneugründern gegenüber langjährig unterdurchschnittlich abrechnenden Arztpraxen darf nach Ablauf der allgemein anerkannten Wachstumsphase von bis zu 20 Quartalen nicht dadurch wieder relativiert werden, dass der dann ehemalige Praxisneugründer auf das typischerweise geringere Honorarvolumen aus der Wachstumsphase zurückgeworfen wird (Anschluss an BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 6 KA 54/02 - juris).

4. Der Normgeber eines Honorarverteilungsmaßstabs kann sich nicht darauf beschränken, nur die Verteilung der Gesamtvergütungen für das jeweils aktuelle Quartal zu regeln; vielmehr muss dort zumindest auch das Folgejahresquartal hinsichtlich der Weiterentwicklung der Budgets in den Blick genommen werden (Anschluss an BSG, Urteil vom 28. Januar 2009 - B 6 KA 5/08 R - juris). 

Auf die Berufung der Beklagten und der Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 6. März 2019 geändert.

 

Die Beklagte wird unter Änderung der PZV-Mitteilung und des Honorarbescheids für das Quartal I/2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Dezember 2015 verurteilt, über den Honoraranspruch des Klägers im Quartal I/2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

 

Die Beklagte trägt die Kosten des Vor-, Klage- und Berufungsverfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Der Streitwert des Klage- und Berufungsverfahrens wird auf jeweils 1.687 Euro festgesetzt.

 





Tatbestand

 

Streitig ist der Umfang des Punktzahlvolumens (PZV) im Quartal I/2015.

 

Der Kläger nimmt als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung in K___ teil.

 

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) wies dem Kläger in den „Mitteilungen ihres Punktzahlvolumens“ für das Quartal I/2015 ein Gesamt-PZV iHv 271.759,1 Punkten zu. Bei der Berechnung berücksichtigte die Beklagte das PZV des Klägers aus dem Vorjahres­quartal (über 270.246,8 Punkte) zuzüglich eines Aufschlags für die Höherbewertung der hausärztlichen Zusatzpauschale (über 1.512,3 Punkte); ein Zugewinn wurde nicht gewährt (Schreiben vom 15. Dezember 2014). Das zugewiesene Gesamt-PZV berücksichtigte die KÄV auch im Honorarbescheid des Klägers für das Quartal I/2015, wobei die innerhalb des PZV erbrachten vertragsärztlichen Leistungen zum Orientierungspunktwert und die das Volumen überschreitenden vertragsärztlichen Leistungen (iHv insgesamt 25.988,5 Punk­ten) mit einem Punktwert von 0,036032 EUR vergütet wurden. 

 

Gegen die PZV-Mitteilung und den Honorarbescheid für das Quartal I/2015 legte der Kläger fristgemäß Widerspruch ein und führte zur Begründung sinngemäß aus, dass ihm die Beklagte bei der Berechnung des PZV zu Unrecht keinen Zugewinn gewährt habe. Nach der Sonderregelung für unterdurchschnittlich abrechnende Ärzte in Teil C Ziffer 4 Absatz 1 Satz 2 des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) für das Vorjahresquartal I/2014 seien „Überschreitungen eines unterdurchschnittlichen PZVs (…) bis zu einer Höhe von 10 Pro­zentpunkten des Durchschnitts-PZV der Arztgruppe unmittelbar als Zugewinn des PZV für das Folgejahresquartal wirksam.“ Diese Voraussetzungen habe er erfüllt: Im Quartal I/2014 sei sein PZV mit 270.246,8 Punkten unterdurchschnittlich gewesen und er habe dieses PZV in dem Zeitraum um rund 25.000 Punkte überschritten; dennoch sei ihm bei der PZV-Be­rechnung für das Quartal I/2015 kein Zugewinn gewährt worden.

 

Den Widerspruch wies die Beklagte jedoch zurück. Im streitbefangenen Quartal I/2015 habe die Sonderregelung für unterdurchschnittlich abrechnende Ärzte in Teil C Ziffer 4 Absatz 1 Satz 3 des HVM bereits den Zusatz enthalten, dass nur solche PZV-Über­schreitun­gen unmittelbar als Zugewinn im Folgejahresquartal wirksam seien, bei denen „arztindividuelle Leistungssteigerungen gegenüber der zur Berechnung der PZV maßgeblichen Leistungsmenge“ vorlägen. Der Kläger habe aber im (Vorjahres-)Quartal I/2014 keine Leistungssteigerungen idS gegenüber der Leistungsmenge aus dem (Be­rechnungs-)Quartal I/2013 erreicht. Daher habe bei der PZV-Berechnung für I/2015 auch kein Zugewinn berücksichtigt werden können (Widerspruchsbescheid vom 2. De­zember 2015).   

 

Der Kläger hat am 22. Dezember 2015 beim Sozialgericht (SG) Kiel eine gegen beide Ausgangsbescheide und den Widerspruchsbescheid der Beklagten gerichtete Klage erhoben und darauf hingewiesen, dass für die Weiterentwicklung des PZV im Quartal I/2015 die Sonderregelung für unterdurchschnittlich abrechende Ärzte im HVM des Vorjahres­quartals hätte herangezogen werden müssen. Zwar treffe es zu, dass die entsprechende Regelung im HVM für I/2015 einen Zusatz enthalte, dessen Voraussetzungen er nicht erfüllt habe; allerdings lasse sich dieser Sonderregelung nicht entnehmen, dass der Zusatz bereits rückwirkend für die Weiterentwicklung des PZVs aus dem Quartal I/2014 in Kraft getreten sei. Hilfsweise hat der Kläger geltend gemacht, dass die Sonderregelung für unterdurchschnittlich abrechnende Ärzte im HVM für I/2015 im Übrigen gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstoße und daher rechtswidrig sei. Durch den Zusatz, den die KÄV in die Sonderregelung ab dem Quartal IV/2014 aufgenommen habe, könnten unterdurchschnittlich abrechende Ärzte einen Zugewinn im jeweiligen Folgejahresquartal nur noch bei einer doppelten Steigerung – zum einen gegenüber der Leistungsmenge im Abrechnungsquartal und zum anderen gegenüber der Leistungsmenge im Basisquartal zur Berechnung des Ausgangs-PZV – erhalten. Demgegenüber bestünden für diejenigen Ärzte, die sich bis zum Quartal I/2014 noch in der Wachstumsphase befunden hätten, selbst dann keinen vergleichbaren Anforderungen, wenn sie sich bereits etabliert hätten.

 

Das SG Kiel hat der Klage mit Urteil vom 6. März 2019 stattgegeben und die Beklagte unter Abänderung der PZV-Mitteilung und des Honorarbescheids für das Quartal I/2015 verurteilt, den Honoraranspruch des Klägers neu zu bescheiden. Zwar sei die für die Honorar­verteilung im Bereich der Beklagten ab dem Quartal IV/2013 eingeführte PZV-Systematik (wie das Bundessozialgericht <BSG> bereits höchstrichterlich bestätigt habe) im Wesentlichen mit höherrangigem Recht zu vereinbaren und daher dem Grunde nach rechtmäßig. Entgegen der Auffassung des Klägers sei auch nicht zu beanstanden, dass die KÄV bei der Weiterentwicklung des PZV im hier streitbefangenen Zeitraum auf die Sonderregelung für unterdurchschnittlich abrechnende Ärzte in Teil C Ziffer 4 Absatz 1 Satz 3 des HVM für I/2015 (und nicht auf die anderslautende Sonderregelung im HVM für I/2014) abgestellt und damit die Weiterentwicklung von einer Leistungsmengensteigerung gegenüber einem fixen Vorjahresquartal abhängig gemacht habe. Allerdings würden nach den Vorgaben im HVM für I/2015 solche Ärzte, die bereits vor Einführung der PZV-Systematik unterdurchschnittlich abgerechnet hätten, gegenüber denjenigen unterdurch­schnittlich abrechnenden Ärzten, die vor Einführung der PZV-Systematik noch Wachstums­ärzte gewesen seien und denen erst im Anschluss an die Wachstumsphase von 20 Quar­talen ein arztindividuelles PZV zugewiesen worden sei, unterschiedlich behandelt. Insbesondere würden einem langjährig etablierten Arzt und einem gerade erst der Wachstumsphase entwachsenen Arzt bei gleichen Leistungsmengen im Vorjahresquartal I/2014 unterschiedlich hohe PZV für das streitbefangene Quartal I/2015 zugewiesen. Hintergrund sei, dass nach den Vorgaben im HVM während der Einführung der PZV-Systematik (Quartale IV/2013 bis III/2014) bei dem langjährig etablierten Arzt eine arztgruppenspezifische Dämpfungsquote und ein arztindividueller Anpassungsfaktor angewendet worden seien, bei dem gerade der Wachstumsphase entwachsenen Arzt aber nicht. Da es für diese Ungleichbehandlung innerhalb der Arztgruppe der unterdurch­schnittlich abrechnenden Ärzte keine sachliche Rechtfertigung gebe, müsse die Beklagte den Kläger im Quartal I/2015 neu bescheiden.

 

Gegen dieses Urteil (zugestellt am 12. März 2019) wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung vom 29. März 2019. Zwar treffe es zu, dass nach den Honorarver­teilungs­vorgaben für I/2015 der der Wachstumsphase entwachsene Arzt und der etablierte, aber unterdurchschnittlich abrechnende Arzt im Hinblick auf die Zugewinnregelung wegen der differenzierten Bildung des für den jeweiligen Arzt maßgeblichen Punktzahlvolumens unterschiedlich behandelt würden. Das sei aber sachlich zum einen dadurch gerechtfertigt, dass der etablierte Arzt die als Vergleichsbasis für einen Zugewinn zu berücksichtigende Leistungsmenge im jeweiligen Basisquartal schon einmal erbracht habe. Daher sei für einen solchen Arzt allein die Überschreitung seines PZV noch kein Indiz für die einen Zugewinn rechtfertigende Leistungsmengensteigerung. Zum anderen entspreche es der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass ein gerade der Wachstumsphase entwachsener Arzt auf seine in der Wachstumsphase noch unterdurchschnittlichen Abrechnungswerte nicht festgeschrieben werden dürfe. Vor diesem Hintergrund werde einem solchen Arzt nach der Regelung in Teil C Ziffer 4 Absatz 5 des HVM für I/2015 für längstens vier Quartale nochmals das jeweilige Durchschnitts-PZV seiner (Fach-)Arztgruppe zugewiesen. 

 

Die Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichtes Kiel vom 6. März 2019 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt,

 

  1. die Berufung zurückzuweisen

 

  1. hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 6. März 2019 im Wege der Anschlussberufung zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, über den Honoraranspruch des Klägers für das Quartal I/2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden

 

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung soweit das SG Kiel die angefochtenen Bescheide der Beklagten für rechtswidrig gehalten hat. Ergänzend weist er nochmals darauf hin, dass er im streitbefangenen Quartal nach den Vorgaben im HVM für I/2014 Anspruch auf einen Zugewinn gehabt habe.

 

 

Die Beklagte beantragt anschließend,

 

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

 

Hinsichtlich des sonstigen Vorbringens der Beteiligten und des Sachstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers sind jeweils zulässig und begründet. Zwar hat das SG Kiel der Klage zu Recht stattgegeben; das Urteil ist aber mit der Maßgabe zu ändern, dass die Beklagte den Honoraranspruch des Klägers im Quartal I/2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden hat.

 

1. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Beklagte das PZV des Klägers in der entsprechenden Mitteilung vom 15. Dezember 2014 sowie dem Honorarbescheid für das Quartal I/2015 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 2. Dezember 2015 zutreffend iHv 271.759,1 Punkten festgesetzt hat. Diese Festsetzung ist in der Berufungsinstanz auch in vollem Umfang streitbefangen, obwohl die im Urteil des SG Kiel vom 6. März 2019 enthaltene Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung zumindest teilweise für den Kläger – insbesondere hinsichtlich der (Rechts-)Frage, welche HVM-Regelung zur Weiter­entwicklung seines PZVs hier anwendbar ist – nachteilig gewesen ist und er zunächst kein Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt hat. Allerdings hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (hilfsweise) eine Anschlussberufung erhoben; das Urteil des SG Kiel ist daher insgesamt nicht rechtskräftig iSv § 141 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und damit für die Verfahrensbeteiligten und den Senat auch nicht teilweise bindend geworden (vgl eingehend zu der Differenzierung zwischen der Rechtskraft und der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Neubescheidungsurteilen Bundessozialgericht <BSG> SozR 4-1500 § 141 Nr 1 Rn 22 mwN)

 

2. Vor diesem Hintergrund hat die statthafte und auch im Übrigen zulässige Anfechtungs- und Neubescheidungsklage (§ 54 Abs 1 iVm § 131 Abs 3 SGG) des Klägers auch in der Sache Erfolg. Anders als der Kläger und die Vorinstanz meinen ist jedoch die aus einzelnen Vorgaben im HVM der Beklagten (dazu 3.) resultierende Ungleichbehandlung zwischen ehemaligen Wachstumsärzten und etablierten, aber unterdurchschnittlich abrechnenden Ärzten hinsichtlich der Weiterentwicklung der PZV ausreichend sachlich gerechtfertigt und daher nicht rechtswidrig (dazu 4.). Allerdings hat sich die Beklagte bei der Weiterent­wicklung des klägerischen PZV im streitbefangenen Quartal auf eine vorliegend nicht einschlägige Sonderregelung im HVM für I/2015 gestützt. Nach der demgegenüber tatsächlich anwendbaren Sonderregelung für unterdurchschnittlich abrechnende Ärzte in Teil C Ziffer 4 Absatz 1 Satz 2 des HVM für I/2014 aber ist im streitbefangenen Quartal zugunsten des Klägers ein Zugewinn zu berücksichtigen (dazu 5.). Allein aus diesem Grund sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben und ist die Beklagte zu verurteilen, den Honoraranspruch des Klägers im Quartal I/2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

 

3. Rechtsgrundlage für die Berechnung der Punktzahlvolumina in dem hier streitbe­fange­nen Zeitraum ist die Regelung in § 87b Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (<SGB V>; hier anzuwenden idF des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungs­strukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-VStG> vom 22. Dezember 2012, BGBl I 2983). Danach obliegt der beklagten KÄV die Verteilung der mit den Krankenkassenverbänden vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psycho­thera­peuten, medizinischen Versor­gungszentren (MVZ) sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen – und zwar getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung. Sie wendet dabei den Verteilungs­maßstab an, der im Benehmen mit den Krankenkassenverbänden auf Landesebene festgesetzt worden ist. Ergänzend dazu hat der Verteilungsmaßstab nach § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungs­erbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Abs 3 SGB V oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistung­s­erbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden.

 

Mit der Neufassung von § 87b SGB V durch das GKV-VStG ist der Gesetzgeber in wesentlichen Punkten zur Verteilungssystematik aus der Zeit vor Inkrafttreten der Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) zum 1. Januar 2004 zurückgekehrt und hat die bundesgesetzlichen Vorgaben, insbesondere die Implementation der RLV, weitgehend zurückgenommen (dazu bereits Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 2. August 2017 – B 6 KA 16/16 R – juris mwN). Seit dem Jahr 2012 sind die KÄVen daher berechtigt – im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen – die Honorarverteilung wieder weitgehend nach eigenen Präferenzen zu gestalten, wobei allerdings nach § 87b Abs 4 Satz 2 und 3 SGB V Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) zu beachten sind (vgl hierzu BSG, Urteil vom 8. August 2018 – B 6 KA 26/17 R – juris). Ergänzend dazu hat der Gesetzgeber in § 87b Abs 1 Satz 3 SGB V geregelt, dass die bisherigen (Honorarverteilungs-)Bestimmungen, insbesondere zur Zuweisung von arzt- und praxisbezogenen Regelleistungsvolumina (RLV), bis zur Entscheidung über einen (neuen) Verteilungsmaßstab vorläufig fortgelten. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte ab dem Quartal IV/2013 beschlossen, die für die Verteilung der vereinbarten Gesamtvergütungen – nach wie vor vorgeschriebene – Leistungsbegrenzung nicht mehr über RLV, sondern über Punktzahlvolumina zu realisieren.

 

a) Für die PZV-relevanten Arztgruppen, zu denen im Quartal I/2015 im hausärztlichen Bereich auch der Kläger als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin gehört hat (dazu Anlage 1 zum HVM der KÄV Schleswig-Holstein in der Beschlussfassung der Vertreterversammlung vom 19. November 2014) ist die Berechnung der PZV nach den Vorgaben in Teil C (Bildung und Weiterentwicklung von arzt- und praxisbezogenen Mengensteuerungen <PZV und Sonderregelungen>) des HVM für I/2015 erfolgt. Dementsprechend sind die PZV für das jeweilige Abrechnungsquartal arztbezogen zu ermitteln (Teil C Ziffer 2 Satz 1 des HVM) und praxisbezogen zuzuweisen (Teil C Ziffer 2 Abs 4 dritter Spiegelstrich des HVM) gewesen.

 

Die Höhe des arztbezogenen PZV hat sich dabei – vereinfacht dargestellt – für Ärzte mit einem vollen Versorgungsauftrag im sogenannten Ausgangszeitraum (Quartale IV/2013 bis III/2014) aus der Multiplikation der anerkannten und anhand der Punktzahlen im Einheit­lichen Bewertungsmaßstab umgerechneten Leistungsmenge aus dem jeweiligen Vor­jahresquartal (dazu Teil C Ziffer 2 Abs 1 Satz 3 des HVM) mit einer zur Dämpfung der Auswirkungen zwischen den Arztgruppen zu ermittelnden versorgungsbereichs­spezi­fischen Quote (dazu Teil C Ziffer 2 Abs 2 und 3 des HVM) sowie einem arztindividuellen Anpassungsfaktor (dazu Teil C Ziffer 2 Abs 4 des HVM) ergeben. Die nach diesen Vorgaben arztindividuell zugewiesenen PZV können sich dabei in der Folgezeit (ab dem Quartal IV/2014) durch ein sogenanntes Zugewinnvolumen fortentwickeln. Dafür wird zunächst die arztindividuelle und die gruppenspezifische durchschnittliche Auslastung der PZV ermittelt. Liegt dabei die arztindividuelle Auslastung über der gruppenspezifischen durchschnittlichen Auslastung, nimmt der jeweilige Arzt mit seiner das PZV überschreitenden Leistungsmenge am Zugewinn im Folgejahresquartal teil (dazu Teil C Ziffer 3 Abs 1 und 2 des HVM).   

 

b) Daneben enthält der HVM der Beklagten noch ausdrücklich als Sonderregelungen bezeichnete Vorgaben zur Berechnung und Fortentwicklung unterdurchschnittlicher PZV, wonach für diese Vertragsarztgruppe (ohne Neupraxen, Wachstumspraxen, Ermächtigte und Institutionen und Einrichtungen) ein Mindest-PZV je Arzt iHv von 50 vH des Durchschnitts-PZV der (Fach-)Arztgruppe gilt. Außerdem gibt es für unterdurchschnittlich abrechnende Ärzte – allerdings quartalsbezogen uneinheitlich – eine gesonderte Zuge­winnmöglichkeit: Im Ausgangszeitraum (Quartale IV/2013 bis III/2014) werden danach Überschreitungen eines unterdurchschnittlichen PZV bis zu einer Höhe von 10 vH des Durchschnitts-PZV der Arztgruppe „unmittelbar“ als Zugewinn im Folgejahresquartal wirksam (dazu Teil C Ziffer 4 Abs 1 Satz 2 des HVM für I/2014). In der Folgezeit (ab dem Quartal IV/2014) hingegen werden derartige Überschreitungen nur in dem Umfang als Zugewinn im Folgejahresquartal wirksam, soweit der Arzt außerdem eine „arztindividuelle Leistungssteigerung gegenüber der zur Berechnung der PZV maßgeblichen Leistungs­menge bis zu einer Höhe von 10 Prozentpunkten des Durchschnitts-PZV der Arztgruppe“ erreicht hat (dazu Teil C Ziffer 4 Abs 1 Satz 3 des HVM für I/2015).

 

c) Schließlich weist der HVM der Beklagten noch eine Sonderregelung für Wachstumsärzte aus, die in den letzten vier Quartalen ihrer Wachstumsphase eine unterdurchschnittliche Punktzahlanforderung abgerechnet haben: Diesen Ärzten wird im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an die Wachstumsphase für ein Jahr „letztmalig“ quartalsbezogen das jeweilige Durchschnitts-PZV ihrer Arztgruppe zugewiesen. Erst in den Folgejahresquartalen bildet bei einer fortbestehenden Unterdurchschnittlichkeit die abgerechnete, sachlich anerkannte Leistungsmenge das PZV des Arztes (dazu Teil C Ziffer 5 des HVM für I/2015).

     

4. Die vorangestellt dargelegte Honorarverteilungssystematik ist dem Grunde nach als rechtmäßig anzusehen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 2. August 2017 – B 6 KA 16/16 R; vgl auch Landessozialgericht <LSG> Schleswig-Holstein, Urteil vom 29. Mai 2018
L 4 KA 12/16; die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das BSG mit Beschluss vom 13. Mai 2020 – B 6 KA 43/18 B - zurückgewiesen
). Insbesondere ist die vom SG Kiel in dem hier angefochtenen Urteil festgestellte Ungleichbehandlung – wonach einem langjährig etablierten Arzt und einem gerade erst der Wachstumsphase entwachsenen Arzt bei gleicher Leistungsmenge im Vorjahresquartal I/2014 unterschiedlich hohe PZV für das streitbefangene Quartal I/2015 zugewiesen werden – ausreichend sachlich gerechtfertigt. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht (Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit) kann in diesem Umstand nicht erblickt werden.  

 

a) In der mittlerweile ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass unterdurchschnittlich abrechnende Ärzte im Rahmen der Honorarverteilung einer KÄV die Möglichkeit erhalten müssen, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe erreichen zu können (hierzu bereits BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 6 KA 71/97 R – juris). Dem Arzt muss stets die Chance verbleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so legitimerweise seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (vgl hierzu BSG, Urteil vom 10. März 2004 – B 6 KA 3/03 R – juris). Aber auch wenn diese Arztgruppe zumindest weit überwiegend aus Mitgliedern bestehen dürfte, die ihre Praxis neu gegründet haben, ist deren Erwähnung in der Rechtsprechung des BSG lediglich beispielhaft zu verstehen gewesen: Die grundsätzliche Verpflichtung zur Gewährleistung einer gewissen Wachstumsmöglichkeit bezieht sich vielmehr auf alle Arztpraxen, deren Umsatz den durchschnittlichen Umsatz der jeweiligen Fachgruppe unterschreitet (vgl hierzu BSG, Urteil vom 28. Januar 2009 – B 6 KA 5/08 R – juris).

 

Demnach stellen seit jeher unterdurchschnittlich abrechnende Arztpraxen – ob neu gegründet oder bereits seit vielen Jahren etabliert – typische Sonderfälle dar, die im Rahmen der Honorarverteilung einer KÄV so häufig vorkommen, dass entsprechende Sonderbestimmungen in den Honorar­verteilungsvorgaben erwartet werden können. Dabei hat das BSG in dem Umstand, dass ein über viele Jahre hinweg konstantes, aber unterdurchschnittliches Umsatzniveau eines Arztes im Rahmen einer typisierenden Betrachtung einen zuverlässigen Indikator für den gewünschten oder erreichbaren Teilnahmeumfang an der vertragsärztlichen Versorgung darstellt, schon immer eine ausreichende sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche Handhabung innerhalb der Gruppe der unterdurchschnittlich abrechnenden Ärzte gesehen. Vor diesem Hintergrund muss einem Arzt, der seine Praxis gerade neu gegründet hat, im Rahmen der Honorarverteilung die Möglichkeit zu einer sofortigen Steigerung seines Honorarumsatzes bis hin zum durchschnittlichen Umsatz seiner Facharztgruppe ermöglicht werden. Demgegenüber ist ein Arzt, der auch viele Jahre nach der Praxisgründung noch unterdurchschnittliche Umsätze abrechnet, nicht von jeder Wachstumsbegrenzung freizustellen; vielmehr kann die ihm einzuräumende Möglichkeit, den durchschnittlichen Umsatz seiner Facharztgruppe zu erreichen, auf einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren gestreckt werden (vgl hierzu BSG, Urteil vom 10. März 2004 – B 6 KA 13/03 R – juris).

 

Außerdem ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass dem dargelegten Erfordernis – im Rahmen der Honorarverteilung ausreichende Zuwachsmöglichkeiten für neu gegründete Praxen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998 – B 6 KA 71/97 R – juris) zu berücksichtigen – nicht nur für die Dauer der allgemein anerkannten Wachs­tumsphase von 20 Quartalen (vgl hierzu die Regelung in Teil C Ziffer 4 Abs 3 des HVM für I/2015) Rechnung zu tragen ist. Ergänzend dazu darf die Privilegierung von Praxisneu­gründern in der Zeit danach nicht einfach dadurch wieder relativiert werden, dass die dann ehemalige Wachstumspraxis auf das typischerweise geringere Punktzahl- bzw Honorar­volumen aus der Aufbauphase zurückgeworfen wird; stattdessen muss das Individual­budget an den mit Abschluss dieser Phase erreichten Stand, mindestens aber an dem Durchschnittsumsatz der jeweiligen Arztgruppe anknüpfen. Dies ist normativ im HVM selbst – jedenfalls in den Grundzügen – zu regeln (vgl zu alledem BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – B 6 KA 54/02 R – juris Rn 30 mwN).

 

b) Aus alledem folgt, dass die Beklagte vorliegend sogar verpflichtet gewesen ist, auch denjenigen Praxisneugründern, deren Aufbauphase mit der Umstellung der Honorar­verteilungssystematik von RLV hin zu PZV mit dem Ausgangszeitraum (Quartale IV/2013 bis III/2014) geendet hat, noch für ein Jahr einen mindestens am Durchschnittsumsatz der jeweiligen Arztgruppe orientiertes Punktzahlvolumen zu gewähren und eine entsprechende Regelung (vgl hierzu Teil C Ziffer 5 des HVM für I/2015) in den HVM aufzunehmen. Die damit einhergehende „Besserstellung“ eines gerade der Wachstumsphase entwachsenen Arztes gegenüber einem langjährig etablierten Arzt lässt sich daher – selbst soweit beide Ärzte wie im Beispielsfall des SG Kiel im Quartal I/2014 im selben Umfang unter­durch­schnittlich abgerechnet haben – sachlich ausreichend durch den Umstand rechtfertigen, dass auch noch für die erste Zeit nach Abschluss der Aufbauphase keine Anknüpfung an die unterdurchschnittlichen Abrechnungsergebnisse aus den Vorjahren möglich ist. Dabei kann die Umsetzung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung im HVM der Beklagten schon deshalb nicht gleichzeitig als ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorar­verteilungsgerechtigkeit angesehen werden, weil es der KÄV dann nicht mehr möglich wäre, eine Honorarverteilung ohne Benachteiligung einer einzelnen Arztgruppe vorzu­nehmen.

 

5. Der Berufung der Beklagten folgend ist es daher unter Gleichbehandlungs­gesichts­punkten nicht zu beanstanden, dass nach den Honorarverteilungsvorgaben der KÄV bei Ärzten, die – wie der Kläger – schon länger niedergelassen sind und unterdurchschnittlich abrechnen, an die Abrechnungsergebnisse aus dem jeweiligen Vorjahresquartal ange­knüpft wird. Allerdings macht der Kläger im Rahmen seiner Anschlussberufung zu Recht geltend, dass sich die Beklagte bei der Frage, ob und ggf in welchem Umfang ihm im streitbefangenen Quartal ein Zugewinn für sein PZV zu gewähren ist, auf die vorliegend nicht einschlägige Regelung in Teil C Ziffer 4 Abs 1 Satz 3 des HVM für I/2015 gestützt hat.

 

 

a) Die Regelung lautet:

 

„Bei Überschreitungen eines unterdurchschnittlichen PZVs werden arztindivi­duelle Leistungssteigerungen gegenüber der zur Berechnung der PZV maß­geblichen Leistungsmenge bis zu einer Höhe von 10 Prozentpunkten des Durchschnitts-PZV der Arztgruppe unmittelbar als Zugewinn des PZV bis zum Erreichen des Durchschnitts-PZV für das Folgejahresquartal wirksam.“

 

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die erstmals im Quartal IV/2014 in den HVM aufgenommene Regelung rückwirkend auf die Zugewinn-Berechnung zwischen den Quartalen I/2014 und I/2015 Anwendung findet. Dem vermag sich der Senat vor dem Hintergrund von Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung nicht anzuschließen.

 

Gegen eine – verfassungsrechtlich bedenkliche – rückwirkende Geltung der Vorgaben in Teil C Ziffer 4 Abs 1 Satz 3 des HVM für I/2015 bzgl des abrechnungstechnisch bereits abgeschlossenen Quartals I/2014 spricht bereits, dass sich dem Wortlaut der Regelung nicht entnehmen lässt, dass sie sich teilweise auf das Vorjahresquartal bezieht. Dafür wäre es zumindest erforderlich gewesen, den Regelungsabschnitt hinsichtlich der „Über­schreitungen eines unterdurchschnittlichen PZVs“ mit dem Zusatz „im Vorjahresquartal“ zu versehen. Das dies nicht geschehen ist, lässt nur den Rückschluss zu, dass dieser Regelungsabschnitt (wie im Übrigen die Gesamtregelung in Teil C Ziffer 4 Abs 1 des HVM für I/2015 auch) auf das damals aktuelle Quartal I/2015 abstellt. Nur so erklärt sich auch die Verwendung des Begriffs „Folgejahresquartal“ in Teil C Ziffer 4 Abs 1 Satz 3 des HVM für I/2015, bei dem es sich denklogisch um das entsprechende Quartal im folgenden Kalenderjahr – also das Quartal I/2016 – handelt. Anderenfalls hätte es nahegelegen, das aus Sicht der Beklagten angeblich gemeinte Quartal I/2015 auch direkt (zB mit dem Begriff „im aktuellen Quartal“) zu bezeichnen, und nicht stattdessen eine Bezeichnung zu wählen, bei der sich die Auffassung der KÄV zur Zugewinn-Berechnung erkennbar nicht mit dem Wortlaut der dafür maßgeblichen HVM-Regelung in Übereinstimmung bringen lässt.

 

Systematische Gesichtspunkte bestätigen das aufgezeigte (Auslegungs-)Ergebnis. Seit­dem die Beklagte die Verteilung der Gesamtvergütungen nicht mehr über RLV, sondern über den an der Honorarverteilung teilnehmenden Ärzten zuzuweisende PZV realisiert, wird in dem HVM der KÄV zwischen dem Ausgangszeittraum (den Quartalen IV2013 bis III/2014) und dem Folgezeitraum (ab dem Quartal IV/2014) unterschieden. Insoweit enthält auch der HVM für I/2015 unter Teil C Ziffer 2 noch Vorgaben für die „Bildung von PZV für den Ausgangszeitraum“ und unter Teil C Ziffer 3 ergänzende Vorgaben für die „Weiterent­wicklung der PZV in der Folgezeit“, obwohl das dort geregelte Quartal zeitlich bereits außer­halb des Ausgangszeitraums liegt. Demgegenüber lassen sich die Regelungen in Teil C Ziffer 4 des HVMs der Beklagten für „Wachstumspraxen, Praxisbeson­derheiten etc.“ keinem der beiden Zeiträume ausschließlich zuordnen, was insbesondere an der Aufteilung in verschie­dene Regelungsab­schnitte des HVM (Ziffern 2 und 3 für zeitraumbezogene Vorgaben, Ziffern 4 und 5 <Härtefälle> für allgemeingültige Vorgaben) deutlich wird. Aus diesem Umstand lässt sich ohne Weiteres ab­leiten, dass die allgemeingültigen Vorgaben im HVM der Beklagten – also auch die für die Berechnung des Zugewinns bei den PZV der unterdurchschnittlich abrechnenden Ärzte – bereits im Ausgangszeitraum anzuwenden gewesen sind und nachträgliche Änderungen des HVM sich erstmals in dem Quartal auswirken können, in dem die Änderung eingeführt worden ist. 

 

Schließlich entspricht es vor dem Hintergrund der ständigen höchstrichterlichen Recht­sprechung dem Sinn und Zweck derartiger Zugewinn-Regelungen, für einen unter­durchschnittlich abrechnenden Arzt und die die Honorarverteilungsvorgaben ggf überprüfenden Sozialgerichte klarzustellen, welche Kriterien der Arzt erfüllen muss, um innerhalb das vorangestellt dargelegten Zeitraums von fünf Jahren den Durch­schnittsumsatz seiner (Fach-)Arztgruppe zu erreichen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 28. Januar 2009 – B 6 KA 5/08 R – juris). Dementsprechend kann sich der Normgeber eines HVM nicht darauf beschränken, dort nur die Verteilung der Gesamtvergütungen für das jeweils aktuelle Quartal zu regeln; vielmehr muss mit den Honorarverteilungsvorgaben zumindest auch das Folgejahresquartal hinsichtlich der Weiterentwicklung der Budgets in den Blick genommen werden. Der HVM der Beklagten entspricht erkennbar dieser Systematik: Die Kriterien, die ein unterdurchschnittlich abrechnender Arzt erfüllen muss, um im Quartal I/2015 einen Zugewinn für sein PZV zu erhalten, ergeben sich deshalb aus dem (Vorjahres-)HVM für I/2014 (dort in Teil C Ziffer 4 Abs 1 Satz 2). Die Weiterentwicklung desselben PZV im Quartal I/2016 entscheidet sich wiederum anhand der Kriterien, die die Beklagte im (Vorjahres-)HVM für I/2015 festgelegt hat (dort in Teil C Ziffer 4 Abs 1 Satz 3). An diese Systematik ist die Beklagte gebunden.

 

b) Aus alledem folgt, dass die Beklagte vorliegend verpflichtet ist, den Zugewinn des Klägers für das streitbefangene Quartal anhand der Vorgaben in Teil C Ziffer 4 Abs 1 Satz 2 des HVM für I/2014 zu berechnen. Die Regelung lautet:

 

„Überschreitungen eines unterdurchschnittlichen PZVs werden bis zu einer Höhe von 10 Prozentpunkten des Durchschnitts-PZV der Arztgruppe unmittel­bar als Zugewinn des PZV für das Folgejahresquartal wirksam.“

 

Dabei besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit, dass der Kläger diese Vorgaben im Quartal I/2014 dem Grunde nach erfüllt und deshalb einen Anspruch darauf hat, im streitbefangenen Quartal einen entsprechenden Zugewinn – begrenzt auf den Umfang von 10 Prozentpunkten des Durchschnitts-PZV seiner (Fach-)Arztgruppe – für sein PZV zu erhalten.

 

Insoweit ist die Beklagte auf die erhobene Anschlussberufung hin zu verurteilen gewesen, den Honoraranspruch des Klägers im Quartal I/2015 unter Beachtung der Rechts­auffassung des Senats neu zu bescheiden. 

 

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm den §§ 154 Abs 2, 162 Abs 2 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.

 

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus der Anwendung von § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm den §§ 47 Abs 1 Satz 1, 52 Abs 1 bis 3 Gerichtskostengesetz (GKG) in Höhe der Differenz zwischen der Vergütung der Honoraranforderung des Klägers im Quartal I/2015 mit dem Restpunktwert anstelle des vollen Punktwerts.

Rechtskraft
Aus
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