Elektronische Einreichung mittels Dateiformat „docx“

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 2 BA 25/20
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 6 BA 7/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

 

Ein an das Landessozialgericht elektronisch übermitteltes Dokument im Dateiformat „.docx“ ist nicht im Sinn des § 65a Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet, weil es nicht im Dateiformat PDF übermittelt worden ist. 

Die Vorgabe des Dateiformats PDF beschränkt sich nicht – wie die Durchsuch- oder Kopierbarkeit einer Datei – auf die Benutzerfreundlichkeit bei der Weiterbearbeitung durch das Gericht, sondern dient der Datenauthentizität und sichert im angemessenen Verhältnis die Beweiskraft, des nach § 298 ZPO erstellten Ausdrucks. Die Vorgabe dient zudem der Rechtssicherheit.

Die Formwirksamkeit kann nicht durch einen Ausdruck des Dokuments im Dateiformat .docx hergestellt werden, weil dadurch die Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente in § 65 d SGG umgangen würde.

Auch das Gebot effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG führt bei nicht führenden elektronischen Akten zu keiner anderen Auslegung von § 65a Abs. 2 SGG unter Nichtanwendung von § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV.  

 

1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 4. Januar 2022 wird verworfen. 

2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Der Streitwert wird auf 44.317,44 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aus einer Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.12.2017.

Der Kläger war Inhaber der Firma „S                         “ unter der Adresse R    strasse    in W    , die im Bereich Beton- und Estrichglätten Arbeiten ausführte. Das Gewerbe meldete er zum 06.02.2014 an und zum 30.04.2017 ab.

Nach der Auskunft des früheren Steuerberaters, dass dort keine Unterlagen mehr vorhanden seien, weil diese teilweise von der Steuerfahndung mitgenommen worden seien und der Kläger die laufende Buchhaltung ausgehändigt bekommen habe, forderte die Beklagte im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) mit Schreiben vom 17.04.2018 diverse Unterlagen an. Hierzu gehörten u.a. die Lohn- und Gehaltskonten aller Arbeitnehmer einschließlich der zur Aushilfe Beschäftigten, monatliche Brutto- und Nettoabrechnungen, Beitragsabrechnungen und Beitragsnachweise oder sonstige Unterlagen, die Aufschluss über das Arbeitsentgelt und Sonderzuwendungen geben würden.

Eine Reaktion des Klägers hierauf erfolgte nicht. Mit Bescheid vom 30.08.2018 setzte die Beklagte den Termin zur Durchführung der Betriebsprüfung auf den 14.09.2019, in den Geschäftsräumen des Klägers, K               Platz   in W     um 08:45 Uhr fest. Dem Kläger werde aufgegeben, die Durchführung dieser Betriebsprüfung durch den Außendienstmitarbeiter zu ermöglichen und zu dulden. Bis dahin habe der Kläger auch die Möglichkeit, die zur Betriebsprüfung erforderlichen Unterlagen einzusenden oder persönlich vorzulegen. Dem Kläger werde auch noch aufgegeben, die Geschäftsbücher, Listen oder andere Unterlagen vorzulegen, aus denen die Angaben über die Beschäftigung hervorgingen. Der Kläger werde gebeten, die zur Durchführung der Prüfung erforderlichen Geschäftsbücher und –unterlagen für den Prüfzeitraum vom 01.01.2014 bis 31.12.2017 zur Einsicht bereit zu halten. Hierzu benannte die Beklagte erneut die erforderlichen Unterlagen. Soweit sich die entsprechenden Unterlagen nicht in seinem Besitz befänden, werde gebeten, diese rechtzeitig anzufordern, damit ein ordnungsgemäßer Ablauf der Prüfung sichergestellt sei. Dem Kläger wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 7.000,00 Euro angedroht, sofern er den getroffenen Anordnungen nicht nachkomme. Der Bescheid wurde dem Kläger am 31.08.2018 zugestellt.

Am 14.09.2018 wurden zum Prüfungstermin vor Ort die Ehefrau des Klägers und dessen Kinder angetroffen. Sie gab an, dass die Unterlagen im vergangenen Jahr vom Finanzamt mitgenommen worden seien.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Steuerfahndung des Finanzamtes M         am 17.09.2018 mit, dass am 21.03.2017 Unterlagen bis zum Jahr 2015 beschlagnahmt worden seien. Hierunter befand sich ein PC, ein Laptop, vier Ordner und sechs Umschläge. Das Sicherstellungsverzeichnis liegt auf Blatt 21 der Verwaltungsakte der Beklagten vor. Lohnunterlagen sind darin nicht angeführt.

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.08.2018 begründete der Kläger u.a. damit, keine Geschäftsunterlagen vorlegen zu können, vor allem nicht für Mai bis Dezember 2017, da das Finanzamt die gesamten Unterlagen mitgenommen habe.

Die aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Mainz vom 07.11.2016 am 21.03.2017 durch Beamte der Steuerfahndung des Finanzamtes M         beschlagnahmten Unterlagen wurden der Beklagten vom Amtsgericht Mainz zur Einsicht übermittelt. Diese bezogen sich überwiegend auf die H   I                 GmbH, bei der der Kläger seit 2012 Alleingesellschafter und Geschäftsführer war. Nach dem Aktenvermerk vom 17.10.2018 befanden sich bei der Durchsicht des Materials durch den Sachbearbeiter und Teamleiter keine Lohnunterlagen. Aus dem Bericht über die Steuerfahndungsprüfung durch das Finanzamt M         vom 16.08.2017 und der darauf basierenden Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Koblenz vom 05.04.2018 gingen Scheinrechnungen an die H   I                 GmbH und an das Einzelunternehmen des Klägers der B     GmbH und der D.F.     GmbH hervor. Hierzu seien geständige Einlassungen des Rechnungsschreibers Emin Bakar vorhanden und korrespondierende Barzahlungsquittungen über die fingierten Rechnungen sowie Blanko-Barzahlungsquittungen der D.F.     GmbH.

 Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 30.08.2018 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2019 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Mainz, das die Klage mit Urteil vom 29.06.2019 abwies (S 2 BA 1/19). Die hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz eingelegte Berufung unter dem Aktenzeichen L 6 BA 22/21 nahm der Kläger am 27.09.2023 zurück.

Mit Schreiben vom 14.11.2019 forderte die Beklagte den Kläger erneut zur Vorlage prüfungsfähiger Unterlagen bis zum 26.11.2019 auf und teilte mit, dass, sofern bis dahin keine Unterlagen eingingen, die Prüfung von Amts wegen vorgenommen werden müsse. Es sei beabsichtigt, Arbeitsentgelte auf Grundlage der monatlichen Bezugsgröße zu schätzen.

Nach Anhörung vom 12.12.2019, auch zur Höhe der Schätzung, und erfolgter Akteneinsicht durch den Bevollmächtigten setzte die Beklagte mit Bescheid vom 25.02.2020 einen Nachforderungsbetrag in Höhe von 44.317,44 Euro fest. Da der Kläger seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei, sei davon auszugehen, dass keine geeigneten Unterlagen zur Dokumentation der Versicherungspflicht/Versicherungsfreiheit, der Beitragspflicht/Beitragsfreiheit und der Beitragshöhe vom Kläger geführt worden seien. Da er keinen Nachweis der Elterneigenschaft für Arbeitnehmer, die das 23. Lebensjahr vollendet hätten, geführt habe, sei der erhöhte Beitrag zur Pflegeversicherung zur Berechnung herangezogen worden. In der Zeit vom 01.03.2014 bis 30.04.2017 seien vom Kläger insgesamt 20 versicherungspflichtige und 5 geringfügig entlohnte Beschäftigungsverhältnisse zur Sozialversicherung zu unterschiedlichen Zeiträumen gemeldet worden. Der Schätzung für die versicherungspflichtig gemeldeten Arbeitnehmer werde ein Arbeitsentgelt in mindestens der monatlichen Bezugsgröße zugrunde gelegt. Als Berechnungsgrundlage für die Schätzung werde bei den vom Kläger als geringfügig entlohnt gemeldeten Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt in Höhe von 450,00 Euro monatlich zugrunde gelegt. Dieser Betrag werde um das vom Kläger an die zuständige Einzugsstelle gemeldete Entgelt gemindert. Aus der Differenz der geschätzten und der gemeldeten rentenversicherungspflichtigen Arbeitsentgelte habe man die Beiträge zum Umlageverfahren nachberechnet. In den dem Bescheid beigefügten Berechnungsbögen waren insgesamt zwölf Arbeitnehmer enthalten, zu denen Nachberechnungen erfolgten. Hierzu waren jeweils unterschiedliche Zeiträume der Beschäftigung angegeben sowie das zuvor vom Kläger im jeweiligen Zeitraum gemeldete Entgelt und der vom Beklagten errechnete Betrag. Aus der jeweiligen Differenz wurden die jeweiligen Beiträge berechnet. Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse wurden drei nachberechnet (vgl. Bl. I, 13 der Verwaltungsakte: Beigeladener zu 1. im Zeitraum 01.11.2014 bis 30.11.2014, Beigeladener zu 16. im Zeitraum 15.12.2015 bis 31.12.2015 und Beigeladener zu 17. im Zeitraum vom 12.09.2016 bis 14.10.2016).

Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2020 als unbegründet zurück, wogegen der Kläger am 16.10.2020 Klage beim SG erhoben hat. Die notwendigen Unterlagen seien nicht in seinem Besitz, sondern vom Finanzamt beschlagnahmt worden. Die Beklagte hätte sich diese dort selbst besorgen können, so dass die Schätzung rechtswidrig sei. Auch habe die Beklagte keinen Kontakt zum Steuerberater aufgenommen.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 04.01.2022 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 25.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2020 sei formell und materiell rechtmäßig. Der Kläger sei zu der beabsichtigten Festsetzung einer Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) angehört worden. Zu Recht habe die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden unter Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen festgestellt, dass Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen nachzuzahlen seien. Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüften die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stünden, ordnungsgemäß erfüllten; sie prüften insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die nach diesen Vorschriften bei dem Kläger durchgeführte Prüfung habe ergeben, dass er zumindest seiner Pflicht nach § 28d Satz 1, § 28e Abs. 1 Satz 1 und § 28h Abs. 1 SGB IV zur Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für diverse Beschäftigte für den Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2017 nicht (in vollem Umfang) nachgekommen sei. Rechtsgrundlage für die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge sei demnach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Für die Befugnis zur Schätzung der Entgelte einzelner Arbeitnehmer genüge bereits die objektive Verletzung der Aufzeichnungspflicht im Hinblick darauf, dass in den Entgeltunterlagen des Klägers nicht das beitragspflichtige Arbeitsentgelt enthalten sei (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BVV). Nach § 28f Abs. 2 Satz 2 SGB IV trage ein Arbeitgeber, der die erforderlichen Unterlagen nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet und aufbewahrt habe, die objektive Beweislast dafür, dass ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand die Beitragsnachforderung in der korrekten Höhe bestimmt werden könne (Hinweis auf Seewald, in BeckOGK, SGB IV, § 28f Rn. 9). Auf ein Verschulden des Klägers komme es nicht an (Hinweis auf Seewald, in BeckOGK, SGB IV, § 28f Rn. 8). Im Übrigen bestehe gemäß § 28f Abs. 2 Satz 5 SGB IV die jederzeitige Möglichkeit, durch Vorlage der entsprechenden Nachweise zu bewirken, dass die Höhe der Beitragsnachforderung aus personenbezogenen Arbeitsentgelten errechnet werde. Ein Summenbeitragsbescheid liege in diesem Fall nicht vor. Die Beklagte habe eine personenbezogene Schätzung nach § 28f Abs. 2 Satz 3f SGB IV vorgenommen. Danach habe der Rentenversicherungsträger die Schätzung des Arbeitsentgelts vorzunehmen. Diesbezüglich stehe ihm kein Ermessen zu. Die Schätzung solle der Wirklichkeit möglichst nahekommen. Demgemäß seien bei der Schätzung des Arbeitsentgelts die ortsüblichen Entlohnungsverhältnisse zu berücksichtigen (§ 28f Abs. 2 Satz 4 SGB IV). Es gelte das Gebot einer möglichst wirklichkeitsnahen Abbildung der Verhältnisse. Bei der Schätzung des monatlichen Arbeitsentgelts sei das ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen. Als ortsüblich könne neben dem Entgelt für vergleichbar Beschäftigte auch der Tariflohn, insbesondere aus einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag sein. Die Schätzung sei nicht zu beanstanden, wenn sie auf sorgfältig ermittelten Tatsachen gründe und nachvollziehbar sei, weil sie insbesondere nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (Hinweis auf Werner, in jurisPK-SGB IV, Stand: 01.08.2021, § 28f SGB IV, Rn. 77). Zu den Schätzungsmethoden enthalte das Gesetz keine ausdrückliche Regelung. Der Rentenversicherungsträger müsse von sachlichen und nachvollziehbaren Erwägungen ausgehen, sei aber letztlich in der Wahl seiner Mittel frei. Die Schätzung dürfe auch von den Schätzungsgrundlagen des Finanzamts abweichen und müsse dabei eigene, sozialversicherungsrechtliche Maßstäbe anlegen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass im Beitragsrecht des Sozialversicherungsrechts das Zuflussprinzip grundsätzlich nicht gelte. Gegenstand der Schätzung sei das Arbeitsentgelt für einen oder für mehrere Beschäftigte. Daher seien Schätzungen nicht möglich, die sich rein von der beim Arbeitgeber erzielbaren Nachforderungssumme leiten ließen. Die Schätzung müsse günstige Umstände, für die der Arbeitgeber die Feststellungslast trage, nicht notwendig berücksichtigen. Denn regelmäßig bleibe im Dunkeln, ob und welche weiteren Beschäftigungen beim Arbeitnehmer vorlägen, die Einfluss auf die Anwendung dieser Rechtsvorschriften zugunsten des Arbeitgebers hätten. Ausgeschlossen seien aber Schätzungen, die willkürlich von vollkommen lebensfremden Verhältnissen ausgingen (z.B. ausschließliche Schätzung von Arbeitsentgelten in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze bei allen Arbeitnehmern). Ebenso seien sog. Übermaßschätzungen zur Erzwingung der Mitwirkungshandlung auch im Beitragsrecht abzulehnen (Hinweis auf Werner, in jurisPK-SGB IV, Stand: 01.08.2021, § 28f SGB IV, Rn. 78 ff.). Der Kläger habe seine Aufzeichnungspflicht nach § 28f Abs. 1 SGB IV nicht ordnungsgemäß erfüllt. Danach habe der Arbeitgeber für jeden Beschäftigten getrennt nach Kalenderjahren Entgeltunterlagen im Geltungsbereich des SGB IV in deutscher Sprache zu führen und bis zum Ablauf des auf die letzte Prüfung (§ 28p SGB IV) folgenden Kalenderjahres geordnet aufzubewahren. Nicht ordnungsgemäß erfüllt würden die arbeitgeberseitigen Aufzeichnungspflichten dann, wenn die aufzeichnungspflichtigen Tatsachen gemäß § 8 der aufgrund der Ermächtigung des § 28n Nr. 7 SGB IV erlassenen Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Beitragsverfahrensverordnung <BVV>) vorgeschriebenen Aufzeichnungen nicht, nicht vollständig, nicht richtig oder nicht zeitgerecht oder in einer Weise geführt würden, die einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit keinen Überblick über die Lohnabrechnung erlaube (Hinweis auf Werner, in jurisPK-SGB IV, Stand: 01.08.2021, § 28f SGB IV, Rn. 51). Aufzeichnungen, die diesen Anforderungen genügten, habe der Kläger nicht geführt bzw. trotz entsprechender Aufforderung der Beklagten im Betriebsprüfungsverfahren bzw. im gerichtlichen Verfahren nicht vorgelegt. Das Gericht könne nicht feststellen, dass Aufzeichnungen vorhanden wären, die von der Steuerverwaltung beschlagnahmt und nicht zurückgegeben worden seien. Tatsächlich habe zwar am 21.03.2017 eine Hausdurchsuchung beim Kläger durch die Steuerfahndung stattgefunden, bei der Unterlagen beschlagnahmt worden seien. Aus dem Vermerk der Beklagten vom 17.10.2018 gehe allerdings zweifelsfrei hervor, dass von der Staatsanwaltschaft beigezogene Akten ausgewertet worden seien. Lohnunterlagen hätten sich nicht darunter befunden. Letztlich bleibe der Kläger für die Vorlage der Lohnunterlagen verantwortlich. Auf ein Verschulden des Klägers komme es im Übrigen nicht an (Hinweis auf BSG, Urteil vom 07.02.2002 – B 12 KR 12/01 R –, juris Rn. 22). Zwar dürfe ein Schätzbescheid nicht erlassen werden, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand die Höhe der Arbeitsentgelte festgestellt werden könne. Solches sei hier indes nicht der Fall. Eine Verletzung der behördlichen Pflicht zur Amtsermittlung gemäß §§ 20 f. SGB X liege nach Abwägung der erkennbaren Umstände nicht vor (Hinweis auf BSG, Urteil vom 04.09.2018 – B 12 R 4/17 R –, juris Rn. 22). Aussagekräftige und auf sämtliche Beschäftigte bezogene Entgeltunterlagen seien weder im Betriebsprüfungsverfahren noch im Gerichtsverfahren vorgelegt worden. Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen von Amts wegen ergäben sich auch aus den Unterlagen der Steuerfahndung nicht. Anhaltspunkte für eine abweichende Beitragspflicht folgten auch insofern weder aus den Akten noch sei Entsprechendes konkret geltend gemacht worden. Die von der Beklagten vorgenommene Schätzung halte sich im Rahmen der Schätzbefugnis, zumal mit der Annahme von Arbeitsentgelt in Höhe der Bezugsgröße (2014 monatlich 2.765 Euro, 2015 monatlich 2.835 Euro und 2016 monatlich 2.905 Euro) ein auch in Bezug auf die Baubranche ortsübliches Entgelt geschätzt worden sei. Bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden errechne sich für 2014 aufgrund der Bezugsgröße ein Stundenlohn in Höhe von 15,95 Euro. Dies entspreche einer Entlohnung zwischen Lohngruppe 2 (Fachwerker) und Lohngruppe 3 (Facharbeiter) laut Lohntabelle für das Baugewerbe Rheinland-Pfalz gemäß Tarifvertrag (TV Lohn/West) vom 5. Juni 2014. Es handele sich folglich um eine angemessene und ortsübliche Vergütung für Bauleistungen.

Gegen den am 05.01.2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02.02.2022 Berufung eingelegt. Dieser Schriftsatz ist dem LSG Rheinland-Pfalz über das besondere Anwaltspostfach qualifiziert signiert durch dessen Prozessbevollmächtigten im Dateiformat „.docx“ zugegangen. Ein am 03.02.2022 erfolgter Ausdruck des Schriftsatzes wurde mit dem Transfervermerk zur Papierakte genommen und diese weitergeführt. Die weiteren Verfügungen wurden teilweise handschriftlich, teilweise elektronisch vorgenommen. Die Kommunikation des Gerichts mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Beklagten erfolgte ausschließlich mittels EGVP.

Mit Schreiben vom 22.03.2023, das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mittels Empfangsbekenntnis auch an diesem Tag zugestellt worden ist, hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Einreichung des Berufungsschriftsatzes vom 02.02.2022 sowie des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 14.03.2022 im Wordformat „.docx“ erfolgt sei, jedoch die Übermittlung elektronischer Dokumente nach § 65a Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) zwingend im Dateiformat PDF erfolgen müsse. Auf § 65 Abs. 6 Satz 2 SGG ist in dem Schreiben ebenfalls hingewiesen worden. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen im Format PDF am 27.03.2023 übermittelt und an Eides statt versichert, dass das Dokument mit dem zuvor eingereichten Dokument übereinstimme; jedoch ist kein erneuter Berufungsschriftsatz eingegangen.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines vorherigen Vorbringens führt der Kläger ergänzend aus, dass die Entscheidung des SG nicht hätte durch Gerichtsbescheid getroffen werden dürfen. Die Entscheidung beruhe auf Verfahrensfehlern und verletze den Grundsatz der freien Beweiswürdigung, die Amtsermittlungspflicht und den Anspruch auf rechtliches Gehör. Die Schätzgrundlage sei nicht ausreichend aufgeklärt worden. Der Kläger habe keine 20 Arbeitnehmer beschäftigt, insbesondere nicht durchgehend. Die Festsetzung lasse sich den einzelnen Arbeitnehmern nicht zuordnen. Diese seien auch nicht zur Entlohnung befragt worden. Er bestreitet, dass das Sicherstellungsverzeichnis ohne Lohnunterlagen versehen gewesen sei. Es bestehe eine Vermutung, dass die Unterlagen bei der Staatsanwaltschaft oder dem Finanzamt seien. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass bei einer Hausdurchsuchung nicht auch die Lohnunterlagen beschlagnahmt worden seien, weswegen die Durchsuchung stattgefunden habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 04.01.2022 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest und verweist auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides und Bescheides vom 25.02.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2020.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte die Streitsache verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladenen zu 1. bis 5. und zu 9. bis 15. nicht erschienen sind. Diese haben teilweise ohnehin mitgeteilt, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen und sind jedenfalls alle mit der ordnungsgemäßen Ladung auf die Möglichkeit dieser Verfahrensweise, deren Zulässigkeit sich aus dem Regelungsgehalt der §§ 110, 126 SGG ergibt, hingewiesen worden, wenn auch die Beigeladenen zu 9., 10., 11. und 13. durch öffentliche Zustellung nach § 63 SGG i.V.m. § 185 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 04.01.2022 ist unzulässig. Sie ist zwar nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft, jedoch nicht formwirksam durch das übermittelte Worddokument eingelegt worden.

Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist lief am Montag, den 07.02.2022 ab (vgl. § 64 Abs. 3 SGG). Diese hat der Kläger nicht gewahrt. Für die Geltung der Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG sieht der Senat keinen Anhaltspunkt. Diese wäre aber ohnehin auch verstrichen.

Nach § 65a Abs. 1 SGG kann anstelle schriftlich einzureichender vorbereitender Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichender Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichender Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter ein elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Nach § 65a Abs. 2 SGG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV ist das elektronische Dokument im Dateiformat PDF zu übermitteln. Die Einreichung mittels elektronischem Dokument ist seit der Einführung des § 65d Satz 1 SGG durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl. I, S. 3786, 3792), der zum 01.01.2022 in Kraft getreten ist, insbesondere für Rechtsanwälte – wie den hiesigen Prozessbevollmächtigten des Klägers – für vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen verpflichtend. Die Einreichung als Schriftstück oder Telefax ist von da an nicht mehr wirksam (BSG, Beschluss vom 16.02.2022 – B 5 R 198/21 B –, juris Rn. 5; BT-Drs. 17/12634 S. 27 zu Nr. 4 zur Parallelvorschrift in der ZPO, § 130d). Eine Ausnahme hierzu sieht neben der Möglichkeit zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG (vgl. Gädeke in jurisPK-ERV, 2. Auflage 2022, Stand: 07.09.2023, § 65d SGG, Rn. 39) nur § 65d Satz 3 SGG vor: Sofern eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt danach die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (§ 65d Satz 4 SGG). Eine solche Ausnahme nach § 65d Satz 3 SGG zur zwingenden Übermittlung der Berufung mittels elektronischem Dokument liegt hingegen nicht vor. Eine vorübergehende technische Störung der elektronischen Kommunikationsinfrastruktur hat nicht vorgelegen, sonst hätte die Berufungsschrift nicht mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) an das LSG Rheinland-Pfalz übermittelt werden können. Es kann dahinstehen, ob eine technische Störung bei der Umwandlung einer Textverarbeitungsdatei – wie vorliegend im Format .docx – in das Dateiformat PDF unter eine unmögliche Übermittlung im Sinne von § 65d Satz 3 SGG subsumiert werden kann (vgl. BT-Drs. 17/12634, S. 27 zu Nr. 4). Denn eine solche Störung ist schon nicht geltend gemacht worden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs. 1 SGG scheidet ebenso aus. Der Kläger hat weder die Vorlage der Berufungsschrift als PDF-Datei nachgeholt (sondern ausschließlich der Unterlagen bezüglich des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe) noch Tatsachen für ein fehlendes Verschulden vorgetragen. Diese sind auch nicht offensichtlich. Daher kann dahinstehen, ob eine etwaige Unkenntnis des Prozessbevollmächtigten zum zu verwendenden Dateiformat Unverschulden darstellen könnte (vgl. ablehnend BGH zur Nichtkenntnis der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs, Beschluss vom 31.05.2023 – XII ZB 124/22 –, juris Rn. 11).

Daher sind für die Berufung vom 02.02.2022 die zu diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen an elektronische Dokumente maßgeblich. Das übermittelte Dokument war mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 65a Abs. 3 Satz 1, 1. Alternative SGG versehen. Es war hingegen nicht im Sinn des § 65a Abs. 2 Satz 1 SGG für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet, weil es nicht im Dateiformat PDF übermittelt worden ist.

§ 65a Abs. 2 Satz 2 SGG in der zum 31.12.2021 außer Kraft getretenen Fassung vom 18.07.2017 enthielt die Ermächtigungsgrundlage für die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates mittels Rechtsverordnung die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen zu bestimmen. In § 65a Abs. 2 Satz 2 SGG in der seit dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 (ERV-AusbauG, BGBl. I, S. 4607, Art. 6 S. 4611 ff.) erhaltenen Fassung bezieht sich diese Ermächtigungsgrundlage auf die Bestimmung der technischen Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht. Von der Ermächtigungsgrundlage hat die Bundesregierung bereits zum 01.01.2018 Gebrauch gemacht und einen bundeseinheitlichen Rahmen in der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) vom 24.11.2017 erlassen (BGBl. I, S. 3803, im Folgenden ERVV aF). Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV aF musste das elektronische Dokument druckbar, kopierbar und im Dateiformat PDF bzw. bei bildlichen Darstellungen zusätzlich im Dateiformat TIF (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 ERVV aF) übermittelt werden sowie soweit technisch möglich – jedenfalls ab 01.07.2019 (vgl. Satz 4 aF) – in durchsuchbarer Form. § 2 Abs. 2 und 3 ERVV aF sahen weitere Soll-Vorschriften für die elektronischen Dokumente vor. Durch das ERV-AusbauG wurde § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV dahingehend geändert, dass die Vorgaben der druckbaren, kopierbaren und, soweit technisch möglich, durchsuchbaren Form gestrichen wurden. Ab dem 01.01.2022 enthält § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV daher lediglich noch die Muss-Vorschrift der Übermittlung im Dateiformat PDF, jedenfalls solange keine bildlichen Darstellungen enthalten sind (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 ERVV). § 2 Abs. 1 Satz 3 ERVV sieht in der alten und neuen Fassung zudem zwingend die Nutzung bestimmter Versionen der Dateiformate vor, die die Bundesregierung gemäß § 5 Abs.1 Nr. 1 ERVV bekannt macht. Hiermit reagierte der Gesetzgeber zeitgleich mit der Einführung der aktiven Nutzungspflicht in § 65d SGG auf unterschiedliche Rechtsprechung zur Wirksamkeit von der Schriftform entsprechenden Erklärungen unter Verstößen gegen die Anforderungen des § 2 Abs. 2 Satz 1 ERVV aF bzw. der Bekanntmachung zu § 5 der ERVV (ERVB) (vgl. BT-Drs. 19/28399, S. 33 zu Nr. 2 zum inhaltsgleichen § 130a Abs. 2 ZPO). Teilweise wurden die in der Vorgängerversion enthaltenen Anforderungen nicht als zwingend, sondern als Ordnungsvorschriften betrachtet (vgl. Oberlandesgericht <OLG> Koblenz, Beschluss vom 23.11.2020 – 3 U 1442/20 –, juris Rn. 10 ff.; zur ERVB: OLG Koblenz, Beschluss vom 09.11.2020 – 3 U 844/20 – juris Rn. 25 ff.; Landgericht <LG> Mannheim, Urteil vom 04.09.2020 – 1 S 29/20 –, juris Rn. 19 ff.) und die Erklärungen entsprechend als formwirksam angesehen; teilweise wurde hingegen von der Unwirksamkeit der Erklärungen unter diesen Verstößen ausgegangen (Bundesarbeitsgericht <BAG>, Beschluss vom 12.03.2020 – 6 AZM 1/20 –, juris Rn. 6; Urteil vom 25.08.2022 – 6 AZR 499/21 –, juris Rn. 43 ff.; Hessisches Landesarbeitsgericht <LAG>, Beschluss vom 30.12.2021 – 6 Sa 684/21 – juris Rn. 14 ff.; Arbeitsgericht Kiel, Urteil vom 11.03.2021 – 6 CA 1912/ c/20 –, juris Rn. 30 ff.; zur ERVB: BAG, Beschluss vom 25.04.2022 – 3 AZB 2/22 –, juris Rn. 29 ff.; Hessisches LAG, Beschluss vom 07.09.2020 – 18 SA 485/20 –, juris Rn. 29 ff.; Arbeitsgericht Lübeck, Urteil vom 01.10.2020 – 1 CA 572/20 –, juris Rn. 102 ff.; Urteil vom 09.06.2020 – 3 CA 2203/19 –, juris Rn. 24 ff.; zu § 2 Abs. 4 der vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2017 geltenden Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht <ERVVOBSG>: BSG, Beschluss vom 13.09.2016 – B 5 RS 30/16 B –, juris Rn. 3 f.). Das laut Müller (NZA 2023, 89, 91) von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten gefürchtete „Damokles-Schwert der Bearbeitbarkeit“ von elektronischen Dokumenten ist damit deutlich entschärft worden.

Auch ab dem 01.01.2022 ist nur ein übermitteltes elektronisches Dokument im Dateiformat PDF für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet (vgl. schon zur Rechtslage vor dem 01.01.2022: BAG, Urteil vom 25.08.2022 – 6 AZR 499/21 –, juris Rn. 43 ff.; Hessisches LAG, Beschluss vom 25.01.2023 – 6 SA 369/22 –, juris Rn. 29; Müller, NZA 2023, 89, 91; Mink in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.06.2023, § 65a SGG, Rn. 4; aA BGH, Ergänzung zum Beschluss vom 19.10.2022 – 1 StR 262/22 –, juris; BAG, Beschluss vom 29.06.2023 – 3 AZB 3/23, juris Rn. 11 ff.). Auch bei der führenden Papierakte besteht kein verfassungsrechtliches Erfordernis einer Nichtanwendung von § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV oder einschränkenden Auslegung von § 65a Abs. 2 Satz 1 SGG.

Bei der oben dargelegten Änderung der ERVV zum 01.01.2022 hat der parlamentarische Gesetzgeber auf die zuvor bestehenden weiteren Anforderungen der Druckbarkeit, Kopierbarkeit und, soweit technisch möglich, der Durchsuchbarkeit verzichtet. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV („[…] ist […] zu übermitteln“) handelt es sich bei der Anforderung an das Dateiformat um eine „Muss-Vorschrift“, die nach Satz 2 bei bildlichen Darstellungen, die nicht verlustfrei im Dateiformat PDF wiedergegeben werden können, auf das Dateiformat TIFF erweitert wird. Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Satz 3 ERVV müssen die Dateiformate darüber hinaus den nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 ERVV bekanntgemachten Versionen entsprechen. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers: Dieser führt zwar in der Gesetzesbegründung zur im Vergleich zu § 65a Abs. 2 SGG wortgleichen Änderung von § 130a Abs. 2 ZPO einführend aus, dass die sprachliche Neufassung der Verordnungsermächtigung die Maßgeblichkeit der Eignung zur gerichtlichen Bearbeitung klarstellen solle und rein formale Verstöße gegen die ERVV dann nicht zur Formunwirksamkeit des Eingangs führe, wenn das Gericht das elektronische Dokument gleichwohl bearbeiten könne (vgl. BT-Drs. 19/28399, S. 33). Im nachfolgenden Satz unterscheidet er jedoch zwischen den Muss-Vorschriften und Soll-Bestimmungen in der ERVV, woraus sich diese „Differenzierung“ ergebe und verweist auf die korrespondierenden Ergänzungen in den §§ 2 und 5 ERVV. Da der Gesetz- und Verordnungsgeber hierbei zwischen den Muss-Vorschriften und Soll-Bestimmungen in der ERVV unterscheidet und die ERVV im gleichen Gesetz „korrespondierend“ ändert, beabsichtigt er mit der einzig verbleibenden Muss-Vorschrift zum Dateiformat die Eignung zur Bearbeitung durch die Gerichte im Sinne von § 65a Abs. 2 Satz 1 SGG dahingehend zu beschränken. Mit der Muss-Vorschrift zum Dateiformat sollte daher festgelegt werden, dass andere Dateiformate nicht für die Bearbeitung durch Gerichte geeignet sind. Dies ergibt sich eindeutig aus der Begründung zur „korrespondierenden“ Änderung von § 2 Abs. 1 ERVV (BT-Drs. 19/28399, S. 40 zu Art. 4 Nummer 2a). Danach sollen „die technischen Rahmenbedingungen […] nur noch insoweit verbindlich vorgegeben werden, als dies für die Bearbeitung durch das Gericht notwendig ist. Zwingend ist danach nur noch die Übermittlung im Format PDF.“ Das Festhalten an einer Muss-Vorschrift in der ERVV wäre sonst inkonsequent, zumal der Gesetz- und Verordnungsgeber durch die Umformulierung beabsichtigte, Rechtssicherheit über die Anforderungen an elektronische Dokumente zu schaffen (BT-Drs. 19/28399 S. 33). Angeführt hat er hierzu lediglich als Beispiel die nach der vorherigen Rechtslage umstrittene Wirksamkeit eines Dokuments, das nicht durchsuchbar gewesen ist. Ebenso aus der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzesentwurf geht hervor, dass von einer fehlenden Bearbeitbarkeit durch die Gerichte auszugehen ist, wenn die übermittelte elektronische Datei nicht im PDF-Format gehalten ist. Denn nach seiner Ansicht stellen die Änderungen in § 2 und § 5 ERVV klar, welche Vorgaben der ERVV „konstitutiven Charakter für die Bearbeitung elektronischer Dokumente haben […]“ (BT-Drs. 19/28399, S. 54). Diese Äußerung blieb in der Gegenäußerung der den Gesetzesentwurf einbringenden Bundesregierung unwidersprochen (BT-Drs. 19/28399, S. 69 zu Nr. 1).

Die Festlegung in § 2 Abs. 2 Satz 1 ERVV, das elektronische Dokument nur als bearbeitbar für das Gericht anzusehen, wenn es im Dateiformat PDF übermittelt worden ist, hält der Senat zwar nicht für zwingend, jedoch für angemessen und der Ermächtigungsgrundlage zur Bestimmung der Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht entsprechend. Bei diesem Dateiformat handelt es sich um ein plattformunabhängiges Dateiformat, das unabhängig vom ursprünglichen Anwendungsprogramm, vom Betriebssystem oder von der Hardwareplattform gewährleistet, dass das Dokument auf sämtlichen Plattformen originalgetreu wiedergegeben wird (Stichwort „Portable Document Format“ auf wikipedia.org, abgerufen am 11.09.2023). Dies ist für die einheitliche Darstellung bei Gericht und den weiteren am jeweiligen Prozess beteiligten Parteien, denen die Dokumente gleichfalls zugänglich gemacht werden müssen, von großem Vorteil. Es handelt sich um das meistverbreitete Format, das bei der Übermittlung von Dokumenten benutzt wird und das notwendige Ansichtsprogramm Adobe Reader ist kostenfrei zugänglich. Dies stellt die Möglichkeit zur Ansicht aller am jeweiligen Prozess beteiligten Parteien bei der elektronischen Weitergabe der Dokumente – unabhängig von Kosten für ansonsten möglicherweise erst anzuschaffende Programme – sicher. Maßgeblich gewährleistet das Dateiformat PDF jedoch, dass die übersandte Datei – jedenfalls nicht fahrlässig – verändert wird. Der Senat verfällt zwar nicht dem „Irrglaube, PDF-Dateien seien nicht oder schwerer manipulierbar“ (vgl. Müller, NZA 2023, 89, 90). Von absichtlichen Manipulationen jedoch abgesehen, schützt das Dateiformat PDF vor versehentlicher Veränderung. Denn der Adobe Reader sieht diese Funktion nicht vor; hierfür bedarf es spezieller Programme (Stichwort „Portable Document Format“ unter „Verwendung und Eigenschaften“ auf wikipedia.org, abgerufen am 11.09.2023). Schon das Öffnen einer PDF-Datei mittels Microsoft Word muss vom Anwender gezielt durchgeführt werden, sonst wird die Datei mittels des vorhandenen Adobe Reader geöffnet. Das Öffnen einer PDF-Datei mittels Microsoft Word führt beispielsweise zudem zur Benachrichtigung des Anwenders über die Konvertierung in ein bearbeitbares Dokument. Bei einem ungeschützten Worddokument sind (versehentliche) Veränderungen hingegen unmittelbar, ohne Zuhilfenahme weiterer Programme möglich und könnten – sofern sie vor einem Ausdruck, der Veraktung oder elektronischen Weiterleitung an eine andere Prozesspartei geschehen und auch das veränderte Worddokument gespeichert wird, nicht nachvollzogen werden. Die Nachvollziehbarkeit einer (versehentlichen) Änderung ist jedenfalls ausgeschlossen, wenn das übermittelte Worddokument nach § 65b Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 SGG gelöscht worden ist. Außerdem steht der Ausdruck der elektronischen Datei mit dem Transfervermerk, der – wie hier – die Voraussetzungen des § 298 Abs. 3 ZPO erfüllt, nach § 416a, 2. Alt. ZPO einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich. Zudem müsste das Gericht in der inzwischen weit verbreiteten Nutzung des EGVP für die aktive Kommunikation des Gerichts mit den Beteiligten die Worddatei in eine PDF-Datei umwandeln, anstatt die eingegangene PDF-Datei unverändert weiterleiten zu können. Die Vorgabe des Dateiformats PDF beschränkt sich demnach nicht – wie die Durchsuch- oder Kopierbarkeit einer Datei – auf die Benutzerfreundlichkeit bei der Weiterbearbeitung durch das Gericht, sondern dient der Datenauthentizität und sichert im angemessenen Verhältnis die Beweiskraft des nach § 298 ZPO erstellten Ausdrucks. Die Vorgabe dient zudem der Rechtssicherheit. Formerfordernisse, die geeignet sind, die prozessuale Lage für alle Beteiligten rasch und zweifelsfrei zu klären, dienen der Rechtssicherheit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.09.2020 – 1 BvR 2427/19 –, juris Rn. 24). Dies ist vorliegend durch die bundeseinheitliche und verbindliche Beschränkung auf ein Dateiformat der Fall (vgl. BAG, Urteil vom 25.08.2022 – 6 AZR 499/21 –, juris Rn. 45). Denn die Wirksamkeit der Erklärung würde ansonsten bei führenden Papierakten davon abhängen, ob die Datei auf dem von der Registraturkraft benutzten Computer (oder gar auf einem Computer im Gericht) ausdruckbar ist und ansonsten, ob der jeweilige Computer über das vom Absender benutzte Programm oder jedenfalls eines, das den Inhalt der Datei sichtbar machen kann, verfügt.

Nach Auffassung des Senats kann auch aufgrund des Ausdrucks des vom Prozessbevollmächtigten vorgelegten Dokuments im Dateiformat .docx, der zur führenden Papierakte genommen worden ist, nicht dessen Bearbeitbarkeit im Sinne von § 65a Abs. 2 Satz 1 SGG angenommen werden (aA BAG, Beschluss vom 29.06.2023 – 3 AZB 3/23 –, juris Rn. 11 ff. wohl unter Nichtanwendung von § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV bei führender Papierakte), wenn dieser auch vorliegend innerhalb der Berufungsfrist gefertigt worden ist. Der Senat verkennt hierbei nicht – wie das BAG ausführt –, dass der Ausdruck unveränderlicher Bestandteil der Papierakte geworden ist. Die Vorgabe des § 65a Abs. 2 SGG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV gilt hingegen unabhängig davon, ob bei einem Gericht bereits die elektronische Akte nach § 65b Abs. 1 Satz 2 SGG eingeführt worden ist. Eine entsprechende Kopplung der Vorschrift an § 65b Abs. 1 Satz 2 SGG ist nicht vorgesehen. Sofern die Formwirksamkeit durch einen Ausdruck des Dokuments im Dateiformat .docx hergestellt werden könnte, würde die Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente in § 65d SGG umgangen und in gewissem Widerspruch dazu stehen, dass seit dem 01.01.2022 die Einreichung von Schriftstücken oder Telefaxen der in § 65d Satz 1 SGG genannten Personen nicht mehr wirksam ist (vgl. BSG, Beschluss vom 16. Februar 2022 – B 5 R 198/21 B –, juris Rn. 5 mit Verweis auf BT-Drs. 17/12634, S. 27 zu Nr. 4; BGH, Beschluss vom 24. November 2022 – IX ZB 11/22 –, juris Rn. 6 ff., in Rn. 20 unter Berücksichtigung des derzeit noch erheblichen Druckaufwands bei Gericht, weil die elektronische Akte erst zum 01.01.2026 eingeführt sein muss; BGH, Beschluss vom 01.06.2023 – I ZB 80/22 –, Vollstreckungsantrag in Papierform; BAG, Beschluss vom 23.05.2023 – 10 AZB 18/22 – Rn. 9 ff. Berufung durch Schriftsatz und vorab per Fax), jedenfalls mit der Auffassung, dass auch im Fall einer einfachen Signatur nicht durch eine Beweisaufnahme zum Absender der Erklärung eine Heilung der Formunwirksamkeit eintreten kann (vgl. BSG, Beschluss vom 16. Februar 2022, aaO, Rn. 9). Das BAG stellt weiterhin (BAG, Beschluss vom 29.06.2023, aaO, Rn. 12) bei der dort zugrundeliegenden Übermittlung der Berufung am 21.02.2022 auf die Durchsuchbarkeit und Kopierbarkeit sowie die Einbettung der verwendeten Schriftarten ab. Dies überzeugt den Senat ebenso wenig, weil diese Vorgaben in § 2 Abs. 2 Satz 1 ERVV aF und ERVB zum 01.01.2022 entfallen sind. Die Wirksamkeit einer Prozesserklärung kann zudem nicht von tatsächlichen Zufälligkeiten im Umgang mit elektronischen Eingängen, wie zum Beispiel, ob und zu welchem Zeitpunkt Dokumente, die nicht im PDF-Format sind, ausgedruckt werden, abhängig sein.

Auch das Gebot effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG führt bei nicht führenden elektronischen Akten zu keiner anderen Auslegung von § 65a Abs. 2 SGG unter Nichtanwendung von § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV. Danach darf den Prozessparteien der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Der Gesetzgeber darf Regelungen treffen, die für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken. Solche Einschränkungen müssen jedoch mit den Belangen einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung vereinbar sein und dürfen den Rechtsuchenden nicht unverhältnismäßig belasten (vgl. Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 22.10.2014 – 1 BvR 894/04 –, juris Rn. 12). Sie gelten nicht nur für den ersten Zugang zum Gericht, sondern für die Ausgestaltung des gesamten Verfahrens (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.09.2020 – 1 BvR 2427/19 –, juris Rn. 25). Nach den obigen Ausführungen liegen jedoch nachvollziehbare Sachgründe für die Verwendung von und Begrenzung auf PDF-Dateien (wohingegen in § 2 Abs. 4 ERVVOBSG noch sieben Dateiformate aufgelistet waren) bei der elektronischen Übermittlung vor. Die Rechtsuchenden werden hierdurch auch nicht unverhältnismäßig im Aufwand oder mit Kosten belastet, da die Umwandlung einer Textdatei in das Dateiformat PDF in den gängigen Textverarbeitungsprogrammen vorgesehen ist und auch hierfür kostenlose Programme (z. Bsp. PDF24 Creator) zur Verfügung stehen. Die Beschränkung auf das Dateiformat PDF ist zudem nicht unverhältnismäßig, weil die Unwirksamkeit des Eingangs aufgrund der Ungeeignetheit zur Bearbeitung geheilt werden kann und das Gericht verpflichtet ist, hierauf hinzuweisen (entsprechend zu § 46g Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz, der § 65d Satz 1 SGG entspricht: BAG, Urteil vom 25.08.2022 – 6 AZR 499/21 –, juris Rn. 29). Denn nach § 65a Abs. 6 Satz 1 SGG hat das Gericht nach einem solchen Eingang den Absender auf dessen Unwirksamkeit unverzüglich hinzuweisen. Sofern der Absender das Dokument unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt, gilt das Dokument nach § 65a Abs. 6 Satz 2 SGG als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen. Die Eingangsfiktion des § 65a Abs. 6 Satz 2 SGG ist verschuldensunabhängig zugänglich und stellt daher niederschwellige Anforderungen im Vergleich zur allgemeinen Möglichkeit zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie ist nach der hier vertretenen Auffassung, vor allem auch unter Berücksichtigung der Rechtsschutzgarantie in Art. 19 Abs. 4 GG, auf die Verwendung eines falschen Dateiformats anwendbar, weil dieses – wie oben dargelegt – die Bearbeitbarkeit durch das Gericht ausschließt (vgl. BSG, Beschluss vom 20.03.2019 – B 1 KR 7/18 –, juris Rn. 8). Hierdurch wird eine Kompensation im Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr sowie des Formerfordernisses in § 65a Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV und dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, (vgl. BT-Drs. 17/12634, S. 26 zu Absatz 6) geschaffen (vgl. BAG, Urteil vom 25.08.2022 – 6 AZR 499/21 –, juris Rn. 53; Müller, Anmerkung zu BAG vom 29.06.2023 – 3 AZB 3/23 –, https://ervjustiz.de/bag-bearbeitbar-ist-was-druckbar-ist-auch-word, abgerufen am 12.09.2023).

Da § 65a Abs. 6 Satz 2 SGG ebenso unter Beachtung der Rechtsschutzgarantie auszulegen ist, wäre die Nachreichung der Berufungsschrift wie auch der PKH-Unterlagen im Dateiformat PDF am 27.03.2023 aufgrund des verspäteten Hinweises des Gerichts am 22.03.2023 als unverzüglich im Sinne von § 65a Abs. 6 Satz 2 SGG anzusehen gewesen. Denn die Frist für den Einreichenden beginnen erst mit dem Hinweis des Gerichts zu laufen, auch wenn dieser nicht unverzüglich ergeht (vgl. BAG, Beschluss vom 25.04.2022 – 3 AZB 2/22 –, juris Rn. 28; Müller in jurisPK-ERV, 2. Auflage, Stand: 08.09.2023, § 65a SGG, Rn. 380 ff.) An diesem Tag wurde jedoch ausschließlich die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen im vorgegebenen Dateiformat übermittelt.

Nach der hier vertretenen Ansicht kann dahinstehen, ob es bei der Nichtbeachtung von § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV durch ein Gericht verbleiben kann, obwohl die Änderungen in der ERVV im Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 enthalten sind. Es kann ebenso dahinstehen, ob § 2 Abs. 1 Satz 3 ERVV eine unverhältnismäßige Beschränkung der Rechtsschutzgarantie enthält.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da diese keine eigenen Anträge gestellt haben und hierfür auch keine Gründe der Billigkeit sprechen (§ 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).

Die Revision an das Bundessozialgericht wird nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.

Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz GKG und entspricht der streitigen Nachforderung.

 

 

 

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