L 14 R 437/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 22 R 1199/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 R 437/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 70/23 B
Datum
Kategorie
Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.04.2016 geändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.

Kosten werden in beiden Rechtszügen nicht erstattet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 25.722,83 € an die Klägerin. Es handelt sich dabei um statt an diese an den Beigeladenen geleistete Witwenrente für die Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.05.2014.

 

Die Klägerin ist die Witwe des Versicherten Y. N.. Seit seinem Tod am 00.06.1991 ist sie witwenrentenberechtigt (Bewilligungsbescheid vom 18.03.1992). Im streitigen Zeitraum erzielte sie Hinzuverdienst in schwankender Höhe.

 

Im Jahr 2006 schuldete die Klägerin dem Land Nordrhein-Westfalen (NRW) Abgaben im Gesamtbetrag von 32.752,59 €. Aufgrund zweier Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, die das Finanzamt Bergheim gegenüber der Beklagten erließ und in denen der unpfändbare Betrag jeweils auf 0,00 Euro festgesetzt war, zahlte die Beklagte die Witwenrente der Klägerin von Februar bis Juli 2007 und von Februar bis Mai 2008 an das Finanzamt.

 

Am 02.05.2008 stellte die Klägerin einen Insolvenzantrag. Daraufhin eröffnete das Amtsgericht Köln (AG) mit Beschluss vom 21.05.2008 (75 IN 218/08) das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin und bestellte den Beigeladenen zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Das AG ordnete in dem Beschluss unter anderem an:

„Den Schuldnern der Schuldnerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Schuldnerin zu zahlen. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 Insolvenzordnung/InsO) (…) Der vorläufige Insolvenzverwalter wird beauftragt, die nach § 23 Abs. 1 InsO zu bewirkenden Zustellungen an die Schuldner der Schuldnerin (Drittschuldner) durchzuführen (§ 8 Abs. 3 InsO).“

 

Die Beklagte wurde vom Beigeladenen mit Schreiben vom 26.05.2008, bei ihr eingegangen am 28.05.2008, unter Beifügung des oben genannten Beschlusses über die Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens informiert und gleichzeitig aufgefordert, die offenen Forderungen umgehend zu regulieren und zu gewährende Leistungen an das von ihm geführte Anderkonto abzuführen. Der Beigeladene wies weiter darauf hin, dass Zahlungen mit befreiender Wirkung nur noch an ihn auf das Anderkonto geleistet werden könnten.

 

Mit Bescheid vom 05.06.2008 berechnete die Beklagte die Witwenrente der Klägerin neu. Ab dem 01.07.2008 würden monatlich 127,14 € gezahlt. Die Witwenrente würde ab dem 01.07.2008 aufgrund des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter gezahlt. Hiergegen legte die Klägerin keinen Widerspruch ein. Gleichzeitig teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit, die Witwenrente der Klägerin werde ab dem 01.07.2008 an ihn gezahlt.

 

Das AG eröffnete mit Beschluss vom 11.07.2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin und ernannte den Beigeladenen zum Insolvenzverwalter. In diesem Beschluss erging (erneut) die Aufforderung, bei Verpflichtungen gegenüber der Schuldnerin (Klägerin) nicht an diese zu leisten, sondern lediglich an den Insolvenzverwalter.

 

Mit Schreiben vom 18.07.2008, zugegangen am 21.07.2008, informierte der Beigeladene die Beklagte über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Beifügung des oben genannten Beschlusses und wies erneut ausdrücklich darauf hin, dass Zahlungen mit befreiender Wirkung ab sofort nur noch an den Insolvenzverwalter auf dessen erneut benanntes Anderkonto geleistet werden könnten.

 

Mit Beschluss vom 22.09.2009 kündigte das AG der Klägerin Restschuldbefreiung an, die sie erlange, wenn sie ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 11.07.2008 für sechs Jahre ihren Obliegenheiten gemäß § 295 InsO nachkomme. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgte mit Beschluss vom 05.10.2010, da die Schlussverteilung vollzogen war. Der Beigeladene wurde nunmehr zum Treuhänder im Rahmen des Restschuldbefreiungsverfahrens bestellt. Dies wurde am 11.01.2010 öffentlich bekannt gemacht. Die Witwenrente wurde von der Beklagten weiterhin bis einschließlich Mai 2014 an den Beigeladenen auf dessen Anderkonto erbracht. Mit Beschluss des AG vom 30.09.2014 wurde der Klägerin Restschuldbefreiung erteilt.

 

Seit Juni 2014 erhält die Klägerin wieder ihre ungekürzte Witwenrente von der Beklagten an sich selbst ausgezahlt.

 

Mit Schriftsatz vom 20.06.2014 forderte die Klägerin von der Beklagten, ihr die Witwenrente ab Juli 2008 nachzuzahlen. Dem kam die Beklagte nicht nach.

 

Am 18.08.2014 hat die Klägerin Leistungsklage beim Sozialgericht (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, Witwenrenten seien gemäß § 850 b Abs. 1 Nr. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) unpfändbar. Aufgrund dessen sei nicht mit befreiender Wirkung an den Beigeladenen gezahlt worden. Geltend gemacht worden sind die von Juni 2008 bis Mai 2014 an den Beigeladenen statt an die Klägerin erbrachten Witwenrentenzahlungen zur (Nach-)Zahlung an die Klägerin nebst Zinsen.

 

Die Klägerin hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 33.858,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 127,14 Euro seit dem 30.06.2008, 31.07.2008 und 29.08.2008, aus 136,40 Euro seit dem 28.07.2009, aus 157,40 Euro seit dem 29.09.2009, aus 475,85 Euro seit dem 30.09.2008, 31.10.2008, 28.11.2008, aus 473,74 Euro seit dem 30.12.2008, 30.01.2009, 27.02.2009, 31.03.2009, 30.04.2009, 29.05.2009, aus 471,28 Euro seit dem 30.06.2009, 31.07.2009, 31.08.2009, 30.09.2009, 30.10.2009, 30.11.2009, 29.12.2009, 29.01.2010, 26.02.2010, 31.03.2010, 30.04.2010, 31.05.2010, aus 445,97 Euro seit dem 30.06.2010, 30.07.2010, 30.08.2010, 29.09.2010, 30.10.2010, 30.11.2010, aus 444,49 Euro seit dem 30.12.2010, 31.01.2011, 28.02.2011, 31.03.2011, 29.04.2011, 31.05.2011, aus 483,71 Euro seit dem 30.06.2011, 29.07.2011, 31.08.2011, 30.09.2011, 31.10.2011, 30.11.2011, 30.12.2011, 31.01.2012, 29.02.2012, 30.03.2012, 30.04.2012, 31.05.2012, aus 491,83 Euro seit dem 29.06.2012, 31.07.2012, 31.08.2012, 28.09.2012, 31.10.2012, 30.11.2012, aus 491,28 Euro seit dem 28.12.2012, 31.01.2013, 28.02.2013, 28.03.2013, 30.04.2013, 31.05.2013, aus 488,58 Euro seit dem 28.06.2013, 31.07.2013, 30.08.2013, 30.09.2013, 31.10.2013, 29.11.2013, 30.12.2013, 31.01.2014, 28.02.2014, 31.03.2014, 30.04.2014, 30.05.2014 abzüglich am 14.07.2014 gezahlter 2931,48 Euro und abzüglich am 25.07.2014 gezahlter 503,12 Euro zu zahlen.
  2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.802,90 Euro nebst 5% Zinsen aus jeweils 560,58 Euro seit dem 30.06.2014, 30.07.2014, 30.08.2014, 30.09.2014, 30.10.2014 abzüglich einmalig gezahlter 298,33 Euro zu zahlen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Sie hat die Einrede der Verjährung hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 erhoben. Im Übrigen hat sie die Ansicht vertreten, hinsichtlich der Zahlungsansprüche der Kalenderjahre 2010 bis 2014 sei mit befreiender Wirkung gezahlt worden. Nach § 36 InsO gehörten Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterlägen, nicht zur Insolvenzmasse. Für die Entscheidung darüber sei das Insolvenzgericht zuständig. Die Klägerin habe die Möglichkeit gehabt, beim Insolvenzgericht einen Beschluss zu erwirken, was sie jedoch nicht getan habe. Zudem habe die Klägerin es seit 2008 unterlassen, bei der Beklagten die Zahlung an sich zu begehren bzw. der Auszahlung an den Beigeladenen zu widersprechen.

 

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

 

Mit Urteil vom 26.04.2016 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Witwenrente in Höhe von 25.722,83 € auszuzahlen. Im Übrigen, nämlich hinsichtlich der geltend gemachten Zinsansprüche und der Zahlungsansprüche für die Jahre 2008 und 2009, hat es die Klage abgewiesen. Teilweise begründet sei die Klage, weil die Zahlung der Witwenrente ab 2010 in Höhe des o.g. Betrages nicht mit befreiender Wirkung an den Beigeladenen erfolgt sei. Denn die Witwenrente unterläge nicht dem Insolvenzbeschlag. Dies folge daraus, dass Witwenrente stets unpfändbar in Höhe der nach §§ 850 Abs. 1, 850 c ZPO nicht pfändbaren Beträge bleibe. Die jeweiligen Auszahlungsbeträge von 157,14 € bis 560,58 € lägen aber jeweils unter den sich aus § 850 c Abs. 1, 2a ZPO i.V.m. der für das jeweilige Jahr geltenden Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung ergebenden unpfändbaren Beträgen. Gleiches gelte für das Restschuldbefreiungsverfahren. Sofern die Beklagte meine, die Klägerin hätte der im Bescheid vom 05.06.2008 hinsichtlich der Anpassung der Witwenrente angegebenen Auszahlung an den Beigeladenen widersprechen müssen, könne dieser Einwand nicht überzeugen. Denn bei der Darstellung der Auszahlung handele es sich nicht um eine Verfügung im Sinne von § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), bzgl. welcher Bestandskraft eingetreten sein könnte.

 

Gegen das ihr am 04.05.2016 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 12.05.2016 eingelegten Berufung. Sie meint, ihre Verurteilung zur erneuten Zahlung der Witwenrente nach Abschluss des Insolvenzverfahrens halte einer Überprüfung nicht stand, weil sie die Witwenrente bereits mit befreiender Wirkung an den Insolvenzverwalter geleistet habe. Für eine Doppelbelastung der Versichertengemeinschaft mit einer erneuten Witwenrentenzahlung für die Vergangenheit bestehe keine Grundlage. Auch während der gesamten Restschuldbefreiungsphase habe die Klägerin die Rentenzahlung an den Insolvenzverwalter nicht beanstandet. Die Klägerin habe es vielmehr seit dem Jahr 2008 unterlassen, bei ihr, der Beklagten, die Zahlung an sich selbst zu verlangen bzw. den Auszahlungen an den Beigeladenen zu widersprechen. Sie, die Beklagte, habe daher davon ausgehen müssen, dass die Klägerin der Rechtsauffassung folge, wonach in diesem Fall die Witwenrente vollständig pfändbar sei. Wenn erst nach Ablauf der Restschuldbefreiungsphase im Jahr 2014 vorgetragen werden, die Anweisung wäre zu Unrecht auf das Anderkonto des Insolvenzverwalters erfolgt, sei dieser Einwand nach Abschluss des Insolvenzverfahrens verspätet. Über die Frage, ob ein Gegenstand bzw. eine Leistung der Zwangsvollstreckung unterliege, entscheide abschließend weder der Insolvenzschuldner noch der Drittschuldner. In Zweifelsfällen sei gemäß § 36 Abs. 4 InsO eine Entscheidung des Insolvenzgerichts herbeizuführen. Dies gelte auch für die Berechnung des pfändbaren Einkommensteils bzw. die Erhöhung des pfandfreien Teils des Einkommens. Wenn die Klägerin der Auffassung gewesen wäre, dass ihre Witwenrente nicht zum pfändbaren Einkommen gehöre, hätte sie einen klarstellenden Beschluss des Insolvenzgerichts erwirken können. Die Zahlungen an die Insolvenzmasse seien daher mit befreiender Wirkung erfolgt und die Witwenansprüche folglich erloschen. Weitergehende Ansprüche der Klägerin gegen sie bestünden nicht. Es würde überdies einen gravierenden Wertungswiderspruch darstellen, wenn die Klägerin nachträglich noch Geldleistungen erhielte, die ihrer Verfügung durch das Insolvenzverfahren entzogen gewesen seien.

 

 

 

Die Beklagte beantragt,

 

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.04.2016 zu ändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen und die Revision zuzulassen.

 

Sie meint, der gute Glaube der Beklagten, die Zahlung an den Insolvenzverwalter habe hinsichtlich des Tilgungsanspruches Erfüllungswirkung, sei nicht geschützt. Zudem sei die Beklagte überhaupt nicht gutgläubig gewesen, da sie sowohl die Rechtslage als auch die wirtschaftlichen Folgen für die Klägerin habe überblicken können.

 

Der Beigeladene verweist auf sein erstinstanzliches Vorbringen und stellt keine Anträge.

 

Das Gericht hat mit Schreiben vom 10.12.2021 einen rechtlichen Hinweis erteilt, dem die Klägerseite im Wesentlichen gefolgt ist, hingegen nicht die Beklagte, die vorträgt, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens seien Verfügungen der Schuldnerin nur noch mit Zustimmung des Insolvenzverwalters zulässig. Da eine solche Zustimmung hinsichtlich der Zahlung der Witwenrente an die Klägerin aber auch für den hier noch streitigen Zeitraum nicht vorliege, habe sie mit befreiender Wirkung die Witwenrente an den Beigeladenen gezahlt.

 

In der mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende nach Zwischenberatung darauf hingewiesen, dass der Senat an dem am 10.12.2021 erteilten rechtlichen Hinweis nicht festhalte. Maßgeblich seien die Bestimmungen in den die Insolvenz betreffenden Beschlüssen des Amtsgerichts Köln.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der beigezogenen Prozessakten des Landgerichts Köln zu 3 O 342/14 und des Amtsgerichts Köln zu 75 IN 218/18. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht Köln die Beklagte mit Urteil vom 26.04.2016 verurteilt, an die Klägerin Witwenrente in Höhe von 25.722,83 € auszuzahlen. Deshalb war die Klage vollumfänglich abzuweisen.

 

Die von der Klägerin erhobene Klage auf Zahlung der Witwenrente an sich im im Berufungsverfahren noch streitbefangenen Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.05.2014 ist als allgemeine Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist statthaft in Fällen, in denen Leistungen bereits durch Verwaltungsakt festgesetzt wurden, aber nicht erbracht und eingestellt werden, ohne das eine Korrektur der Bewilligungsbescheide erfolgt (Söhngen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Auflage, § 54 SGG (Stand: 15.06.2022), Rn. 72). So liegt der Fall hier. Denn die von der Beklagten zu zahlende Witwenrente ist zwar bescheidmäßig festgesetzt, aber im streitigen Zeitraum nicht an die Klägerin, sondern an einen Dritten, den Beigeladenen, erbracht worden. Sie ist damit zwar festgesetzt, aber an die Klägerin ab Juli 2008 nicht erbracht worden.

 

Die Klage ist auch für die noch streitbefangene Zeit vom 01.01.2010 bis zum 31.05.2014 unbegründet.

 

Dem Erfolg der Klage für diese Zeit steht allerdings nicht entgegen, dass die Klägerin sich nicht gegen die im Witwenrentenbescheid vom 05.06.2008 erteilte Information, dass die Witwenrente ab dem 01.07.2008 aufgrund des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter gezahlt wird, gewandt hat. Denn hierin ist keine den Verwaltungsakt-Begriff erfüllende Regelung zu sehen, so dass diese Bestimmung auch nicht der Bestandskraft fähig ist. Denn die bloße Mitteilung der Änderung der Rechtslage enthält keine Regelung, weil hier im Grunde nicht die Verwaltung, sondern der Gesetzgeber die Regelung herbeigeführt hat. Das Setzen einer Rechtsfolge ist in diesen Fällen nicht beabsichtigt; es handelt sich um ein reines Informationshandeln (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage, § 31 SGB X (Stand: 07.10.2021), Rn. 41). So liegt es hier, denn die Beklagte hat mit der Auszahlungsbestimmung in dem genannten Bescheid lediglich die jedenfalls aus ihrer Sicht geänderte Rechtslage aufgrund des Insolvenzverfahrens im Sinne eines reinen Informationshandelns mitgeteilt.

 

Die Klage ist aber deshalb unbegründet, weil für die Entscheidung darüber, welche Gegenstände nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen und damit nicht zur Insolvenzmasse gehören, allein das Amtsgericht als Insolvenzgericht zuständig ist. Denn das Insolvenzgericht entscheidet nach § 36 Abs. 4 InsO über den Umfang der Massezugehörigkeit einer Forderung in Anwendung der in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO genannten Vorschriften (Keller in: Kayser/Thole, Insolvenzordnung (Heidelberger Kommentar), 11. Auflage 2023, Rn. 108 zu § 36 InsO m.wN). In § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO ist auch § 850c ZPO und damit die hier relevante Vorschrift in Bezug auf die streitige Witwenrente genannt, so dass das Insolvenzgericht auch insoweit über deren Massezugehörigkeit entschieden hat. Hierüber soll nach § 36 Abs. 4 Satz 3 InsO das Insolvenzgericht auch bereits – wie geschehen – im Eröffnungsverfahren entscheiden, um so die künftige Insolvenzmasse bereits sicherzustellen (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 10). Die Wirkungen dieses Beschlusses treten mit dessen Bekanntgabe an die jeweils Betroffenen ein (Keller, a.a.O., Rn. 113).

 

In seinen Beschlüssen hat das Insolvenzgericht den hier beigeladenen Insolvenzverwalter aber gerade vollumfänglich ermächtigt, Forderungen der Schuldnerin (Klägerin) gegen ihre Drittschuldner – wie ihren Witwenrentenanspruch gegen die Beklagte – einzuziehen und überdies auch die Beklagte als Drittschuldnerin aufgefordert, entsprechend an den Insolvenzverwalter zu zahlen. Hieran war die Beklagte gebunden und hat daher dadurch, dass sie der Aufforderung des Beigeladenen nachgekommen ist, die vollständigen Witwenrentenbeträge nur noch an ihn auf sein Anderkonto abzuführen, mit befreiender Wirkung an den Beigeladenen gezahlt. Es kann deshalb offenbleiben, ob die vollständige Witwenrente materiell hätte gepfändet werden dürfen. Maßgeblich sind vielmehr die Entscheidungen des Insolvenzgerichts, nach denen sich die Beteiligten und damit auch die Beklagte zu richten hatten, um mit befreiender Wirkung ihren Verpflichtungen nachzukommen.

 

Es kann deshalb dahinstehen, ob die Witwenrente gemäß § 36 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InsO in Verbindung mit den entsprechenden Pfändungsschutzvorschriften der ZPO materiell nicht zur Insolvenzmasse hätte gezogen werden dürfen. Denn zu einer solchen Entscheidung wäre gemäß § 36 Abs. 4 Sätze 1 und 3 InsO allein das Insolvenzgerichtbefugt gewesen. Dass der nach § 36 Abs. 4 Satz 2 InsO antragsberechtigte Beigeladene einen entsprechenden Antrag nicht gestellt hat, mag zivilrechtliche Ansprüche gegen ihn begründen, ändert jedoch nichts an der Verpflichtung der Beklagten, entsprechend den Beschlüssen des Insolvenzgerichts die Witwenrente dem Beigeladenen auszuzahlen.

 

Die Klägerin war Übrigen auch nicht schutzlos gestellt. Denn sie hätte seit dem Jahr 2008 die Zahlungen an sich selbst verlangen bzw. den Auszahlungen an den Beigeladenen widersprechen können. Die Klägerin hat indessen weder ein Rechtsmittel gegen den Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts (vgl. § 34 Abs. 2 InsO) eingelegt noch von der ihr gemäß § 793 ZPO zustehenden sofortigen Beschwerde oder der ihr nach § 574 ZPO zustehenden Rechtsbeschwerde (vgl. dazu Keller, a.a.O, Rn. 114) Gebrauch gemacht. Vielmehr hat sie erst nach 2014 erteilter Restschuldbefreiung und damit nachdem die Beklagte entsprechend den Beschlüssen des Insolvenzgerichts die Witwenrente mit befreiender Wirkung vollständig an den Beigeladenen geleistet hatte, vorgetragen, die Anweisung sei zu Unrecht auf das Anderkonto des Insolvenzverwalters bzw. des Treuhänders erfolgt. Hiermit kann sie nach Abschluss der streitbefangenen Zahlungen mit befreiender Wirkung an den Insolvenzverwalter aber zur Überzeugung des Senats nicht mehr durchdringen.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie trägt dem vollständigen Unterliegen der Klägerin Rechnung. Schon mangels Antragstellung in beiden Instanzen war der Beigeladene an den Kosten nicht zu beteiligen.

 

Die Revision war nicht gemäß § 160 Abs. 1 SGG zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

 

Rechtskraft
Aus
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