Steht eine Innenohrschwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen in keinem Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall, kann sie keine MdE begründen. Bei Ausschluss eines sog. Knalltraumas, eines sog. Explosionstraumas und eines sog. akuten Lärmtraumas und Fehlen traumatischer Ohrverletzungen lassen sich diese Störungen nicht auf einen Arbeitsunfall (Betätigung des Drucklufthorns eines Lkw in der Reparaturwerkstatt durch einen Kollegen) kausal zurückführen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.04.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Verletztenrente in Folge des Arbeitsunfalls vom 19.07.2019.
Der 1986 geborene Kläger, kroatischer Staatsangehöriger, ist Kfz-Mechaniker und war als solcher seit Anfang 2016 - und auch zum Zeitpunkt des angeschuldigten Ereignisses - bei der Fa. K1 GmbH in B1, einer B2 Vertragshändlerin, beschäftigt.
Ausweislich der Unfallanzeige der Arbeitgeberin vom 09.08.2019 (S. 6 VerwA) arbeitete der Kläger am Morgen des 19.07.2019, einem Freitag, an einem Teamarbeitsplatz in der Nutzfahrzeug-Reparaturwerkstatt, als ein Kollege bei der Ausfuhr eines Kundenfahrzeugs (A1) aus der Werkstatt das Drucklufthorn betätigte. Dabei habe der Kläger ein „Knalltrauma“ erlitten. In seinen späteren Unfallschilderungen (vgl. S. 45 f., 101 f., 191 f. VerwA) gab der Kläger u.a. an, sofort einen Schmerz und „unangenehme Geräusche“ im Ohr verspürt, am Tag nach dem Ereignis eine „Empfindlichkeit“ des Ohrs „beobachtet“ und in der Folge keine Besserung „bemerkt“ zu haben, weswegen er dann am 02.08.2019 bei dem H1 vorstellig geworden sei.
Am Ereignistag beendete der Kläger regulär seine Schicht um 16.00 Uhr und verbrachte sodann zunächst seinen Urlaub in Kroatien. Am 01.08.2019 nahm er seine berufliche Tätigkeit wieder auf und suchte am Folgetag erstmals H1 auf. Dieser beschrieb zunächst in seinem „Attest“ vom 02.08.2019 (S. 32 VerwA) - ohne Mitteilung eines klinischen Befunds - ein „Mißgefühl und eine massive Hyperakusis links“; es bestehe eine asymmetrische Hochtonhörminderung, die zu einem Lärmtrauma links passe. In seinem HNO-Bericht vom 10.09.2019 (S. 140 VerwA) nannte H1 dann auf Grund der Untersuchung am 02.08.2019 und der an diesem Tag durchgeführten Tonaudiometrie - bei spiegelbefundlich sowie ohrmikroskopisch regelrechten Verhältnissen - als Diagnosen „sonstige abnorme Hörempfindungen, Lärmschädigungen des Innenohrs“ bei vom Kläger angegebenen Ohrgeräuschen (links); der Arzt überwies den Kläger in die HNO-Klinik des Universitätsklinikums F1.
Dort wurde der Kläger vom 08.08. bis 14.08.2019 stationär behandelt (Diagnosen: Hörminderung, Tinnitus und Hyperakusis links), wobei bei ihm parallel ab dem 09.08.2019 im Druckkammerzentrum F1 unter Verantwortung der H2 eine hyperbare Sauerstofftherapie (hyperbare Oxygenierung - HBO -) durchgeführt wurde (s. dazu bzw. zu dem vom Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch das Urteil des Senats vom 21.09.2023 im Parallelverfahren L 10 U 2077/20). Ausweislich des Entlassungsberichts der Ärzte der HNO-Klinik vom 14.08.2019 (S. 34 VerwA) wurde der Kläger bei deutlicher Beschwerdebesserung aus der Behandlung entlassen.
In der Folge schilderte der Kläger diverse, seit „ca. 3 Jahren“ bestehende Arbeitsplatzkonflikte bei „schwerem Mobbing“ (S. 101 VerwA) und klagte auch über das Verhalten seiner Arbeitgeberin nach dem angeschuldigten Ereignis (vgl. im Einzelnen S. 101 f., 191 f., 195 ff., 199, 215, 221, 249 VerwA). Er begab sich deswegen in Behandlung bei dem F2, der auf seinem Fachgebiet am 21.08.2019 „Verzweiflung, Zukunftsängste und ein Ohnmachtserleben“ des Klägers beschrieb (S. 248 VerwA). In seinem späteren Verlaufsbericht vom 11.11.2019 (S. 256 f. VerwA) dokumentierte F2 unter Angabe der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode (differentialdiagnostisch posttraumatische Belastungsstörung) eine „extreme Wut“ des Klägers gegen den Unfallverursacher und sein (des Klägers) Gefühl, dass „ihm Unrecht“ widerfahren sei. In seinem Abschlussbericht vom 16.03.2020 (S. 342 f. VerwA) nannte F2 keine psychiatrische Diagnose mehr und teilte mit, dass die Behandlung Ende 2019 habe abgeschlossen werden können; der Kläger habe die berufliche Wiedereingliederungsmaßnahme erfolgreich durchlaufen, seine psychische Stabilität sei wiederhergestellt.
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme für die Beklagte vom 15.09.2019 (S. 178 f. VerwA) ging B3 davon aus, dass der Kläger im Zuge des Ereignisses allenfalls einen sog. akustischen Schock nach unerwartetem Schalleindruck von maximal 105 dB erlitten haben könne. Die aktenkundigen DPOAE-Testergebnisse (distorsiv produzierte otoakustische Emissionen) zeigten beidseits, links mehr als rechts, einen Hochtonschaden (rechts über 2.000, links über 1.000 Hz), was dem Ereignis nicht zugeordnet werden könne; es liege insoweit vielmehr ein unfallunabhängiger (Hör-)Vorschaden vor.
Auf Anfrage der Beklagten teilte die Fachkraft für Arbeitssicherheit der Fa. K1 Ende September 2019 und nach dortiger Rücksprache mit dem Hersteller (T1) sowie unter Hinweis auf das technische Messblatt des Herstellers mit, dass das Drucklufthorn eines A1 5 eine (serienmäßige) Signalhornlautstärke von 105 bis 118 dB(A) bei 2 m Entfernung emittiere (s. S. 224 ff. VerwA).
In seiner weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme vom 12.10.2019 (S. 238 VerwA) führte B3 aus, dass aufgrund der Herstellerangaben zur Lärmquelle sowohl ein Knall- als auch ein Lärmtrauma sicher auszuschließen sei, zumal gegen ein Lärmtrauma auch spreche, dass beim Kläger nur das linke Ohr einen Hörschaden aufweise. Ein Zusammenhang dieses Hörschadens mit dem Ereignis lasse sich nicht herstellen. Der akustische Schock sei zwischenzeitlich folgenlos abgeklungen.
Die Beklagte holte im Rahmen der Heilverfahrenskontrolle bei L1 den Befundbericht vom 17.01.2020 (S. 293 ff. VerwA) nebst testpsychologischem Untersuchungsbericht der V1 vom 15.01.2020 (S. 305 ff. VerwA) ein. Der Facharzt diagnostizierte nach Untersuchung des Klägers eine schwere Anpassungsstörung bei (vorbestehenden) Arbeitsplatzkonflikten („Psychoterror“ bei der Arbeit, dort „weitere schlimme Ereignisse“ seit Beginn der stufenweisen Wiedereingliederung am 23.12.2019) und sozialen Problemlagen (u.a. finanzielle Belastungen). Diese Störung sei nicht auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen. Anzeichen für eine irgendwie geartete (ereignisbedingte) krankhafte Unfallfehlverarbeitung lägen nicht vor.
Mit Bescheid vom 04.03.2020 (S. 328 ff. VerwA) lehnte die Beklagte „wegen der Folgen des Arbeitsunfalls“ einen Anspruch auf Rente im Anschluss an die Gewährung von Verletztengeld (via Generalauftrag über die Krankenkasse letztlich bis einschließlich 18.05.2020, vgl. S. 383 VerwA) ab. Ferner verlautbarte sie, dass der Unfall zu einem folgenlos abgeklungenen akustischen Schock nach Betätigung des druckluftbetriebenen Signalhorns sowie zu einer ebenfalls folgenlos abgeklungenen akuten Belastungsreaktion respektive Anpassungsstörung mit vorübergehenden psychischen Befindlichkeitsstörungen geführt habe, was eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht begründe. Unfallunabhängig lägen ein Hochtonschaden an beiden Ohren - links mehr als rechts - und eine (nicht belegte) posttraumatische Belastungsstörung sowie eine fortbestehende Anpassungsstörung mit depressiven Verstimmungszuständen/Episoden aufgrund privater Belastungsfaktoren bzw. Arbeitsplatzkonflikt vor. Hinsichtlich Letzterem stützte sich die Beklagte im Wesentlichen auf die Ausführungen des L1, hinsichtlich der Ohrstörungen auf die Einschätzung des B3 und auf die unfallmedizinische Fachliteratur. Ein „Lärmtrauma“ - wie namentlich von H2 zunächst diagnostisch angegeben - setze eine Schalldruckeinwirkung über einen längeren Zeitraum (Minuten bis Stunden) voraus, was vorliegend mithin von vornherein ausscheide. Ein sog. Knalltrauma wiederum erfordere einen Schalldruckpegel von über 160 dB, den das Horn des betreffenden Lkw wiederum überhaupt nicht erzeugen könne.
Nachdem der Kläger geltend gemacht hatte, den Bescheid vom 04.03.2020 nicht erhalten zu haben (s. S. 354 VerwA), übersandte ihn die Beklagte mit Bekanntgabewillen an die Bevollmächtigten des Klägers (s. Übersendungsschreiben vom 25.05.2020, S. 355 VerwA), die mit Schreiben vom 23.06.2020 (S. 374 VerwA) Widerspruch erhoben. Zur Begründung führten sie aus (vgl. S. 401 VerwA), dass der beim Kläger bestehende „Gehörschaden“ auf das „traumatische“ Ereignis am 19.07.2019 zurückzuführen sei (Hinweis auf die Einschätzung der H2) und deshalb ein Rentenanspruch bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2020 (S. 433 ff. VerwA, den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Postzustellungsurkunde am 18.09.2020 zugestellt, vgl. S. 438 f. VerwA) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und vertiefte ihre Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid. Die Lärmeinwirkung sei schon nicht geeignet gewesen, ein Lärm- oder gar Knalltrauma zu verursachen und der akustische Schock in Folge eines überraschenden lauten Geräuschs mit geringem Schallpegel sei typischerweise innerhalb weniger Wochen abgeheilt; ohnehin sei auch ein solcher Schock nicht geeignet, dauerhafte Hörstörungen zu verursachen. Die Ausführungen der H2 im Zusammenhang mit der Kostenübernahme der HBO-Therapie befassten sich schon überhaupt nicht mit den Ursachen der klägerischen Hörstörungen. Ein Rentenanspruch bestehe mithin nicht.
Am 15.10.2020 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers beim Sozialgericht Freiburg (SG) unter Vorlage des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2020 Klage (S 20 U 3602/20) „gegen
den Bescheid vom 27.05.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2020 wegen Ablehnung Hörgeräteversorgung“ eingelegt. Im Parallelklageverfahren S 20 U 4005/20 (Berufungsverfahren L 10 U 1546/22, s. dazu den Berufungszurückweisungsbeschluss des Senats vom heutigen Tag: keine Kostenerstattung für das vom Kläger selbstbeschaffte Hörgerät links) erfolgte sodann am 16.11.2020 unter Vorlage des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2020 (Ablehnung Hörgeräteversorgung links) beim SG die Klageerhebung „gegen den Bescheid vom 27.05.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2020 wegen Ablehnung einer Rente“. Auf entsprechenden Hinweis der Beklagten (s. S. 8 f. SG-Akte S 20 U 4005/20) haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers klargestellt, dass es zu einer Verwechslung/einem Zuordnungsfehler gekommen sei und dass sich die Klage (S 20 U 3602/20) gegen die Rentenablehnung richte (S. 89 SG-Akte). In der Sache hat die Klägerseite ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt; beim Kläger sei eine linksseitige Hörminderung, Tinnitus in Form eines hohen Pfeiftons und zeitweise ein Rauschen sowie eine Geräuschempfindlichkeit des linken Ohrs diagnostiziert worden. Der Kläger hat tonaudiometrische Befunde vom 10.02.2020 und 08.02.2021 (S. 108 f. SG-Akte) vorgelegt.
Das SG hat von Amts wegen das Sachverständigengutachten der F3 vom 16.03.2021 nach Untersuchung des Klägers am 16.03.2021 eingeholt (S. 115 ff. SG-Akte). Die Sachverständige hat beim Kläger nach der modifizierten sog. Königsteiner Empfehlung in der Tonschwellenaudiometrie einen Hörverlust von 20 % links und von 0 % rechts sowie in der Sprachaudiometrie von beidseits 0 % befundet (Gesamtwortverstehen Hörverlust beidseits ebenfalls 0 %); klinische Hinweise auf (traumatische) Verletzungszeichen haben sich nicht ergeben. Als Diagnosen hat F3 eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit links und einen Tinnitus mit Hyperakusis links genannt. Die geklagten Ohrgeräusche passten gut zum gemessenen Hörschaden und seien dessen Folge. Indes sei die Lärmeinwirkung beim angeschuldigten Ereignis unter Zugrundelegung des aktenkundigen technischen Messblatts des Lkw nicht geeignet gewesen, diesen Hörschaden zu verursachen, zumal der Kläger ihr gegenüber angegeben habe (s. S. 117 SG-Akte), sich beim Ereignis (einsekündiges Betätigen des Horns) ca. 5 m entfernt vom Lkw befunden zu haben. Dies ergebe eine Lautstärke von 97,5 bis max. 110,5 dB(A). Der Kläger habe ihr gegenüber freilich vehement bestritten, dass es sich bei dem Lkw um einen A1 5 gehandelt habe. Vielmehr soll es ein A1 4 gewesen sein mit gänzlich anderem Standort des Horns (oben links auf dem Führerhaus) und damit höherem Schalldruckpegel als bei einem A1 5. Wenn dem so wäre - so F3 -, betrage die MdE für die linksseitige Hörstörung unter integrierender Mitberücksichtigung des Tinnitus und der Geräuschempfindlichkeit im linken Ohr 10 v.H.
Die Beklagte hat daraufhin eine Auskunft bei der Fa. K1 eingeholt (s. S. 155 SG-Akte). Die dortige Fachkraft für Arbeitssicherheit hat bestätigt (Auskunft vom 13.04.2021, S. 160 SG-Akte), dass es sich bei dem in Rede stehenden Lkw um einen A1 5 mit serienmäßig verbautem Drucklufthorn im Motorraum (Fahrtrichtung links) gehandelt habe; im Übrigen ist auf das technische Merkblatt verwiesen worden.
Der Kläger hat eingewandt (Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 11.05.2021, S. 163 SG-Akte), dass es sich „entgegen den Ausführungen der Beklagten und F3“ bei dem betreffenden Lkw nicht um einen A1 5, sondern um einen Typ A1 4 gehandelt habe, weswegen die Sachverständige von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 11.04.2022 hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 04.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2020 zu verurteilen, ihm eine „Unfallrente“ nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren (S. 179 SG-Akte).
Mit Urteil vom 11.04.2022 - den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 06.05.2022 zugestellt - hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die beim Kläger bestehende Hörstörung links mit Ohrgeräuschen schon keine Unfallfolge sei. Es bestehe kein Anlass, an den Angaben der Arbeitgeberin zu zweifeln, dass es sich bei dem Lkw um einen A1 5 gehandelt habe; seine entgegenstehende Behauptung habe der Kläger auch nicht weiter belegt. Ausgehend davon hätten aber sowohl B3 als auch die Sachverständige überzeugend dargelegt, dass die Lärmeinwirkung im Rahmen des Arbeitsunfalls vom 19.07.2019 nicht geeignet gewesen sei, den beim Kläger bestehenden Hörschaden am linken Ohr zu verursachen. Selbst wenn man einen Unfallursachenzusammenhang annehmen wollte, rechtfertigten die Beeinträchtigungen im Bereich des linken Ohrs des Klägers aber ohnehin keine rentenberechtigende MdE, was F3 zutreffend auf der Grundlage der unfallmedizinischen Literatur dargelegt habe.
Am 25.05.2022 hat der Kläger unter Beifügung einer Abschrift des Urteils vom 11.04.2022 (S 20 U 3602/20) Berufung „wegen Ablehnung Hörgeräteversorgung“ und am selben Tag Berufung „wegen Ablehnung einer Rente“ unter Beifügung einer Abschrift des Urteils des SG vom 11.04.2022 zum Verfahren S 20 U 4005/20 (L 10 U 1546/22) eingelegt. Nach Klarstellung der Klägerseite, dass sich die hiesige Berufung gegen das Urteil im Verfahren S 20 U 3602/20 und die Ablehnung einer Rente richte (S. 30, 33 Senats-Akte) und nachdem die Beklagte im Verfahren L 10 U 1546/22 die Frage einer fristgerechten Einlegung des Rechtsmittels aufgeworfen hatte (s. S. 25 f. Senats-Akte L 10 U 1546/22), hat der vormalige Berichterstatter des Senats den Beteiligten mit Verfügung vom 09.09.2022 (S. 33 Senats-Akte) mitgeteilt, dass die falsche Benennung (des Streitgegenstands) in der Rechtsmittelschrift („wegen“) unbeachtlich sei.
Zur Begründung der hiesigen Berufung in der Sache hat der Kläger wiederholt, dass es sich entgegen der Annahme der F3 bei dem Lkw nicht um einen A1 5, sondern um einen A1 4 gehandelt habe, woraus sich ein höherer Lärmpegel des Signalhorns ergebe.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 11.04.2022 (S 20 U 3602/20) aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 04.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2020 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 19.07.2019 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v.H. ab 19.05.2020 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Der (vormalige) Berichterstatter des Senats hat im Erörterungstermin am 24.02.2023 in Anwesenheit auch des Klägers sachlich-rechtliche Hinweise zur mangelnden Erfolgsaussicht des Rechtsmittels erteilt und die Beteiligten zu einer Entscheidung des Senats im Beschlussweg nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter und ohne mündliche Verhandlung angehört (s. im Einzelnen Protokoll S. 41 f. Senats-Akte). In Folge haben sich die Beteiligten übereinstimmend mit einer solchen Entscheidung „einverstanden“ erklärt (s. Beklagten-Schriftsatz vom 02.03.2023 und Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23.03.2023, S. 45, 47 Senats-Akte).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über das Rechtsmittel des Klägers nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält; eines „Einverständnisses“ der Beteiligten dazu bedarf es im Übrigen ohnehin nicht.
Voranzuschicken ist, dass die statthafte Berufung des Klägers (§§ 143, 144 SGG) zulässig ist. Sie ist namentlich form- und insbesondere fristgerecht erhoben worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Der Umstand, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers bei Einlegung des Rechtsmittels - wie auch schon bei Klageerhebung (s. dazu noch später) - den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens in ihrer Berufungsschrift falsch bezeichnet („wegen Ablehnung Hörgeräteversorgung“) und mit dem Parallelverfahren L 10 U 1546/22 verwechselt haben, mag in Ansehung des wiederholten Fehlers für eine wenig sorgfältige Verfahrensbearbeitung bei den Prozessbevollmächtigen des Klägers sprechen, ändert aber nichts daran, dass schon bei Einlegung des Rechtsmittels am 25.05.2022, innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist ab Zustellung (06.05.2022) der erstinstanzlichen Entscheidung, klar und ohne jeden Zweifel für jeden erkennbar gewesen ist, dass sich die vorliegende Berufung gegen das Urteil des SG vom 11.04.2022 im Verfahren S 20 U 3602/20 richtet, denn der Berufungsschrift ist eine Abschrift eben dieses Urteils beigefügt gewesen.
Die Berufung ist indes unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 04.03.2020 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2020, dies indes nur insoweit, wie die Beklagte damit mit verschiedenen, eigenständigen Verfügungssätzen i.S.d. § 31 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zum einen (der Sache nach) die Anerkennung eines Hochtonschadens links als (weitere) „Unfallfolge“ und zum anderen (ausdrücklich) die Gewährung von Rente wegen der anerkannten Unfallfolgen abgelehnt hat. Nicht angegriffen hat der Kläger - da ihm auch günstig - die konkludente (s. dazu nur Bundessozialgericht - BSG - 28.06.2022, B 2 U 9/20 R, in juris) Anerkennung des Ereignisses vom 19.07.2019 als Arbeitsunfall („wegen der Folgen Ihres Arbeitsunfalls“, „Ihr Arbeitsunfall hat“) sowie die Anerkennung eines folgenlos abgeklungenen akustischen Schocks und einer folgenlos abgeklungenen akuten Belastungsreaktion bzw. Anpassungsstörung in Form von vorübergehenden psychischen Befindlichkeitsstörungen als „Unfallfolgen“ (s. die Betreffzeile des Ausgangsbescheids, wobei es sich jedenfalls bei dem akustischen Schock richtigerweise um den dem Begriff des Unfalls immanenten Primärschaden bzw. Gesundheitserstschaden handeln dürfte; s. dazu im Einzelnen Senatsbeschluss vom 15.11.2021, L 10 U 490/18, n.v., m.w.N. zur Rspr. des BSG); insoweit sind die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen mithin bindend geworden (§ 77 SGG).
Ebenfalls nicht angegriffen und damit nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist auch die Ablehnung der Anerkennung von (weiteren) Unfallfolgen von psychiatrischer Seite (posttraumatische Belastungsstörung, Anpassungsstörung mit depressiven Verstimmungszuständen/Episoden). Gegen diese Verlautbarung hat sich der Kläger weder im Widerspruchsverfahren, noch im gesamten gerichtlichen Verfahren nicht einmal andeutungsweise gewandt - sondern allein auf seine otologischen Leiden abgestellt - und seine psychiatrischen Beschwerden nicht einmal auch nur thematisiert. Damit ist der Bescheid vom 04.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2020 auch insoweit in Bestandskraft erwachsen. Nur am Rande merkt der Senat daher insoweit noch an, dass insbesondere auf der Grundlage des in jeder Hinsicht überzeugenden (urkundsbeweislich verwertbaren) Befundberichts des L1 vom 17.01.2020 nebst testpsychologischem Untersuchungsbericht der V1 vom 15.01.2020 ohnehin auch keine berechtigten Zweifel daran bestehen, dass die beim Kläger von L1 beschriebenen psychischen Anomalien jedenfalls für den vorliegend streitigen Rentenzeitraum ab 19.05.2020 nicht in einen sachlich-inhaltlichen Ursachenzusammenhang mit dem angeschuldigten (Lärm-)Ereignis gebracht werden können.
Soweit angefochten, wendet sich der Kläger gegen die von der Beklagten verfügte Ablehnung der Gewährung von Verletztenrente in Folge des (anerkannten) Arbeitsunfalls vom 19.07.2019 im Anschluss an die Gewährung von Verletztengeld (vgl. § 72 Abs. 1 Nr. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB VII -) sowie der Ablehnung der Anerkennung seiner Störungen im Bereich des linken Ohrs als (weitere) „Unfallfolge“ (richtig: als weiteren Primärschaden, s.o.) - die, wären sie unfallursächlich, in die MdE-Bewertung im Rahmen des erhobenen Rentenanspruchs einzustellen wären - statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und Abs. 4, § 56 SGG; s. dazu nur BSG 31.10.2007, B 2 U 4/06 R, in juris).
Die Anfechtungsklage bezieht sich dabei auch auf die von der Beklagten verfügte Ablehnung der Anerkennung eines Hochtonschadens links als Unfall(erst)schaden des Ereignisses vom 19.07.2019, weil dies ansonsten einer etwaigen Leistungsgewährung (Rente ab 19.05.2020) unter Berücksichtigung eben einer solchen „Unfallfolge“ von vornherein entgegenstehen würde. Gleichwohl hat der Senat vorliegend Unfallfolgen respektive weitere Primärschäden (s. dazu erneut Senatsbeschluss vom 15.11.2021, L 10 U 490/18, n.v., m.w.N.) nicht (im Wege der Feststellungsklage, § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) förmlich festzustellen und auch die Verurteilung der Beklagten zu einer entsprechenden Anerkennung im Wege der Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 SGG; s. dazu nur BSG 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, in juris) kommt nicht in Betracht, denn ein solches Begehren hat der rechtskundig vertretene Kläger zu keinem Zeitpunkt artikuliert, sondern ausdrücklich und allein die Gewährung von Verletztenrente in Folge des Unfalls vom 19.07.2019 geltend gemacht. Nichtsdestotrotz hat der Senat vorliegend inzident bei der Bewertung der MdE im Rahmen des erhobenen Rentenanspruchs ab 19.05.2020 zu prüfen, ob und ggf. welche (nicht bereits bestandskräftig abgelehnte, s.o.) „Unfallfolgen“ beim Kläger vorliegen bzw. verblieben sind.
Diese Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden. Wie oben bereits ausgeführt, hat die Klägerseite (auch) bei Klageerhebung die Streitgegenstände der Verfahren S 20 U 3602/20 und S 20 U 4005/20 verwechselt und die in den Klageschriften genannten Bescheide falsch bezeichnet. Insoweit gelten aber die obigen Ausführungen zur Berufung entsprechend. Zum Zeitpunkt der hiesigen Klageerhebung - innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 87 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGG (Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2020 am 18.09.2020, Klageeinreichung am 15.10.2020) - hat keinerlei Zweifel bestanden, dass der der Klageschrift in Abschrift beigefügte Widerspruchsbescheid vom 16.09.2020 angefochten wird.
Das SG hat die Klage freilich zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente im Anschluss an das ihm bis 18.05.2020 gezahlte Verletztengeld wegen der Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 19.07.2019. Der Bescheid vom 04.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2020 ist insoweit (vgl. zum eingeschränkten Prüfungsumfang des Senats bereits oben) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils hat das SG zutreffend die rechtlichen Grundlagen (insbesondere § 56 SGB VII) und (Beweis-)Maßstäbe für den erhobenen Rentenanspruch dargelegt und ebenso zutreffend auf der Grundlage der Arbeitgeberauskünfte von Ende September 2019 und Mitte April 2021 festgestellt, dass es sich bei der Lärmquelle im Rahmen des Ereignisses vom 19.07.2019 um das Signalhorn eines A1 5 gehandelt hat und - gestützt auf das technische Merkblatt des Herstellers sowie die entsprechenden überzeugenden Ausführungen des B3 in dessen beratungsärztlichen Stellungnahmen (im Wege des Urkundsbeweises verwertbar) sowie der Sachverständigen F3 - dass die Lärmexposition dieses Horns bei einsekündiger Betätigung schon nicht geeignet gewesen ist, die beim Kläger bestehende Hochtoninnenschwerhörigkeit links herbeizuführen, die wiederum - so die Sachverständige - Ursache der Ohrgeräusche links mit Hyperakusis ist. Demgemäß hat das SG zu Recht ausgeführt, dass eine Verletztenrente mit diesen nicht unfallbedingten gesundheitlichen Störungen im Bereich des linken Ohrs nicht begründet werden kann. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den überzeugenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Das Berufungsvorbringen, mit dem der Kläger allein und erneut ohne jegliche Substanz geltend gemacht hat, bei dem Lkw habe es sich nicht um einen A1 5, sondern um einen A3 4 gehandelt, rechtfertigt schon deshalb keine andere Beurteilung, eben weil das Gegenteil feststeht. Die Klägerseite hat auch lediglich pauschal gemeint, die „Annahme“ des B3 und der Sachverständigen zur Lärmexposition eines (serienmäßigen) Drucklufthorns eines A1 5 sei deshalb „falsch“, weil es sich um ein anderes Fahrzeug, nämlich einen A3 4, gehandelt habe, ohne dabei freilich überhaupt nur zu erwähnen, geschweige denn zu erwägen, dass diese „Annahme“, von welchem Lkw der Lärm am 19.07.2019 tatsächlich emittiert wurde, nicht auf einer „Meinung“ der genannten Ärzte beruht, sondern auf den (durchgehend konsistenten) Angaben der Arbeitgeberin, denen der Kläger überhaupt nichts entgegengehalten hat.
Lediglich ergänzend merkt der Senat in der Sache noch Folgendes an:
Nach der aktuellen (unfall-)medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnis setzt ein sog. Knalltrauma eine sehr starke Schalldruckwelle mit einer Druckspitze oberhalb von 150/165 dB(C) voraus und geht charakteristisch mit einer akuten, sofortigen vorübergehenden (traumatischen) Vertäubung, einem plötzlich auftretenden Hörverlust und einem ebenfalls vorübergehenden - und gerade nicht permanenten - Tinnitus einher (s. statt vieler nur Brusis in Feldmann/Brusis, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes, 8. Aufl. 2019, S. 212 f., 217; Hesse, Innenohrschwerhörigkeit, 2015, S. 112; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 340 f. m.w.N.). Ein sog. Explosionstrauma wiederum führt immer auch zu einer Trommelfellschädigung und eine derart bedingte Schwerhörigkeit ist zudem zeitlich begrenzt; sie kommt spätestens nach einem Jahr zu einem Ende (Brusis in Feldmann/Brusis, a.a.O., S. 218 f., 227; Hesse, a.a.O., S. 114; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 341 f. m.w.N.). Ein sog. akutes Lärmtrauma setzt hingegen eine Einwirkung exzessiver Schallstärken über eine längere Dauer (mindestens mehrere Minuten) voraus (Brusis a.a.O., S. 229, 235; Hesse a.a.O., S. 116; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 343 m.w.N.).
Nichts dergleichen kann im Falle des Klägers festgestellt werden. Die Schallemission eines A1 5-Horns erreicht auf der Grundlage des technischen Merkblatts des Fahrzeugherstellers bauartbedingt schon keine Druckspitze oberhalb von 150/165 dB(C) - insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen - und beim Kläger sind unfallnah auch zu keinem Zeitpunkt traumatische Ohrverletzungen dokumentiert worden. Im Gegenteil, irgendwelche Anzeichen einer (traumatischen) Innenohrverletzung haben sich bei der Erstuntersuchung des Klägers durch H1 Anfang August 2019 gerade nicht gezeigt, ebenso wenig im Rahmen der anschließenden stationären Behandlung in der HNO-Klinik F1 und später bei F3. Zudem hat der Kläger unfallnah zu keinem Zeitpunkt einen Hörverlust oder gar eine Vertäubung angegeben, sondern lediglich unspezifische Schmerzen und Ohrgeräusche behauptet, die progredient schlimmer geworden sein sollen, was gerade gegen eine akute, traumatische Lärmverletzung spricht, obgleich er ersichtlich ohne weiteres zunächst auch seinen Urlaub in Kroatien verbrachte und erst zwei Wochen später erstmals einen Arzt aufsuchte.
Schon aus dem Erstbefund des H1 vom 02.08.2019 (S. 140 VerwA) ergeben sich keinerlei klinische Anhaltspunkte für eine traumatische Lärmeinwirkung, im Gegenteil, sowohl spiegelbefundlich als auch ohrmikroskopisch lagen vollkommen regelrechte Verhältnisse beim Kläger vor. Auch H2 beschrieb in ihrem Schreiben vom 21.08.2019 (S. 33 VerwA) lediglich ein auffälliges Audiogramm links, im Übrigen war auch bei ihr der klinische Befund ansonsten unauffällig. Schließlich hat die Sachverständige F3 bestätigt, dass auch bei ihrer Untersuchung des Klägers keine klinischen Hinweise auf eine stattgehabte traumatische Verletzung im Bereich des linken Ohrs erkennbar gewesen sind.
Die Ausführungen der H2 im Zusammenhang mit der HBO-Therapie sind ohnehin gänzlich ungeeignet, irgendetwas zu einem Unfallursachenzusammenhang beizutragen. Unabhängig davon, dass die Ärztin beim Kläger eine bei Ohrenleiden nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode durchgeführt hat (s. dazu im Einzelnen die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 21.09.2023, L 10 U 2077/20), handelt es sich bei ihr schon nicht um eine Fachärztin für HNO-Heilkunde und sie hat - darauf hat die Beklagte schon im Widerspruchsbescheid zutreffend hingewiesen - nicht einmal die (unfall-)medizinischen Fachbegriffe bedeutungskorrekt verwandt.
Nur am Rande merkt der Senat in diesem Zusammenhang noch an, dass auch der mehrmalige Vorwurf des Klägers, sein Chef habe ihn gedrängt, sich „wegen der vielen Arbeit“ nicht ärztlich arbeitsunfähig „schreiben“ zu lassen, weder nachvollziehbar noch glaubhaft ist. Was den Kläger im Anschluss an sein reguläres Schichtende am Ereignistag oder jedenfalls spätestens am folgenden Montag daran gehindert haben soll, einen Arzt aufzusuchen, ist gänzlich unerfindlich. Der Kläger verbrachte stattdessen vielmehr seinen Urlaub in Kroatien und nahm danach seine Arbeit am 01.08.2019 auch wieder auf; erst am Folgetag suchte erstmals H1 auf.
Damit ist sowohl ein Knall- als auch ein Explosionstrauma ausgeschlossen, ein akutes Lärmtrauma ohnehin, weil die Lärmexposition auch nach Angabe des Klägers nur äußerst kurz (eine Sekunde) angedauert hat. Ebenfalls ausgeschlossen ist ein sog. akustischer Unfall, weil ein solches Trauma - neben einem akuten Hörverlust - zum Zeitpunkt des Ereignisses eine hohe körperliche Belastung respektive eine besonders ungünstige Körperzwangshaltung, namentlich eine gleichzeitige extreme Verdrehung des Kopfes respektive der Halswirbelsäule, voraussetzt (Brusis a.a.O., S. 236 f.; Hesse a.a.O., S. 117; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 342 f. m.w.N.). Derartiges ist vorliegend schon nicht ersichtlich, geschweige denn vom Kläger jemals überhaupt auch nur (substantiiert) behauptet worden.
Schließlich kann auch der von der Beklagten (der Sache nach) als Primärschaden anerkannte „folgenlos abgeklungene akustische Schock“ schon - worauf B3 und F3 zutreffend hingewiesen haben - keine naturwissenschaftliche Ursache der Innenohrschwerhörigkeit links sein (s. dazu nur Brusis a.a.O., S. 241 f. m.w.N.).
Lässt sich damit aber die Innenohrschwerhörigkeit links des Klägers nicht in einen Ursachenzusammenhang mit dem Unfallereignis bringen, gilt dies auch und erst recht für die Ohrgeräusche links mit Überempfindlichkeit, worauf F3 ebenfalls zutreffend hingewiesen hat. Denn nach der gesicherten aktuellen (unfall-)medizinischen Erkenntnis gibt es keinen lärmbedingten Tinnitus ohne einen lärmbedingten Hörverlust (Senatsbeschluss vom 06.02.2023, L 10 U 2462/19, n.v. - den Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt, nachdem diese auch in jenem Verfahren die Vertreter des dortigen Klägers waren - unter Hinweis auf Brusis a.a.O., S. 395 und Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., S. 367, beide m.w.N.).
Unter Zugrundelegung all dessen steht die Innenohrschwerhörigkeit links mit daraus resultierenden - so befundgestützt und überzeugend namentlich F3 - Ohrgeräuschen links und Hyperakusis somit in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 19.07.2019 und kann daher auch keine MdE begründen.
MdE-begründend für den vorliegend allein streitigen Zeitraum ab 19.05.2020 wirkt sich auch der von der Beklagten anerkannte „akustische Schock“ nicht aus, denn er ist - was die Beklagte zutreffend schon auf der Grundlage der Stellungnahmen des B3 mit den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verfügt und wogegen sich der Kläger nicht gewandt hat (s.o.) - folgenlos abgeklungen. Daran ist auch und gerade in Ansehung der Ausführungen des L1 (Befundbericht vom 17.01.2020) von psychischer Seite nichts zu erinnern und die vom Kläger allein geltend gemachten otologischen Störungen sind ohnehin - wie schon aufgezeigt - mit der Diagnose eines „akustischen Schocks“ nicht erklärbar.
Dass die otologischen Anomalien beim Kläger mit Ohrgeräuschen und Hyperakusis links darüber hinaus entsprechend der zutreffenden Ausführungen der F3 nach den MdE-Erfahrungswerten sowieso auch bei Annahme einer Unfallursächlichkeit keine rentenberechtigende MdE rechtfertigen würden, bedarf ebenfalls keiner weitergehenden Begründung, eben weil dies den Erfahrungswerten entspricht (s. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., S. 360, 364, 366 und S. 367).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.