L 12 AS 1353/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 43 AS 3106/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 1353/21
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.06.2021 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) in beiden Rechtszügen zu 5%. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Zeitraum 01.08.2017 bis 31.10.2018 aufgrund der Annahme des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft.

 

Die am 00.00.1975 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter der am 00.00.1999 geborenen Klägerin zu 2). Die Klägerin zu 1) ist mit dem am 00.00.1963 geborenen Z. I., ihrem Prozessbevollmächtigten und Vater der Klägerin zu 2), verheiratet. Dieser verfügt seit August 2017 über monatliche Zuwendungen seiner Mutter, die sich auf 1300 € im August 2017, 700 € im September 2017, 1300 € im November 2017, jeweils 700 € monatlich für Dezember 2017 bis Mai 2018, jeweils 800 € monatlich für Juni und Juli 2018 und ab August 2018 jeweils monatlich 900 € belaufen. Beide haben zwei weitere gemeinsame Kinder, den 2016 geborenen B. V. I. und den 2018 geborenen U. K. I., für die jeweils Kindergeld in gesetzlicher Höhe gezahlt wurde. Für die Zeit vom 03.10.2016 bis 02.09.2017 erhielt die zuvor bei der M. GmbH als Verkäuferin beschäftigte Klägerin zu 1) Elterngeld i.H.v. 596,10 € monatlich. Die Klägerin zu 2) hat im Juli 2017 ihr Abitur abgelegt, absolvierte nach einem mehrwöchigen Auslandsaufenthalt in der Zeit vom Dezember 2017 bis Februar 2018 ein unbezahltes Praktikum in einem Krankenhaus und war anschließend ab dem 15.03.2018 als Au-pair in China tätig.

 

Die Klägerinnen bezogen in Bedarfsgemeinschaft mit dem Ehemann der Klägerin zu 1) seit dem Jahr 2011 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Familie bewohnte zunächst seit dem 01.10.2005 gemeinsam eine 80 qm große 3-Zimmer Wohnung in der N.-straße 45 in A (im Folgenden Familienwohnung). Dafür fielen laut Mietvertrag 485 € als Grundmiete, 134 € Betriebskosten und 52 € Heizkosten monatlich an, insgesamt 671 €. Vermieterin ist die Mutter des Ehemanns der Klägerin zu 1). Diese tatsächlichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung wurden von dem Beklagten zunächst bei der Leistungsgewährung berücksichtigt, zuletzt für den Zeitraum 01.05.2016 bis 31.10.2016 mit Bescheid vom 15.04.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 02.05.2016 und 10.10.2016.

 

Wie der Ehemann der Klägerin zu 1) dem Beklagten mit Schreiben vom 09.08.2016 mitteilte, absolviert er seit dem Wintersemester 2016/2017 ein Studium der Medizinischen Informatik an der FH H., nachdem er zuvor als Zahnarzt tätig war. Seitdem ist er dort durchgehend immatrikuliert.

 

Mit Bescheid vom 09.11.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.11.2016, 09.12.2016 und 24.02.2017 bewilligte der Beklagte daraufhin den Klägerinnen und B. für den Zeitraum 01.11.2016 bis 31.10.2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und lehnte den Antrag des Ehemanns der Klägerin zu 1) ab mit der Begründung, er sei wegen seines Studiums von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen. Gleichwohl sei er als Haushaltsmitglied für die Höhe des Regelsatzes und die Kosten der Unterkunft zahlungsrelevant, so dass nur noch ¾ dieser Kosten berücksichtigt werden könnten. Einen hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2016 zurück, das diesbezügliche Klageverfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf (<SG>; Az.: S 43 AS 4760/16) und das Berufungsverfahren (L 19 AS 1423/17) blieben erfolglos.

 

Am 31.08.2017 teilte der Ehemann der Klägerin zu 1) mit, er habe eine andere Wohnung bezogen. Dabei handelt es sich um eine im gleichen Haus neben der bisherigen Wohnung liegende 1-Zimmer Wohnung, für die ab dem 01.08.2017 ein Mietvertrag abgeschlossen wurde. Die Kosten betragen laut Mietvertrag 250 € Grundmiete zuzüglich 134 € Betriebskosten und 52 € Heizkosten, insgesamt 436 € monatlich. Auch hier ist die Mutter des Ehemanns der Klägerin zu 1) die Vermieterin. Weiterhin teilte der Ehemann der Klägerin zu 1) mit, dass die Klägerinnen seit dem 25.08.2017 ortsabwesend seien. Sie besuchten die Mutter bzw. Großmutter in Russland. Zudem beantragte der von den Klägerinnen bevollmächtigte Ehemann der Klägerin zu 1) eine Überprüfung der Bewilligungsbescheide für die Zeit ab dem 01.08.2017 für die Klägerinnen und B.. Mit Schreiben vom 21.09.2017 erläuterte der Ehemann der Klägerin zu 1) die Wohnsituation. Er bewohne die kleinere Wohnung, seine Familie die größere Wohnung. Die Haushaltskasse werde getrennt geführt, er erhalte von seiner Mutter regelmäßig Unterhalt, um das Studium absolvieren zu können.

 

Auf den Überprüfungsantrag hin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2017 die Aufhebung und Anpassung der Leistungen ab dem 01.08.2017 ab. Der nicht dauernd getrennt lebende Ehepartner gehöre zur Bedarfsgemeinschaft. Es liege hier kein Getrenntleben vor, vielmehr seien die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann weiter verheiratet, zögen die Kinder gemeinsam groß und lebten gemeinsam im selben Haus, lediglich eine Nachbarwohnung sei angemietet worden. Der Umstand getrennter Haushaltskassen ändere daran nichts.

 

Der Beklagte wies die Zahlung der Leistung für die Klägerinnen und B. für den Monat Oktober 2017 nicht an. Ein diesbezüglicher Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem SG (S 43 AS 4229/17 ER) blieb erfolglos. Mit Bescheid vom 23.11.2017, adressiert an die Klägerin zu 1), hob der Beklagte die Leistungsgewährung wegen Ortsabwesenheit ab dem 01.10.2017 auf.

 

Mit Bescheid vom 30.11.2017 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen und B. nach ihrer Rückkehr aus Russland und nach Vorlage eines Weiterbewilligungsantrags Leistungen ab dem 23.11.2017 bis zum 31.10.2018. Der Ehemann der Klägerin zu 1) sei weiterhin als Student von den Leistungen ausgeschlossen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung wurden unter Berücksichtigung eines Kopfanteiles des Ehemannes der Klägerin zu 1) für die bisherige Wohnung bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 03.04.2018 berücksichtigte der Beklagte den Auszug der Klägerin zu 2) aus der Familienwohnung aufgrund eines Chinaaufenthaltes ab dem 01.05.2018, so dass nun 2/3 der Bedarfe für Unterkunft und Heizung berücksichtigt wurden. Nach Anhörung erfolgte mit Bescheid vom 15.08.2018 die Aufhebung und Erstattung der bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum 15.03.2018 bis 30.04.2018 in Höhe von 430,83 € für die Klägerin zu 2) wegen des Chinaaufenthaltes. Diesen Bescheid hob der Beklagte mit Bescheid vom 31.01.2019 aus formalen Gründen auf und hob nunmehr mit Bescheid vom 04.02.2019 die bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum 15.03.2018 bis 30.04.2018 in Höhe von 430,83 € für die Klägerin zu 2) wegen des Chinaaufenthaltes auf. Mit Änderungsbescheid vom 02.11.2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) einen Mehrbedarf für werdende Mütter für die Zeit ab Mai 2018.

 

Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.09.2017 (Überprüfungsbescheid) wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2018 zurück, die Widersprüche gegen die Bescheide vom 23.11.2017 (Ortsabwesenheit) und 30.11.2017 (Leistungen ab 23.11.2017) wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 05.07.2018 zurück.

 

Daraufhin haben die Klägerinnen am 06.08.2018 Klage vor dem SG erhoben - ursprünglich gegen fünf Widerspruchsbescheide, wobei die Klagen hinsichtlich des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2018 (Mitwirkungsaufforderung) und des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2018 (Chinaaufenthalt ab Mai 2018) zurückgenommen wurden. Unter Bezugnahme auf die jeweiligen Vollmachten der Klägerinnen hat der Ehemann der Klägerin zu 1) wörtlich wie folgt Klage erhoben: „Ich nehme Bezug auf folgende Schriftstücke (…) ich bin mit dem Inhalt der Schreiben des Jobcenters (…) nicht einverstanden und reiche hiermit Klage ein.“ Auf gerichtliche Nachfrage hin stellte er klar, dass die Klage im Namen der Klägerin zu 1) geführt werde, die Klägerin zu 2), B. und er seien mitbetroffen. Im Erörterungstermin am 17.06.2019 wies der Ehemann der Klägerin zu 1) darauf hin, dass auch die Klägerin zu 2) als Klägerin geführt werden soll. Die Klägerinnen begründeten die Klage zum einen damit, dass die Kosten für die größere, ursprünglich von allen Familienmitgliedern bewohnte Wohnung ohne Berücksichtigung des Kopfteils des Ehemannes der Klägerin zu 1) zu gewähren seien, da dieser in der neu angemieteten Wohnung lebe und getrennte Haushaltskassen seit dem 01.08.2017 geführt würden. Im Übrigen wehrten sie sich gegen die Leistungsaufhebung aufgrund des Russlandaufenthaltes. Sie seien aus moralischen Gründen zu diesem Aufenthalt verpflichtet gewesen.

 

Die Klägerinnen haben beantragt,

 

1.   den Bescheid vom 25.09.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.07.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Bescheide vom 09.11.2016, 26.11.2016, 09.12.2016 und 24.02.2017 zurückzunehmen und volle Kosten der Unterkunft zu gewähren,

 

2.   den Bescheid vom 23.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2018 aufzuheben,

 

3.   den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2017, des Änderungsbescheides vom 03.04.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2018 zu verurteilen, volle Kosten der Unterkunft zu gewähren.

 

Der Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte verwies im Rahmen der Klageerwiderung auf sein bisheriges Vorbringen.

 

Das SG hat einen Erörterungstermin am 17.06.2019 und einen Verhandlungstermin am 24.06.2021 durchgeführt und die Klage mit Urteil vom 24.06.2021 abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch der Klägerinnen auf volle Übernahme der Kosten der Unterkunft im streitigen Zeitraum. Richtigerweise sei von einer Bedarfsgemeinschaft von vier Personen auszugehen, wobei nur drei Personen, nämlich die Klägerinnen und B. leistungsberechtigt seien. Der Ehemann der Klägerin zu 1) sei als Student gemäß § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Unter Berücksichtigung der anfallenden Kosten von 671 € sei der Kopfteilanspruch der Klägerinnen zutreffend berechnet, denn der Ehemann der Klägerin zu 1) gehöre zur Bedarfsgemeinschaft, da kein Getrenntleben vorliege. Allein die Tatsache, dass der Ehemann eine weitere Wohnung angemietet habe, führe zu keiner anderen Wertung. Auch die Aufhebung der Leistungsgewährung an die Klägerinnen wegen deren langdauernden Auslandsaufenthaltes, der ohne Zustimmung erfolgt und im Übrigen auch nicht zwingend erforderlich gewesen sei, sei rechtmäßig.

 

Gegen das am 11.08.2021 zugestellte Urteil hat der Ehemann der Klägerin zu 1) mit den Worten „ich bin mit dem Urteil nicht einverstanden und ich lege hiermit Berufung ein“ am 11.09.2021 Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er darauf, dass er allein in der benachbarten kleineren Wohnung lebe, um sich auf das Studium und den Bau eines sog. Gegenprangers im Internet zu konzentrieren. Die Haushaltskasse werde getrennt geführt. Es seien daher die vollen Kosten der größeren Wohnung zu übernehmen. Dies gelte auch für die Zeit der Ortsabwesenheit, die Nichtübernahme der Kosten sei eine nicht zulässige Sanktionierung. Auf gerichtliche Nachfrage teilt er mit Schreiben vom 21.01.2022 mit, dass Berufungskläger die Klägerinnen zu 1) und 2) sowie seine Söhne B. und U. seien. Er sei bevollmächtigt, die Berufung durchzuführen.

 

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte mangels Bekanntgabe eines individualisierten Aufhebungsbescheides an die Klägerin zu 2) anerkannt, dass der Klägerin zu 2) für den Monat Oktober 2017 noch ein Leistungsanspruch aus der ursprünglichen Bewilligung für Oktober 2017 in Höhe von 332,75 € zusteht. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin zu 2) angenommen.

 

Die Klägerinnen beantragen nunmehr noch,

 

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.06.2021 abzuändern und

 

1. den Bescheid vom 26.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 09.11.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.11.2016, 09.12.2016 und 24.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2016 zurückzunehmen und ihnen für den Zeitraum 01.08.2017 bis 31.10.2017 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren,

 

2. den Bescheid vom 23.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2018 in Bezug auf die Klägerin zu 1) aufzuheben und

 

3. unter Abänderung des Bescheides vom 30.11.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 03.04.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 02.11.2018 den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin zu 1) für den Zeitraum 23.11.2017 bis 31.10.2018 und der Klägerin zu 2) für den Zeitraum 23.11.2017 bis 14.03.2018 höhere Kosten der Unterkunft und Heizung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Der Beklagte meint, der Ehemann der Klägerin zu 1) habe ausdrücklich in seinem Namen und nicht für die Klägerinnen Berufung eingelegt, er selbst sei aber von Leistungen ausgeschlossen und daher nicht klagebefugt. Einer etwaigen Berufungsänderung stimme er ausdrücklich nicht zu. Er rüge im Übrigen eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung. Der Ehemann der Klägerin zu 1) sei Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, denn für ein dauerndes Getrenntleben der Eheleute sei nicht nur ein räumliches Getrenntleben erforderlich, sondern auch ein Trennungswille, der nach außen erkennbar sei. Daran fehle es aber. Der Beklagte teilt ferner mit, die Angemessenheitsgrenzen der Stadt Düsseldorf betrügen nach ihrem sog. schlüssigen Konzept für den streitigen Zeitraum für 2 Personen 515 €, für 3 Personen 652 € und für 4 Personen 805 €. Unter Berücksichtigung des Ehemanns der Klägerin zu 1) seien die Unterkunftskosten daher angemessen, soweit dieser nicht berücksichtigt werden würde, wären die Kosten der Unterkunft nach dem Auszug der Klägerin zu 2) unangemessen.

 

Im Rahmen eines Erörterungstermins am 04.05.2022 ist der Ehemann der Klägerin zu 1) als Zeuge befragt worden und sind die Klägerinnen informatorisch angehört worden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

 

Auf gerichtliche Anforderung reichten die Klägerinnen Heizkostenabrechnungen der J. GmbH vom 04.04.2018 und 06.03.2019 bezüglich beider Wohnungen sowie Stromkostenabrechnungen der Stadtwerke A vom 15.05.2018 und 17.05.2019 bezüglich beider Wohnungen sowie Kontoauszüge über ein Konto der Klägerin zu 1) bei der Stadtsparkasse Düsseldorf mit der Kontonummer N01 für den Zeitraum 31.07.2017 bis 02.11.2018 und über ein Konto des Ehemanns der Klägerin zu 1) bei der Stadtsparkasse A mit der Kontonummer N02 für den Zeitraum 31.07.2017 bis 31.10.2018 ein.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten der Verfahren S 43 AS 4760/16, S 43 AS 1423/17, S 43 AS 4910/14, S 43 AS 4229/17 ER, S 43 AS 1479/19 und S 43 AS 1124/21 sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

A. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist bezogen auf den Überprüfungsantrag der Klägerinnen der Bescheid vom 26.09.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.07.2018, mit dem der Beklagte es abgelehnt hat, den bestandkräftigen Bescheid vom 09.11.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.11.2016, 09.12.2016 und 24.02.2017 insoweit abzuändern, als darin für den Zeitraum vom 01.08.2017 bis 31.10.2017 Bedarfe für Unterkunft und Heizung unter Anrechnung eines Kopfanteils für den Ehemann der Klägerin zu 1) bewilligt wurden (zur Zulässigkeit der Beschränkung des Streitgegenstandes vgl. BSG Urteile vom 04.06.2014, B 14 AS 42/13 R, Rn. 12 ff., juris; und vom 06.08.2014, B 4 AS 55/13 R, Rn. 12, juris). Ferner ist Gegenstand des Berufungsverfahrens der Bescheid vom 23.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2018, mit dem die Leistungsbewilligung für die Klägerin zu 1) ab dem 01.10.2017 wegen der Ortsabwesenheit in Russland aufgehoben wurde. Schließlich ist Gegenstand des Berufungsverfahrens der Bescheid vom 30.11.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 03.04.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 02.11.2018, mit dem der Beklagte der Klägerin zu 1) für den Zeitraum vom 23.11.2017 bis zum 31.10.2018 und der Klägerin zu 2) bis zum 14.03.2018 Bedarfe für Unterkunft und Heizung unter Anrechnung eines Kopfanteils für den Ehemann der Klägerin zu 1) bewilligt hat.

 

B. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie frist- und formgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Berufung von den Klägerinnen eingelegt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II um individuelle Leistungsansprüche, so dass nur dasjenige Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, dessen Leistungen betroffen sind, durch die Entscheidung auch rechtlich beschwert ist. Das SGB II kennt keinen Anspruch einer Bedarfsgemeinschaft als solcher, die keine juristische Person darstellt; vielmehr ist Anspruchsinhaber immer nur das durch die jeweilige Entscheidung in seinem Leistungsanspruch betroffene Mitglied der Bedarfsgemeinschaft (BSG Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 8/06 R, Rn. 11 ff., juris). Klagebefugt sind damit bezüglich der hier geltend gemachten Höhe der Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Familienwohnung nur die Klägerinnen. Die Berufungsschrift hat zwar ausschließlich der Ehemann der Klägerin zu 1) unterzeichnet und formuliert, er lege Berufung ein. Diese Erklärung eines juristischen Laien ist in Verbindung mit der vorherigen Prozessführung, bei der er unter Vorlage der Vollmachtsurkunden für seine Ehefrau und seine Tochter tätig war, meistbegünstigend dahingehend auszulegen (§ 123 SGG) und zu verstehen (zum Meistbegünstigungsgrundsatz vgl. etwa BSG Urteil vom 14.06.2018, B 9 SB 2/16 R, Rn. 12 m.w.N., juris), dass er als Bevollmächtigter für die Vollmachtgeber in deren Namen tätig werden wollte. Dies ergibt sich auch aus der nachfolgenden Erklärung, dass Berufungskläger die Klägerinnen zu 1) und 2) sowie seine Söhne B. und U. seien. Für die Einbeziehung der beiden Söhne ist allerdings aufgrund der eindeutigen entgegenstehenden Erklärung des Ehemanns der Klägerin zu 1) im erstinstanzlichen Verfahren, insbesondere auch im Erörterungstermin vor dem SG, kein Raum.

 

C. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

 

I. Die Klage ist im Wege der subjektiven und objektiven Klagehäufung als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 56 SGG statthaft (vgl. BSG Urteil vom 13.02.2014, B 4 AS 22/13 R, Rn. 11, juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 54 Rn. 20c). Mit der Anfechtungsklage begehren die Klägerinnen 1. die Aufhebung des die Überprüfung ablehnenden Verwaltungsaktes vom 26.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2018 sowie 2. die Aufhebung des Bescheides vom 23.11.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 05.07.2018 und 3. die Aufhebung des Bescheides vom 30.11.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 03.04.2018 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 05.07.2018. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides gerichtet, der den bindenden leistungsablehnenden Bescheid vom 09.11.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.11.2016, 09.12.2016 und 24.02.2017 ändert. Mit der Leistungsklage beantragen die Klägerinnen 1. die Erbringung höherer Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.08.2017 bis 31.10.2017 und 2. für die Zeit vom 23.11.2017 bis 31.10.2018 bzw. 14.03.2018.

 

Die Klagefrist nach § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG ist gewahrt. Die Klage ist danach binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, § 87 Abs. 2 SGG. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Gegen die Widerspruchsbescheide vom 02.07.2018 und 05.07.2018, die am 05.07.2018 bzw. 08.07.2018 als bekannt gegeben gelten, haben die Klägerinnen am 06.08.2018 (Montag) und damit innerhalb der Monatsfrist Klage erhoben. Dass auch hier zunächst wörtlich genommen der Ehemann der Klägerin zu 1) Klage erhoben hat, ist aufgrund der Bezugnahme auf zwei Vollmachten der Klägerinnen und die nachfolgende schriftliche Erklärung sowie die ergänzende Erklärung im Erörterungstermin vor dem SG unschädlich.

 

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

 

1. Der Bescheid vom 25.09.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.07.2018 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerinnen nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung höherer SGB II-Leistungen für die hier streitige Zeit vom 01.08.2017 bis 31.10.2017. Aus diesem Grund ist der Beklagte auch nicht verpflichtet, den zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides bereits ergangenen Bewilligungsbescheid vom 09.11.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.11.2016, 09.12.2016 und 24.02.2017 zurückzunehmen.

 

Nach § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Der Verwaltungsakt, dessen Rücknahme begehrt wird, muss im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe, als von Anfang an, d. h. nach der im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe bestehenden Sach- und Rechtslage, rechtswidrig sein. Wird er hingegen erst nachträglich rechtswidrig, kann er nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X aufgehoben werden (vgl. Merten in Hauck/Noftz, SGB X, § 44 (Stand April 2018) Rn. 23 m.w.N.; Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017, § 44 (Stand 23.02.2022) Rn. 46 ff.).

 

Die Leistungsbescheide für den Zeitraum 01.08.2017 bis 31.10.2017 (Bescheid vom 09.11.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.11.2016, 09.12.2016 und 24.02.2017) waren bei ihrem Erlass im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X rechtmäßig, denn den Klägerinnen sind zu Recht Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung eines Kopfteils des Ehemanns der Klägerin zu 1) bewilligt worden.

 

Gegenstand des Verfahrens kann lediglich der kopfteilige Anspruch der Klägerinnen auf Bewilligung höherer Bedarfe für Unterkunft sein, nicht die gesamte Differenz zwischen den tatsächlichen und den aus Sicht des Beklagten angemessenen Bedarfen, denn aus den oben angeführten Gründen ist über Ansprüche von B. nicht zu entscheiden, da dieser nicht Klage erhoben hat und das SG darüber infolgedessen auch nicht entschieden hat.

 

a. Die Klägerinnen erfüllen dem Grunde nach die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach den §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 und 4, 19 Abs. 1 S. 1 und 3, 22 Abs. 1 SGB II. Die Klägerinnen haben das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht; sind erwerbsfähig und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

 

b. Sie sind zudem auch hilfebedürftig im Sinne von §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 SGB II. Gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB II).

 

Der Senat ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerinnen (und B.) im streitigen Zeitraum gemeinsam mit dem Ehemann der Klägerin zu 1) eine Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 Nr. 3a, 4 SGB II bildeten.

 

Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II gehören zur Bedarfsgemeinschaft als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte. Zur Beurteilung der Frage, ob Ehegatten nicht dauerhaft getrennt leben, sind die familienrechtlichen Grundsätze zum Gegenbegriff Getrenntleben heranzuziehen (vgl. nur BSG Urteil vom 18.02.2010, B 4 AS 49/09 R, Rn. 13, juris; Hänlein in BeckOGK SGB II, § 7 (Stand 01.12.2021) Rn. 55; Becker in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 7 Rn. 102; Geiger in Münder/Geiger, SGB II, 7. Auflage 2021, § 7 Rn. 78; Mushoff in BeckOK Sozialrecht, 65. Edition § 7 (Stand: 01.03.2022) Rn. 76). Gemäß § 1567 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Ein dauerhaftes Getrenntleben ist daher anzunehmen, wenn nach den tatsächlichen Verhältnissen davon auszugehen ist, dass eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgehoben worden ist (Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 7 (Stand 29.11.2021) Rn. 214 m.w.N.). Neben einer räumlichen Trennung setzt ein Getrenntleben einen Trennungswillen voraus (BSG Urteil vom 18.02.2010, B 4 AS 49/09 R, Rn. 13, juris). Nicht jede räumliche Trennung beinhaltet bereits ein Getrenntleben, denn das Getrenntleben muss sich auf die Ehe im Sinne des § 1353 BGB beziehen. Da § 1353 Abs. 1 BGB mit der Bestimmung einer Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft nur die Grundstrukturen der Ehe, nicht jedoch die Art und Weise vorgibt, in der sich das Zusammenleben der Ehegatten vollzieht, ist die häusliche Gemeinschaft zwar ein Grundelement der ehelichen Lebensgemeinschaft, jedoch kann bei Vereinbarung einer abweichenden Lebensgestaltung auch eine Ehe ohne räumlichen Lebensmittelpunkt eine Ehe im Sinne des § 1353 BGB sein. Haben die Ehegatten bei oder nach der Eheschließung einvernehmlich ein Lebensmodell gewählt, das eine häusliche Gemeinschaft nicht vorsieht, kann allein der Wille, diese auf absehbare Zeit nicht herzustellen, ein Getrenntleben nach familienrechtlichen Grundsätzen nicht begründen. Erforderlich ist daher ein nach außen erkennbarer Wille zumindest eines Ehegatten, die Ehe – in der individuell gewählten Gestaltungsform – auf Dauer aufzulösen (BSG Urteil vom 18.02.2010, B 4 AS 49/09 R, Rn. 13, juris; Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 7 (Stand 29.11.2021) Rn. 215; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 7 (Stand Juni 2021) Rn. 190; Hänlein in BeckOGK SGB II, § 7 (Stand 01.12.2021) Rn. 57; Becker in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 7 Rn. 102; Peters in Estelmann, SGB II § 7 (Stand 01.06.2019) Rn. 54). Zweifel an einem Getrenntleben sind insbesondere dann angebracht, wenn die Verheirateten nach Ablauf der Trennungszeit (§ 1566 BGB) immer noch zusammenleben, ohne dass das Scheidungsverfahren betrieben wird (LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 21.02.2013, L 15 AS 139/09, Rn. 23, juris; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 7 (Stand Juni 2021) Rn. 191). Eine fortbestehende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft liegt vor, wenn die Partner – sinnbildlich gesprochen – „aus einem Topf wirtschaften“ (BSG Urteil vom 23.08.2012, B 4 AS 34/12 R, Rn. 23, juris). Davon ist auszugehen, wenn die Partner die Dinge des täglichen Bedarfs gemeinsam beschaffen, ge- und verbrauchen und die allgemein anfallenden hauswirtschaftlichen Arbeiten gemeinsam oder füreinander erledigen. Dies verlangt keinesfalls die Wahrnehmung der Alltagsaufgaben zu gleichen Teilen. Vielmehr reicht es aus, dass der Alltag aufeinander bezogen ist. Das gemeinsame Wirtschaften muss aber über die bloße Mitbenutzung von Bad, Küche und ggf. vorhandenen Gemeinschaftsräumen hinausgehen (Leopold in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2020, § 7 (Stand: 29.11.2021) Rn. 223). Ein Zusammenleben in einer einzigen Wohnung ist für eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft wiederum nicht erforderlich. Auch bei räumlicher Trennung ist jedoch maßgeblich, ob eine enge persönliche und geistige Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht, wobei für ein Getrenntleben nicht erforderlich ist, dass die Eheleute keinerlei Kontakt zueinander haben, nichts Gemeinsames unternehmen und eine totale Trennung vollziehen (so zutreffend Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 7 (Stand Juni 2021) Rn. 187). Notwendig ist vielmehr unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles die Feststellung, ob auch bei getrennten Wohnungen oder der Nutzung mehrerer Wohnungen von einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft ausgegangen werden kann, wenn also trotz der Nutzung getrennter Wohnungen das Leben überwiegend in einer Wohnung stattfindet (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 05.09.2016, L 7 AS 484/16 B-ER, Rn. 35, juris).

 

Der Senat ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Ehemann der Klägerin zu 1) im streitigen Zeitraum als Partner der Klägerin zu 1) zur Bedarfsgemeinschaft gehört, da kein dauerhaftes Getrenntleben der Ehegatten vorliegt. Vielmehr bilden sie weiterhin eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft, weder eine tatsächliche räumliche Trennung noch ein Trennungswille liegen vor.

 

Zwar hat der Ehemann der Klägerin zu 1) unstreitig eine auf der gleichen Etage neben der Familienwohnung liegende weitere Wohnung angemietet. Dies hat jedoch weder zur Folge, dass die Dinge des täglichen Bedarfs nicht mehr gemeinsam beschafft, ge- und verbraucht würden, noch dass die Alltagsaufgaben nicht mehr gemeinsam oder füreinander erledigt würden. Für eine Trennung der Lebensverhältnisse spricht zwar, dass es sich bei der Einzimmerwohnung um eine vollständig eingerichtete Wohnung handelt. So befinden sich in der kleinen Wohnung nach den glaubhaften Angaben des Ehemannes der Klägerin zu 1) ein Doppelbett, ein Kleiderschrank, in dem Kleidung und Schuhe aufbewahrt werden, sowie ein Tisch samt Stuhl und mehrere Regale, die für Arbeiten im Rahmen des Studiums genutzt werden. Ferner ist in der kleineren Wohnung eine Küchenzeile vorhanden, die unter anderem einen Wasserkocher, eine Kochplatte, einen Kühlschrank und eine Kaffeemaschine beinhaltet und vom Ehemann der Klägerin zu 1) nach seinen Angaben auch genutzt wird für einfache Mahlzeiten wie eine Instantsuppe oder ein Spiegelei. Gleichwohl gab der Ehemann der Klägerin zu 1) an, ein bis zweimal in der Woche auch Mahlzeiten in der Familienwohnung einzunehmen, sonntags morgens frühstücke er auch dort mit den Kindern. Die zunächst vorgebrachte Äußerung, er hole von der Klägerin zu 1) zubereitete Mahlzeiten gegen Entgelt ab, relativierte der Ehemann der Klägerin zu 1) später auf Befragen zu den genauen Umständen, indem er angab, es sei zu keiner Bargeldübergabe gekommen, sondern die Mahlzeiten seien verrechnet worden mit Einkäufen, die er für die Klägerin zu 1) erledige. Dazu gab der Ehemann der Klägerin zu 1) an, zwar kein Haushaltsbuch zu führen, es würden aber getrennte Haushaltskassen geführt. Beide Ehegatten verfügen jeweils über ein eigenes Girokonto, auf das der andere keinen Zugriff hat. Aus den eingereichten Kontoauszügen ist ersichtlich, dass beide in Lebensmitteldiscountern bzw. Geschäften regelmäßig einkaufen, dies nach eigenem Vorbringen auch wechselseitig füreinander, insbesondere schwere Getränke besorge der Ehemann der Klägerin zu 1). Bereits daraus ist ersichtlich, dass der Alltag der Ehegatten aufeinander bezogen ist und Aufgaben füreinander erledigt werden, wie das Kochen oder Einkaufen. Diesbezüglich ist ebenfalls zu beachten, dass der Ehemann der Klägerin zu 1) einen Festnetztelefon- und Internetanschluss hat, dessen WLAN-Router bzw. Verteilerbox sich in der Familienwohnung befindet, die Klägerin zu 1) wiederum über das in der kleinen Wohnung stationierte Festnetztelefon ihres Ehegatten erreicht werden kann und sie diese Nummer beispielsweise auch bei dem Beklagten neben ihrer Mobilnummer als Kontakt angegeben hat. Aus Sicht des Senats liegen ferner gewichtige Anhaltspunkte vor, die für eine weitere gemeinsame Nutzung der Familienwohnung sprechen. So verfügt die kleinere Wohnung zwar über ein eigenes Badezimmer, in dem sich eine Badewanne, ein Waschbecken und eine Toilette befinden. Die Angaben des Klägers, ausschließlich dieses Bad zu benutzen, erscheinen dem Senat jedoch nicht glaubhaft, insbesondere angesichts der Jahresrechnung über die Heizkosten, die auch Warmwasser umfassen und die für das Jahr 2018 keinerlei Verbrauch aufweisen. Im Hinblick auf die Körperpflege aber auch beispielsweise das Spülen von Geschirr widerlegt die Heizkostenabrechnung die alleinige Nutzung der kleinen Wohnung. Der Umstand, dass in der kleinen Wohnung keine Waschmaschine angeschlossen ist und die Wäsche von der Klägerin zu 1) gewaschen wird, spricht ebenfalls gegen ein Getrenntleben, ebenso wie die Angabe des Ehemanns der Klägerin zu 1), gelegentlich nachmittags oder abends und am Wochenende auf seine Kinder aufzupassen, dies finde in der Familienwohnung statt, da seine Wohnung nicht kindgerecht eingerichtet sei. In der Vergangenheit hat er zudem seine ausstehende Klagebegründung ab November 2018 damit gerechtfertigt, dass er wegen der Krankenhausaufenthalte der Klägerin zu 1) bzw. seines Sohnes sich um den anderen Sohn kümmern müsse, die Betreuung der Kinder viel Zeit und Kraft erfordere und er deswegen nicht zu einer Stellungnahme komme. Auch wenn die Angaben der Beteiligten zum Umfang der Kinderbetreuung des Ehemanns der Klägerin zu 1) sich widersprechen, ist erkennbar, dass jedenfalls eine Kinderbetreuung in der Familienwohnung stattfindet. Gewichtigstes Indiz für ein fehlendes Getrenntleben ist schließlich die Geburt des zweiten gemeinsamen Sohnes U. K. im November 2018, mithin mehr als ein Jahr nach der vermeintlichen Trennung und dem vermeintlichen Auszug des Ehemanns der Klägerin zu 1) aus der Familienwohnung. Der fehlende Trennungswille hat sich hier manifestiert. Zwar sagten beide Ehegatten übereinstimmend aus, es habe eine Zeit der Konflikte gegeben, die Klägerin zu 1) gab an, bereits 2017 seien sie irgendwie schon auseinander gewesen. Zu einer offiziellen Trennung, nach außen verdeutlicht durch einen Scheidungsantrag, ist es gleichwohl bis heute nicht gekommen, vielmehr haben die Ehegatten ein weiteres gemeinsames Kind bekommen, für das zudem Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz wie auch für B. nie beantragt wurden.

 

Der Senat ist nach Wertung dieser Gesamtumstände davon überzeugt, dass im streitigen Zeitraum kein Getrenntleben der Ehegatten vorlag. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Anmietung der weiteren Wohnung aus Platzgründen erfolgte. Die 80 qm große 3-Zimmer Wohnung war bereits für die vierköpfige Familie beengt, ab November 2018 für die fünfköpfige Familie schlicht zu klein geworden, zumal der Ehemann der Klägerin zu 1) durch sein Studium einen Arbeitsplatz benötigte, der, wie die Klägerinnen angaben, zuvor im Flur der Familienwohnung lag.

 

c. Als Bedarfe im Zeitraum 01.08.2017 bis 31.10.2017 sind der Regelbedarf gemäß §§ 20, 23 SGB II (368 € für die Klägerin zu 1), 311 € für die Klägerin zu 2) und 237 € für B.), insgesamt 916 € zu berücksichtigen. Für den Ehemann der Klägerin zu 1) ist kein Regelbedarf zu berücksichtigen, da dieser gemäß § 7 Abs. 5 SGB II von den Leistungen ausgeschlossen ist (s. dazu LSG NRW Urteil vom 11.11.2018, L 19 AS 1423/17).

 

Bedarfe für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.08.2017 bis 31.10.2017 werden nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Im Falle der tatsächlichen Nutzung durch mehrere Personen geht das BSG jedoch davon aus, dass das sog. Kopfteilprinzip gilt, das heißt, die Kosten der Unterkunft werden entsprechend der Anzahl der in der Wohnung lebenden Personen aufgeteilt (vgl. nur BSG Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 1/06 R, Rn. 28, juris), auch wenn sie nicht Teil der Bedarfsgemeinschaft sind (BSG Urteil vom 23.11.2006, B 11b AS 1/06 R, Rn. 28, juris; Urteil vom 31.10.2007, B 14/11b AS 7/07 R, Rn. 19, juris; Urteil vom 27.02.2008, B 14/11b AS 55/06 R, Rn. 18 f, juris; Urteil vom 15.04.2008, B 14/7b AS 58/06 R, Rn. 33, juris; Urteil vom 18.06.2008, B 14/11b AS 61/06 R, Rn. 19, juris; Urteil vom 27.01.2009, B 14/7b AS 8/07 R Rn, 19, juris; Urteil vom 24.02.2011, B 14 AS 61/10 R, Rn. 18, juris; Urteil vom 22.03.2013, B 14 AS 85/12 R, Rn. 20, juris). Hintergrund für dieses auf das BVerwG (Urteil vom 21.01.1988, 5 C 68/85) zurückgehende Kopfteilprinzip sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf dem Grunde nach abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt (BSG Urteil vom 22.08.2013, B 14 AS 85/12 R, Rn. 20, juris). Ausnahmen hiervon sind – auch innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft – bei einem über das normale Maß hinausgehenden Bedarf einer der in der Wohnung lebenden Person wegen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit denkbar (vgl. BSG Urteil vom 27.01.2009, B 14/7b AS 8/07 R, Rn. 19, juris) oder wenn der Unterkunftskostenanteil eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft wegen einer bestandskräftigen Sanktion weggefallen ist und die Anwendung des Kopfteilprinzips zu Mietschulden für die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft führen würde (BSG Urteil vom 23.05.2013, B 4 AS 67/12 R, Rn. 22, juris). Erforderlich für eine Aufteilung nach dem Kopfteilprinzip ist, dass eine Unterkunft gemeinsam von mehreren Personen genutzt wird, der räumliche Lebensmittelpunkt der betroffenen Personen also in dieser Wohnung liegt – was in der Regel dann der Fall ist, wenn bei zwei möglichen Wohnungen ein etwa hälftig geteilter Aufenthalt vorliegt (vgl. zum Mehrbedarf für Alleinerziehende BSG Urteil vom 03.03.2009, B 4 AS 50/07 R, Rn. 16, juris; Urteil vom 12.11.2015, B 14 AS 23/14 R, Rn. 14, juris; Urteil vom 11.07.2019, B 14 AS 23/18 R, Rn. 16, juris) – und nicht nur ein besuchsweiser Aufenthalt in einer Wohnung besteht.

 

Vorliegend lebte im Zeitraum vom 01.08.2017 bis 31.10.2017 neben den Klägerinnen auch der Sohn B. in der Familienwohnung. Trotz Anmietung der eigenen Wohnung im August 2017 auf der gleichen Etage wie die zuvor genutzte Familienwohnung hatte auch der Ehemann der Klägerin zu 1) zur Überzeugung des Senats dennoch seinen räumlichen Lebensmittelpunkt in der Familienwohnung. Eine gemeinschaftliche Nutzung der Familienwohnung lag aus den oben genannten Gründen vor. Die Anmietung der zweiten Wohnung erfolgte nur zu Arbeitszwecken.

 

Damit umfassen die Bedarfe für Unterkunft und Heizung der Familienwohnung gemäß § 22 SGB II (485 € Grundmiete, 134 € Betriebskosten, 52 € Heizkosten), insgesamt monatlich 671 €. Aufgrund des Kopfteilprinzips sind diese Bedarfe im hier streitigen Zeitraum auf vier Köpfe aufzuteilen, mithin entfallen auf die Klägerinnen und B. 503,25 € (3/4 der Kosten). Die Übernahme der Kosten für die neu angemietete Wohnung ist weder beantragt, noch fand ein Umzug der Bedarfsgemeinschaft dorthin statt, so dass dafür keine Bedarfe anzunehmen sind.

 

d. Auf diesen Bedarf hat der Beklagte zutreffend neben dem Kindergeld für die Klägerin zu 2) und B. (jeweils 192 € monatlich) gemäß § 11 Abs. 1 S. 5 SGB II auch das Elterngeld der Klägerin zu 1) gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II i.V.m. § 10 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II VO (596,10 € abzüglich 300 € abzüglich 30 €) als Einkommen angerechnet. Ob auch eine Anrechnung der aus den Kontoauszügen ersichtlichen Einnahmen aufgrund der Zuwendungen der Mutter des Ehemanns der Klägerin zu 1) in Höhe von 1300 € für August 2017 und 700 € für September 2017 als Einkommen gemäß § 9 Abs. 2 S. 1, 2, § 11 Abs. 1 SGB II zu erfolgen hat, kann hingegen aufgrund des Verbots der Verböserung im Klageverfahren zu Lasten der Berufungsführerinnen und der fehlenden Anschlussberufung des Berufungsgegners dahinstehen (sog. Verbots der reformatio in peius vgl. nur BSG Beschluss vom 30.04.1958, 10 RV 999/56, Rn. 2, juris). Gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht über die von den Klägerinnen erhobenen Ansprüche. Das Gericht ist, soweit es um die geltend gemachten Ansprüche geht, an diese gebunden. Zulasten der Klägerinnen darf keine ungünstigere Entscheidung, als die Klageabweisung ergehen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 123 Rn. 5).

 

2. Der Bescheid vom 23.11.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 05.07.2018 ist im Hinblick auf die Klägerin zu 1) rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten.

 

a. Ermächtigungsgrundlage für die hier streitgegenständliche Aufhebung der Leistungen für den Zeitraum 01.10.2017 bis 31.10.2017 ist § 40 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 2 bzw. Nr. 4 SGB X. Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist und soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist bzw. soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.

 

b. In formeller Hinsicht bestehen keine Bedenken. Ob die am 22.11.2017 nach Deutschland zurückgekehrte Klägerin zu 1) vor Erlass des Bescheides vom 23.11.2017 hinreichend i.S.v. § 24 Abs. 1 SGB X angehört wurde, kann dahinstehen. Ein Anhörungsmangel wäre jedenfalls im Widerspruchsverfahren gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt worden, denn der Klägerin zu 1) sind damit die für eine mögliche Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen relevanten Informationen erteilt worden (vgl. hierzu BSG Urteil vom 19.10.2011, B 13 R 9/11 R, Rn. 14, juris; Schütze in Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 41 Rn. 15).

 

c. In materieller Hinsicht ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die beim Erlass des ursprünglichen Bescheides vom 09.11.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.11.2016, 09.12.2016 und 24.02.2017 vorgelegen haben, im vorliegenden Fall am 25.08.2017 bis zum 22.11.2017 mit dem Aufenthalt der Klägerinnen und B. in Russland und dem hiermit verbundenen Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts eingetreten. Eine Änderung ist dann wesentlich, wenn sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. § 48 SGB X setzt mithin voraus, dass aufgrund veränderter Umstände der ursprüngliche Verwaltungsakt nun (so) nicht mehr erlassen werden dürfte (vgl. nur BSG Urteil vom 17.03.2016, B 4 AS 18/15 R, Rn. 29, juris; Steinwedel in BeckOGK, SGB X, § 48 (Stand 01.12.2020) Rn. 13; Schütze in Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 48 Rn. 15).

 

Die Klägerin zu 1) hat sich in diesem Zeitraum nicht innerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufgehalten und stand deshalb nicht mehr für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung. § 7 Abs. 4a SGB II regelt den Leistungsausschluss für den Fall der Ortsabwesenheit. Gemäß § 77 Abs. 1 SGB II gilt § 7 Abs. 4a SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 7d des Gesetzes vom 20.07.2006 [BGBl. I S. 1706]) weiter bis zum Inkrafttreten einer nach § 13 Abs. 3 SGB II erlassenen Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Danach erhält Leistungen nach diesem Buch nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23.10.1997 (ANBA 1997, 1685, geändert durch die Anordnung vom 16.11.2001 - ANBA 2001, 1476), definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält; die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung gelten entsprechend. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 EAO hält sich im zeit- und ortsnahen Bereich auf, wer in der Lage ist, unverzüglich Mitteilungen des Leistungsträgers persönlich zur Kenntnis zu nehmen, den Leistungsträger aufzusuchen, mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Hierzu hat der Leistungsberechtigte sicherzustellen, dass der Leistungsträger ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.

 

§ 7 Abs. 4a SGB II ist auch auf die Klägerin zu 1) anwendbar, obwohl sie im streitigen Zeitraum den damals noch nicht bzw. gerade einjähigen Sohn B. betreute. Zwar sind dem Wortlaut nach alle leistungsberechtigten Personen von der Regelung erfasst. Im Hinblick darauf, dass § 7 Abs. 4a SGB II ortsabwesende Hilfebedürftige auf Grund des Leistungsausschlusses zu einer Rückkehr und zur aktiven Mitwirkung an der Eingliederung in den Arbeitsmarkt bewegen soll und zudem Auslandsaufenthalte bei aufrechterhaltenem gewöhnlichem Aufenthalt im Inland vermieden werden sollen (vgl. BT-Drucksache 16/1696, S. 26), sind von der Regelung nur erwerbsfähige Leistungsberechtigte erfasst, nicht hingegen Personen, denen eine Erwerbstätigkeit nicht möglich ist oder nicht zugemutet werden kann, etwa weil sie erwerbsgemindert sind oder ihnen eine Erwerbstätigkeit aus den in § 10 SGB II aufgezählten Gründen nicht zuzumuten ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.08.2013, L 34 AS 1030/11, Rn. 24, juris; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.07.2010, L 3 AS 3552/09, Rn. 39 ff., juris; LSG Mecklenburg-Vorpommern Beschluss vom 15.01.2019, Rn. 48, juris; Geiger in Münder/Geiger, SGB II, 7. Auflage 2021, § 7 Rn. 163; Knickrehm in Knieckrehm/Kreikebohm/Waltermann, SGB II, 7. Auflage 2021, § 7 Rn. 52, 53; Peters in Estelmann, SGB II § 7 (Stand 01.06.2019) Rn. 120; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 7 (Stand Juni 2021) Rn. 266; Hänlein in BeckOGK SGB II, § 7 (Stand 01.12.2021) Rn. 119; offen gelassen LSG Baden-Württemberg Urteil vom 09.04.2021, L 12 AS 1677/19 Rn. 45, juris; a.A. Becker in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 7 Rn. 180; nur keine Anwendung für Sozialgeldbezieher LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 14.11.2017, L 7 AS 934/17 B ER, L 7 AS 935/17 B, Rn. 30 juris). Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II ist einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass die Ausübung der Arbeit die Erziehung ihres Kindes oder des Kindes ihrer Partnerin oder ihres Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist. Alleinerziehenden ist zumindest vor Vollendung des dritten Lebensjahres wegen der Erziehung des Kindes nicht jede Arbeit zumutbar (vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.08.2013, L 34 AS 1030/11, Rn. 25, juris). Aus den oben genannten Gründen, trifft dies auf die Klägerin zu 1) hingegen nicht zu, denn sie lebt von ihrem Ehemann nicht dauerhaft getrennt, so dass sie auch nicht alleinerziehend ist.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 EAO steht der Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs der Verfügbarkeit bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nicht entgegen, wenn der Beklagte vorher seine Zustimmung erteilt hat. Nach § 3 Abs. 1 S. 3 EAO darf die Zustimmung nur erteilt werden, wenn durch die Zeit der Abwesenheit die berufliche Eingliederung nicht beeinträchtigt wird. Vorliegend fehlt es mangels vorherigen Antrags der Klägerin zu 1) an einer solchen Zustimmung des Beklagten zu der Ortsabwesenheit. Insofern ist es auch unerheblich, ob die Erreichbarkeit fingiert werden kann, weil die Zustimmung nicht rechtzeitig erteilt oder zu Unrecht verweigert wurde und die Ortsabwesenheit unaufschiebbar und die Zustimmung zu erteilen gewesen wäre (vgl. dazu nur Geiger in Münder/Geiger, SGB II, 7. Auflage 2021, § 7 Rn. 168). Ausführungen zur (tageweisen) Verlängerung eines nach § 3 Abs. 1 S. 1 EAO statthaften Zeitraums der Ortsabwesenheit von 3 Wochen gemäß § 3 Abs. 3 EAO in Fällen außergewöhnlicher Härten aufgrund unvorhersehbarer und für den Leistungsempfänger unvermeidbarer Ereignisse (vgl. Becker in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Auflage 2021, § 7 Rn. 177) sind damit entbehrlich, zumal die Klägerinnen sich für 13 Wochen im Ausland aufhielten und damit auch den maximalen Zeitraum von sechs Wochen – vgl. § 3 Abs. 4 EAO – überschritten haben. Im Übrigen hat der Beklagte Leistungen erst ab Oktober und damit nach fünf Wochen aufgehoben, so dass der maximale Zeitraum ohnehin fast erschöpft wäre, obwohl eine Aufhebung der Leistungsbewilligung auch i.S.v. § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse möglich gewesen wäre.

 

Die Klägerin zu 1) ist hinsichtlich der Verpflichtung zur Mitteilung der Ortsabwesenheit (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X) bzw. des Wegfalls ihres Anspruchs (§ 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X) der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Das Verhalten der Klägerin zu 1) war grob fahrlässig, denn der Beklagte hat sie in dem aufgehobenen Bescheid vom 09.11.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26.11.2016, 09.12.2016 und 24.02.2017 hinreichend über die Verpflichtungen und mögliche Rechtsfolgen im Falle einer (ungenehmigten) Ortsabwesenheit informiert. Der Klägerin zu 1) musste deshalb klar sein, dass sie ihre Ortsabwesenheiten zuvor mitteilen und eine entsprechende Genehmigung hätte einholen müssen. Dies hat sie nicht getan. Darüber hinaus hätte sie aufgrund der Hinweise in den Bescheiden auch ohne Weiteres erkennen können, dass sie bei einem Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs keinen Leistungsanspruch mehr hat. Der Beklagte war gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III) von der Ermessensausübung entbunden und hat die Voraussetzungen des § 48 Abs. 4 S. 1 SGB X gewahrt.

 

3. Der Bescheid vom 30.11.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 03.04.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 02.11.2018 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerinnen nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Klägerin zu 1) hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung höherer SGB II-Leistungen für die hier streitige Zeit vom 23.11.2017 bis 31.10.2018 und die Klägerin zu 2) ebenso wenig für den Zeitraum vom 23.11.2017 bis 14.03.2018. Den Klägerinnen sind zu Recht Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung unter Berücksichtigung eines Kopfteils des Ehemanns der Klägerin zu 1) bewilligt worden. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen verwiesen, eine Änderung der dort beschriebenen tatsächlichen Verhältnisse ist zur Überzeugung des Senats im hier streitigen Zeitraum nicht eingetreten.

 

D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S. 1, 193 Abs. 1 S. 1 SGG und berücksichtigt das Teilanerkenntnis des Beklagten.

 

E. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), bestehen nicht.

 

Rechtskraft
Aus
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