L 10 R 2497/22

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 1269/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2497/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Ein gelernter Koch, der als Küchenchef mit Leitungsfunktion gegenüber ungelernten Hilfskräften beschäftigt ist, ist nach dem Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts als Facharbeiter einzustufen. Als solcher kann er auf die Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter zumutbar verwiesen werden.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 01.08.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Zeitraum vom 01.03.2019 bis 31.10.2022 streitig.

Der 1958 geborene Kläger absolvierte eine Ausbildung zum Koch (Sommer 1974 bis Sommer 1978) und war anschließend unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit nach eigenen Angaben bei verschiedenen Arbeitgebern als Koch in Restaurants, Hotels oder Kantinen oder als Küchenchef sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt war er von März 2010 bis April 2019 (arbeitgeberseitige Kündigung wegen Krankheit) als Küchenchef im Restaurant S1 tätig. Seit Januar 2018 war er arbeitsunfähig krank mit Bezug von Krankengeld bis 02.07.2019 und anschließendem Bezug von Arbeitslosengeld bis 01.07.2021. Zusätzlich sind im Versicherungsverlauf des Klägers für die Zeit vom 24.06.2020 bis 01.09.2022 Beitragszeiten mit Pflichtbeiträgen für Pflegetätigkeit enthalten. Seit dem 01.11.2022 bezieht der Kläger eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ohne Abschläge (Bewilligungsbescheid vom 15.09.2022, S. 57 ff. Senatsakte).

2018 wurde bei dem Kläger eine koronare 3-Gefäßerkrankung diagnostiziert mit leichtgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion, es erfolgte im Universitätsklinikum U1 eine mehrfache Stent-Implantation im Februar, März und Mai 2018. Vom 15.06. bis 06.07.2018 nahm der Kläger an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der W1 in R1 teil. Die Entlassung erfolgte mit einem Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden täglich für die Tätigkeit eines Kochs oder Küchenchefs und für den allgemeinen Arbeitsmarkt (Diagnosen: atherosklerotische Herzkrankheit 3-Gefäßerkrankung mit Zustand nach [Z.n.] dreimaliger Stentimplantation; benigne essentielle Hypertonie; Hypercholesterinämie; sonstige Reaktion auf schwere Belastung).

Am 13.03.2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen bei und lehnte nach einer Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes (L1 vom 27.06.2019) den Antrag mit Bescheid vom 08.07.2019 aus medizinischen Gründen ab.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren ließ die Beklagte den Kläger durch H1 ambulant untersuchen und begutachten. Dieser kam im Gutachten vom 26.03.2020 zu der Einschätzung, dass der Kläger bei Vorliegen einer Anpassungsstörung, einer koronaren 3-Gefäßerkrankung und einem metabolischen Syndrom in seinem Beruf als Koch bzw. Küchenchef sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich arbeiten könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert und nicht berufsunfähig, weil er auch weiterhin in seinem Beruf sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne.

Hiergegen richtet sich die am 15.07.2020 beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage. Zur Begründung hat der Kläger geltend gemacht, seine Einschränkungen auf neurologisch-psychiatrischem, internistischem und orthopädischem Gebiet seien nicht hinreichend gewürdigt worden. Zudem bestehe Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn er habe zuletzt als Küchenchef eine qualifizierte Tätigkeit in seinem Ausbildungsberuf ausgeübt. Die bestehenden Beeinträchtigungen seien mit dem Anforderungsprofil einer derartigen Tätigkeit nicht vereinbar.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. H2 hat mit Schreiben vom 05.11.2020 (S. 42 f. SG-Akte) mitgeteilt, der Kläger sei wegen einer anhaltenden schweren depressiven Episode weiterhin nicht arbeitsfähig. M1 hat unter dem 11.11.2020 (S. 44 ff. SG-Akte) ausgeführt, durch die massiv beklagten Beschwerden im lumbo-sakralen Übergang und in beiden Füßen könne die Tätigkeit als Koch oder Küchenchef nicht mehr ausgeführt werden, jedoch seien körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung möglich. K1 hat auch eine Tätigkeit als Koch oder Küchenchef täglich sechs Stunden für möglich gehalten, die körperlichen Einschränkungen durch die koronare Herzkrankheit seien gering (Schreiben vom 10.11.2020, S. 47 ff. SG-Akte). A1 hat mit Schreiben vom 19.11.2020 (S. 55 f. SG-Akte) ausgeführt, wegen einer Depression sei der Kläger nur unter drei Stunden täglich leistungsfähig. S2 hat über nur sporadische Vorstellungen berichtet, ihm sei keine relevante Einschränkung bekannt (Schreiben vom 24.11.2020, S. 73 ff. SG-Akte). K2 ist von einem aufgehobenen Leistungsvermögen bei Vorliegen einer mittelgradigen depressiven Episode ausgegangen (Schreiben vom 18.12.2020, S. 82 f. SG-Akte). Die Beklagte hat hierzu die sozialmedizinische Stellungnahme von J1 vom 04.02.2021 (S. 87 f. SG-Akte) vorgelegt, die weiterhin von einem über sechsstündigen Leistungsvermögen ausgegangen ist.

Das SG hat zusätzlich ein psychiatrisches Gutachten bei H3 eingeholt. Dieser hat im Gutachten vom 18.03.2021 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am Vortag eine Dysthymia diagnostiziert, weshalb der Kläger die Tätigkeit als Küchenchef mit Personalverantwortung nicht mehr ausüben könne. Daneben seien für das berufliche Leistungsvermögen insbesondere die koronare Herzkrankheit, das metabolische Syndrom und das degenerative Wirbelsäulenleiden relevant. Leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten seien mindestens sechs Stunden täglich möglich ohne besonderen Zeitdruck, Nachtschicht oder besondere Verantwortung sowie ohne häufiges Bücken, häufiges Treppensteigen sowie Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten. Als Koch könne der Kläger noch sechs Stunden täglich tätig sein. Die Beklagte hat hierzu eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von J1 vom 23.06.2021 vorgelegt (S. 171 f. SG-Akte), die ebenfalls von einem erhaltenen Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Koch ausgegangen ist.

Mit Gerichtsbescheid vom 01.08.2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Es ist unter Zugrundelegung des Gutachtens des H3 und der Aussagen der behandelnden Ärzte K1 und M1 davon ausgegangen, dass der Kläger mindestens sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten verrichten kann mit qualitativen Einschränkungen und damit nicht erwerbsgemindert ist. Auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht. Es könne offenbleiben, ob der Kläger als Küchenchef nach dem Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts (BSG) als Facharbeiter oder Meister/Spezialfacharbeiter/Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber mehreren Facharbeitern einzustufen sei, denn er könne jedenfalls zumutbar auf die Facharbeitertätigkeit als Koch verwiesen werden, die ihm nach den Ausführungen des Sachverständigen H3 auch gesundheitlich noch möglich sei.

Gegen den seinem damaligem Bevollmächtigten am 15.08.2022 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 26.08.2022 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung des Klägers, die er nach Bewilligung der Altersrente auf den Zeitraum zwischen Antragstellung und Eintritt in die Altersrente beschränkt hat (S. 91 Senatsakte). Zur Begründung hat er vorgetragen, die vom gerichtlichen Sachverständigen gestellte Diagnose einer depressiven Störung mit zeitweise dysthymer Stimmung weiche eklatant von der Beurteilung seiner Therapeuten ab, seine Belastung sei erheblich höher, als vom Sachverständigen dargestellt. Auch wenn derzeit die Pumpfunktion des Herzens zufriedenstellend sei, bestehe eine hohe Gefahr der Überlastung, insbesondere bei Stress oder körperlichen Belastungen. Offensichtlich habe sich das SG nur rudimentär mit dem Berufsbild des Kochs auseinandergesetzt, die Tätigkeit sei mindestens als mittelschwer einzustufen.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 01.08.2022 und den Bescheid der Beklagten vom 08.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, für die Zeit vom 01.03.2019 bis 31.10.2022 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach Hinweis des Senats auf eine möglicherweise bestehende Unvereinbarkeit der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers mit den Arbeitsbedingungen eines Kochs unter Berücksichtigung der Angaben in der Datenbank der Bundesagentur für Arbeit hat die Beklagte als Verweisungstätigkeiten benannt: Empfangsmitarbeiter im Catering-Unternehmen, Fachberater im Lebensmittelgroßhandel, Poststellenmitarbeiter und Registrator. Hierzu hat sie erneut eine beratungsärztliche Stellungnahme von J1 vom 14.12.2022 (S. 100 f. Senatsakte) vorgelegt.

Im Erörterungstermin am 15.06.2023 hat sich der Kläger ausführlich zu der von ihm zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit im Restaurant S1 geäußert. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll (S. 124 ff. Senatsakte) Bezug genommen. Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozess-akten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 08.07.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für den allein noch streitigen Zeitraum vom 01.03.2019 bis zum 31.10.2022, weil er in dieser Zeit im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen weder erwerbsgemindert noch berufsunfähig war.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 Satz 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie - u.a. - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat 10.12.1976, u.a. GS 2/75, zitiert - wie alle nachfolgenden Entscheidungen - nach juris) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist zur Überzeugung des Senats im streitigen Zeitraum noch in der Lage gewesen, leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Nicht mehr zumutbar gewesen sind Arbeiten mit besonderem Zeitdruck, besonderer Verantwortung, Nachtschicht oder mit häufigem Bücken, häufigem Treppensteigen sowie Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten. Der Senat stützt sich insoweit maßgeblich auf das gerichtliche Sachverständigengutachten des H3, zudem auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten des H1, das im Wege des Urkundsbeweises verwertet wird, sowie die Aussagen der sachverständigen Zeugen K1 und M1.

Ausgangspunkt der Krankheitsgeschichte des Klägers ist das Auftreten einer koronaren Herzkrankheit im Jahr 2018 mit nachfolgend drei Operationen, bei denen mehrere Stents implantiert worden sind. Aus dieser Erkrankung resultiert jedoch keine überdauernde, rentenrelevante Leistungsminderung. Bereits aus der Rehabilitation 2018 ist der Kläger mit einem vollständig erhaltenen Leistungsvermögen für die berufliche Tätigkeit (auch als Koch/Küchenchef) entlassen worden, wie sich dem Entlassungsbericht entnehmen lässt. Auch der behandelnde K1 führt in seiner Aussage gegenüber dem SG aus, dass die körperlichen Einschränkungen durch die koronare Herzkrankheit gering sind. Dies wird bestätigt durch die von ihm mitgeteilten Befunde. So konnte der Kläger bei guter linksventrikulärer Pumpfunktion im September 2020 bis 100 Watt belastet werden ohne Auftreten einer Angina pectoris Symptomatik oder signifikanter Ischämiezeichen. Der Kläger selbst bestätigt in seiner Berufungsbegründung die auch derzeit zufriedenstellende Pumpfunktion des Herzens und stellt lediglich auf eine theoretische Überlastungsgefahr bei Stress oder körperlichen Belastungen ab, die jedoch unter Berücksichtigung der oben dargelegten qualitativen Einschränkungen im Rahmen einer noch zumutbaren beruflichen Tätigkeit im streitigen Zeitraum nicht zu besorgen gewesen ist.

Auf orthopädischem Gebiet liegen degenerative Veränderungen insbesondere der Wirbelsäule vor mit chronisch rezidivierenden Cervicobrachialgien und Lumbalgien bei Bandscheibenprotrusionen cervical und lumbal sowie eine einlagenpflichtige Knick-Senk-Spreizfußbildung beidseits, wie sich der Aussage des M1 gegenüber dem SG sowie dem Arztbrief des V1 vom 22.01.2020 (S. 46 SG-Akte) mit Hinweis auf MRT-Untersuchungen von August und November 2018 entnehmen lässt. Die von V1 im Januar 2020 durchgeführte elektrophysiologische Untersuchung ergab keine Schädigungszeichen cervicaler Nervenwurzeln. Auch im Rahmen der Untersuchung durch den Sachverständigen H3 hat sich an den unteren und oberen Extremitäten eine regelrechte Muskeltrophik und ein normaler Muskeltonus gezeigt mit unauffälliger Kraftentfaltung, seitengleich auslösbaren Muskeleigenreflexen sowie kräftig ausgebildeter Muskulatur der oberen Extremitäten, insbesondere auch der Hände. Einschränkungen des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht lassen sich hieraus nicht ableiten, wie der behandelnde Orthopäde M1 ausdrücklich bestätigt. Daneben bestehen Verschleißerscheinungen des rechten Kniegelenks mit einem Riss des Innenbandes nach Kniegelenksdistorsion, wie durch eine MRT des rechten Kniegelenks vom 02.02.2021 bestätigt worden ist (Arztbrief S3 vom 02.02.2021, S. 158 SG-Akte). Auch hieraus ergibt sich im streitigen Zeitraum keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens, wie sich aus der nachvollziehbaren Stellungnahme J1 vom 23.06.2021 (S. 171 f. SG-Akte) entnehmen lässt, die der Senat als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen berücksichtigt.

Der Schwerpunkt der Beeinträchtigungen liegt - bezogen auf den streitigen Zeitraum - ohnehin auf psychiatrischem Gebiet. Der gerichtliche Sachverständige H3 hat nachvollziehbar und überzeugend eine Dysthymia (ICD-10 F34.1) diagnostiziert, die lediglich zu den oben genannten qualitativen Einschränkungen führt, jedoch keine zeitliche Leistungseinschränkung begründet. Der von ihm erhobene psychische Befund des Klägers (bewusstseinsklar, allseits orientiert, mit intakter Auffassung; Konzentration über die Untersuchungsdauer von fünf Stunden ohne Nachlassen, Konzentrationsstörung nicht objektivierbar; Gedächtnisfunktionen ohne grobe Defizite; formaler Gedankengang geordnet, flüssig und schnell; angedeutete sozialphobische Ängste und Schamgefühl, keine Zwangssymptome; keine Hinweise auf inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen bzw. Ich-Störungen; Schwingungsfähigkeit voll erhalten - zeitweise dysthym, zeitweise gut gestimmt; Antrieb leicht reduziert, Kontaktverhalten freundlich und offen) steht mit dieser Diagnose in Einklang. Wie H3 weiter plausibel ausführt, lässt sich aus den in der Akte dokumentierten Befunden zu keinem Zeitpunkt der Schweregrad einer mittelgradigen (oder gar schweren) depressiven Episode sichern, ebenso ist kein episodischer Verlauf der depressiven Erkrankung erkennbar. Vielmehr ist zunächst eine Anpassungsstörung aufgetreten, wie H2 anfangs diagnostiziert hat und ebenso der Verwaltungsgutachter H1, die nach mehr als zweijährigem Verlauf als Dysthymia einzuordnen ist, so für den Senat überzeugend H3.

Soweit die behandelnden Ärzte H2 und A1 sowie K2 von einem aufgehobenen Leistungsvermögen ausgehen, überzeugt dies den Senat nicht. Die von H2 behauptete schwere depressive Episode ist schon nicht befundgestützt. Auch A1 und die K2 schildern keine Befunde oder Funktionseinschränkungen, die eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens begründen könnten. Zudem misst der Senat generell der Einschätzung gerichtlicher Sachverständiger ein höheres Gewicht zu, denn diese haben die Beschwerdeangaben kritisch zu hinterfragen und eine Konsistenzprüfung durchzuführen. Eine allein auf die subjektiven Angaben des eigenen Patienten gestützte Leistungseinschätzung kann insoweit nicht überzeugen.

Unter Zugrundelegung all dessen hat der Senat keine ernsthaften Zweifel, dass der Kläger im streitigen Zeitraum noch in der Lage gewesen ist, jedenfalls leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung der oben festgestellten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, sodass er weder voll noch teilweise erwerbsgemindert gewesen ist (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI). Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz hätte vermittelt werden können, weil nach § 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist vorliegend im Streitzeitraum nicht erforderlich gewesen (vgl. BSG 14.09.1995, 5 RJ 50/94, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie den Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des BSG sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG a.a.O.; BSG 27.04.1982, 1 RJ 132/80). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeit, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Diese zur früheren Rechtslage entwickelten Grundsätze sind auch für Ansprüche auf Renten wegen Erwerbsminderung nach dem ab dem 01.01.2001 geltenden Recht weiter anzuwenden (vgl. zuletzt BSG 11.12.2019, B 13 R 7/18 R). Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm ist den qualitativen Einschränkungen (s.o.) im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten im streitigen Zeitraum zuzumuten gewesen sind.

Bei dem Kläger hat auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung in Gestalt einer Einschränkung seiner Wegefähigkeit (vgl. dazu nur BSG 12.12.2011, B 13 R 79/11 R, Rn. 20 m.w.N. und BSG 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R, m.w.N.) vorgelegen. Eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich, weshalb das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität deshalb Teil des in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Risikos ist; das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach dem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand (weniger als 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen, Rollator) und Beförderungsmöglichkeiten (insbes. die zumutbare Benutzung eines vorhandenen Kfz) zu berücksichtigen.

Der Kläger ist in seiner Mobilität nicht in diesem Sinne eingeschränkt gewesen. Dies ergibt sich überzeugend und nachvollziehbar aus den Ausführungen des Sachverständigen H3, der ausdrücklich die Wegefähigkeit im oben dargelegten Sinn bestätigt hat. Abgesehen davon verfügt der Kläger - auch im streitigen Zeitraum - über einen Pkw, auf den er zur Erreichung eines Arbeitsplatzes verwiesen werden kann. Die zumutbare Nutzung eines Kraftfahrzeugs schließt eine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit aus (BSG, a.a.O.).

Der entscheidungserhebliche medizinische Sachverhalt ist damit geklärt. Die aktenkundigen ärztlichen Unterlagen, namentlich das Sachverständigengutachten des H3, das im Verwaltungsverfahren eingeholte, urkundsbeweislich verwertete Gutachten von H1 und die Aussagen der behandelnden Ärzte K1 und M1 sowie die beratungsärztlichen Stellungnahmen haben dem Senat die erforderlichen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermittelt. Für eine weitere Beweiserhebung ist regelmäßig kein Raum, wenn das Gericht sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit einander widersprechenden Gutachtensergebnissen auseinandersetzt und eines von mehreren Gutachten für überzeugend hält (vgl. BSG 01.04.2014, B 9 V 54/13 B). Erst recht gilt dies bei abweichenden Einschätzungen behandelnder Ärzte oder Therapeuten, wie hier H2, A1 und K3.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die - unter anderem - vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt der Beurteilung ist danach der bisherige Beruf (hierzu und zum Nachfolgenden: BSG 12.02.2004, B 13 RJ 34/03 R; BSG 20.07.2005, B 13 RJ 29/04 R). Darunter ist im Allgemeinen diejenige der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit zu verstehen, die zuletzt auf Dauer, d.h. mit dem Ziel verrichtet wurde, sie bis zum Eintritt der gesundheitlichen Unfähigkeit oder bis zum Erreichen der Altersgrenze auszuüben; in der Regel ist das die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls wenn sie die qualitativ höchste ist.

Der Kläger, gelernter Koch, war zuletzt als Küchenchef im Restaurant S1 tätig. Eine abgeschlossene Fortbildung zum geprüften Küchenmeister (vgl. dazu Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Küchenmeister/Geprüfte Küchenmeisterin - KüchMeistPrV vom 05.08.2003, BGBl. I S. 1560) hat er nicht durchlaufen; er hat auch selbst eingeräumt, über keine Meisterausbildung zu verfügen (vgl. Bl. 125 Senats-Akte).

Den Beruf eines Kochs bzw. Küchenchefs konnte der Kläger im allein noch streitigen Zeitraum nicht mehr ausüben. Die Tätigkeit als Koch wird überwiegend im Stehen ausgeübt, es handelt sich um eine körperlich anstrengende Arbeit mit schwerem Heben und Tragen. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Bundesagentur für Arbeit zu den Arbeitsbedingungen von Köchen (https://web.arbeitsagentur.de/berufenet/beruf/3726#taetigkeit_arbeitsumfeld_arbeitsbedingungen, vgl. S. 96 f. Senatsakte), die den Beteiligten vorab zur Kenntnis gegeben worden sind. Diesen Anforderungen ist der Kläger gesundheitlich nicht mehr gewachsen gewesen, denn es handelt sich nicht um eine körperlich leichte Arbeit, die in wechselnder Körperhaltung ausgeübt werden kann, sodass die Tätigkeit mit dem vom Senat festgestellten positiven Leistungsbild des Klägers nicht in Einklang zu bringen ist. Als Küchenchef kommt noch eine sehr viel höhere Stressbelastung hinzu, die angesichts der bestehenden Herzkrankheit und der psychischen Einschränkungen erst recht nicht mehr toleriert werden kann.

Hiermit war der Kläger im streitigen Zeitraum aber noch nicht berufsunfähig. Dies wäre vielmehr erst dann der Fall gewesen, wenn es im hier maßgeblichen Zeitraum auch keine andere Tätigkeit gegeben hätte, die ihm sozial zumutbar und für die er sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet gewesen ist.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters („Spezialfacharbeiter“, Meister; zu dieser Gruppe s. nur BSG 27.08.2009, B 13 R 85/09 B, Rn. 8), des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert.

Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf Tätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas verwiesen werden. Facharbeiter sind dementsprechend nur auf Tätigkeiten ihrer Gruppe und der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten mit einer Ausbildungszeit von wenigstens drei Monaten verweisbar (BSG 30.09.1987, 5b RJ 20/86). Die vielschichtige und inhomogene Gruppe der angelernten Arbeiter zerfällt nach der Rechtsprechung des BSG in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich der Stufe mit dem Leitberuf des Angelernten sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen, Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten zuzuordnen (BSG 29.03.1994, 13 RJ 35/93). Angehörige der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich können nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch Qualitätsmerkmale, z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen, wobei mindestens eine solche Verweisungstätigkeit konkret zu bezeichnen ist (BSG a.a.O.). Versicherte, die zur Gruppe der ungelernten Arbeiter oder zum unteren Bereich der angelernten Arbeiter gehören, können grundsätzlich auf alle auf dem Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten verwiesen werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich, weil auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung steht, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG 14.09.1995, 5 RJ 50/94).

Unter Anwendung dieser Grundsätze und auf Grundlage der vom Kläger selbst vorgetragenen Umstände kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Kläger in der maßgeblichen, zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit als Küchenchef im Restaurant S1 als Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern oder Spezialfacharbeiter gearbeitet hat.

Eine Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern hatte der Kläger schon nach seinen eigenen Angaben nicht. Er hat im Erörterungstermin vom 15.06.2023 dargelegt, dass insgesamt im S1 10 bis 14 Mitarbeiter beschäftigt gewesen seien, davon vier zusammen mit ihm in der Küche, das übrige Personal schichtweise im Service bzw an der Kuchentheke. Dabei waren ihm (u.a. polnische oder rumänische) Küchenhilfen unterstellt, bei denen es sich um ungelernte Kräfte handelte. Der Kläger verkennt insoweit, dass es nicht darauf ankommt, ob irgendwelches Personal (angelernte Köche, Küchenhilfen, Auszubildende usw.) unter ihm gearbeitet hat. Entscheidend ist auch nicht, dass er ausweislich der vorgelegten Arbeitszeugnisse stets hervorragende fachliche Leistungen erbracht hat, dass er über ein großes Fachwissen verfügt oder dass die erledigten Arbeiten anspruchsvoll waren und das Führen unqualifizierten Personals - wie er eindrücklich dargelegt hat - mit besonderen Herausforderungen verbunden ist. Im hier gegebenen Zusammenhang ist allein eine Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern maßgeblich. Das BSG hat den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion gebildet, um Versicherte mit Leitungsfunktion, deren Berufstätigkeit infolge besonderer geistiger und persönlicher Anforderungen die des Facharbeiters in ihrer Qualität noch deutlich überragt, in einer besonderen Gruppe zusammenzufassen (BSG 07.06.1988, 8/5a RKn 14/87, Rn. 13). Schlichte Vorarbeiter, die keine wesentlich anderen, höherwertigen Arbeiten als die der Gruppe der Facharbeiter angehörenden Arbeiter verrichten, fallen nicht hierunter. Vielmehr müssen hierfür regelmäßig Weisungsbefugnisse nicht nur gegenüber Angelernten und Hilfsarbeitern, sondern gegenüber mehreren anderen Facharbeitern bestehen (BSG a.a.O.) und zwar wegen der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit und nicht etwa auf Grund des Lebensalters oder langjähriger Betriebszugehörigkeit (BSG 03.11.1982, 1 RJ 12/81, Rn. 13). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger ersichtlich nicht. Allein aus der Anstellung als „Küchenchef“ lässt sich nichts anderes herleiten, denn es kommt nicht auf die Bezeichnung der Tätigkeit an, sondern auf die tatsächlichen Umstände. Der Kläger hat als (einziger) gelernter Koch im S1 eine durchaus anspruchsvolle Facharbeitertätigkeit ausgeübt, jedoch keine, die sich gegenüber anderen Facharbeitern deutlich heraushebt und einer Meistertätigkeit vergleichbar wäre.

Unter Zugrundelegung all dessen ist der Kläger zur Überzeugung des Senats im streitigen Zeitraum als (einfacher) Facharbeiter auf Tätigkeiten der nächst niedrigen Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten mit einer Ausbildungszeit von wenigstens drei Monaten verweisbar. Insoweit kann er zumutbar jedenfalls auf die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters verwiesen werden, worauf im Berufungsverfahren hingewiesen worden ist (s. S. 126 Senats-Akte). Wie der Senat bereits mehrmals entschieden hat (Urteile vom 13.12.2018, L 10 R 411/15 m.w.N.; 18.10.2018, L 10 R 3942/17; 23.03.2006, L 10 R 612/05), ist die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle auf Grundlage der Entlohnung einer solchen Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe VIII des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) bzw. Entgeltgruppe (EG) 3 der Entgeltordnung der Länder bzw. Entgeltordnung des Bundes (TV EntgO Bund) eine für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeit, wobei entsprechende Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind.

Die Tätigkeit als Mitarbeiter in der Poststelle umfasst (Senatsurteil vom 13.12.2018, L 10 R 411/15, m.w.N.) die Entgegennahme und das Öffnen der täglichen Eingangspost (Postsäcke, Postkörbe, Pakete, Briefsendungen, u.a.) sowie der Hauspost, die Entnahme des Inhaltes von Postsendungen, die Überprüfung der Vollständigkeit, das Anbringen eines Posteingangsstempels bzw. eines Eingangs-/Weiterleitungsvermerkes, das Anklammern der Anlagen, das Auszeichnen, Sortieren und Verteilen der Eingangspost innerhalb der Poststelle in die Fächer der jeweils zuständigen Abteilungen. Daneben bereiten Poststellenmitarbeiter die Ausgangspost vor. Dies geschieht durch Falzen und Sortieren, Kuvertieren bzw. Verpacken der Post, das Frankieren und Bereitstellen der ausgehenden Post, das Bedienen der Kuvertier- und Frankiermaschine und Beschriften der ausgehenden Aktenpost, das Packen von Päckchen und Paketen, das Eintragen von Wert- und Einschreibesendungen in Auslieferungsbücher. Es handelt sich hierbei regelmäßig um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen und temperierten Räumen im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass gelegentlich Lasten über 10 kg gehoben bzw. getragen werden müssen. Doch sind solche Transporttätigkeiten in größeren Behörden und Firmen nicht typisch für die Tätigkeit in der Poststelle, weil der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle dort von nur wenigen, speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen wird (Senatsurteil vom 23.03.2006, L 10 R 612/05). Demgemäß ist - was für die Benennung auch als körperlich leichte Verweisungstätigkeit genügt - die Mehrheit der Mitarbeiter der Poststelle ausschließlich mit dem Fertigmachen der auslaufenden Post und mit der Bearbeitung der eingehenden Post betraut, sodass die zu verrichtenden Aufgaben nicht den Schweregrad leichter körperlicher Tätigkeiten übersteigen (so bereits LSG Rheinland-Pfalz 26.5.1997, L 2 I 47/95, Rn. 54 m.w.N.).

Eine solche Tätigkeit konnte der Kläger im maßgeblichen Zeitraum noch im Umfang von zumindest sechs Stunden täglich ausüben, wie sich aus dem oben dargelegten Leistungsvermögen des Klägers ergibt. Die bestehenden qualitativen Einschränkungen sind mit dieser Tätigkeit ohne Weiteres vereinbar, denn dabei handelt es sich - wie oben dargelegt - um eine Arbeit im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen; die Tätigkeit geht auch nicht mit Zeitdruck, Stress oder hoher geistiger Beanspruchung bzw. erhöhter Verantwortung einher (Senatsurteil vom 08.12.2014, L 10 R 1180/11).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


 

Rechtskraft
Aus
Saved