Bei schwankenden Einkünften ist der Rentenbezieher verpflichtet, das jeweils tatsächlich erzielte Einkommen mitzuteilen. Unterlässt er dies trotz klarer und eindeutiger Hinweise des Rentenversicherungsträgers, handelt er grob fahrlässig. Ein atypischer Fall, der im Rahmen von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X die Ausübung von Ermessen erfordert, folgt nicht aus der unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen des Hinzuverdienstes im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung und der Alterssicherung der Landwirte.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10.10.2022 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.04. bis 31.12.2020 und die Erstattung überzahlter Rente i.H.v. 263,82 €.
Der 1957 geborene Kläger war als Landwirt seit Januar 1986 versichert, die landwirtschaftlichen Flächen gab er zum 01.11.2012 ab. Daneben war der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert und bezieht seit 01.08.2019 eine Altersrente wegen Schwerbehinderung von der DRV Baden-Württemberg.
Am 29.07.2019 (S. 361 Verwaltungsakte – VerwA) beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab hierbei an, derzeit eine geringfügige Beschäftigung auszuüben (S. 367 VerwA). Mit Rentenbescheid vom 11.02.2020 (S. 492 ff. VerwA) bewilligte die Beklagte dem Kläger beginnend ab dem 01.08.2019 Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 13 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) mit einem monatlichen Zahlbetrag von 344,30 €, ab 01.03.2020 von 343,92 €. In dem Bewilligungsbescheid wurde u.a. auf die grundsätzliche Anrechnung von Hinzuverdienst auf die Rente, Hinzuverdienstgrenzen und die Mitteilungspflichten bei Hinzuverdienst sowie eine ggf. bestehende Erstattungspflicht hingewiesen. Dabei ging die Beklagte fehlerhaft davon aus, dass der Kläger derzeit keinen Hinzuverdienst erziele („Sie erzielen nach unseren Ermittlungen keinen Hinzuverdienst, so dass eine Kürzung der Rente nicht vorzunehmen ist.“, S. 494 VerwA). Ab 01.07.2020 erhöhte sich der monatliche Zahlbetrag auf 355,72 € (Anpassungsmitteilung vom 14.06.2020, S. 504 VerwA).
Mit Schreiben vom 29.10.2021 forderte die Beklagte zur Überprüfung des Hinzuverdienstes Angaben des Klägers zu Einkommen im Jahr 2020. Der Kläger teilte mit, er habe im Jahr 2020 insgesamt 4.529,22 € erzielt, monatlich im Durchschnitt also 377,44 €. Da es sich um Urlaubs- und Krankheitsvertretungen gehandelt habe, habe der Monatsverdienst stark geschwankt. Ergänzend legte er die Verdienstbescheinigungen vor. Hieraus ergab sich, dass der Kläger im Jahr 2020 die Hinzuverdienstgrenze von 450 € in fünf Monaten überschritten hatte (Bruttoeinkünfte Januar 504,88 €, Februar 506,10 €, April 559,53 €, August 643,39 €, Dezember 600,91 €).
Mit Bescheid vom 22.11.2021 (S. 523 ff. VerwA) verfügte die Beklagte eine teilweise Aufhebung der Rentenbewilligung hinsichtlich der Rentenhöhe für die Zeit vom 01.04. bis 31.12.2020 nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Die Rente sei wegen des Hinzuverdienstes neu zu berechnen. Ein zweimaliges Überschreiten der jeweiligen Hinzuverdienstgrenze bis zum Doppelten sei innerhalb eines Jahres zulässig. So sei das Überschreiten im Januar und Februar 2020 unschädlich. Für die Monate April, August und Dezember 2020 müsse die Rente gekürzt werden und werde in diesen Monaten nur in Höhe von ¾ geleistet. Daraus ergebe sich eine Überzahlung i.H.v. insgesamt 263,82 €, die vom Kläger zu erstatten sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Rentenberechnung und der geltend gemachten Überzahlung wird auf den Bescheid verwiesen.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass ein atypischer Fall vorliege und im Rahmen der Ermessensausübung von einer Rückforderung abgesehen werden müsse. Der tatsächliche Hinzuverdienst habe lediglich 4.475,24 € betragen, womit der Kläger deutlich unter dem bleibe, was er hätte hinzuverdienen können (5.400 € bei 12 x 450 € bzw. bis zu 6.300 € bei zweimaligem Überschreiten bis zum Doppelten). Damit sei auch der Sinn und Zweck der Norm, Arbeiten auf Kosten der Restgesundheit wirtschaftlich zu begrenzen, nicht mehr tangiert. Für den Kläger sei ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze auch nicht erkennbar gewesen, nachdem sich im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung seit 01.07.2017 die Hinzuverdienstgrenze auf 6.300 € belaufe, was in der Presse publiziert und in der Bevölkerung bekannt gemacht worden sei. Dass es in der landwirtschaftlichen Alterssicherung bei der früher auch in der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Regelung geblieben sei, sei dagegen nicht bekannt geworden. Es stelle sich die Frage, ob diese Regelung vom Gesetzgeber schlicht vergessen worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Darlegung der rechtlichen Grundlagen wurde zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger Einkommen erzielt habe, das zum teilweisen Wegfall des Anspruchs geführt habe und zudem Mitteilungspflichten gegenüber der Beklagten verletzt habe. Ein atypischer Fall liege nicht vor, so dass die Beklagte kein Ermessen auszuüben habe. Soweit der Kläger geltend mache, ihm sei die Regelung zum Hinzuverdienst nicht bekannt gewesen, könne dem nicht gefolgt werden. Dem Bescheid vom 10.02.2020 seien mehrere Merkblätter beigefügt gewesen, aus denen sich die Mitwirkungs- und Meldepflichten wie auch die konkreten Hinzuverdienstgrenzen ergeben hätten. Ein Hinzuverdienst sei stets zu melden; der Versicherte habe nicht abzuwägen, ob die Meldepflicht entfalle, wenn sich aus seiner Sicht keine Änderung der Rente hieraus ergebe.
Am 23.05.2022 hat der Kläger beim Sozialgericht Mannheim (SG) mit dem Begehren Klage erhoben, den Bescheid vom 22.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2022 aufzuheben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft.
Mit Urteil vom 10.10.2022, der Beklagten zugestellt am 17.10.2022, hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und angeordnet, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der vom Kläger 2020 erzielte Hinzuverdienst zwar grundsätzlich nach § 27a ALG zur Minderung seines Rentenanspruchs in den Monaten April, August und Dezember 2020 führe. Der Aufhebungstatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X (Erzielung von Einkommen, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs führt) sei somit erfüllt. Es handele sich allerdings um eine Sollvorschrift, so dass Ermessen auszuüben sei, wenn ein Sachverhalt vorliege, der sich vom Regelfall signifikant unterscheide. Dem werde der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungskonzepte zum Hinzuverdienst in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Bereich der Alterssicherung der Landwirte nicht gerecht. Die These des Klägers, dass die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen vorliegend in einem auffälligen Missverhältnis zu dem im Gesamtjahr möglichen Hinzuverdienst und der dadurch entstandenen Überzahlung stehe, erscheine nachvollziehbar. Ebenso könne das SG gut nachvollziehen, dass der Kläger - auch angesichts des gleichzeitigen Bezugs von Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung - stillschweigend davon ausgegangen sei, dass die in diesem Bereich zum 01.07.2017 in Kraft getretene Reform auch für die Altershilfe der Landwirte Konsequenzen haben würde. Da ausreichende Ermessenserwägungen hierzu fehlten, sei der Bescheid rechtswidrig und aufzuheben.
Hiergegen richtet sich die vom SG zugelassene, am 14.11.2022 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, der Bescheid vom 11.02.2020 habe sowohl Merkblätter zum Thema Hinzuverdienst enthalten als auch Hinweise im Bescheid selbst. Die dem Bescheid zugrundeliegende Feststellung, dass kein Hinzuverdienst erzielt werde, sei angesichts der damaligen Angaben des Klägers falsch gewesen. Nachdem im Oktober 2021 aber bereits das Kalenderjahr 2020 überprüft worden sei, habe sich die Beklagte entschieden, zugunsten des Klägers eine nachträgliche Prüfung des Zeitraums August bis Dezember 2019 nicht mehr vorzunehmen. Für 2020 habe jedoch ein neuer Abrechnungszeitraum begonnen, für den die Prüfung des Hinzuverdienstes relevant sei. Aus Sicht der Beklagten liege vorliegend kein atypischer Fall vor, der nach § 48 SGB X Ermessenserwägungen erfordern würde. Da der Hinzuverdienst für 2020 nicht zeitnah gemeldet worden sei, sei bereits der Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X erfüllt. Hier habe der Gesetzgeber festgelegt, dass ein Verstoß gegen einen meldepflichtigen Umstand eine Neuberechnung bereits ab Änderung der Verhältnisse zulasse. Auch hinsichtlich des Tatbestandes des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sei nicht ersichtlich, wieso die Änderung einer Vorschrift der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 96a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI) bei der Alterskasse eine Atypik auslösen sollte, zumal sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden habe (unter Hinweis auf BT-Drs. 18/9787). Die Diskussion, ob die Regelung zum Hinzuverdienst plausibel sei, sei auf der Ebene der Atypik des § 48 SGB X falsch angesiedelt, die Beklagte habe ihr Verwaltungshandeln nach den gesetzlichen Vorschriften auszurichten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10.10.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das SG habe den teilweisen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid zu Recht wegen fehlender Ermessenserwägungen aufgehoben. Die Beklagte räume selbst ein, dass der Kläger seinen Hinzuverdienst bereits im Rentenantrag angegeben habe. Ein Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X könne damit nicht vorliegen.
Auf Anforderung hat der Kläger noch seine Verdienstabrechnungen für August bis Dezember 2019 vorgelegt (S. 37 ff. Senatsakte). Hieraus ergibt sich, dass die Hinzuverdienstgrenze von 450 € in diesem Zeitraum nicht überschritten worden ist.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (s. S. 44 und 45 Senatsakte).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 Abs. 3 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig und auch begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist nur der Bescheid der Beklagten vom 22.11.2021 in der Gestalt (§ 95 SGG) des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2022, mit dem die Beklagte den Bescheid über die Rentenbewilligung vom 11.02.2020 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Vergangenheit (April, August und Dezember 2020) teilweise aufgehoben und für diese Zeiträume eine Erstattungspflicht des Klägers wegen Überzahlung i.H.v. insgesamt 263,82 € verfügt hat.
Nicht Streitgegenstand ist der weitere Bescheid der Beklagten vom 23.03.2022 (S. 550 ff. VerwA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.07.2022 (S. 615 f. VerwA), mit dem die Beklagte die Rentenbewilligung hinsichtlich der Rentenhöhe für den Zeitraum 01.06. bis 31.10.2021 teilweise aufgehoben und eine Erstattung i.H.v. 266,46 € verfügt hat. Dieser Bescheid ist - wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat - nicht nach § 86 Abs. 1 SGG Gegenstand des zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids noch anhängigen Widerspruchsverfahrens in der vorliegenden Streitsache geworden, denn die dortige Verfügung ändert den hier streitigen Bescheid weder ab, noch ersetzt sie ihn. Die dagegen gerichtete Klage ist beim SG noch anhängig (S 9 LW 1470/22).
Zu Unrecht hat das SG den Bescheid vom 22.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2022 aufgehoben. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, sodass die dagegen statthaft gerichtete Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) des Klägers unbegründet ist. Denn die Beklagte hat zu Recht die Rentenbewilligung hinsichtlich der Rentenhöhe für die Monate April, August und Dezember 2020 teilweise aufgehoben und für diesen Zeitraum vom Kläger die Erstattung eines Betrags i.H.v. 263,82 € verlangt. Auf die Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der angefochtene Bescheid ist in formeller Hinsicht rechtmäßig, obgleich die Beklagte die nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung des Klägers vor Erlass des Bescheids vom 22.11.2021 unterlassen hat. Dieser Fehler ist nach § 41 Abs. 1 Satz 3 SGB X jedoch unbeachtlich, da der Kläger während des Widerspruchsverfahrens hinreichend Gelegenheit zur Äußerung zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen hatte und die Anhörung damit wirksam nachgeholt worden ist (vgl. Bundessozialgericht - BSG - 29.11.2017, B 6 KA 33/16 R, zitiert - wie sämtliche nachfolgende Rechtsprechung - nach juris).
Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung der Beklagten ist § 48 SGB X. Der Anwendungsbereich der §§ 45 und 48 SGB X unterscheidet sich danach, ob die aufzuhebende Leistungsbewilligung im Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens (vgl. § 39 SGB X) rechtswidrig war - dann § 45 SGB X - oder erst danach - dann § 48 SGB X - rechtswidrig wurde. Die beiden Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, ab. Der Bescheid vom 11.02.2020, abgesandt am 12.02.2020 und damit dem Kläger am 15.02.2020 bekanntgegeben (§ 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X) und wirksam geworden, war zum Zeitpunkt seines Erlasses hinsichtlich der hier allein maßgebenden Rentenhöhe rechtmäßig. Unerheblich ist, dass die Beklagte von einer falschen Sachlage ausgegangen ist, indem sie zugrunde gelegt hat, dass der Kläger - entgegen seinen Angaben - keinen Hinzuverdienst erzielt. Denn auch unter Berücksichtigung des tatsächlichen Sachverhalts ist der Bescheid vom 11.02.2020 rechtlich zutreffend, da der Kläger ausweislich der vorliegenden Verdienstbescheinigungen erstmals im Januar 2020 einen Hinzuverdienst oberhalb der Grenze von 450 € erzielt hatte, der indes angesichts des zweimaligen erlaubten Überschreitens dieser Grenze (§ 27a Abs. 1 Satz 2 ALG) unschädlich war und sich damit auf die Rentenhöhe nicht ausgewirkt hat (vgl. Padé in jurisPK-SGB X, § 45 Rn. 52, Stand 17.04.2023). Erst durch den ab April 2020 erzielten Verdienst wurde die Rentenbewilligung hinsichtlich der Höhe nachträglich rechtswidrig (dazu später), so dass der Anwendungsbereich des § 48 SGB X eröffnet ist.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (Abs. 1 Satz 2 der Regelung), soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (Nr. 1), der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3), oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4).
Eine wesentliche Änderung in den, der Rentenbewilligung zugrundeliegenden, rechtlichen Verhältnissen i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X trat sodann ab 01.04.2020 ein. Zu diesem Zeitpunkt verminderte sich der Rentenanspruch des Klägers, weil er zum dritten Mal in diesem Jahr einen Hinzuverdienst oberhalb von 450 € erzielte. Nach § 27a Abs. 2 Nr. 2 ALG (i.d.F. vom 18.12.2018, BGBl. I S. 2651) beträgt die Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung - wie hier - 450 € monatlich. Diese Grenze hat der Kläger im Januar (504,88 €), Februar (506,10 €), April (559,53 €), August (643,39 €) und Dezember (600,91 €) überschritten. Da gemäß § 27a Abs. 1 Satz 2 ALG ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Hinzuverdienstgrenze nach Absatz 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt, wirkt sich die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze erst ab April 2020 aus. Nach § 27a Abs. 2 Nr. 3 lit. a ALG beträgt die Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von drei Vierteln das 0,51fache der monatlichen Bezugsgröße, im Jahr 2020 also 1.624,35 € (0,51 x 3.185 €, vgl. § 18 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch i.V.m. § 2 Abs. 1 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2020 i.d.F. vom 17.12.2019). Diese Grenze hat der Kläger nicht überschritten, so dass die Rente im April, August und Dezember 2020 in Höhe von drei Vierteln zu leisten war, wie von der Beklagten zutreffend berechnet. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Bescheid vom 22.11.2021 Bezug genommen.
Auch liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB X, unter denen die Beklagte die Bewilligung hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung für die Vergangenheit aufheben durfte, vor.
Der Kläger hat Einkommen erzielt, das zum (teilweisen) Wegfall bzw. zur Minderung des Rentenanspruchs geführt hat (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X), wie oben dargelegt. Die Vorschrift berechtigt nur zur Aufhebung, „soweit“ Einkommen erzielt wurde. Führt das Überschreiten einer Hinzuverdienstgrenze zum Wegfall einer Sozialleistung, so kann nur bis zur Höhe des Mehrverdienstes aufgehoben werden (BSG 17.02.2011, B 10 KG 5/09 R; BSG 23.03.1995, 13 RJ 39/94; Steinwedel in BeckOGK-SGB X, § 48 Rn. 50 m.w.N., Stand 01.12.2020). Auch unter diesem Gesichtspunkt besteht vorliegend keine Einschränkung. Im April 2020 lag eine Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze um 109,53 € vor, die Aufhebung erfolgte i.H.v. einem Viertel der Rente, also i.H.v. 85,98 € (Nettozahlbetrag 257,94 € anstelle von zuvor 343,92 €, vgl. Bescheid vom 22.11.2021, S. 523 ff. VerwA). In den Monaten August und Dezember 2020 wurde die Hinzuverdienstgrenze in noch größerem Umfang überschritten, so dass auch hier keine Beschränkung vorzunehmen ist.
Davon abgesehen bedeutet diese Beschränkung des Wirkungsbereichs von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht, dass die Aufhebung bis zur Höhe der Teilrente nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt sein könnte, etwa bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X, wie hier. Der Kläger hat es zur Überzeugung des Senats jedenfalls grob fahrlässig unterlassen, der Beklagten sein erzieltes Einkommen mitzuteilen. Zu dieser Mitteilung war er gesetzlich verpflichtet. Dies ergibt sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, u.a. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen hat. Dieser Pflicht ist der Kläger nicht schon dadurch nachgekommen, dass er bei der Antragstellung angegeben hat, eine geringfügige Beschäftigung auszuüben. Nur wenn er bei gleichbleibender Höhe des Einkommens dieses bereits bei Antragstellung konkret angegeben hätte, könnte ihm eine Verletzung von Mitteilungspflichten nicht vorgeworfen werden. Gerade angesichts der schwankenden Einkünfte, die dann auch erst im Jahr 2020 zu einer Anrechnung geführt haben, war der Kläger jedoch gehalten, das jeweils tatsächlich erzielte Einkommen mitzuteilen. Dies hat er nicht von sich aus zeitnah getan, sondern erst nach Aufforderung durch die Beklagte. Über diese Pflicht ist er bereits in seinem Rentenantrag ausdrücklich, eindeutig, klar und unmissverständlich hingewiesen worden (vgl. die vom Kläger unterschriebene Anlage B - Erklärung zu den Mitwirkungs- und Meldepflichten, S. 365 VerwA) und ebenso im Bescheid vom 11.02.2020 (S. 494 VerwA: „Sollte von Ihnen ab dem Rentenbeginn oder in Zukunft ein Hinzuverdienst erzielt werden oder sich die Höhe des Hinzuverdienstes geändert haben bzw. ändern, sind Sie im Rahmen der Mitwirkungspflichten verpflichtet, dies umgehend der Alterskasse zu melden. Gegebenenfalls überzahlte Rente ist von Ihnen zu erstatten.“).
Diese Mitteilungspflicht hat der Kläger zumindest grob fahrlässig verletzt. Nach dem insoweit maßgeblichen subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff (st. Rspr., vgl. BSG 05.09.2006, B 7a AL 14/05 R; BSG 23.07.1996, 7 RAr 14/96, jeweils m.w.N.) handelt grob fahrlässig, wer auf Grund einfachster und ganz naheliegender Überlegungen hätte erkennen können, dass er zur Mitteilung eines Umstandes verpflichtet war, oder wer dasjenige unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei sind auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit sowie das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen. In Anwendung dieser Maßstäbe hat der Kläger die Höhe seines Einkommens zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt. Dass er zu dieser Mitteilung verpflichtet gewesen ist, hätte ihm bewusst sein müssen, nachdem er bereits bei Rentenantragstellung einen entsprechenden Hinweis unterschrieben hat. Zudem hat ihn die Beklagte auf diese Mitteilungspflicht erneut in dem Rentenbewilligungsbescheid vom 11.02.2020 hingewiesen. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger nach seinen geistigen Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, diese leicht verständlichen und eindeutigen Hinweise zu verstehen; anderes hat der Kläger auch selbst nicht einmal behauptet.
Damit liegen auf der Tatbestandsseite die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Rentenbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB X vor.
Auf der Rechtsfolgenseite des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X bedeutet das Wort „soll“, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, er jedoch in atypischen Fällen nach seinem Ermessen hiervon abweichen kann. Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, ist als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden. Bei der Prüfung, ob eine zur Ermessensausübung zwingende Atypik des Geschehensablaufs vorliegt, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Diese müssen Merkmale aufweisen, die signifikant vom (typischen) Regelfall abweichen, in dem die Rechtswidrigkeit eines ursprünglich richtigen Verwaltungsakts ebenfalls durch nachträgliche Veränderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Hierbei ist zu prüfen, ob die mit der Aufhebung verbundene Pflicht zur Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen (§ 50 Abs. 1 SGB X) nach Lage des Falls eine Härte bedeuten, die den Leistungsbezieher in atypischer Weise stärker belastet als den hierdurch im Normalfall Betroffenen. Ebenso ist das Verhalten des Leistungsträgers im Geschehensablauf in die Betrachtung einzubeziehen. Mitwirkendes Fehlverhalten auf seiner Seite, das als eine atypische Behandlung des Falls i.S. einer Abweichung von der grundsätzlich zu erwartenden ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zu werten ist, kann im Einzelfall die Atypik des verwirklichten Tatbestands nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ergeben. Dabei ist die Frage, ob ein atypischer Fall vorliegt, nicht losgelöst davon zu beurteilen, welcher der in Nr. 1 bis 4 vorausgesetzten Aufhebungstatbestände erfüllt ist (zu allem statt vieler nur BSG 01.07.2010, B 13 R 77/09 R, Rn. 57 f., m.w.N., st. Rspr.).
Ein derartiger atypischer Fall ist zur Überzeugung des Senats entgegen der Auffassung des SG vorliegend nicht gegeben. Insbesondere lässt er sich nicht damit begründen, dass im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.07.2017 die Regelung des Hinzuverdienstes (§ 96a SGB VI) durch das Flexirentengesetz grundlegend geändert wurde, im Recht der Alterssicherung der Landwirte indes - bewusst (vgl. BT-Drs. 18/9787, S. 50) - nicht. Die Beklagte war nicht gehalten, sich mit der Sinnhaftigkeit der gesetzlichen Regelung unter dem Gesichtspunkt eines atypischen Falles auseinanderzusetzen, denn sie ist, ebenso wie das Gericht, nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz an das geltende Recht gebunden. Soweit das SG auf ein mögliches Missverhältnis zwischen dem im Gesamtjahr möglichen Hinzuverdienst und der entstandenen Überzahlung hinweist, ist dies allein auf der Tatbestandsseite unter dem Gesichtspunkt der Begrenzung der Rückforderung auf die entstandene Überzahlung („soweit“ Einkommen erzielt wurde i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X) zu berücksichtigen, führt jedoch im vorliegenden Fall zu keiner Einschränkung, wie oben dargelegt. Ebenso spielt keine Rolle, welche Vorstellungen sich der Kläger hinsichtlich der Reform des Hinzuverdienstrechts im Bereich der Alterssicherung der Landwirte gemacht haben mag. Derartige Überlegungen könnten allenfalls im Rahmen der Frage von Belang sein, ob der Kläger wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, dass der sich aus der Rentenbewilligung ergebende Anspruch aufgrund des erzielten Einkommens ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Da indes bereits die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 SGB X erfüllt sind, bedarf diese Frage vorliegend keiner Entscheidung.
Auch unter anderen Gesichtspunkten stellt sich der vorliegende Sachverhalt nicht als atypisch dar. Die Beklagte trifft kein Mitverschulden an der entstandenen Überzahlung, diese beruht vielmehr allein auf der fehlenden Mitteilung des Klägers von seinen geänderten Einkommensverhältnissen. Eine besondere Härte liegt angesichts des geringen Rückforderungsbetrags ebenfalls ersichtlich nicht vor. Insoweit kommt es für die Frage eines atypischen Falls maßgeblich darauf an, ob der Versicherte „infolge des Wegfalls jener Sozialleistung, deren Bewilligung rückwirkend aufgehoben wurde, im Nachhinein unter den Sozialhilfesatz sinken oder vermehrt sozialhilfebedürftig würde“ (BSG 30.06.2016, B 5 RE 1/15 R, Rn. 25; BSG 12.12.1995, 10 RKg 9/95, Rn. 25, 35). Dass der Kläger gerade „infolge“ des nachträglichen Wegfalls der Rente „im Nachhinein“ „für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum“ (BSG 26.08.1994, 13 RJ 29/93, Rn. 29) sozialhilfebedürftig oder vermehrt sozialhilfebedürftig würde, ist nicht ansatzweise ersichtlich und nicht einmal auch nur behauptet worden.
Mangels Atypik war der Beklagten mithin vorliegend kein Ermessen hinsichtlich der Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 11.02.2020 mit Wirkung für die Vergangenheit eingeräumt.
Die Beklagte hat hinsichtlich der Aufhebung des Bescheids vom 11.02.2020 mit dem Bescheid vom 22.11.2021 auch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten. Sie hat erst im November 2021 durch die Vorlage der Verdienstabrechnungen des Klägers Kenntnis von der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen und damit der Tatsachen erlangt, welche die Aufhebung des Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen. Ebenso ist bereits die Zweijahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X ersichtlich eingehalten, so dass es auf das Vorliegen der (hier gegebenen) Voraussetzungen für die Geltung der Zehnjahresfrist nach § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X schon nicht mehr ankommt.
Da die teilweise Aufhebung der Rentenbewilligung nach alledem rechtmäßig ist, hat auch die Erstattungsentscheidung Bestand. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist Voraussetzung für die Rückforderung der i.H.v. 263,82 € überzahlten Rente lediglich, dass der sie bewilligende Verwaltungsakt (durch die Verwaltung oder die Gerichte) aufgehoben worden und der Rechtsgrund für diese Leistungen dadurch nachträglich entfallen ist (statt vieler nur BSG 30.10.2013, B 12 R 14/11 R, Rn. 40). Ist - wie vorliegend - die Aufhebungsentscheidung sachlich richtig, beschränkt sich die Prüfung der Entscheidung über die damit korrespondierende Erstattung nur noch darauf, ob dem Erstattungsverlangen selbst Einwendungen entgegengesetzt werden können (BSG 01.07.2010, B 13 R 77/09 R, Rn. 61 m.w.N.). Fehler in der Berechnung des Erstattungsbetrags sind indes weder vorgetragen, noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.