Anwaltsgebühren - Verjährung - Ruhen des Verfahrens
Nach § 8 Abs. 1 S. 2 RVG sollen die in einem gerichtlichen Verfahren tätigen Prozessbevollmächtigten ihre Vergütung nicht nur und erst dann geltend machen können, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist, sondern unter anderem auch dann, wenn das Verfahren mehr als drei Monate geruht hat. Ein Ruhenstatbestand i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG, der nach Ablauf von 3 Monaten zur Fälligkeit der Anwaltsvergütung führt, ist erst gegeben, wenn das Gericht zu erkennen gibt, dass es das Verfahren nicht von sich aus, sondern nur auf Antrag einer der Parteien weiterbetreiben wird. Einer förmlichen Ruhensanordnung i.S.v. § 251 ZPO bedarf es insoweit nicht
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 5. Dezember 2022 (S 20 SF 8/22 E) wird zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
G r ü n d e
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Festsetzung der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein beim Sozialgericht Nordhausen anhängig gewesenes Verfahren (S 20 R 223/09) die Einrede der Verjährung entgegensteht.
Mit der am 20. Januar 2009 erhobenen Klage wandte sich der Kläger, vertreten durch den Beschwerdegegner, gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. August 2008 (Verrechnung einer Forderung der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Mittel- und Ostdeutschland mit der laufenden Rente des Klägers in Höhe von 50,00 € monatlich) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Dezember 2008 und beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). Für den Kläger sei beim Amtsgericht Mühlhausen das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Forderungen der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Mittel- und Ostdeutschland in Höhe von 2.472,86 € seien zum Insolvenzverfahren auch angemeldet. Insoweit könne keine Verrechnung der Forderungen erfolgen. Mit Beschluss vom 18. Mai 2011 bewilligte das Sozialgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdegegners. Dieser fertigte insgesamt vier weitere Schriftsätze und nahm an der mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2012, die von 11:20 bis 12:06 Uhr dauerte, teil. Die Beklagte teilte im Februar 2012 mit, dass der Kläger am 6. Februar 2012 verstorben sei. Sie beantragte das Verfahren nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 239 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu unterbrechen, bis ein Rechtsnachfolger das Verfahren aufnehme oder Erledigung erklärt werde. Das Sozialgericht verfügte am 8. August 2012 die statistische Erledigung des Verfahrens auf sonstige Art. Im August 2012 teilte der Beschwerdegegner mit, nach den ihm vorliegenden Informationen hätten sämtliche Erben ausgeschlagen. Im Dezember 2012 fragte er an, wie weiter verfahren werden solle. Mit Verfügung vom 20. Oktober 2015 teilte das Sozialgericht dem Beschwerdegegner mit, er möge beim Amtsgericht im genannten Verfahren die Erbschaftsverhältnisse klären und ggf. mit dem gesetzlichen Erben (Land) hinsichtlich der Fortführung des Verfahrens sprechen. Ohne ausdrückliche Wiederaufnahme bleibe das Verfahren ruhend. Im September 2017 fragte die Beklagte an, wann mit der Beendigung des Verfahrens gerechnet werden könne. Der Beschwerdegegner teilte im Februar 2018 mit, er könne keinerlei Erklärung zur Beendigung des Verfahrens abgeben. Im Februar 2019 fragte er an, wie nunmehr abschließend verfahren werden solle.
Mit Kostennote vom 20. November 2019 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung folgender Gebühren für das Klageverfahren:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG |
250,00 € |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
200,00 € |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme |
470,00 € |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
89,30 € |
Gesamtbetrag |
559,30 € |
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) wies den Beschwerdegegner zunächst mit Verfügung vom 16. Dezember 2019 darauf hin, dass die Vergütung nach § 8 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) noch nicht fällig sei. Aus ihrer Sicht sei die Angelegenheit noch nicht beendet.
Mit Beschluss vom 16. Januar 2020, zugestellt am 20. Januar 2020, ordnete das Sozialgericht die Aussetzung des Rechtsstreits nach § 202 SGG i.V.m. §§ 339, 246 Abs. 1 ZPO an. Mit diesem Beschluss werde die irrtümlich unterbliebene Entscheidung des Gerichts formal nachgeholt, weil bis dato keine Entscheidung über die Fortführung des Rechtsstreits getroffen worden sei.
Mit Verfügung vom 29. Januar 2020 erinnerte die UdG an die eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme. Sollte keine Stellung genommen werden, werde der Antrag auf Vergütungsfestsetzung mangels Fälligkeit der Vergütung zurückgewiesen. Der Beschwerdegegner erklärte hierzu, der Antrag vom 20. November 2019 möge als Vorschussantrag betrachtet werden.
Mit Schriftsatz vom 4. November 2020 erhob die Bezirksrevisorin - nach Einholung der Einwilligung der Präsidentin des Thüringer Landessozialgerichts zur Erhebung der Verjährungseinrede - im Namen der Staatskasse zum Vergütungsfestsetzungsantrag des Beschwerdegegners die Einrede der Verjährung. Der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts verjähre nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in drei Jahren. Die Verjährung beginne nach § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden sei. Die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs nach § 45 RVG richte sich nach § 8 RVG. Vorliegend sei die Fälligkeit bezüglich der Prozesskostenhilfevergütung mit dem Tod des Klägers am 6. Februar 2012 eingetreten. Mit Ablauf des 31. Dezember 2015 sei mithin der Anspruch auf die Prozesskostenhilfevergütung verjährt.
Die UdG lehnte mit Beschluss vom 8. Februar 2021 die Festsetzung einer Vergütung wegen Verjährung des Vergütungsanspruchs ab.
Hiergegen legte der Beschwerdegegner Erinnerung ein. Zur Begründung trug er vor, nach § 8 RVG werde der Vergütungsanspruch erst dann fällig, wenn der Auftrag bzw. die Angelegenheit beendet sei. Das Verfahren ruhe jedoch immer noch. Der Beschwerdeführer erklärte, mit dem Tod der PKH-Partei sei der Auftrag erledigt gewesen, bevor die Angelegenheit beendet gewesen sei. Selbst wenn man der Ansicht sei, dass der Auftrag mit dem Tod des Klägers nicht beendet gewesen sei, so sei die Vergütung dennoch verjährt. Mit dem Tod der Partei habe das Verfahren nach § 202 SGG i.V.m. § 239 ZPO geruht. Die Vergütung werde ebenso fällig, wenn das Verfahren länger als drei Monate ruhe (§ 8 RVG). Dass der formale Beschluss zur Feststellung des Ruhens des Verfahrens erst am 16. Januar 2020 gefasst worden sei, sei unschädlich, weil das Ruhen bereits kraft Gesetzes eingetreten sei. Damit sei die Vergütung spätestens am 7. Mai 2012 fällig geworden, was wiederum die Verjährung zum 31. Dezember 2015 nach sich gezogen habe.
Mit Beschluss vom 5. Dezember 2022 hat das Sozialgericht auf die Erinnerung des Beschwerdegegners die Vergütung für das Verfahren auf 559,30 € festgesetzt. Ein Ruhen des Verfahrens nach dem Tod des Klägers sei nicht angeordnet worden. Auch sei keine Unterbrechung eingetreten. Die Vollmacht zur Durchführung eines Verfahrens ende nicht mit dem Tod der Partei und eine Unterbrechung des Verfahrens sei im Hinblick auf die Fortgeltung der Prozessvollmacht nicht eingetreten. Eine Unterbrechung des Verfahrens sei erst mit Beschluss vom 16. Januar 2020 eingetreten. Ebenso führe der Tod des Auftraggebers im Zweifel nicht zur Erledigung des Auftrags. Für den im Rahmen der PKH beigeordneten Rechtsanwalt werde die Vergütung nach Aufhebung der Beiordnung fällig. Eine Aufhebung der Beiordnung sei jedoch nicht erfolgt. Selbst wenn man von einer Beendigung des Auftrages mit dem Tod der Partei ausgehe, würde dies hier zu keinem anderen Ergebnis führen, weil die Verjährung der Vergütung für eine Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nach § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG gehemmt werde, solange das Verfahren anhängig sei. Das Verfahren habe erst aufgrund des Aussetzungsbeschlusses vom 16. Januar 2020 geendet.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 12. Dezember 2022 Beschwerde eingelegt; er verweist auf seine Ausführungen im Erinnerungsverfahren. Das PKH-Verhältnis zwischen der Partei bzw. Anwalt und Staatskasse - aus welchem der beigeordnete Anwalt seinen Vergütungsanspruch ziehe - sei beendet. Mit dem Tod der Partei erlösche die Beiordnung, sodass eine Aufhebung der Beiordnung nicht notwendig sei. Die Bewilligung der PKH sei streng an die Person der Partei gebunden und erlösche mit deren Tod. Damit entfalle auch die im Rahmen der PKH erfolgte und von deren Bestand abhängige Beiordnung des Rechtsanwalts. Hiervon zu trennen sei die Prozessvollmacht, für die insoweit die allgemeinen Vorschriften der §§ 86 ff. ZPO gälten. Insoweit erlösche mit dem Tod des Rechtsanwalts die an dessen Person gebundene Beiordnung. Mit dem Erlöschen der PKH und dem Erlöschen der Beiordnung sei die Vergütung fällig geworden. Der Beschwerdegegner verweist auf die Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses, denen er sich anschließe.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das SG hat dem Kläger mit Beschluss vom 18. Mai 2009 PKH gewährt und er war kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 Satz 1 SGG. Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG).
Dem Anspruch des Beschwerdegegners auf Festsetzung der Vergütung nach § 55 RVG steht die durch die Bezirksrevisorin - mit Einwilligung der Präsidentin des Thüringer Landessozialgerichts - erhobene Verjährungseinrede nicht entgegen.
Nach § 8 RVG wird die Vergütung fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Ist der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, wird die Vergütung auch fällig, wenn eine Kostenentscheidung ergangen oder der Rechtszug beendet ist oder wenn das Verfahren länger als drei Monate ruht (Absatz 1). Die Verjährung der Vergütung für eine Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren wird gehemmt, solange das Verfahren anhängig ist. Die Hemmung endet mit der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des Verfahrens. Ruht das Verfahren, endet die Hemmung drei Monate nach Eintritt der Fälligkeit. Die Hemmung beginnt erneut, wenn das Verfahren weiterbetrieben wird (Absatz 2).
§ 8 RVG regelt die Fälligkeit des entstandenen Vergütungsanspruchs, d.h. die Frage, wann der Rechtsanwalt die Vergütung gegenüber dem Mandanten bzw. hier gegenüber der Staatskasse abrechnen kann. § 8 nennt fünf Fälligkeitstatbestände. Diese gelten auch für den Anspruch des beigeordneten oder bestellten Anwalts und des Pflichtverteidigers gegen die Staatskasse. Die Fälligkeitstatbestände sind gleichwertig. Ist auch nur einer erfüllt, so ist die Vergütung fällig. Es entscheidet also der frühste erfüllte Tatbestand (Ahlmann in: Riedel/Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 10. Aufl. 2015, RVG, § 8 Rn. 2).
Die Vorschrift dient der Rechtssicherheit, nicht nur im Bereich der Zivilprozessordnung (ZPO), sondern im gesamten Anwendungsbereich des RVG. Es geht sowohl um die Befriedigung des Anwalts als auch um die im Interesse aller Beteiligten liegende alsbaldige Klärung des Vergütungsanspruchs und des Beginns der Verjährungsfrist. Dies ist bei der Auslegung der Vorschrift mit zu beachten (vgl. Toussaint in: Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl. 2020, § 8 Rn. 6).
Die Fälligkeit der Vergütung ist nicht deshalb eingetreten, weil der Auftrag des Beschwerdegegners mit dem Tod des Klägers am 6. Februar 2012 beendet war (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 RVG). Der Senat schließt sich insoweit der überwiegend in der Literatur vertretenen Auffassung an (vgl. Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, § 8 RVG Rn. 15, Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, § 8 RVG <auch durch Tod der Partei und durch Aufhebung der Beiordnung>, Bischhof in: Bischhof · Jungbauer · Bräuer · Hellstab · Klipstein · Klüsener · Kerber, RVG, 8. Aufl. 2018, § 8 Rn. 26 <Der Auftrag endet noch nicht durch den Tod der Partei. - dort allerdings am Ende: Fällig wird die Vergütung für den i.R.d. PKH beigeordneten Anwalt durch den Tod der bedürftigen Partei.>, Gierl in: Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl. 2021, § 8 Rn. 21, BeckOK, RVG, Stand 01.09.2021, § 8 Rn. 10), dass der Tod des Auftraggebers nicht regelmäßig die Beendigung des Auftrags zur Folge hat. Zur Begründung dieser Ansicht wird regelmäßig auf § 672 BGB Bezug genommen, wonach der Auftrag im Zweifel nicht durch den Tod oder den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Auftraggebers erlischt. Der Beendigung des Auftrags durch den Tod steht auch § 202 SGG i.V.m. § 246 ZPO entgegen, wonach u.a. in den Fällen des Todes bei Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten eine Unterbrechung des Verfahrens nicht eintritt. Das Prozessgericht hat (erst) auf Antrag des Bevollmächtigten, in den Fällen des Todes oder der Nacherbfolge auch auf Antrag des Gegners, die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen. Die Vorschrift dient dem ungestörten Fortgang des Prozesses, aber auch dem Schutz des nach § 86 ZPO weiterhin Bevollmächtigten (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 246 ZPO Rn. 1). Dem Ergebnis, dass der Auftrag nicht durch den Tod beendet wird, steht nicht entgegen, dass die PKH mit dem Tod des Klägers für die Zukunft endet (vgl. Schultzky in: Zöller, a.a.O., § 118 Rn. 8). Dies hat z.B. zur Folge, dass Erben, wenn sie den Prozess aufnehmen, für zukünftige Kosten haften. Zur Beendigung des von dem Verstorbenen erteilten Auftrags des Prozessbevollmächtigten enthält diese Vorschrift keine Regelung.
Insoweit kommt auch keine Fälligkeit der Vergütung durch Beendigung der Angelegenheit mit dem Tod des Klägers im Februar 2012 in Betracht (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 RVG).
Eine Kostenentscheidung ist nicht ergangen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 RVG).
Die Fälligkeit der Vergütung ist auch bis zum heutigen Tag nicht durch die Beendigung des Rechtszuges eingetreten (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 RVG). Der Rechtszug wurde weder durch eine gerichtliche Entscheidung in der Sache, noch durch eine Klagerücknahme, ein Anerkenntnis oder einen Vergleich beendet.
Die Fälligkeit der Vergütung des Beschwerdegegners ist allerdings durch das Ruhen des Rechtsstreits eingetreten (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 RVG).
Wann das Ruhen zur Fälligkeit der Vergütung führt, wird in der Literatur unterschiedlich bewertet. Anerkannt ist, dass „Ruhen“ i.S.d. § 8 RVG ein gebührenrechtlicher Begriff ist. Er umfasst das prozessuale Ruhen (§ 251 ff. ZPO), beschränkt sich aber nicht auf dieses (vgl. Ahlmann, a.a.O., § 8 Rn. 19, Bischof, a.a.O., § 8 Rn. 48, Mayer, a.a.O., § 8 Rn. 29). Streitig ist jedoch, ob es ausreicht, dass in der Sache tatsächlich nichts geschieht. Dabei wird in der neueren Rechtsprechung und Kommentarliteratur überwiegend gefordert, dass das Gericht durch sein Verhalten zu erkennen geben müsse, es werde das Verfahren bis auf Weiteres nicht betreiben. Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Tritt der Wille des Gerichts, das Verfahren bis auf Weiteres nicht zu fördern, erkennbar zutage und unternehmen die Parteien hiergegen nichts, so ist ihnen der Verfahrensstillstand zuzurechnen (Ahlmann, a.a.O.,§ 8 Rn. 19, Gierl, a.a.O., § 8 Rn. 48 unter Verweis auf Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 17. November 2011). Einer förmlichen Ruhensanordnung bedarf es insoweit nicht.
Das SG hat den Beteiligten erstmals mit Verfügung vom 20. Oktober 2015 nach außen ersichtlich zu erkennen gegeben, dass es das Verfahren nicht weiter fördern wolle. Zuvor wurde der Rechtsstreit im August 2012 statistisch ausgetragen. Eine Information der Beteiligten hierüber ist nicht erfolgt. Der Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens war zudem noch offen. Auf den Schriftsatz des Beschwerdegegners vom 27. August 2012 erfolgte keine Reaktion des Gerichts, auf den Schriftsatz vom 4. Dezember 2012 wurde wiederum telefonisch Rücksprache mit dem Beschwerdegegner gehalten. Laut Aktenvermerk über ein Telefongespräch vom 6. Dezember 2012, wollte der Beschwerdegegner das Verfahren nicht ohne Weiteres beenden, vielmehr wollte er beim Amtsgericht eine Nachlasspflegschaft anregen.
Die Vergütung des Beschwerdegegners ist dann - drei Monate später - erst im Jahr 2016 erstmals fällig geworden. Die Verjährung begann nach § 195 BGB am 31. Dezember 2016 und endete am 31. Dezember 2019. Der Vergütungsanspruch des Beschwerdegegners war am 27. November 2019 (Eingang der Kostennote beim SG) noch nicht verjährt.
Die Höhe der vom SG - ohne weitere Begründung - festgesetzten Vergütung des Beschwerdegegners ist nicht zu beanstanden.
Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach herrschender Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht. Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet.
Dem Beschwerdegegner steht die Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3102 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr (250,00 €) zu. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war im Vergleich mit den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. Thüringer Landessozialgericht <Thüringer LSG>, Beschluss vom 19. August 2011 - L 6 SF 872/11 B m.w.N., nach juris) durchschnittlich. Der durchschnittliche Umfang orientiert sich am Leitbild der zugehörigen Verfahrensordnung am Ablauf eines Verfahrens (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 13. August 2015 - L 6 SF 515/15 B), jeweils bezogen auf das in der jeweiligen Gebührenziffer umschriebene Tätigkeitsfeld. Zu berücksichtigen ist dabei der zeitliche Aufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieb und objektiv verwenden musste (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R, nach juris). Hier fertigte der Beschwerdegegner zur Begründung der Klage einen Schriftsatz, der knapp zwei Seiten umfasste und bis Februar 2012 vier weitere - wenn auch teilweise sehr kurze Schriftsätze. Zudem musste er sich auf den Gerichtstermin vorbereiten. Die objektive Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit bewertet der Senat als durchschnittlich. Die Bedeutung der Angelegenheit für den i.S.d. PKH bedürftigen Kläger ist bei Geltendmachung einer Erstattungsforderung in Höhe von insgesamt 2.472,86 € überdurchschnittlich. Hierdurch werden seine unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisiko des Beschwerdegegners ist nicht ersichtlich.
Die Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 2 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV RVG ist in Höhe der Mittelgebühr (200,00 €) festzusetzen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war bei einer Dauer des Termins von 46 Minuten leicht überdurchschnittlich (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 20. Juli 2017 - L 6 SF 1115/15 B m.w.N., nach juris). Hinsichtlich der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger nimmt der Senat auf die Ausführungen zur Verfahrensgebühr Bezug.
Zusätzlich zu vergüten sind die Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG und die Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG).
Danach errechnet sich die Vergütung des Beschwerdegegners wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG |
250,00 € |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
200,00 € |
Post-/Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme |
470,00 € |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
89,30 € |
Gesamtbetrag |
559,30 € |
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).